Die 12 häufigsten Satzsünden
Gestern wies ich über Twitter auf das PDF Thirty Four Typographic Sins hin. Nach dem Erik Spiekermann meinen Vermerk weitererzählte (to retweet) mit der Einschränkung »I don’t agree with all of them«, fing die große Verunsicherung an. ›Welchen der 34 Regeln soll ich nun folgen, welchen nicht?« fragten sich sinngemäß viele Leser der Mitteilungen (tweets).
Das Thema ist uralt, es gibt zig Bücher und Checklisten dazu. Trotzdem hat es mir keine Ruhe gelassen, weil gerade durch die neuen Webfonts sich viele User erstmals mit der typografischen Aufbereitung von Texten beschäftigen. Und so habe ich eben mal, wie man so sagt »schnell und schmutzig«, mit Textedit ein paar typografische Todsünden (auf deutsch) notiert. Am Ende wurden es ein Dutzend, was schon mal verdaulicher ist als 34. Außerdem hat der Autor des oben zitierten PDFs meiner Ansicht nach typografische Regeln mit Schreibregeln vermischt: erstere sind Auslegungssache, während über die zweiten nicht diskutiert werden muss (falls doch: gerne unten in den Kommentaren).
Die erwähnten Schreibregeln heißen für die Werkzeuge, mit denen wir täglich schreiben und publizieren, Satzregeln. Der Begriff kommt von setzen (Schriftsatz, einenText setzen) und nicht vom grammatikalischen Satz als Wortgefüge. Zu Bleisatz- und Fotosatzzeiten war das Setzen ein Beruf, heute gibt es den nicht mehr, weil wir alle das mit links bzw. mit unserer Computertastatur selbst erledigen.
Auch wenn das Setzen heute ein Kinderspiel ist, spricht einiges dafür, die Regeln des Schriftsatzes nicht zu vergessen, damit es die Leser unserer Texte leichter haben, diese aufzunehmen und schnell zu verstehen. Seit Jahren wehre ich mich dagegen, die schlampige Satzqualität einer Spiegel-Online-Site als gottgegeben hinzunehmen. Leider halten viele der Typosünden bereits Einzug in den gedruckten »Qualitätsjournalismus«.
39 Kommentare
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Till
Naja, das sind aber doch ziemliche basics, oder? Und einem Teil der Regeln muss ich trotzdem widersprechen: „falsche“ Anführungszeichen (bin mal gespannt, ob nachher InTypo oder ein ähnliches Plugin richtige draus macht) und der doppelte Bindestrich als Gedankenstrich — also so — sind Befehle, um in einer ASCII-Umgebung Typographie zu simulieren. Und das finde ich bei EMails, aber auch bei z.B. Kommentaren in einem Blog völlig ok.
Till
(Nachtrag: aus dem doppelten Bindestrich wurde hier automatisch ein mdash, scheint mir, und aus den einfachen Anführungszeichen wurden falsche angelsächsische – da muss Fontblog ein bißchen an der Automatik feilen ;-))
Martin
Mindestens 5 Punkte würde ich nicht als „Sünden“ durchgehen lassen
Benjamin Hickethier
Obacht, vor ›links‹ (in ›mit links‹) ist ein doppelter Wortabstand! ;-)
Mick Jacker
Na, wenn das mal die wichtigesten sind…?
Die größte Seuche: Im Internet- und Blogbereich scheint der „Binde Strich“ vollkommen abgeschafft worden zu sein. Also das Deppenleerzeichen oder vornehmer „Leerzeichen in Komposita“. Das „Design Tagebuch“ lässt schön grüßen.
Falsche Anführungen gibt’s viel häufiger durch anglophone Software, die automatisch “sowas” statt korrekt „sowas“ setzt.
Peter Pesseg
Im 3. Absatz „mit links bzw. mit unsere“ versteckt sich die Todsünde 1
Seb
Und agreed Erik diesmal mit allen?
Joe
Bin ich der einzige, der sich sich über verschwenderisch zunehmende Wortzwischenräume zwischen letzem Buchstaben eines Satzes und abschliessenden Frage-, bzw. Ausrufezeichen aufregt?
stk
Widerspruch beim doppelten Divis als Ersatz des Gedankenstrichs. Mir hat man beigebracht, genau diesen zu schreiben, wenn die Umgebung keinen Gedankenstrich vorsieht — beispielsweise in ASCII-Umgebungen o.ae.
Idealerweise wird diese Eingabe dann entsprechend geparst und, sofern vorhanden, in eine geeignetere Repraesentation umgesetzt. Hier funktioniert das ja prima. Sofern man also seine E-Mails in ISO 8859 codiert, beispielsweise weil das Gegenueber kein UTF-8 versteht, bestuende die Alternative in einfachen Bindestrichen statt Gedankenstrichen. Und das will ja ganz sicher niemand.
stk
Nachtrag: Die meines Erachtens schlimmsten Fehler sind nach wie vor dieselben wie schon vor 10, 15 Jahren, denen man leider immer noch viel zu oft begegnet:
* Plenken (Leerzeichen zwischen Wortende und Satzzeichen)
* Prellen (Multiple Ausrufe- oder Fragezeichen, Pseudoellipsen „………..“)
* HTML-bloat
* Komposita getrennt zu schreiben
* Text oben, Fullquote unten
Mick Jacker
@Till/stk: Wo gibt es denn heute noch „ASCII-Umgebungen“? Wir sind doch nicht mehr in den Siebzigern…
ISO-8859-1 ist eigentlich längst absolutes Minimum und tritt meist in der Variante „Windows-Latin 1“ auf, die die in 8859-1 undefinierte Lücke mit korrekten Satzzeichen füllt, sodass diese eigentlich immer zur Verfügung stehen.
stk
@11/Mick Jacker Hm, wo finde ich denn in Latin 1 den Gedankenstrich? Kann ich darauf vertrauen, dass das Gegenueber die Codierung kennt? Von wegen Siebziger, vor acht Jahren (und noch eine Weile danach) war es schon ein Kampf, bis man Dank 8859-15 das Eurozeichen codieren konnte.
Im Endeffekt ist die ganze Problematik den Eingabegeraeten geschuldet, die eben nur das Zollzeichen und Hyphen-Minus kennen. In einer idealen Welt erkennt die Eingabeverarbeitung den Kontext und ersetzt das Hyphen-Minus mal durch einen Divis, mal ein Minus und mal den Gedankenstrich. Und jetzt kommen bestimmt die Computerlinguisten und werfen mit Chomsky um sich ;)
Till
@Mick: zum Beispiel beim E-Mail-Versand (z.B. über eine Mailingliste – UTF, anyone?) oder beim Ausfüllen eines Onlineformulars ist alles außerhalb gängiger Umlaute immer noch ein großer Unsicherheitsfaktor. Das ist das eine.
Das andere ist vielleicht eher Faulheit, oder zuviel Komfort: ich bin es von z.B. Word, aber auch von meinem Blog etc. gewohnt, dass ein gewisses Maß an Typographie automatisch geschieht. Ist ja selbst bei diesem Eingabefeld so – um " zu erzeugen, muss ich „& q u o t ; “ eingeben, wenn ich nur auf die Taste mit dem Anführungszeichen drücke, kommt " “ " dabei heraus. Insofern gehe ich in meinem Handeln erstmal davon aus, dass ein gewisses Maß an Typographie in der Software liegt – Gedankenstriche, Anführungszeichen, Ellipsen.
((Nachtrag: oder kürzer: was @stk sagt))
Lektor Hektor
Deine Definition von ›Deppenapostroph‹ ist irreführend. Als Deppenapostroph wird eigentlich das bezeichnet, was du als ›Oberdeppenapostroph‹ bezeichnest.
Mein Vorschläg wäre, deinen ›Deppenapostroph‹ und die falschen Anführungszeichen zu einem neuen Punkt (falsche Zeichen) auf der Liste zusammenzuführen.
Außerdem sind die geschlossenen Punzen im Thumbnail weiß, während der Hintergrund gelb ist.
Jürgen Siebert
@alle: Ich habe große Hoffnungen, dass wir der mikrotypografischen Schlamperei ein Ende bereiten können. Dank Eurer wachsamen Augen:
• Thumbnail korrigiert
• doppelter Wortabstand beseitigt
• »Deppenapostroph« dem allgemeinen Gebrauch angepasst
Mick Jacker
@stk
An Position 150.
Ja. Selbst die für ihren etwas eingeschränkten Tellerand bekannten Amis (siehe ASCII) wollen inzwischen „richtige“ Anführungen und benötigen hierzu mindestenstens Latin 1 und unterstützen hierbei automatisch auch alle anderen Typo-Zeichen und natürlich Umlaute mit. Bei neueren Anwendungen ist aber ohnehin UTF-8 angesagt.
@Till
Außer das uralte Eudora und ein paar grottige Webmailer beherrschen alle E-Mail-Anwendungen inzwischen UTF-8. Der Rest kann wenigstens Latin-1, sodass die genannten typografischen Zeichen immer zur Verfügung stehen.
Martin
Unsicherheitsfaktor ist in diesem Zusammenhang ein schönes Wort. Ich verwende auch lieber Zeichen die vielleicht „falsch“ sein mögen, aber dafür garantiert lesbar bleiben, anstatt �korrekte� Zeichen, die früher oder später unlesbar werden. Aber das ist eine Glaubensfrage, über die man eigentlich nicht diskutieren brauch. Die einen meinen die Zeit wäre schon reif, andere halt nicht. Ich bleibe bei meinem Glauben solange ich weiterhin täglich Mails und Dokumente mit all den tollen typografisch korrekten, aber dennoch kaputten Zeichen erhalte.
Plamen Tanovski
Ich finde, Satzregeln sollten nicht auf „Schreibmaschinen“-Bereiche wie E-Mails und Manuskripte angewandt werden. Der Tastenvorrat dürfte etwa die obere Grenze bleiben. Und am besten sollte man auch nichtproportionale Fonts verwenden.
@#16
>> Hm, wo finde ich denn in Latin 1 den Gedankenstrich?
> An Position 150.
Das ist falsch. Die Slots zwischen dezimal 127 (Ende ASCII) und 160 sind in ISO-8859-1 nicht belegt.
grefel
Der Deppenapostroph ist aber auch eher eine Schreibregel und weniger eine Satzregel.
Unterstreichungen zu verbieten ist nicht sonderlich souverän.
georg
Korinthegekacke!
Geht für Pakistan spenden!
Mick Jacker
@Plamen Tanovski: Frage und Antwort bezogen sich auf Windows-Latin-1 (vgl. #11), wo die genannte ISO-Lücke genau wie angegeben belegt ist.
clexs
Ich finde die rote Auszeichnung sehr verwirrend. Inuitiv dache ich, rot stelle die falsche Schreibweise dar. Aber leider ist es gemischt.
Grau = falsch, rot = richtig; finde ich besser.
Welche Schrift kommt bei der PDF zum Einsatz? Gefällt ganz gut.
Mick Jacker
Eine wichtige Variante des „falschen Apostrophs“ ist noch die Verwendung von Akzenten über Leerzeichen. In der aktuellen „Page“ in einer ganzseitigen „BECK`S“(!)-Anzeige zu bewundern.
Plamen Tanovski
#21 OK und sorry, der Name „latin-1“ hat mich irregeführt.
Jürgen Siebert
Version 1.2:
• das Falsche ist rot gekennzeichnet, das Richtige grün.
• neu: die Empfehlung Kapitälchen
• der falsche ´-Apostroph
• die verwendete Schrift ist FF Suhmo, eine neue Korrespondenzschrift
Aktualisiertes PDF …
robertmichael
ich würde e-mail nicht mit manuskripten gleichsetzen. ich habe oft schnellen mailkontakt (was teilweise schon an chatten erinnert) und da verzichte ich bzw. übersehe ich satzregeln gerne mal. gerade in bezug auf smartphones und stimmernerkennung oder swype. kurz: in foren, blog-kommentaren oder mails lasse ich mir einiges gefallen!!!11einseinseinself
es kommt natürlich immer auf die art der mail an (geschäftlich/privat) und deren länge bzw. betreff (pressemitteilung/urlaubsgruß). beim sog. qualitätsjournalismus sollte sowas natürlich überhaupt nicht passieren, auch wenn einige dinge oft an der unwissenheit der user oder auch an softwareeinschränkungen liegen.
gromek
ich bin absolut derselben meinung wie so manch anderer hier, dass man die „sündigkeit“ (sic) in gewissem umfang quasi kontextsensitiv betrachten sollte: in schnellen, eher informellen e-mails toleriere und benutze ich also mit recht wenig schlechtem gewissen die berüchtigten zollzeichen als anführung, während ich das in einem manuskript oder gar einem gesetzten dokument natürlich nicht durchgehen lasse. schizophrenerweise reagiere ich aber immer und überall allergisch auf den anstelle des gedankenstrichs verwendeten trennstrich/divis…
eine „sünde“, die ich hier gerade nicht aufgeführt finde, die mir aber immer wieder in manuskripten begegnet, ist der wortzwischenraum zwischen wort und folgendem ausrufe- oder fragezeichen – was aber dann wieder ein leichter fall fürs „Suchen und Ersetzen“ ist…
Stecki
Was spricht gegen Nutzung des Versal-ß: ẞ :-)
Simon
Tut mir einen Gefallen und schmeißt ISO 8859-1 (Latin-1) nicht mit Windows-1252 durcheinander. Der Einwand von Plamen Tanovski ist völlig gerechtfertig. Windows-1252 ist auch keine „Variante“ von ISO 8859-1, sondern ein Encoding, welches zufälligerweise (nicht ganz) große Übereinstimmungen mit ISO 8859-1 aufweist.
Ich habe schon so oft Probleme mit Texten und Webseiten gehabt, die behaupten, ISO 8859-1 zu sein, in Wirklichkeit aber Windows-1252 waren. Das resultiert dann regelmäßig in vielen Ersatzzeichen und jeder Menge Ärger, wenn man den Text weiterverarbeiten will. In dem Moment wo man Encodings ernst nimmt und dann einen solchen Text verarbeiten muss, kriegt man dann obskure und schwer zu debuggende Probleme.
UTF-8 ist toll. ISO 8859-1 ist für westeuropäische Sprachen noch akzeptabel, ASCII taugt als Baseline.
Viele Grüße,
Simon
Ceterum censeo Windows-1252 esse delendam.
Email
@ 25 FF Suhmo / Korrespondenzschrift
Kein noch so gutes Marketing wird den Sinn von Light- und Blackschnitten in einer Korrespondenzschrift erklären können.
Die Strichstärke des gemeinen –s– ist zu leicht, leider (fällt auf).
Satzsünden sind toll. Wenn sie im Rudel auftreten deuten sie auf den Bildungsgrad.
Lurchi
Kapitälchen dann bitte auch mit großen „K“; aus Mangel an echten Kapitälchenschchriftschnitten sind für mich versal gesetzte Headlines in Ordnung …
Angel-A
Amen!
Abgesehen davon, sorgt euch lieber um Grammatik- als um Satzfehler, die sind wesentlich schlimmer und lassen wirklich auf den Bildungsgrad schließen.
stk
@29/Simon: Danke. Windmuehlen und so.
Dementsprechend mal die Frage an Juergen Sievers: Wie soll das im E-Mail-Verkehr funktionieren, stets korrekte Anfuehrungszeichen, Gedankenstriche und Co. zu verwenden? Generelle Codierung in UTF-8 als Norm? Eingabe des Gedankenstrichs per Code (Alt-0150 und Konsorten)? Oder soll hier etwa der Einsatz von HTML-Mail beworben werden?
robertmichael
sowas geht gar nicht – falsche namen bei der anrede und ue anstelle von ü.
belanglosen senf abgeben und vom thema abweichen … auch ein no go.
;)
stk
@34/robertmichael Asche ueber mein Haupt.
Sven Winterstein
Einen doppelten Divis als Gedankenstrich ist für mich ein erfrischendes Retro-Stilmittel. Und Zollzeichen statt richtiger Anführungen sind bei Mails auch zu verschmerzen. Ist gar nicht so schlecht, wenn man Korrespondenz-Texte ganz deutlich von gesetzten Texten unterscheiden kann.
Sascha
An wen sollen sich denn die 12 Satzsünden richten? An Laien? Das scheitert spätestens an den Kapitälchen, was zwingend die Erklärung richtiger und falscher Kapitälchen nach sich zieht (abgesehen davon, dass sie in Outlock scheinbar nicht vorgesehen sind), und an den Brüchen, bei denen auch ich etwas Zeit aufwenden muss, wenn es über ¼, ½ und ¾ hinausgehen soll.
Laien sollte man lieber den richtigen Umgang mit Tabulatoren erklären oder dass Einzüge nicht durch Leerzeichen zu erzeugen sind, dass man sich nicht um den Umbruch kümmern muss oder Wörter trennt und dass ein Zeilenumbruch am Ende eines Absatzes in der Regel ausreicht …
Und als Profi gehe ich lieber 34 Sünden durch, als auf halber Strecke stehen zu bleiben.
tobias
Brüche: Sind leider bei den meisten schriftarten nicht vorhanden. Merke ich regelmäßig bei modellbahnbeschriftungen, wenn im RIC-raster „16 2/3 Hz“ zu schreiben ist. Oft genug gibt es nicht mal einen bruchstrich, um einen schrägen bruch aus normalen verkleinerten ziffern zu basteln.
Was die verschiedenen striche und anführungszeichen angeht, ist ein problem, dass wir immer noch mit schreibmaschinentastaturen schreiben und bei der schreibmaschine beschlossen wurde, mit einem anführungszeichen und einem schritt auszukommen. Ich kenne bis jetzt keine tastatur mit zusätzlichen tasten für die richtigen zeichen, also sind wir auf die programmseitigen ersetzungen angewiesen oder müssen zusatzaufwand treiben, das ersparen sich die meisten naturgemäß.
Freed
Schreibt man »Kapitälchen« nicht auch in Kapitälchen groß?