Die Marke, eine hohle Nuss

Ist Gott eine Marke? Diese Frage stellt sich der Düsseldorfer Werber und Berater Bernd Kreutz (Yello Strom). Er beant­wortet sie mit einem neuen Buch, der Markenbibel (12,7 x 18 cm, 112 S., gebunden, Kunstlederbezug, Goldschnitt, 29,95 €, Amazon-Link). Kreutz entlarvt mit seinem Grundlagenwerk die spek­ta­ku­läre Karriere, die der Begriff »Marke« in den letzten Jahren hinge­legt hat. Dabei ist alles nur Schaumschlägerei, »Skrupellose machen mit Hilflosen auf Kosten von Ahnungslosen Geschäfte. Als frei verfüg­bares und einfach vermarkt­bares Wort zunächst nur von cleveren Unternehmensberatern verein­nahmt, leben inzwi­schen ganze Berufszweige von dem Unfug, der im Namen der Marke und mit Hilfe von Massenmedien verbreitet wird.« fasst Kreutz seine Erkenntnisse zusammen.

Nichts sei den selbst­er­nannten Markenpredigern mehr heilig. Hitler? Eine Marke. SPD? Eine Marke. Berlin? Eine Marke. Deutschland? Eine Marke. Selbst Gott ist für manche bloß eine Marke im Wettbewerb von Lebenssinn-Anbietern. Seit dem Boom der New Economy versuchten Markenmissionare jungen Unternehmern einzu­reden, Produkte seien nichts, Marken hingegen alles. »Die Markenbibel will diesen Bullshit kärchern und Unternehmensgründer ermu­tigen, eigenem Talent und Urteilsvermögen mehr zu vertrauen als so genannten Markenexperten«.

Als Vorstand Marketing von FontShop bleibt mir nichts anderes übrig, als die Erkenntnisse von Bernd Kreutz wärms­tens zu empfehlen. Schließlich schrieb er einst in seinem Blog Reklamehimmel: »FontShop war für mich schon immer ein Demonstrationsobjekt vorbild­li­cher Unternehmenskultur. Unternehmens-, Marketing- und Kommunikationsziele, -stra­te­gien, -taktiken, -maßnahmen und -umset­zungen sind hier in seltener Klarheit erkennbar und mit einer Stringenz, Eleganz, Finesse und Frische darge­boten, die gar nicht oft genug gewür­digt werden können.« Bernd Kreutz und FontShop gehen also in dieselbe Kirche und glauben an denselben Gott.

Weil Bernd Kreutz stets sehr groß­zügig mit seinen Gedanken umgeht (vgl. Fontblog: Bernd Kreutz verschenkt sein Yello-Buch), gibt es fast die Hälfte der Markenbibel, nämlich rund 50 Seiten, hier als kosten­lose Leseprobe.


7 Kommentare

  1. Mart

    Bernd Kreutz® war für mich immer schon ein Demonstrationsobjekt vorbild­li­cher Selbstdarstellung. Die Botschaft, dass Bernd Kreutz® der Erfinder von „Yello Strom“ ist, wird seit Jahren von ihm selbst hervor­ra­gend pene­triert. Dies geschieht mit einer Penetranz, Selbstbezogenheit und -verliebt­heit die gar nicht oft genug gewür­digt werden kann und zwar herab-.

  2. John Inglehoe

    groß­artig. habe sofort mit dem lesen begonnen.

  3. Benjamin Hickethier

    »will […] kärchern« — lese ich das richtig als Ironie, und, nebenbei, war das eigent­lich schon vor Sarkozys berühmten Ausspruch wie er mit den ›Problemjugendlichen‹ in den banlieues umgehen wollte, ein Wort® (Duden)?

  4. Oliver Adam

    Bernd Kreutz ist sehr meinungs­stark (»Schwachsinn«, »Ahnungslose«, »Bullshit«). Daran muss er also gemessen werden. Er will ja »in größt­mög­li­cher Klarheit und Einfachheit formu­lieren«. Dann muss er aber sauber in den Begriffen sein. So stimmt schon allein beim Überfliegen das Schaubild auf Seite 36 nicht:

    Markenname
    + visu­elle Merkmale
    + Patentschutz
    ——————
    = Schutzmarke

    Ein Markenname ist per defi­ni­tionem bereits geschützt, bedarf also des »Patentschutzes« nicht mehr. Zudem braucht eine »Schutzmarke« nicht zwin­gend auch visu­elle Merkmale. Es reichen auch reine Wortmarken oder akus­ti­sche Merkmale (zum Beispiel T-Com-Jingle).

    Patentschutz erlangt ein Name niemals. Patente erhalten nur neue tech­ni­sche Erfindungen. Also muss das Schaubild eher so aussehen:

    Name
    + optional visu­elle Merkmale
    + Markenschutz
    ——————
    = Schutzmarke

    Weiter: Stimmt seine Defintion von Marke als »imma­te­ri­elles Angebot«? Mitnichten, vor allem nicht für Unternehmensgründer, an die sich das Buch ja wendet. Bei ihnen steht die Marke als stell­ver­tre­tende Kurzform für ein mate­ri­elles Angebot. Probe aufs Exempel: Der Name »FontShop« steht stell­ver­tre­tend für das mate­ri­elle Angebot »Fonts kaufen«. Der Name »FontShop« ist also zunächst nicht weiter als ein Begriff im Gehirn von Menschen als stell­ver­te­tende Kurzform für ein kommer­zi­elles Angebot. Selbst Gucci wird niemals ohne den Bezug zu »Mode« gedacht werden können.

    Ist es wirk­lich »Schwachsinn«, dass nicht Marke sein kann, was nicht als Marke im Markenamt regis­triert ist? Ich meine nein. Nehmen wir das zitierte Beispiel Berlin. Benrd Kreutz unter­liegt hier dem Fehler, dass ein und derselbe Begriff für mehr Bedeutungen benutzt wird – wie etwa Bank als Kreditinstitut, Sitzgelegenheit oder verläss­li­cher Mensch. Ebenso verhält es sich mit dem Begriff »Marke« als »Warenzeichen« und »stell­ver­tre­tender Kurzbegriff für ein kommer­zi­elles Angebot«. Berlin möchte aber Investoren und der Zielgruppe von Kreuz’ Buch – Unternehmensgründern – ein kommer­zi­elles Angebot machen: etwa durch Fördermittel, aber auch durch Standortvorteile, Kulturangebote etc. Ziel ist es »Gewinn zu machen«, also mehr Steuern einzu­nehmen. Oder Touristik: Berlin macht Gästen ein kommer­zi­elles Angebot. Ziel: indi­rekter Gewinn durch Steuern aufgrund der besseren Gewinne der Tourismusindustrie. Berlin steht in beiden Beispieln im harten, kommer­zi­ellen Wettbewerb mit anderen Städten. Unter diesem Gesichtspunkt ist Berlin zwar keine Marke im Sinne eines Warenzeichens. Sehr wohl aber eine Marke im Sinne eines stell­ver­tre­tenden Kurzbegriffes für ein kommer­zi­elles Angebot.

  5. Oliver Adam

    Nachtrag:

    In seinem Buch »Die Kunst der Marke« hält Bernd Kreutz Pablo Picasso für jemanden, der »als Marke unsterb­lich« wurde. Hat also Kreutz »Schwachsinn« geschrieben? Ja, wenn man seine Definition zugrund­legt, denn Picasso ist ja keine einge­tra­gene Schutzmarke, und zwar eben­so­wenig wie Beckenbauer. Bei meiner Definition aller­dings nicht, denn Picasso könnte man sehr wohl als Marke betrachten, als »stell­ver­tre­tenden Kurzbegriff für ein kommer­zi­elles Angebot«, nämlich für seine unver­wech­sel­baren Kunstobjekte, für die auf Auktionen Millionen geboten werden.

  6. christoph

    man tut dem büch­lein wahr­schein­lich keinen gefallen, wenn man es so pompös als große abrech­nung mit den klischees der »marken­ma­nager« verkauft. tatsäch­lich zeigen die 50 preview­seiten kaum mehr als eine ordent­liche zusam­men­stel­lung von tausend mal durch­ge­kautem basis­wissen. neue gedanken gibt es hier nicht.

    es ist sicher richtig, sich gegen die infla­tio­näre verwen­dung des wortes »marke« zu wenden – aber hier kommt die kritik eher verkniffen und erbsen­zäh­le­risch rüber. bei eher meta­pho­ri­scher verwen­dung eines begriffes (»marke« becken­bauer) ist es wenig erhel­lend, darauf hinzu­weisen, dass sich das nicht mit der ursprüng­li­chen wort­be­deu­tung deckt. ja und?

  7. Nathanel

    Marke ist ein genauso hohler Begriff der Werbewelt geworden wie Liebe und Emotion. Werbung selbst ist wohl einfach dem Wesen nach nur hohl und ober­fläch­lich … Ein „schöner“ Schein. Mehr nicht.

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