Die Web-Häuptlinge hassen Typografie…

… aber nicht mehr lange. von Seth Godin*

Es begann wahr­schein­lich mit HTML, und danach Yahoo, natür­lich. Doch eBay über­spannte den Bogen, bevor Google und Facebook es zur Methode erhoben: Eine beschis­sene Typografie, kein biss­chen darauf zu achten wie man was sagt sondern und nur was man sagt – der typi­sche Erst-die-Technik-Ethos des Internets.

Sergey Brin formu­lierte einst, dass Ausgaben für Marketing die Quittung für lausige Produkt sei, und natür­lich ist ein gut gestal­teter Text eine Form des Marketings. Sergey hat keine Ahnung vom Marketing, denn groß­ar­tige Produkte sind Marketing, und erst recht keine Ahnung vom Nutzen guter Typografie.

Es ist die Typografie, die Apple auf den ersten Blick vom Rest des Marktes unter­scheidet. Es ist die typo­gra­fi­sche Gestaltung, die ein selbst­ver­legtes Buch meist alt aussehen lässt gegen­über einem »rich­tigen«. Typografie (genauer: die falsche) ist eine Gefahrenquelle in Flugzeugen: Wer hat fest­ge­legt, das Sicherheitshinweise IN GROSSBUCHSTABEN GESCHRIEBEN SEIN MÜSSEN?

Die Wahl einer Schrift, ihre sorg­fäl­tige Zurichtung und ihre Leserlichkeit ergeben einen starken Eindruck. Wenn deine Visitenkarte nichts anderes ist als Arial auf einem Stück Karton, teilst du den Empfängern etwas mit … ziem­lich genau das Gegenteil von dem, was du ursprüng­lich mit der Karte beab­sich­tigt hast.

Ironie der Geschichte: Es waren die Computer, allen voran Apple, die das Gestalten von Drucksachen in unsere Hände legten. Und dieselbe Computerindustrie nahm es uns wieder weg, entwer­tete unsere Ausdrucksmöglichkeiten um zu demons­trieren wie beschäf­tigt wir mit dem Programmieren sind, auf dass nichts mehr vertrau­ens­voll oder reiz­voll aussehen kann. Typekit und andere Webfont-Dienste packen dieses Problem nun beim Schopf, und es ist ziem­lich sicher, dass die nächste Generation von Unternehmen online besser aussehen wird als die von heute.

Gute Typografie ist etwas aufwän­diger als schlechte, aber sie macht sich um ein Vielfaches bezahlt … nein: sie ist ein echtes Schnäppchen. Hier ein paar brauch­bare Bücher (englisch; eine deutsch­spra­chige Alternative) und ein nettes Tool, gefunden bei Swiss-Miss.
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*Übersetzung des Artikels The web leaders hate typo­graphy (but not for long) von Seth Godin, mit freund­li­cher Genehmigung des Autors. Seth Godin ist ein New Yorker Autor, Unternehmer und Marketing-Experte. Sein Lieblingsthema: die post-indus­tri­elle Revolution. Er schrieb 13 Bestseller die in 30 Sprachen über­setzt wurden.


10 Kommentare

  1. Oliver Adam

    Cooler Artikel zum Arbeitstag-Ende. Godin ist eh immer gut!

  2. Gaja Gamini

    Ja, danke für die Buchvorschläge. Darauf habe ich schon lange gewartet, dass mir mal Profis was Vernünftiges vorschlagen, damit ich auch mal ne Ahnung davon bekomme, worin die Unterschiede eigent­lich liegen. ;D

  3. Da Stefan

    Nett. Ich bezweifle aber, dass dieser Text die besagte Zielgruppe davon über­zeugen wird, endlich auf gute Typografie zu setzen. Der lehrer­hafte Unterton zwingt zum Weghören.

  4. Christian Büning Plakatverlag

    Und kein Versal-ß in deiner Versalreihe :)
    Danke für die Tipps.

  5. Norbert Kraas

    Interessanter, guter Artikel. Dazu noch schnell ein echtes Zitat: „Warum nehmen wir nicht einfach Arial für alles, ist doch auch ne Schrift?“ Was sagt man da?

  6. Mick

    Danke für die Tipps. 

    Bin ein Laie, aber inter­es­siert an Verbesserung meiner Webseiten und Texte, die ich so veröf­fent­liche. Dieser Blog und einige Online Artikel oder Blogs zu Typografie haben mir schon sehr geholfen. Das FontFonter Tool hat mich von FF Dax für meine Webseiten über­zeugt und Bringhurst kaufe ich mir nun auch. Stieß schon auf Bringhurst in dem Typo Artikel hier: http://​ebook​browse​.com/​t​y​p​o​g​r​a​p​h​y​-​m​i​l​l​e​r​-​1​0​7​5​1​4​7​5​-​p​d​f​-​d​1​2​6​7​5​7​326, der mir eben­falls sehr geholfen hat. 

    Nach wie vor habe ich aber noch Schwierigkeiten das Maß für die rich­tigen Zeilenabstände nach einem Absatz, der nächsten Überschrift und dem folgenden Absatz zu finden. Die 2/3 – 1/3 Regel scheint nicht von allen Typografen so genau ange­wandt zu werden. Habt ihr einen Tipp wo ich da noch mal was lesen kann? (Ich arbeite mit Pages nicht mit InDesign.)

    Habe mein ange­wor­benes (Halb-)Wissen zu Typografie in dieser PDF verar­beitet, Kritik (aber bitte einen konstruk­tive) ist herz­lich will­kommen: http://​info​-buddhismus​.de/​P​D​F​/​T​i​b​e​t​i​s​c​h​e​r​_​B​u​d​d​h​i​s​m​u​s​.​pdf

    Der Blog hier gefällt mir sehr gut als Laie und auch die Kundenbetreuung von Fontshop ist sehr gut. 

    Ich bin eher ein Gegenbeispiel der Aussage von Da Stefan:
    „Ich bezweifle aber, dass dieser Text die besagte Zielgruppe davon über­zeugen wird, endlich auf gute Typografie zu setzen. Der lehrer­hafte Unterton zwingt zum Weghören.“

  7. Da Stefan

    @Mick: gut, dass es Leute wie dich gibt. :) Aber ich kenne eben auch viele andere, die nicht sensi­bi­li­siert sind. Und denen solche ober­leh­rer­haften Statements sauer aufstoßen.

  8. Mick

    Irgendwie werden meine Kommentare hier geblockt, viel­leicht weil ich 2 links drinne hatte? Probiere es nun mit nur einem:

    @De Stefan. Danke für die Ermutigung. 

    Ja, das kommt meist nicht gut an, wenn man so von oben herab andere korri­giert oder sich gar lustig macht. Die meisten winken da ab, wie ja auch hier doku­men­tiert und grenz­wertig: https://​www​.font​blog​.de/​r​o​n​a​l​d​-​w​-​i​s​t​-​s​a​u​e​r​-​a​u​f​-​u​n​s​-​t​y​p​o​g​r​a​fen

    Andererseits muss ich sagen, dass ich bisher alle Diskussionen in TypoForen sehr (bis auf die eben genannte) freund­lich und unter­stüt­zend und konstruktiv empfand.
    Von der Freundlichkeit auf typophile (.com) war ich sehr beein­druckt. Auch Font Designer wie Thomas Phinney oder Kent Lew gaben dort Tipps, letz­terer sogar offline. Wahrscheinlich ist das aber von Land zu Land verschieden wie freund­lich Typografen reagieren…(?)

  9. R::bert

    @ Mick

    Wenn Du Dich typo­gra­fisch weiter­bilden willst, werden Dich folgende Seiten zu wunder­baren Quellen typo­gra­fi­schen Fachwissens führen:

    http://​www​.type​facts​.com/
    http://​www​.typo​le​xikon​.de/
    http://​www​.typo​lu​tion​.de/
    http://​www​.typo​grafie​.info/

    Als Nachschlagewerk soll­test Du Dir »Detailtypografie« gönnen:
    https://​www​.font​blog​.de/​B​u​e​c​h​e​r​/​b​o​o​k​s​_​d​e​t​a​i​l​.​h​t​m​?​i​d​=​2​8​8​2​2​4​3​4​5​6​2​8​0​9​6​&​f​i​r​s​t​=​3​9​9​7​6​1​9​8​8​6​9​1​2​1​2​0​0​&​s​e​c​o​n​d​=​3​9​9​7​6​1​9​8​8​6​9​1​2​4​704

    Zum Einstieg ist auch »Apfel i« empfeh­lens­wert (eben­falls erhält­lich bei https://​www​.font​blog​.de/ oder als PDF-Download).

    Oder – Du über­gibst Deine Projekte einfach in die Hände von Fachleuten ; )

  10. Mick

    Oh, danke R::bert!

    – Übergeben an Fachleute für private Sachen: Fehlt mir das Geld ;-) 

    Aber bei bestimmten Veröffentlichungen, die mit Vereinsaktivitäten zu tun haben, haben wir natür­lich prof. Designer.

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