Stellen Sie Jakob Fricke ein


Fast täglich erreichen mich Blindbewerbungen von Jobsuchern. Manche davon wollen mich optisch einnehmen. Die meisten wandern gleich in meinen Papierkorb. Wenn sich jemand mit FontShop auseinander gesetzt hat, bekommt sie/er eine Antwort. Letzte Woche erregte eine herausragende Bewerbung für einen Praktikumplatz meine Aufmerksamkeit: völlig »ungestaltet« (und damit doch gestaltet) und wunderbar geschrieben. Weiterlesen ...

Sie kam von Jakob Fricke aus Burgdorf bei Hannover. Und er hat alles richtig gemacht:

1. Versandart: per Post statt per E-Mail
2. Umfang: 2 Seiten
3. Inhalt: zwei knappe Sätze als Anschreiben, eine Seite Lebenslauf mit Begründung
4. Foto: keines (ja, das geht und funktioniert)
5. Arbeitsproben: keine (wunderbar)
6. Kontakt: alles, einschließlich E-Mail

Bedauerlicherweise hat FontShop zur Zeit keinen Bedarf für eine/en Praktikantin/en. Trotzdem haben wir nachgedacht, gegrübelt und überlegt. Einfach weil die Bewerbung von Jakob Fricke so überzeugend war. Heute habe ich mich kurz per E-Mail mit ihm verständigt und ihn gebeten, aus seiner Selbstdarstellung zitieren zu dürfen. Er gab sein OK und teilte mir mit, dass er bereits interessante Gespräche führt. Ich beneide seinen zukünftigen Arbeitgeber.

»Ich bin Jakob Fricke, geboren 1985 in Ribbesbüttel, nahe Gifhorn. Ich habe einen Bruder und eine Schwester, die noch zur Schule gehen. 1987 ist meine Familie nach Burgdorf bei Hannover umgezogen.
Ich habe 13 Jahre lang die Freie Waldorfschule Hannover-Bothfeld besucht. In der 10. Klasse war ich über ein halbes Jahr lang in Straßburg, um besser in die französische Sprache zu kommen. Im Sommer dieses Jahres habe ich mit dem Abitur abgeschlossen.
In den letzten zweieinhalb Jahren habe ich mit meinem Vater zusammen in unserer Agentur für Künstlerisches Handeln und Visuelle Kommunikation gearbeitet (www.achtundblau.de). Meine Arbeitsschwerpunkte waren das konzeptionelle Erarbeiten und das Gestalten von Print- und digitalen Medien.
Dabei hat sich ein Interesse für kreative und ästhetische Fragestellungen entwickelt. Wie kommt das Neue in die Welt? Wie kann es sich ausdrücken? Wie entstehen neue Ideen? Was spricht es in uns an, was bewegt es? Mich interessiert der Zusammenhang zwischen Form und Inhalt, das Verhältnis von Raum und Fläche, von Form und Farbe, Bewegung und Ruhe, Distanz und Nähe...
Meine Interessen sind vielfältig: Ich lese gern, Tageszeitungen, Bücher, Magazine. Ich gehe gern ins Kino, bin filminteressiert. Ich habe eine große Sammlung ausgewählter Musik und bin an Fragen der Zeit, am Zeitgeschehen in all seinen Facetten interessiert.
Ich suche für ein Jahr, das Jahr zwischen der gerade beendeten Schulzeit und dem geplanten Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Witten/Herdecke eine Aufgabe.
Wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Vorgänge haben mich schon relativ früh interessiert. Ich finde es interessant, wie Menschen Ideen umsetzen, wie sich Gedanken in Produkten und Dienstleistungen manifestieren, wie sich Menschen zu Gruppen zusammentun, um gemeinsam etwas zu bewegen, wie Menschen zu Gruppen zusammengestellt werden, da sie etwas bewegen sollen. Mich interessiert, wie soziales Miteinander organisiert wird, wie geformt wird: Soziale Prozesse, Produkte, Gedanken, der Außenauftritt... Mich interessiert, wie mit vorhandenen Ressourcen umgegangen wird.
Aus diesem Interesse resultiert zum einen mein Wunsch, Wirtschaftswissenschaften zu studieren, zum anderen dieses eine Jahr vorweg einen Einblick in einen wirtschaftlichen Prozess zu bekommen. Und abgesehen davon: Mich interessiert, wie die Welt außerhalb der Schule wirklich funktioniert. Ich möchte prüfen, ob die Wirtschaftswissenschaften wirklich das sind, was ich studieren möchte.
Meine Kompetenzen und Fähigkeiten sehe ich im Umgang mit dem Computer, im Gestalten. Ich kann Aufgaben selbständig lösen und scheue mich nicht vor Arbeit. Ich bin ebenso offen, Neues zu lernen.
Ich biete Ihnen meine Arbeitskraft und meine Kompetenzen an. Ich wünsche mir eine Aufgabe, die mich fordert, die mir Freiräume lässt, die verantwortliches Handeln verlangt.«

Dieser Text ist auch ein Beweis dafür, dass man sich nicht unbedingt lehrbuchhaft bewerben muss. Persönlichkeit geht über Buchwissen.

Herausgegeben: Mo - August 29, 2005 at 12:42 nachm.         |


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