Vier unfaire Designwettbewerbe prämiert
AGD Pressesprecherin Heide Hackenberg (links) verkündet die Ergebnisse des Wettbewerbs »Fidius Faire Designpreise«, unterstützt von den Jury-Mitgliedern Tassilo von Grolman (Mitte) und Alexander Bretz (Create Berlin e. V.)
Vor einem Jahr wurde in Düsseldorf der Verein Fidius gegründet, eine Initiative, die unfaire Design-Wettbewerbe entlarven möchte. (Fontblog berichtete). Über zwölf Monate hat Fidius eine Vielzahl von Design-Wettbewerbe beobachtet, die dem Verein nach und nach gemeldet wurden. Meistens gingen Beschwerden über unfaire Ausschreibungen ein, mit denen sich die Veranstalter die Arbeit professioneller Gestalter per Selbstbedienung aneignen wollen bzw. aus dem Wettbewerb vorwiegend eigene Vorteile ziehen.
Auf einer Pressekonferenz eben in Berlin hat Fidius vier »Negativpreise« in den Bereichen Foto-, Mode- Produkt- und Kommunikationsdesign vergeben. Als Lichtblick gab es auch einen Sonderpreis für einen vorbildlichen Wettbewerb.
4 Fidius-Fliegenfänger für unfaire Ausschreibungen
Je ein Fidius-Fliegenfänger geht in den Bereichen Kommunikations- und Modedesign an die Brauereien Becks und Bitburger sowie im Bereich Fotodesign an den Automobil-Hersteller Mazda. In der Kritik stehen deren Wettbewerbe »Beck’s it« (Fontblog berichtete) , »Passion is fashion« und »Zoom-Zoom«. Erschreckend sei bei allen drei Ausschreibungen die geringe Wertschätzung von Leistung und Urheberschaft, indem sich die Veranstalter allein durch die Einreichung sämtliche Rechte an allen Arbeiten sichern.
Den vierte Fliegenfänger geht im Bereich Produktdesign sicherten sich das Ministerium für Wirtschaft und Technologie der Bundesrepublik Deutschland und der Rat für Formgebung als ausschreibende bzw. veranstaltende Institutionen des »Designpreises der Bundesrepublik Deutschland« (Fontblog berichtete mehrfach). Dieser als »Preis der Preise« hervorgehobene Wettbewerb beinhaltet eine Fülle von Mängeln, welche die Veranstalter trotz öffentlicher Kritik und einer mehrstündigen Diskussion mit Fidius im Wirtschaftsministerium nur ansatzweise behoben haben.
Tausende von Kreativen erhalten alljährlich die frohe Kunde, für diese besondere Auszeichnung „»nominiert« zu sein. Dafür zahlen sie in Unkenntnis der nominierten Massen 210,– € und hoffen auf die in Aussicht gestellte Superchance, einer von 25 endgültig ausgewählten Teilnehmern zu sein, die dann wirklich den »Designpreis der Bundesrepublik Deutschland« erhalten, wofür allerdings noch einmal ein Betrag von 2 900,– € zugunsten des Veranstalters fällig wird. Auf diese Art und Weise kamen 2006 rund 270 000,– € zusammen, womit sich jeder der Auserwählten seinen Preis teuer erkauft hat. Die Frage von Fidius, wie groß die Zahl der »Nominierten« tatsächlich ist und auf welcher Grundlage diese »Nominierten« ermittelt werden, wurde weder vom Ministerium noch vom Rat für Formgebung beantwortet. Das Verfahren bleibt undurchsichtig.
Fidius-Leuchtturm für eine faire Ausschreibung
Als leuchtendes Beispiel wurde heute die Ikea-Stiftung von Fidius mit einem Sonderpreis bedacht. Sie hatte zu ihrem 25-jährigen Bestehen einen Wettbewerb zum Thema »Wohnen in der Zukunft« ausgeschrieben, der die wichtigsten Voraussetzungen für einen vorbildlichen – kategorieübergreifenden – Wettbewerb erfülle. Und es wurden nach Auskunft der Institution 10 mal 25 000,– € ausgegeben, so dass die prämierten Konzepte auch realisiert werden können. Somit habe die Ikea-Stiftung aus Sicht von Fidius den Positivpreis in Form eines Leuchtturmes klar verdient.
Fidius kann mit seiner erstmals stattfindenden Negativ- bzw. Positiv-Proklamierung sicher nicht von heute auf morgen unfaire Wettbewerbe verhindern. Der Verein werde die jährliche Bewertung und Vergabe so lange fortführen, bis sich ein für beide Seiten
– ausschreibende Unternehmen und Designer – ausgewogenes Verhältnis eingestellt hat. Der Stoff wird den Preis-Wächtern sicher nicht ausgehen. Langsam wächst der Unmut vielen Kreativer über das Crowdsourcing.
22 Kommentare
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Herold
wie schlecht is das denn – der Fidius?!? Hä?
Oliver Adam
… und die Urkunden hätte man auch schöner gestalten können. Sieht doch arg nach Billig-Clip-Art aus. Und dann noch falsche Anführungszeichen …
Oliver Adam
… wie wärs mit einem fairen Wettbewerb zur Gestaltung der Urkunden ;-)
Christian
Auch Marketing für design darf gut gestaltet sein :-)
Trotzdem: Gibs Ihnen, Heide!
Michael
Die beiden Herren in Sitzposition sehen auch nicht gerade vertrauenserweckend aus.
Thomas Edelmann
Hier geht es nicht um aufrechtes Sitzen, oder hässliche Urkunden: Dieser Negativ-Preis ist vielleicht nicht schön, aber er ist wichtig, weil er die Debatte um Sinn und Zweck der Auszeichnerei fortführt. Man muss ja als Designer nicht über jedes Stöckchen springen, das einem hingehalten wird, oder?!
Alex
Wie oberflächlich hier doch einige das Thema behandeln…
Kay
Gut, dass es diese Stiftung gibt :)
HD Schellnack
Designwettbewerbe der Z-Liga sind derzeit ganz definitiv die Pest. Es gibt zu viele Leute in der Branche, die drauf anspringen. Sie senken den Wert der Arbeit, den Wert des Ergebnisses, den Wert von Design als Lebensfaktor im allgemeinen und damit – und DAS ist das schlimme – den verantwortungsbewussten, behutsamen Umgang damit. Was mich am meisten ärgert: Jeder scheiß wird inzwischen «designed» (nen wir es lieber gepimpt), weils ja nüscht kostet. Das Ergebnis ist dann ernsthaft so genanntes Corporate Design für 3-Mann-Betriebe und crowdgesourcte Logos für 40 Dollar.
Die Designer sollten sich ansehen, wo die Druckereien durch die KOMPLETTE AUSTAUSCHBARKEIT der Druckleistung heute gelandet sind, es zählt (fast) NUR noch der Preis. Ausschreibung und fertig.
Frage ist, wollen WIR das auch?
jamie oliver
Andererseits lässt sich Design nicht schubladisieren. Schlussendlich gibt es verschiedene Nischen, wo auch Leute mit unterschiedlichen Orientierungen und Fähigkeiten arbeiten. Und das ist auch gut so.
An so „unfairen“ Wettbewerben nehmen nunmal oft Studenten teil, die es gewohnt sind ausgenommen zu werden (siehe Praktikumslöhne mit dem Versprechen auf evt. Anstellung). Oder Leute wie ich die gerade ein paar Stunden langweile haben. Und für uns stimmt es schnell mal.
Aber mal ehrlich. Was heisst den schon fair? Wie schon bei der Mister Wong Diskussion: jeder weiss auf was er sich einlässt. Wenn das Geld oder der Preis auch stimmt wieso nicht? Man muss sich selber auch nicht immer so ersnt nehmen. Selten genug produzieren wir was wirklich Grossen, selten genug für einen Wettbewerb.
HD Schellnack
Es geht ja nicht nur um fair oder unfair.
Was mich – persönlich – am meisten wurmt, ist der Wettbewerb als solcher. Die Übertragung der Idee von «Deutschland sucht den Superstar», also das Casten von Talent auf den Bereich des Entwerfens funktioniert nicht so nahtlos. manchmal machen Wettbewerbe ja Spass, klar – einfach angesichts eines Themas etwas Entwickeln und sehen, was passiert, vor allem wenn es fair bezahlt wird. Aber tief drinnen weiss man doch, dass man im Vakuum arbeitet. Die besten Sachen kommen, wenn man im PingPong, gemeinsam im Kunden, im Austausch, in ständiger Kommunikation, im Dialog, in Schwingung arbeitet. Nur so kann das Design auch vom Kunden selbst initiiert, ergo authentisch sein.
Wettbewerbe sind Faulheit. Man schmeißt viel Scheisse an die Wand und nimmt, was klebenbleibt. Aber besser wird der Shit dadurch ja auch nicht.
In der architektur haben sich (teilweise unbezahlte) Wettbewerbe als Standard durchgesetzt, im Design gibt es ähnliche Tendenzen, vond enen eigentlich nur große Büros mit großem Overhead profitieren.
Wir sollten alle zusehen, dass der Trend sich wendet… denn die Designkultur lebt von kleinen, aktiven, kundennahen Büros, nicht von anonymen Wettbwerben und Massenstyling.
Jürgen
Siehe auch: Berliner Zeitung, 25. 08. 2007, »Für ein paar Kästen Bier«
Jürgen
Siehe auch: TAZ, 24. 08. 2007, »Ideenklau per Wettbewerb«
jamie oliver
Ich denke nicht das der Trend gleich wie in der Architektur Richtung „Wettbewerb als Broterwerb“ geht. Das fänd ich komisch. Ausserdem ist es klar das bessere Sachen durch ein Ping Pong Kunden – Designer entstehen. Darum werden auch Wettbewerb gute Arbeit nicht verdrängen. genau gleich nicht wie „exklusiver Schriftenverkauf via Ebay“ das Entwickeln von eigenen Hausschriften nicht verdrängen will.
Sachliche, seriöse Arbeit wird immer ihren Preis haben, aber auch immer bestand haben.
Und sind wir ehrlich: wettern über den Unsinn von Wettbewerben wird doch nur weil man das Gefühl hat, das dabei einem selbst Arbeit weggenommen wird. Obwohl das wohl kaum so ist. Ich finde man dürfte ruhig ein wenig lockerer werden im Bezug zu Hobby Webdesigner, Jugendliche 3d Künstler, Studenten die die Preise dumpen, Wettbewerbsteilnehmer die die Unterdrückungsmaschinier von Grosskonzernen unterstützung usw.
So Landen wir nämlich hier:
http://www.businessweek.com/innovate/NussbaumOnDesign/archives/2007/03/are_designers_t.html?campaign_id=rss_blog_nussbaumondesign
jamie oliver
Und zu den Artikeln:
Becks hat ja nicht wirklich was tolles gekriegt fürs Geld! Oder besser gesagt: Sie haben genau das gekriegt was sie verdient haben!
Jürgen
@jamie:
Wenn Nussbaum fragt »Are Designers The Enemy Of Design?«, dann ist das so sinnvoll wie die Frage »Sind Fußballer die Feinde des Fußballs?« Klar sind sie das, denn sie veranstalten diese Sportart, also liegen auch die Zukunft und der Erfolg des Fußballs in ihren Händen (ähem Füßen).
Nußbaum will provozieren, aber seine Thesen helfen kaum weiter. Wenn er den Designern vorrechnen möchte, dass die Architekten in Sachen Verantwortung (sustainability) und Zielgruppenorientierung (designers are ignorant) bereits weiter sind, dann entlarvt er sich mit einem blödsinnigen Beispiel: »Bank of America is putting up an incredibly green building near Bryant Park. One wonderful green trick– it uses cheap electricity at night to make ice in the basement to cool the skyscraper in the morning.« Das was er »green trick« nennt ist nicht anderes als ein ökonomischer Trick. Einen energieverschwendenden Prozess mit günstigem Nachtstrom zu versorgen spart Geld, ändert aber nichts an der Energiebilanz … denn der Nachtstrom hat die gleiche Qualität wie der Tagstrom.
Jürgen
Wenn Fidius ernst Absichten für die Designer verfolgt, dann kann es für den Verein nur ein Ziel geben: Das Abschaffen aller Design-Wettbewerbe, die einen Ausschreibungs-Charakter haben. Die Art-Direktoren der USA lösen das übrigens so, wenn ich den Einwurf von Lutz Hackenberg auf der Pressekonferenz richtig verstanden habe, dass sie sich das Teilnehmen an Wettbewerben grundsätzlich untersagen.
Wettbewerb als Leistungsschau (zum Beispiel 100 Beste Plakate) stehen nicht wirklich zur Diskussion … mal abgesehen vom peinlichen Preis der Preise.
jamie oliver
@ jürgen
mir gehts eher um Nussbaums Idee der Demokratisierung des Designs. Und darum diesen Gedanken weiterzuspinnen: Viele kleine Nischen an denen verschiedene Leute mit verschiedenen Designvorstellungen und Fähigkeiten werken und produzieren. Jeder hat seinen Platz. Schöne neue Welt sozusagen:-) Und darin hat es auch Platz für Wettbewerbsteilnehmer. Genau gleich wie es auch Platz hat für NICHT Wettbewerbsteilnehmer.
Aber eben. Es stimmt schon, grundsätzlich helfen die Thesen von Bruce Nussbaums nicht weiter. Aber sie regen doch an.
HD Schellnack
Kurz aus Insidersicht: Architekten sind NICHT weiter. Keine Spur. Das ökologische ist größtenteils Augenwischerei. Wirklich ökologisch korrekte große Bauten lassen sich nicht bei Wettbewerben unterbringen, weil sie meist unattraktiv sind. Da ist viel Augenwischerei dabei und am Ende laufen gigantische Klimaanlagen oder die Mitarbeiter baden es aus. Kein Architekt, den ich kenne, hat ganz PRIMÄR ökologische und energiepolitisch gute Bauweise im Blick.
Ansonsten finde ich Nussbaums Artikel im großen und ganzen nicht falsch. Die Einkapselung und Blindheit von Designern IST ein Problem. Wir sind alle Autisten. Michael Bierut bemängelt nicht umsonst, dass immer mehr Designer immer weniger Ahnung von dem haben, was jenseits des eigenen Tellerrandes passiert – Illustrator und Photoshop-Autisten.
jamie oliver
Und spreadshirt sucht ein neues Logo. die Bedinungen heissen da „spielregeln“, ob es „fair“ kann ich nur mein schnelles durchlesen kaum beurteilen.
http://olp.spreadshirt.net/wordpress/?page_id=1542
sonja
Hallo, interessanter Bericht. Ich wollte auch noch einen Wettbewerb melden, der immer fair abläuft und es wirklich Spaß macht, daran teilzunehmen. Auf http://www.fotocommunity.de/contest gibt es wirklich schöne Wettbewerbe, die auch fair für die Fotografen sind.