Drei (typo)grafische Schmökertipps zum Jahresanfang

Andreas Liedtke, gemeinsam mit Christina Föllmer verant­wort­lich für die Gestaltung des Design-Magazins Beef, hat mir kurz vor Jahresschluss die 4. Ausgabe des Horizont-Ablegers zuge­sendet. Ich war spontan begeis­tert über die Titelgestaltung. Im Editorial erfuhr ich dann, dass es eine Notlösung war. Die Redaktion hatte zunächst – passend zum Titelthema »Zeit« – die Zeile »Fss Dch krz« mit der Schrift Avant Garde typo­gra­fisch insze­niert, als wenige Tage später BMW seine Kampagne für das neue 1er Coupé star­tete (siehe auch den Fontblog-Beitrag »Cicero treibt Massenindividualisierung auf die Spitze«). Auffälligstes Merkmal der BMW-Anzeigen: fehlende Vokale. »Zwar haben weder BMW noch Beef das Prinzip des Weglassens von Buchstaben erfunden – doch guten Gewissens konnten wir das Cover nicht mehr bringen.« Richtige Entscheidung.
Die aktu­elle Beef bestä­tigt erneut, dass der Art Directors Club (ADC) mit seinem jüngsten Sprössling auf dem rich­tigen Weg ist. Highlights aus dem Inhalt: »Wenn Geschwindigkeit zur Gewohnheit wird … Wie Kreative dem Zeitdruck trotzen«, »Männerrituale sind reine Zeitverschwendung« (Interview mit Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo) und ein im wahrsten Sinne des Wortes glän­zendes (weil UV-lackiertes) Special über die Schweizer Kreativszene.

Die aktu­elle Ausgabe des Magazins form (Nr. 218, Januar/Februar 2008) widmet sich in ihrer Titelgeschichte dem Themas Kulturmarketing. Markus Zehetbauer befragt führende Gestalter, inwie­fern sich die Arbeit für Kulturinstitutionen von jener für indus­tri­elle Auftraggeber unter­scheidet. Tatsächlich sind nicht nur viele Museen, Theater und Konzerthäuser zu »Brands« geworden, sondern auch Künstler. Eine Reportage von Katharina Altemeier stellt das neueste Projekt des Möbeldesigners Nils Holger Moormann vor, eine Design-Herberge. In Aschau bringt er zur Zeit ein ehema­liges Ferienheim gestal­te­risch und funk­tional auf Weltklasseniveau. Das Projekt wird sich seiner Ansicht nach nie rechnen, aber darauf komme es ihm nicht an: »Ich will, dass sich hier Leute aus der Design- und Kulturszene wohl­fühlen und begegnen.« Erik Spiekermann widmet sich in seiner Kolumne dem Redesign zweier Frankfurter Tageszeitungen … und fast unbe­zahlbar: Der große form-Wandkalender mit den Design-Events des Jahres 2008 (gestaltet von der Schweizer Agentur Fontself).

Zwischen den Jahren hatte ich endlich mal wieder Zeit, die neue PAGE von vorne bis hinten zu lesen. Der Düsseldorfer Schriftentwerfer Georg Salden fühlt sich wieder mal bestohlen, wie ich seinem Leserbrief entnommen habe. Dabei hatte Ole Schäfer, der für die neue PAGE-Textschrift verant­wort­lich ist, im letzten Heft ledig­lich die ausran­gierte Salden-Schrift Polo als quali­ta­tive Messlatte ange­legt, was ich als Kompliment für die Polo werten würde; zwei Absätze später bekommt auch Lucas de Groot noch seit Fett weg.
Ein Leckerbissen, wie immer, die Szene-Auftaktseiten der PAGE, die für mich – trotz aktu­el­lerem Internet – eine unver­zicht­bare Lektüre sind. Auch die Titelgeschichte »Type it« ist genau meine Kragenweite: Was bedeutet eigent­lich gute oder schlechte Typografie, 11 Typo-Profis kommen­tieren Praxisbeispiele, von den aus der Bild-Zeitung bekannten Sexkleinanzeigen über das Logo der Gewerkschaft der Lokführer GDL bis hin zur Visitenkarte von Christian Morgenstern; Borris Schwesinger (»Formulare gestalten«) nutzt die Gelegenheit, sein aktu­elles Lieblingsformular zu feiern – es kommt aus Holland. Ausgesprochen lehr­reich sind die Reportagen über Kreativtechniken und gestal­tete E-Mailings. Weitere Themen: olfak­to­ri­sches Design, die Groteskschrift Basilica, Offset- versus Digitaldruck und Spezialpapiere für fälschungs­si­chere Verpackungen.


6 Kommentare

  1. Mathes

    Beef – ganz schön teuer. Hab ich mir mal bestellt.

  2. Hans

    „Der Düsseldorfer Schriftentwerfer Georg Salden fühlt sich wieder mal bestohlen“ … ist das der, der die wesent­li­chen Formmerkmale für die Meta entwi­ckelt hat (s. auch Wikipedia Eintrag FF Meta)?

    Was hat er denn – als einer der geprie­senen „Handvoll Design Virtuosen, die es sich zum Lebenswerk gemacht haben, tagaus, tagein, Jahr für Jahr Buchstaben zu zeichen, die sich zu neuen Schriften anein­an­der­reihen“ sowie „schö­nere Ziffern als die von Georg Salden gibt es kaum“ (als früher Bewunderer: Erik Spiekermann) sollte er viel­leicht lieber an den Open Type Versionen seiner hand­voll Schriften basteln, die er immer noch im quasi-Selbstvertrieb anbietet (http://​www​.type​ma​nu​factur​.com) statt Leserbriefe zu schreiben – oder sich zumin­dest durch freund­liche, nach­sich­tige Worte ein bewun­de­rungs­fä­higes Gefolge sichern.

    Page also ade – immerhin gibt es in der Zeitschrift mare noch Schriften von Herrn Salden ange­wendet zu sehen.

  3. Monsieur Calader

    das Beef Cover ist im Original übri­gens komplett schwarz, ohne den Verlauf im Bild oben.

  4. Oliver

    FELD HOMMES beschäf­tigt sich übri­gends in der aktu­ellen Ausgabe diesmal typo­gra­fisch mit „X“.
    (Nur so als Hinweis…) :-)

    http://​www​.feld​-magazin​.de

  5. Karsten

    „fühlt sich wieder mal bestohlen, wie ich seinem leser­brief entnommen habe“

    Haben wir denselben leser­brief (2/08,6) und dasselbe inter­view (12/07,61) gelesen?

    In seinem leser­brief ist von einem „sich bestohlen fühlen“ nämlich nichts zu finden. Nicht einmal andeu­tungs­weise. Über die MagPage selbst gibt es (zu meinem erstaunen) nicht ein einziges wort. Wohl aber über die weise, in der die schrift vorge­stellt wurde: „Es befremdet, daß viele eigen­schaften dieser schrift als vergleich mit der vorher benutzten GST Polo darge­stellt werden.“ G.S. moniert nicht die sache, sondern den diskurs über sie. Sein leser­brief ist damit sozu­sagen meta-diskurs.

    „Dabei hatte O.S. … im letzten heft ledig­lich die ausran­gierte Salden-schrift Polo als quali­ta­tive mess­latte ange­legt“ ist nur die halbe wahr­heit, denn der nächste satz endet mit: „war klar, daß die unter­schiede natür­lich nur im detail liegen können.“ Der vorwurf, den Sie G.S. unter­zu­schieben versu­chen, ist im inter­view und in den abbil­dungen selbst ange­legt, dank der über­trie­benen beto­nung auf den unter­schieden (in den details). Es gab keine anklage, wozu also die vertei­di­gung? Intelligenter wäre wohl gewesen, auf eine bezie­hung beider schriften gar nicht erst einzugehen.

    Das war übri­gens eben­falls meta-diskurs und kein kommentar zur MagPage.

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