Endlich: der »iA Writer« fürs kreative Schreiben
Ich schreibe diesen Text mit einer neuen Software, einer App, auf dem iPad. Sie heißt schlicht »Writer« und stammt aus dem Labor der Information Architects (iA). Writer hat ein schlichtes Ziel, nämlich das (kreative) Schreiben so einfach wie möglich zu machen. Andere Textprogramme wollen mehr, meistens ALLES, erledigen können: das Verfassen von Briefen, Vorträgen, Drehbüchern, Doktorarbeiten, Angeboten, Rechnungen, Präsentationen bis hin zu deren visueller Aufbereitung.
Daher sind für mich als Autor die meisten Textverarbeitungen unbenutzbare Dinosaurier, die mit überflüssigen Funktionen und gekünstelter Intelligenz vom Wesentlichen ablenken … dem Denken und Aufschreiben. Nicht umsonst verfasse ich meine journalistischen Texte seit Jahren mit dem spartanischen Mac-Programm »TextEdit«, davor mit »SimpleText«, und davor — das war zwischen 1986 und 1992 — mit Microsoft Word v 1.14 … bis dieses sich nicht mehr mit dem Mac OS 7 vertrug.
Weil ich aus Kollegengesprächen weiß, dass ich mit meinem Bedürfnis nicht alleine bin, frage ich mich oft, warum keines der großen Softwarehäuser, aber auch kein kleines, in der Lage ist, einen simplen Texteditor auf den Markt zu werfen. Vielleicht kann man damit nicht reich werden, was mich wundert, denn es gibt jede Menge nützlicher und preiswerter Utilities. Wahrscheinlich ist die marktbeherrschende Rolle Microsofts eine der Ursachen … und die Mutlosigkeit ihrer Nachahmer und Mitläufer (z. B. Open Office).
Nun gibt es seit einigen Monaten das iPad, das auf der fruchtbaren App-Infrastruktur des iPhones aufsetzt, wo Programme nicht viel kosten, aber Erstaunliches leisten. Und so dauerte es nicht lange, bis die erste Ankündigung einer simplen Schreib-App an mein Ohr drang, das war im Mai diesen Jahres auf der TYPO Berlin Designkonferenz. Oliver Reichenstein, Gründer und Geschäftsführer des schweizerisch-japanischen Designbüros Information Architects zeigte die ersten Screenshots seiner »Writing Machine«. Was er dazu erzählte, sorgte nicht nur bei mir für Begeisterung, sondern für Applaus im ganzen Saal.
Seit gestern ist der »Writer«, so der endgültige Name (mit türkischem i), im App-Store erhältlich (3,99 €; eben auf Platz 10 der Top-Kauf-Apps in Deutschland). Weil das Programm so einfach funktioniert wie eine Schreibmaschine, gibt es eigentlich nicht viel darüber zu schreiben. Und doch will ich ein paar Features ganz kurz aufzählen:
- Focus-Modus: 3 Zeilen scharf, der Rest grau
- Eigene Tastaturzeile für wichtige Schreibfunktionen
- Ablage/Speichern in die Wolke (Dropbox)
- angenehme, dezente Sounds
- eine der schönsten Korrespondenzschriften, Nitti Light von Bold Monday
- Zähler für Anschläge und Lesedauer
Dieser Text: 2683 Anschläge, 01:56 min Lesezeit.
22 Kommentare
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Gerd Wippich
Ein sehr schönes App, vielen Dank an Oliver Reichenstein und iA. Weil ich bislang noch kein iPad-Benutzer bin, freue ich mich natürlich schon auf die Desktop-Version, mit Word und Character Count…
Joël
Es gibt doch unzählige Programme für alle Plattformen, die genau das gleiche Konzept verfolgen! Ein paar zufällig ausgewählte:
Darkcopy: http://darkcopy.com/
Pyroom: https://edge.launchpad.net/pyroom
Writeroom: http://www.hogbaysoftware.com/products/writeroom
Also wirklich die große Neuerung ist das ja nun mal nicht, wobei es bisher wohl keine solche App fürs iPad gibt. Für richtige Computer allerdings schon länger ;)
ganzunten
Und wie schreibt man entspannt auf dem iPad? Mit Dock? Gebückt auf dem Schoß? Liegend und einhändig, oder wackelnd auf dem Tisch?
Salim Maren
Ich finde die App überbewertet. Alle bekannten Features aus einem Texteditor weglassen. Wow wie innovativ.
Dominik
Focus-Modus? So schwer wird es doch nicht sein, im eigenen geschrieben Text nicht hin- und herzuspringen, oder? Und warum sind dezente Sounds beim Schreiben besser als gar keine?
Jürgen Siebert
@ganzunten: Zu Hause mit der Bluetooth-Tastatur, unterwegs am Touch-Screen, warum ich mich dabei bücken soll, ist mir nicht so klar … Liegend hab ich noch nicht ausprobiert.
@Salim Maren: Less is more
PPAAUULL
Tolle Idee. Den Screenshots nach zu Urteilen auch eine sehr überzeugende Umsetzung, aber:
· Auf dem iPad kann ich persönlich nicht gut schreiben. Und ohne Autokorrektur sähe das bei mir wirklich wild aus. Zumindest würde ich sie mir als Option wünschen.
· Es ist eine iPad-App. Wie viele ernsthaft schreibende Menschen haben ein iPad und arbeiten damit? Das ist doch wirklich albern so eine Idee am iPad umzusetzen. Und selbst wenn es von den Verkaufszahlen und der Resonanz her ein Erfolg werden sollte, finde ich es schlichtweg doof — und auch etwas elitär — so ein Programm vorerst ausschließlich für das iPad herauszubringen.
· der Einwand von ganzunten
Martin John
Ich schon. Normalerweise arbeite ich am Desktoprechner, deshalb lohnt sich für mich kein aufgebrezeltes Laptop. Wenn ich doch mal unterwegs bin, ist das ipad sehr nützlich und mit der Anstecktastatur sogar brauchbar.
Was Schreibprogramme angeht, geht es mir wie Jürgen: SimpleText, Textedit etc. – weil das ganze Gedöns von Word oder Indesign nur dazu führt, dass man anfängt seinen Text hübsch zu formatieren und so den Schreibprozess unterbricht.
Jürgen Siebert
@alle: Warum ist es eigentlich so dauerhaft unerträglich für (ich dachte immer aufgeklärte) Digitalmenschen, einfach mal einem neuen Ansatz eine Chance zu geben. Stattdessen versucht man die Menschen, die sich dafür einsetzen und die App mit Freude begrüßen ins Lächerliche zu ziehen. Niemand zwingt euch ein iPad zu kaufen oder eine App für 3,99 € zu laden. Wenn ihr es nicht aushalten könnt, dass es andere tun, ladet euren Frust doch nicht bei anderen ab. Macht einen Spaziergang … es soll heute über 20 Grad warm werden.
@PPAAUULL: Wie mein 3. Screenshot zeigt, unterstützt der iA Writer die Standard-iPad-Rechtschreibkorrektur.
Hans Schumacher
Simple Text als Schreibwerkzeug der Wahl, da fühlt man sich ja richtig bestätigt (nehm ich auch immer) … startet wo auch immer auch so schnell, dass der Gedanke noch nicht weg ist, bevor man ihn niedergeschrieben hat (nehm ich zB für Lyrics, ernsthaft) … fatale Folge der Neigung für den Bildschirm: diverse dennoch geführte analoge Kladden bleiben halb leer und mahnen, mal wieder den Stift zu gebrauchen, oder reinzuschauen, was nun eigentlich da drin steht. Was nun besser ist …
PS: Was mich mal interessieren würde: Kann man auf den virtuellen Tastaturen Zehnfinger-Tipptechnik verwenden oder geht nur Adlersuchsystem ? (eine Frage an die professionell tätigen Herren … rudimentäre Zehnfinger-Kenntnisse machen einen noch nicht zum Setzer, sind aber ungemein hilfreich zb hier beim Blogbeitrag schreiben … )
DanU
Als Oliver auf der Typo10 einen spannenden Ausblick gegeben hat ist vielen schon das Wasser im Mund zusammengelaufen, denn tatsächlich gibt es die von joel angesprochenen ansätze die aber (mich) nicht 100% glücklich machen. alle die mehr schreiben als blogbashing (teilweise s.o.) wissen welche probleme auftauchen können. ich nutze seit 2 jahren Scrivener http://www.literatureandlatte.com/scrivener.html habe dort aber einige unerfüllte wünsche, auch wenn ich die gliederungsfunktionen, den fullscreen-schreibmodus und das einbinden von links und bildmaterial schon sehr hilfreich finde im vgl zu textedit. dass ist eben der „witz“ daran, möglichst simpel zu bleiben aber dann doch genug techn. möglichkeiten zu haben (>salim, schreibst du grad deine diss – oder disst du nur?). bin gespannt die desktop version von Writer zu testen! @jürgen: http://bit.ly/aStajF ;)
Jürgen Siebert
Danke, DanU, für den Link zum Plakat … hat mich aufgebaut :)
DanU
achja einer noch – die korkboard optik in scrivener hat mich fast dazu bewogen es nicht zu kaufen (nach 30 tagen demo) aber in den guten video tutorials lernte ich dann wie man sie ausschalten kann ;) man kann es kann clean oder üppig „gestalten“
DanU
@jürgen – deine zeit hm? ;) gerne!
mart
Ich habe mir die app aufgrund der empfehlung hier inzwischen besorgt und sitze gerade gefrustet damit im bus. Es mag irgendwo prefs oder optionen zum anpassen geben – finden kann ich sie allerdings nirgens. Eine hilfe, innerhalb des programmes oder auf der produzentenwebsite habe ich ebenfalls nich entdecken können. Meinen text habe ich versehendlich gelöscht, und da es anscheinend keine möglichkeit gibt, ein dokument nicht zu speichern (zurück zur letzten version), kann ich nun noch einmal anfangen. Kann sein, dass ich mich einfach gerade sehr, sehr blöd anstelle – aber mir kommt es momentan eher so vor, als würde das programm mich eher behindern als unterstützen!
Salim Maren
kein diss, nur meine meinung zu einer ‚gehypten‘ app – deren funktion ich nicht wirklich nachvollziehen kann.
Jürgen Siebert
@mart: Es gibt keine Prefs und Optionen, was sicherlich ungewöhnlich ist aber dem radikalen Reduce-to-the-max-Konzept entspricht. Gespeichert wird automatisch, löschen kannst Du nur das Komplettdokument im Dokumentenfenster. Eine Versionshistorie ist nicht vorgesehen.
Du solltest Dir einen kostenlosen Dropbox-Account anlegen (Wolke), der nicht nur Sicherheitskopien speichert sondern Deine Texte am Desktop-Rechner sofort verfügbar macht; auch das Benennen von Dokumenten geschieht auf Dropbox.
Letzter Tipp: Hier gibt es die Bedienungsanleitung und die Philosophie: http://www.informationarchitects.jp/en/writer-for-ipad
Oliver Reichenstein
Ich lese alle Kommentare von Leuten, die die App tatsächlich getestet haben mit grossem Interesse, da sie mir helfen, die App zu verbessern.
Dass Dokument-Handling auf dem iPad schwierig ist, weiss man. Ich denke, wir sind da im Vergleich zu Pages relativ gut unterwegs. Aber ich bin ja auch der Hyperfritz… und was für einer! Wir sind nun #11 im US App Store, #6 unter Productivity Apps. Prost!
joe
äh, kriegt man jetzt nitti für $4? hab zwar kein ipad, mag aber die schrift :)
mart
Pages hat immerhin multiple undo, writer hingegen … Nix. Nicht mal einfaches undo! Auch wenn Jürgen die lackierung gefällt, die ja auch zweifellos recht schick ist: das ist nicht reduce-to-the-max, das ist reduce-to-the-useless!
Chrs
Apropos iPad: Warum musste ich beim (dritten Bild des) heutigen Dilbert-Comicstrips bloß an Apple und deren Kundschaft denken: http://dilbert.com/strips/comic/2010-09-23/
Marco Merken
kleiner Hinweis, die APP gibt es gerade für unschlagbare €0,79 und ich bin sehr zufrieden damit.
Was das Schreiben unterwegs betrifft, so stellt dies für mich kein Problem dar, da wir aus genau diesem Grunde eine eigene Tasche in die Realität gebracht haben.
Das iPad ist für uns ein kleines, geniales, überaus mobiles Schreibsystem mit extrem langer Akkulaufzeit und allein dieses sollten sich manche Kommentar schreibende Personen einfach mal vor Augen führen.
Die Leistungen, welche diese APP zur Verfügung stellt, sind nur schwerlich für Menschen zu verstehen oder gar zu begreifen, welche noch nie ein Buch oder ähnliches mit einem Computersystem umgesetzt haben.