Die Font-Standards 2010
Im ersten Teil meiner zweiteiligen Bestandsaufnahme habe ich versucht, die typografischen Milieus der kommenden Jahre zu definieren: Prepress, Office und Internet. In dieser Folge geht es um die Font-Formate für diese Anwendergruppen – aus der Sicht von FontShop und FSI (Herausgeber der FontFonts), also durchaus subjektiv, aber so objektiv wie gewohnt.
Wenn ich vor 2 Jahren schrieb »Type-1-Schriften werden in absehbarer Zeit von den ersten Programmen nicht mehr unterstützt«, so klang das nach einem langen Abschied. Tatsächlich haben die meisten Schriftenhäuser längst beschlossen, dem Verfall des einst erfolgreichsten Font-Formats nicht zuzusehen, sondern es in Würde zu beerdigen. Das Format der Zukunft heißt OpenType, und gemäß diesem Standard erscheint bereits seit Jahren der Großteil aller Schriftneuheiten.
Was geschieht mit den alten Produkten? FSI FontShop International hat sich zu einem radikalen Schritt entschlossen: Sie werden vom Markt genommen. Mit Erscheinen des nächsten FontFont-Releases Nr. 50 in diesen Tagen, werden mehrere hundert Font-Produkte vom Markt verschwinden, was durchaus prominente Familien wie FF Meta, FF DIN, FF Dax, FF Celeste und FF Trixie* trifft – in den Formaten PostScript Type 1 (für Mac OS) und TrueType (für Mac OS und Windows). An ihre Stelle treten neue Font-Produkte, die den Namenszusatz Offc für »Office« tragen, womit gleichzeitig die letzte Woche beschriebene Zielgruppe für diese Schriften definiert ist, der Office-Markt, also Corporate Designer, Unternehmen (Büros), technische Redakteure, Selbstständige, OEM-Produzenten (z. B. eBooks) …
Was sind Offc-Fonts, technisch gesehen? Es sind TrueType-flavoured OpenType-Fonts. Die Geschmacksrichtung besagt, dass die Daten der Schriftkurven (engl. outlines) im TrueType-Format abgelegt sind, mathematisch betrachtet sind das quadratische Polynome. Im Gegensatz dazu gibt es die PostScript-flavoured OpenType-Fonts, deren Zeichenkonturen im PostScript-CFF-Format (Compact Font Format, kubische Polynome) beschrieben sind.
Was kennzeichnet die Offc-FontFonts? Einige ihrer Eigenschaften sind eine Folge des ihnen zugrunde liegenden technischen Formats, z. B. die Stilverlinkung (Regular-Italic–Bold–Bold-Italic) oder die gute Lesbarkeit am Bildschirm (ClearType-Hinting). Andere Eigenschaften folgen praktischen Entscheidungen, z. B. dass Tabellenziffern als Standardzahlen definiert sind oder wie viel Sprachunterstützung ein Font mitbringt (Std oder Pro). Wichtig: Wegen der Stilverlinkung werden Offc-FontFonts nur als Sets angeboten und nicht als Einzelschnitte.
Die neue Produktstruktur der FF Meta: PostScript-Type-1 und TrueType (grau) werden eingestellt, Offc-Pakete kommen neu hinzu … aus einst 69 Fonts (Type 1) wurden 16 OT-Fonts bzw. 11 Offc-Pakete. Man beachte, dass die auslaufenden Formate seit einiger Zeit nicht mehr aktualisiert wurden (z. B. mit den zuletzt erschienene FF Meta 3 Italics).
Warum Office-Fonts? OpenType TTF ist das beste Font-Format für alle Menschen, die mit den weit verbreiteten Microsoft-Office-Programmen arbeiten, also Word, Excel und PowerPoint. Unter seiner Motorhaube werkelt eine zuverlässige TrueType-Maschine, die windschnittige Karosserie folgt dem OpenType-Standard, das heißt: Der Font hat Zukunft, ist Cross-Plattform-kompatibel und einfach zu bedienen. Offc-FontFonts überzeugen am Bildschirm mit kristallklarer Darstellung, was bei den veralteten Formaten nicht immer der Fall war. Schließlich befinden sich die Offc-FontFonts auf dem neuesten Stand, während die nun auslaufenden Type-1- und TrueType-Fonts seit Jahren unverändert im Programm waren.
Bleibt die Frage: Inwieweit betrifft die neue Font-Technik-Landschaft die Designer, also die Benutzer von Programmen wie InDesign, Illustrator, Photoshop oder Quark Xpress? Wenn sie nicht schon längst auf OpenType umgestiegen sind, ändert sich eigentlich gar nichts. Wenn sie mit Type-1- oder TrueType-FontFonts arbeiten, dann gibt es eine gute und eine weniger gute Nachricht für sie. Die gute: In den meisten Programmen und auf Betriebssystem-Ebene werden diese Schriften weiterhin funktionieren, vielleicht noch mehrere Jahre. Die weniger gute: Der Ausbau bestehender Familien kann nur über das zukunftssichere OpenType (CFF) bzw. über OpenType (TTF) passieren. Alte und neue Fonts sind typografisch kompatibel zueinander, allein die Namensgebung im Schriftmenü kann irritieren, wenn Fonts mit Namen wie Meta Plus, Meta, Meta OT oder Meta Offc nicht unter einem Familiennamen zusammengefasst werden.
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*Folgende FontFonts kommen dieser Tage als Offc auf den Markt bzw. verschwinden als Type-1 und TrueType: FF Celeste Std + Pro, FF Celeste Sans Std + Pro, FF Celeste Small Text Std + Pro, FF Cocon Std + Pro, FF Dagny Std + Pro, FF Dax Std + Pro, FF Dax Compact Std + Pro, FF DIN Std + Pro, FF Duper Std + Pro, FF Folk Std, FF Mach Std + Pro, FF Masala Std + Pro, FF Masala Script Std + Pro, FF Market Std, FF Meta Std + Pro, FF Meta Serif Std + Pro, FF Netto Std, FF Prater Std, f FF Providence Std + Pro, FF Providence Sans Std + Pro, FF Speak Std, FF Tisa Std + Pro, FF Trixie Std + Pro
6 Kommentare
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Avvocato
Zum Thema Lizenzen: Ist das wie mit dem Umstieg von der LP zur CD? Darf man sich also dank neuer, verbesserter Anwendungstechniken die schon bezahlten Nutzungsrechte neu erkaufen?
thomas junold
avvocato: das ist wohl anzunehmen. für auto gibt es ja auch keine updates, nur weil sich die motor-technologie ändert … :)
arti
@thomas junold:
Die Leute mit Diesel-PKW werden sich aber wohl nicht alle neue Autos kaufen, weil die Autohersteller ab jetzt nur noch Modelle mit Super-Plus-Motoren anbieten.
Sebastian Nagel
müssen sie ja auch nicht
thomas junold
richtig. sie müssen nicht. sie können weiterfahren, aber sie bekommen auch keine neue autos, nur weil es super.plus gibt. ;)
das wäre ja toll!
Sebastian
Opentype ist klasse. Das sich Leute die selbe Musik zweimal kaufen habe ich nie verstanden. Bei Musik geht es allerdings um’s Privatvergnügen, während Schriften überwiegend beruflich genutzt werden. Könnte mir vorstellen, dass Displayfonts noch länger als Type1 verwendet werrden.