colophon-Gastreportage (3): Schluss


Improvisiertes Abschlussfoto im Raum von rojo 

Letzter und dritter Teil unseres Außenreporters Benjamin Hickethier, der mir gestern Abend schrieb: »Hallo Jürgen, jetzt ist alles vorbei und dieses wehmü­tige Gefühl bleibt zurück, das einen auch jedes Jahr nach der Typo befällt … hier ist mein Abschlussbericht.«

Am Samstag liefen Portfoliopräsentationen von ›Pros‹ im Gegensatz zu den Studentenpräsentationen, in den Bereichen Illustration, Photography und Editorial Design. Unter den Studierenden war vor allem The Arts Insitute in Bournemouth mit einer sehr char­manten Illustrationsklasse vertreten.

Horst Moser zeigte älteste Beispiele aus seinem uner­schöpf­li­chen Archiv, ›Through the Past-Darkly‹. Eingeleitet wurde sein Vortrag mit einem Videospaziergang durch sein gigan­ti­sches Zeitschriftenarchiv (wie er später ausdrückte »einen kleinen Teil«), mit ein paar Beispielen ( z. B. ›Fortune‹), von denen einzelne Nummern aus Regalen heraus­ge­sucht wurden und auch im Vortrag wieder auftauchten. Hier wurde sozu­sagen der histo­ri­sche große Bogen aufge­macht, bis zurück zu den soge­nannten ›Intelligenz-Blättern‹ um 1800, der Hintergrund für die vielen jungen und neuen Magazinprojekte und ihre MacherInnen.

Ähnlich, aller­dings etwas mehr auf die zeit­ge­nös­si­schere Magazingeschichte bezogen, stellte Jeremy Leslie in seinem Vortrag ›Magazines that Break Boundaries‹ Bezüge her. Von ›twen‹ (das in der colo­phon-Ausstellung ›Magazine Graveyard‹ der ausge­stor­benen Magazintitel seltsam einträchtig neben ›Emigre‹ präsen­tiert wird) über ›fact:‹ und das ›AvantGarde‹ Magazin (für das die gleich­na­mige Schrift entworfen wurde), ›octavo‹, ›Speak‹ zu aktu­ellen Titeln wie ›Carlos‹, das Leslie mit entwarf, ›Found maga­zine‹ (das seinen content von einer website bezog, auf die user gefun­dene Dinge stellen konnten), ›Me Magazine‹ und ›Karen‹, zwei sehr persön­liche Magazine, die jeweils die Privatsphäre von Personen öffent­lich machen, bis hin zu ›thisisa​ma​ga​zine​.com‹ (die hier eben­falls mit einem show­a­case vertreten sind), ›Is Not‹ maga­zine und ›I am still alive‹ von Åbäke (London). www​.magCulture​.com ist die zum Vortrag gehö­rende Seite.

Die Entspannungspausen wurden am zweiten Tag ausgie­biger, wie es auf solchen Konferenzen immer ist, hier beson­ders wegen des ›Room with a View‹ des Casinos, mit Blick über eines der Luxembourg-Täler und eine von den Burgen. Auf der einen Seite der obli­ga­to­ri­sche Zeitschriftendisplay mit -verkauf, am anderen Ende eine kleine Bar, dazwi­schen Wifi-Lounge, beschallt mit play­lists, die 40 Magazine vorher an colo­phon geschickt hatten.

Der Samstag schloss mit einer zünf­tigen Party ab, siehe Bilder, die an nichts zu wünschen übrig ließ.

Der FlashPass – die 3Tageskarte für die Konferenz, für 75 Euro – beinhal­tete das Katalogbuch, einen goodie bag und ausserdem ein ›We Love Magazines‹-bracelet, das access zu den Zubringerbussen ermög­lichte, die uns zur ›secret loca­tion‹ des Dinners brachte, nämlich dem Druckereigebäude Victor Buck, Gold Sponsor der Konferenz. Hier gab es Essen und Trinken all inclu­sive, zwischen Druckmaschinen und Papierbogenstapeln wurden allerlei aufge­spießte Häppchen kredenzt, Suppen in Sektkelchen ohne Stiel, Risotto in kleinen Einmachgläsern und zum Abschluss Süßigkeiten, Gebäck und kleine Gläschen mit Créme und Früchten plus ein paar andere unbe­schreib­liche Köstlichkeiten.

Dann wurden alle wieder in Busse verladen und zur ›Rotunda 2‹ chauf­fiert, wo Party/Konzert statt­fand, mit One-Two, iPunx, Urban Delights und den ausge­zeich­neten Planetakis aus Köln. Hier spre­chen die Bilder auf flickr besser für sich.

Den Höhepunkt Sonntages bildete Lars Harmsen und Flo Gaertner von slanted. ›Slanted: Killing White Space. The power of typo­graphy in edito­rial design‹ war Titel ihres Vortrages. Sie rockten in kurz&klein-Kritiken, ange­fangen mit einer genauen Auseinandernahme der Konferenz- und Partyplakate in Stil, Typografie, Wirkung und Interpretation, und dasselbe durch die Welt der Magazingestaltung. Mit hinter­legter Musik, die ihre jewei­lige Kategorie unter­malen sollte ( z. B. ›The End‹ am Ende…), aller­dings teil­weise in Konkurrenz zu ihrem Vortrag trat. Maßstab ihrer Magazingestaltungspolemik war brand eins, jeden­falls schien dessen Gestaltung immer wieder als Kriterium durch.

Sie sortierten eine Vergleichsauswahl von Zeitschriften in die Kategorien Minimalism, brand eins/Look, Hybrids, Emigre, Architecture/Design/Typography, Students, Personal Low-Budget (Sub)Culture, Art Scene/Discourse, Glossies/Large Circulation, Lifestyle/Aesthetics/Music etc, Street Culture, Newspaper look&format und eine closing cate­gory, bestehend aus Colors und ›RE-‹. Alleine die Graphensysteme, die sich die beiden zur Bewertung und/oder Plazierung im Koordinatensystem der Magazine ausge­dacht hatten, waren sehr unter­haltsam und irgendwie anre­gend: Koordinaten wie ›use of moder­nist grotesque‹, ›playful­ness‹ gegen ›soft mini­ma­lism‹, oder in der Kategorie ›Emigre‹ von ›not bad‹ bis ›wow!‹.

Am inter­es­san­testen natür­lich die Beispiele, sie reichten von mini­ma­lis­ti­scher Gestaltung wie ›Numéro‹; dem franz. ›Purple‹ – laut slanted der wahre Vorläufer von brand eins –; Architekturmagazinen mit so unter­schied­li­cher Gestaltung wie ›Mark‹, ›An Architektur‹, ›Hochparterre‹; das fantas­ti­sche ›IdN‹ aus China; über Personal Low Budget Magazine wie ›Amelias Magazine‹, ›Karen‹ (das auf der Konferenz viel­fach Erwähnung fand, von Flo Gaertner aller­dings mit einem »It’s ok« abgetan wurde) oder dem deut­schen ›Von Herzen‹; ›art‹ in der Kategorie ›Art Scene‹ ist für Lars Harmsen »the most boring art maga­zine in the world« und wurde dementspre­chend mit Winnetou-Soundtrack unter­legt; bis hin zu ›Glossies‹ wie ›Galore‹ (»1:1 brand eins«), unver­meid­lich: ›Tempo‹ und ›Marie Claire‹ (inter­es­sant: hier findet Lars Harmsen seine Lieblingsschrift Mrs Eaves wieder, die er auch in seinem eigenen neuen Projekt ›Useless‹ verwendet, aus der Kategorie ›Street Culture‹, zusammen mit ›Lodown‹ u.a.).

Hoffentlich bald auf/in slanted nachzulesen!

Abschließend: Wie immer ist das Zusammenkommen der Leute am wich­tigsten gewesen, das persön­liche Kennenlernen kann eben keine Telekommunikation ersetzen. Vor allem hier lässt das Aufeinandertreffen der vielen verschie­denen an Magazinproduktion Beteiligten auf einiges hoffen: Es wird span­nend zu sehen, was sich alles an zukünf­tigen gemein­samen Projekten und gegen­sei­tigen Beteiligungen an den jewei­ligen Magazinen ergeben wird.


2 Kommentare

Kommentarfunktion ist deaktiviert.

<em>kursiv</em>   <strong>fett</strong>   <blockquote>Zitat</blockquote>
<a href="http://www…">Link</a>   <img src="http://bildadresse.jpg">