Die 2014-FIFA-WM-Brazil-Typografie

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Da ich in den letzten Tagen mehr­fach auf die Schrift der laufenden Fußball-WM ange­spro­chen wurde, hier nun ein kleiner Beitrag dazu.

wm_pokalWarum haben in diesem Jahr nicht nur Fontblog, sondern auch andere typo­gra­fi­sche Instanzen kein Wort über den typo­gra­fi­schen Murks der FIFA WM 2014 verloren? Vielleicht, weil wir gar nicht auf die Idee kamen, dass aus dem flott hinge­pin­selten »Brasil« im vor vier Jahren vorge­stellten Bildzeichen der WM, jemals ein komplettes Alphabet entstehen würde … das dann sogar für teuer lizen­zierte Kommunikations- und Werbemittel einge­setzt wird. Zum Beispiel für die offi­zi­ellen WM-Team-Shirts (Abbildung unten), mit denen sich Lidl vor Wochen einge­deckt hat.

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Auch mir wurde erst mit Erscheinen dieser Kollektion bewusst, die von der FIFA amtlich abge­segnet ist, dass es sich bei dieser Schrift nicht um eine Neckarsulmer Geschmacksverirrung handelt. Doch mehr als ein Hilferuf über Twitter/Instagram war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr drin. Kann ja sein, dass der ein oder andere Kunde dieses Playmobil-Design lustig findet. Aber mit lustig verkauft man weder eine WM, noch T-Shirts. Das hat wohl auch Lidl zu spüren bekommen, denn noch vor dem Eröffnungsspiel hat der Discounter den gesamtem WM-Krempel um 20 % im Preis gesenkt, wo doch eigent­lich bekannt ist, dass das Gros der Fan-Mitläufer sich erst während des Turniers ausrüstet.

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Was hat es nun mit dieser grau­samen Schrift auf sich? Zunächst einmal steht sie 1A in der Tradition der FIFA-Schriften vergan­gener Fußball-Weltmeisterschaften. Wer erin­nert sich nicht mehr an das »bekiffte-Smileys«-Logo der WM 2006 in Deutschland, mit dem leiden­schaft­li­chen Techno-Font Welcome (den FontShop mit der kosten­loses Trivia vorführte) … ach, niemand mehr?! Vollkommen verdrängt?! Das ist ja wunderbar.

Die T-Shirts von damals sind seit Jahren entsorgt. Vielleicht ist es ja gera­dezu die Absicht der FIFA, mit einem schnell­le­bigen 0815-Merchandising-Design das Vergessen zu beschleu­nigen. Das ist zwar alles andere als tradi­ti­ons­be­wusst und nach­haltig gedacht, aber dem Fußballweltverband sind ja auch die leeren Stadien scheiß­egal, die so eine WM in Südafrika und Brasilien hinter­lässt. Also finden wir uns einfach damit ab, dass die Menschen bei der nächsten WM keine Fan-Hemdchen von vor 4 Jahren auftragen, eine Hygienemaßnahme, die ins Corporate Design der FIFA-Turniere einge­baut ist.

So, und was gibt es jetzt noch Substantielles zu der aktu­ellen WM-Schrift zu sagen? Schriftentwerfer? Keine Ahnung … den muss auch nicht kennen. Schriftname? Pagode. Gibt’s die zu kaufen? Natürlich nicht, weil sie nur den FIFA-Exklusivpartnern zur Verfügung steht. Wer etwas ähnli­ches sucht, google mal nach »font« mit den Zusätzen »Brasil2014« und/oder »Samba«. Damit habe ich das Schriftmuster oben gebaut, Akzente und ß sind mit heißer Nadel selbstgestrickt.

Bis in 4 Jahren dann wieder … ach nee, das Design der WM 2018 wird ja schon Anfang Juli bekannt gegeben.


23 Kommentare

  1. Felix

    Ich muss sagen, der Artikel ist in seiner Schreibweise und Gehässigkeit auf jeden Fall auch auf Lidl-Niveau. Schade, mir hätte ein seriö­serer Text gut gefallen. Das mit den leeren Stadien in Südafrika und Brasilien erschließt sich mir auch nicht – was hat das mit der Lage zu tun?

  2. Andreas

    Der Duktus des Artikels enttäuscht mich ähnlich wie Felix. Ob als Muster für ein ß-Wort nun ausge­rechnet „Scheißschrift“ sein muss, darf man wohl eben­falls in Frage stellen.

  3. Jürgen Siebert

    @Felix: Da ich viel von Lidl halte, werte ich deinen Kommentar mal als Kompliment.
    Zu meinem Schreibstil: Den pflege ich hier seit über 10 Jahren und ich hab’ im Moment noch nicht vor, diesen zu ändern.

  4. clemens

    Das gemeine „e“ hat was von PACMAN … :)

  5. thomas

    den artikel, das thema und auch den schreib­stil… finde ich fabelhaft :)

  6. Valentin

    Tja, wie alle 4 Jahre klingt hier der Neid weil man selbst nicht Hand ange­legt hat. Dazu kommt, dass es dann auch nicht besser gewesen wäre. Kein wirk­lich infor­ma­tiver Artikel…

  7. Dave

    Wer kauft sich den ein Trikot bei Lidl, wenn das original Trikot zu 100% anders aussieht?
    Das Lild Trikot ist auch ohne die Schrift einfach nur pein­lich. Da muss sich Lidl über die schlechten Verkaufszahlen nicht wundern. 

    Das offi­zi­elle DFB Trikot der Mannschaft ist auch um 20% reduziert.

  8. Indra

    Ha, ich finde den Artikel und Stil eben­falls prima. Meinetwegen könnten wir mehr solcher (eben auch fundierten) Kommentare gebrau­chen und nicht immer nur wohl abge­wägte poli­tisch korrekte Analysen, an deren Ende man sich dann doch nicht traut, Stellung zu beziehen.

  9. Jan

    Ich stimme Indra völlig zu! Es gibt nur noch wenige, die sich trauen ihre (ehrliche) Meinung zu äußern und sich nicht zu so einem glatt­ge­bü­gelten Mist verleiten lassen.
    Und – by the way – wer gestaltet denn diesen ganzen Kram? Bei der Olympiade in Rio in zwei Jahren hätte man sich ein gutes Beispiel nehmen können: Rio 2016a

  10. Jürgen Siebert

    @Jan Die auf Sport spezia­li­sierte Agentur heißt The Works Ltd und sitzt in Leeds. Die sollte es eigent­lich besser können, wie man deren Showreel entnehmen kann … wobei die typo­gra­fi­sche Kompetenz unter­ent­wi­ckelt ist. Ich glaube eher, dass bei den Fußball-WMs der Auftraggeber das Problem ist, sonst würden wir uns nicht alle 4 Jahre wieder das Maul verreißen.

  11. Jan

    Gerade deshalb sollte man als Gestalter seine bera­tende Funktion nicht vergessen. Auch bei so einem Kunden nicht. Aber ohne solche Ausrutscher hätten wir auch nichts mehr zu meckern … ;-)

  12. Armin

    @robertmichael: die Rio2016-Schrift haben die Brasilianer ja auch selbst gemacht. Bei der „Scheißschrift“ hatte die FIFA ihre Finger drin. Noch Fragen?

  13. Tobi

    Man muss diese FIFA-Schrift (oder was auch immer) nicht toll finden. Mir persön­lich gefällt sie auch nicht, aber genau­so­wenig dein Artikel. Du schlägst nicht einmal eine Alternative vor (im Zweifelsfall Helvetica, gell?).
    Und wenn du die Typografie schon so nieder­machst, soll­test du es selbst besser können und nicht die Tilde seiten­ver­kehrt stri­cken. Das muss einem auch mit heißer Nadel auffallen. Profi.

  14. fwolf

    Zu #10: Ja, sehe ich ähnlich. Also das mit den Auftraggebern. Im Normalfall holt man sich als Agentur bei Kompetenzmangel ja für sowas die externen Spezialisten (Read: Freie Mitarbeiter = Selbständige / Freelancer), aber wenn bei der FIFA dem Vorstand die Enkelkinder grad wich­tiger sind, hilft auch die geballte Kompetenz in Sachen Typographie und Logo-Design nix.

    … „Schaun Sie mal, meine Enkeltochter ist erst 6 und schon sooo begabt!“ *von unge­lenker Hand hinge­kritz­telte Buchstaben hoch­halt* „Können wir das nicht irgendwie verwenden? Das wirkt doch lustig!“

    Oder einfach das übliche Thema mit: Wir wollen möglichst wenig ausgeben .. und dann war am Ende der Designerei für die Schrift nix mehr Sinnvolles drin, auf jeden Fall nix mehr für d’Egschperden.

    Kennt man ja. Der Kunde hätte gern Design für 100 Arbeitsstunden zum Preis von 50 ..was idR. auf Design für 25 AS zum Preis von 50 raus­läuft, also volle 50% Schmerzensgeld. 

    Anschließend preist man das Ergebnis als höchstes Gut der deut­schen Designkunst an, wohl­wis­send, dass man mit 50% mehr Budget wesent­lich über­zeu­gen­dere Arbeit geleistet hätte. Aber man hält den Mund, nickt und lächelt; „FIFA“ is halt ein großer Name, und der zieht womög­lich noch andere Kunden. Die Spötter wie uns hier tut man mit „Neid“ und „Eifersucht“ ab, um das ange­kratzte Ego nicht noch mehr zu beschädigen.

    Been there, done that,
    just my .02 cents,
    cu, w0lf.

    ps: Threaded Comments (sprich: Die Reply-Funktion) wären hier jetzt wirk­lich prak­tisch .. *zaun­pfahl-wink* ;)

  15. Richtig, fwolf,

    für Kinderhorte wär die was. Aber als Fußballfan fühle ich mich durch diesen Font sowie des Logos total verarscht.

  16. Andi

    Also ich muss schon sagen. Ziemlich schwach die Schrift. Aber dafür war sie vermut­lich teuer ;)

  17. Benny Goodman

    Eigentlich finde ich die Schrift, wie viele hier, fürch­ter­lich. Aber Sie haben mit der Farbauswahl gezeigt, dass sie sich beson­ders für Kitsch eignet. Und dafür aber gut, dann ist sie nämlich plötz­lich schön.

    Aha, auf die Anwendung kommt also passende Schönheit an.

  18. Was die WM-Niederlage Lidls betrifft,

    so kann ich nur anführen, dass gerade Lidl nicht die Kundschaft hat, die sich WM-T-Shirts kaufen. Ist also keine geist­reiche Entscheidung der Marketingabteilung gewesen. Und falls man gedacht haben sollte, dass man damit junge Kundschaft anziehen könne, die sich später an Lidl erin­nere und dadurch länger­fristig immer wieder als Umsatzbringer dort erscheine, hätte man dies eben auch in den dementspre­chenden Medien publi­zieren müssen.

    Das dürfte dann schon so ziem­lich alles gewesen sein. Aber: Verluste braucht die Welt! Zumindest denkt man das, wenn man unsere Pseudoeliten überall auf der Welt beob­achtet. Was Jürgens Schreibstil anbe­langt, so meine ich, mich zu erin­nern, dass er eben nicht schon seit 10 Jahren so gehalten wird, sondern dass er im Laufe der Zeit aus der Erkenntnis allge­meiner Dämlichkeit zu der Art Kritik heran­ge­reift ist, wie es die Menschheit absolut benötigt.

    Da könnte ich den Kinderleinspruch „Weiter so!“ auch selbst einmal zur Anwendung bringen. (Kea, ein ganz komi­scher Vogel)

  19. Kea

    … die sich WM-T-Shirts kauft … heißt es natürlich:-(

  20. Typografia

    An alle puris­ti­schen Typografen!

    Jaaaaa, es war gleich klar, dass es euch bei diese Schrift die Fußnägel hoch­rollt. Da sitzt ihr all in euren fanta­sie­losen, schlichten, leer­ge­räumten Büros mit irgend­wel­chen Design-Möbeln vorm weißen oder silbernen Mac und erei­fert euch über diese Schrift. Diese wirkt auf euch von Kinderhand gezeichnet und viel­leicht auch dilet­tan­tisch wirkt. Dabei miss­ver­steht ihr komplett dass zwischen eurer Vorstellung (alles grau, silber, schwarz und dazu ein tristes beige) und dem Empfinden der normalen Bevölkerung ein großer Unterschied ist. Auf Nicht-Designer wirkt die Schrift viel­leicht sogar fröh­lich und anspre­chend, kommt von euch doch nur Retro-Tristesse. Eure Emotionen gehen von hell­grau zu anthrazit, das ganze in einem Look als wäre es in den früher 80ern durch einen Kopierer gezogen. Das wird dann als der große Wurf verkauft, ist aber nur Einfallslosigkeit.
    Schon mal darüber nach­ge­dacht, dass das Gros einer Bevölkerung Farben und viel­leicht auch Kitsch mag? Habt ihr mal gesehen, wie die Fans sich kleiden und auftreten?

    Fazit: es ist egal, wie ihr euch fühlt. Weil ihr eh sehr emoti­onslos und verkopft seid und sich die Designer hier­zu­lande nur gegen­seitig mit grauen, aus dem Kopf gewürgten Entwürfen beeinflussen.

    Gut, dass die Natur und die normale Welt Farben enthalten!

  21. Typografia

    Abschließend zu sagen: bedenkt es geht hier um die WM, um ein Fußballfest für alle Leute aus allen Branchen. Der Kunde ist jetzt grad mal nicht der Kurator irgend­eines Museums oder der Intendant Theaters, verstanden?

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