bukowskigutentag 27/12: Lektüre für Leser
ach zwei Jahren Pause starten wir die Lektüre für Nichtleser bald neu; und zwar als eine Art Lektüre für Leser diesmal. In Arbeit befindet sich aktuell ein lesbares, quasi ein richtiges Buch. Es handelt sich um eine große (auf ne Art) Liebesgeschichte, die sich im Jahr 2013 in Berlin-Schöneberg ereignen wird. Abgesehen vom Liebeszeugs passieren aber auch andere Sachen. Hier schon mal ein Ausblick auf das nächste Jahr, wie es uns die Lektüre für Leser bescheren wird:
Während sich die Leute in Schöneberg mit ihren jeweils verschiedenen Angelegenheiten beschäftigten, schritt die Zeit unaufhaltsam voran. Das hatte sie so lange getan, bis sich ganz neue Zeichen der Zeit manifestierten; und zwar sogar hier in Schöneberg und zum Beispiel auch beim Bäcker um die Ecke.
Dort war Heinz gerade vorstellig geworden in der Absicht, ein belegtes Brötchen zu erwerben, um seinen Hunger zu stillen. Aber es sollte anders kommen, denn wie schon angedeutet, schlugen die Zeichen der Zeit gnadenlos zu.
Als Heinz nämlich an der Reihe war, zeigte er auf ein belegtes Brötchen in der Verkaufstheke und sagte zur Verkäuferin: »Dieses da, bitte.«
»Ein Ciabatta?«, fragte die Verkäuferin zurück.
»Einfach dieses da, bitte«, wiederholte Heinz.
»Das Ciabatta?«, fragte die Verkäuferin zurück.
Inzwischen wurden die anderen Leute in der Schlange hinter Heinz neugierig. Warum wollte der Mann nur nicht ›Ciabatta‹ sagen, fragten sich die Leute, wo es sich doch eindeutig um ein Ciabatta handelt, dem neuen Trend im Belegte-Brötchen-Segment mit dem so deliziös nach Olivenhainen und von Zedern umsäumten toskanischen Landgütern duftenden Namen, der so idyllisch italienisch nach Tschakka-Tschakka mit einem Hauch von Tschingderassabumm klingt.
»Geben Sie mir das jetzt oder nicht?«, antwortete Heinz mit einem leicht verärgerten Ton.
»Was denn? Das Ciabatta?«, fragte die Verkäuferin hartnäckig zurück.
Inzwischen war die Schlange der hinter Heinz Wartenden länger geworden. Es wurde getuschelt und geraunt.
»Warum will der Mann nicht Ciabatta sagen?«, flüsterte ein Kind zu seiner Mutter.
»Ach, mein Spatz, hör nicht hin. Der Mann ist bestimmt sehr krank.«
Jetzt meldete sich aber Heinz wieder zu Wort: »Schauen Sie, Frau Verkäuferin, können wir diese Situation hier nicht so lösen, daß Sie mir dieses belegte Brötchen verkaufen, ohne daß ich dieses lächerliche Italo-Wort aussprechen muss?«
Das Raunen in der Menge wich augenblicklich einer Totenstille. Die Leute waren gleichermaßen schockiert wie schaulustig über diesen unerhörten Vorfall. Schlagartig war es so ruhig geworden in der Bäckerei, daß man eine Bombe hätte explodieren hören können.
»Du perverses Schwein!«, rief einer aus der Schlange plötzlich laut.
»Was war das?«, fragte Heinz drohend zurück. »Will hier einer aufs Maul?«
Daraufhin gerieten die Ereignisse außer Kontrolle. Die Leute in der Warteschlange formierten sich zu einem wütenden Mob um Heinz herum; offensichtlich entschlossen, dessen Blasphemie gegenüber den Zeichen der Zeit mittels Selbstjustiz im Sinne von Lynchmord zu bestrafen.
Heinz dagegen überlegte, was zu tun sei. Sollte er den Mob besänftigen, indem er das lächerliche Wort ausspricht und dabei jegliche Selbstachtung verliert? Oder sollte er standhaft bleiben und Zivilcourage beweisen? Er entschied sich für letzteres und goss sogar zusätzlich Öl ins Feuer, indem er mehrmals laut »belegtes Brötchen« brüllte, während hinter ihm die Verkäuferin ein langes Brotmesser gezückt hatte und Anstalten machte, Heinz von hinten damit an die Kehle zu gehen, während er die wie irre geifernden Gesichter des Lynchmobs um sich sah. Manche hatten sogar Schaum vorm Mund.
Inzwischen war auch die notorische Oma Krause ihrem sicheren Gespür für Ärger folgend eingetroffen. »Du kranke Sau«, schimpfte sie krächzend mit allem, was ihre vom andauernden Schimpfen malträtierten Stimmbänder hergaben. »Ich weiß zwar nicht, worum’s hier geht, aber eines weiß ich genau: Sowas hätte es unter … na … unter … wie hieß der noch? Hier, Dings, der Typ mit dem Weltkrieg … egal, hätte es unter dem jedenfalls nicht gegeben, Du asoziales Subjekt.«
»Genau, jetzt bist Du fällig, Du Kulturbolschewist«, bestätigte einer aus der Reihe Oma Krause.
Jetzt stand Heinz mit dem Rücken zur Theke. Die Verkäuferin zückte ihr Messer hinter ihm und machten Anstalten, ihm damit von hinten an die Kehle zu gehen. Derweil näherte sich die Meute bedrohlich dem widerspenstigen Heinz. Inzwischen hatten sich die Leute – woher auch immer!? – mit Knüppeln, Heugabeln, Handgranaten und ähnlichem bewaffnet, mit denen sie dem Übeltäter zu Leibe rücken wollten. Wahnsinn! (…)
Soweit zu unserer Vorschau, die natürlich ganz beabsichtigt viele Fragen offen lässt: Wird Heinz das Scharmützel beim Bäcker überleben? Wird es nächtes Jahr überhaupt noch Ciabatta geben? Wird dieses Buch überhaupt einen Verlag finden oder hat der Autor schon einen und wenn ja, will man das? Nun, man wird sehen …
Unicode-Postkartenset, Verlosung
[Update] Die Aktion ist beendet. Das Postkartenset geht an #29 Daniela in Österreich.
Anderthalb Jahre nach dem Erscheinen hat Decodeunicode, das Buch mit allen 109.242 Schriftzeichen dieser Welt, mehr Awards und Anerkennung auf sich vereint als kein anderes Designbuch. Und so stellt der Schmidt-Verlag dem erfolgreichen Blätterwerk ein nettes Postkartenset zur Seite: Die 30 schönsten Schriftzeichen aus aller Welt, auf leuchtenden, doppelt gedruckten Neonfarben und hochwertigem Karton. Auf der Rückseite findet sich eine kurze Erläuterung zum abgebildeten Schriftzeichen.
Ich habe ein Ansichtsexemplar des Portkartensets hier zum Verlosen … immerhin ein Wert von 15 €, doch darum geht es gar nicht. Es geht um schöne Schriftzeichen. Und deshalb wünsche ich mir jetzt Kommentare, die aus nur einer einzigen Letter bestehen, nämlich eurem Lieblingsbuchstaben, egal ob lateinisch, griechisch, kyrillisch, Satzzeichen, Ligatur, Pfeil, Hieroglyphen, Keilschrift oder Dingbats. Morgen um 12:00 ziehe ich aus allen Kommentaren einen Gewinner.
Endlich bairische Blindtexte, dank bavaria-ipsum.de
Heute starten das 179. Oktoberfest und das 125. Zentral-Landwirtschaftsfest. Diesen Tag haben der Münchner Designer Michael Bundscherer und seine Agentur Aurum:Media zum Anlass genommen, einen neuen Blindtext-Generator in die Welt zu setzen. Bavaria ipsum liefert die bairische Variante des Lorem-ipsum-Blindtextes.
Designbüros müssen häufig Layouts gestalten, bei denen die Texte noch nicht vorliegen. Dann springt meist das pseudo-lateinische Lorem-ipsum ein. »Als wir wieder mal auf der Suche nach einer Alternative zum Standard-Blindtext waren, bauten wir ein paar bairische Schimpfworte ein. Bevor wir die Gestaltung dem Kunden gezeigt haben, mussten diese zwar wieder entfernt werden, aber die Idee war geboren: Warum keinen bairischen Blindtext nicht verwenden?« erinnert sich Michael Bundscherer.
Das Schöne an der interaktiven Version: Sowohl die Länge des Textes als auch seine Bairischkeit lassen sich per Schieberegler individuell anpassen. Das macht richtig Spaß. Kostprobe: 2 Absätze, 30 % bairisch:
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»Vom Worte verweht« … 152 min Buchstabengucken
Seit 2005 bereits zeigen Johannes Bergerhausen und Siri Poarangan am Ende ihrer Unicode-Schrift-Präsentation einen 10-minütigen Trailer zum hier eingebetteten Buchstabenfilms (zum Beispiel auf der TYPO Berlin 2011). Inzwischen ist ihr bemerkenswertes Buch Decodeunicode (FontShop-Link) erschienen (Fontblog-Rezension: Das Buch der Zechen ist da). Und so war endlich Zeit, den Hauptfilm zu schneiden, zu vertonen und in die Kinos (= Netz) zu bringen.
Der Director’s Cut zeigt in 2,5 Stunden nun alle Unicode-6.0-Schriftzeichen, das sind genau 109.242 Glyphen, zusammengetragen aus 66 verschiedenen Fonts, macht 12 Zeichen/s. Darunter jede Menge Highlights, zum Beispiel die Keilschrift ab Sekunde 1:17:40 oder die ägyptischen Hieroglyphen ab 1:19:00.
Decodeunicode: The Movie
D, engl, 2012, 152 min, FSK 0
Besetzung: 109.242 Unicode-Schriftzeichen (12 Zeichen/s)
Regie: Johannes Bergerhausen
Design: Daniel A. Becker, Johannes Bergerhausen, Siri Poarangan, Wenzel S. Spingler, Mathias Wollin
Softwareentwicklung: Daniel A. Becker
Ton: Andreas Leo Meyer
bukowskigutentag 23/12: Geile Schüssel
m Jahr 2007 habe ich mir eine Luxus-Limousine mit absoluter Premium-Ausstattung wie Sitzbezüge aus Kunstleder-Imitat, brillantbesetzte Affenzahnfelgen, Außenklo, Abstandshalter auf 400 Euro Basis, ausfahrbarem Stinkefinger aus Froschfotzleder und so weiter und so weiter im Gesamtwert von 187.400 Euro nicht angeschafft.
Das rentiert sich jetzt. Denn bekanntlich heißt es heute: Kein Statussymbol ist das neue Statussymbol. Und dank meiner Luxus-Limousinen-Abstinenz zähle ich inzwischen zur Avantgarde der neuen Status-Verweigerer. (Praktischerweise habe ich dabei sogar noch satte 187.400 Euro gespart.)
Allerdings wächst die Bewegung rasant. Zum Beispiel verweigern sich fast alle Hartz-IV-Empfänger und Mini-Neben-Jobber konsequent dem Konsum von materiellen Luxusgütern aller Art. Aber es gibt natürlich noch Anhänger der alten Schule wie zum Beispiel den Halter eines Fahrzeugs, das ich vor kurzem sah – kein Witz: einen tiefergelegten Range Rover.
So, jetzt muss ich aber los, zum Termin in die Tuning-Werkstatt. Lasse mir nämlich mein Bobby-Car mit Monster-Truck-Pneus aufpimpen. Wir sehen uns beim Stechen an der Ampel, tiefergelegter Range Rover-Mann!
Generative Text-Skulpturen für Push-Konferenz
Die Münchener Push-Konferenz widmet sich im November 2012 den Themenbereichen User Experience Design und Media Arts. Internationale Experten aus den verschiedensten Bereichen der Interactive-Branche geben Einblicke in ihre Arbeit, spielen Impulsgeber für die interaktive Kreativwirtschaft. Dieser Impuls soll sich auch in der visuellen Identität der Konferenz widerspiegeln. Zu diesem Zweck entwickelte der Veranstalter Envis Precisely einen Skulptur-Generator als individualisierbares Gestaltungselement. Auf Basis dieser Technik werden in den nächsten Wochen die Sprechertrailer sowie individuelle Namensschilder für die Besucher gestaltet.
Die Generator-Matrix besteht aus 3 x 3 x 3 Kuben, die in Abhängigkeit der Texteingabe auf ihren Bahnen verschoben werden. Die Entfernung, um die eine Blockreihe bewegt wird, beruht auf der Häufigkeit der einzelnen Zeichen im deutschen Alphabet. Beispiel: Ein e versetzt die Reihe um einen Block, während ein selteneres q einen größeren Einfluss hat. Die Position des einzelnen Buchstabens im Wort wiederum beeinflusst die Richtung, in der eine Reihe verrutscht wird. So verläuft die Verschiebungen der Blockreihe zuerst auf der x- und anschließend weiter über die y- und z- Achse. Dieser Vorgang wiederholt sich solange der Betrachter schreibt. Der Generator wurde mit Hilfe von Three.js und CoffeeScript programmiert, damit er in allen modernen Browsern erlebt werden kann.
Heute schon eine Font-Bombe gezündet?
Der kanadische Programmierer Philippe-Antoine Lehoux hat ein Bookmarklet gebastelt, mit dessen Hilfe sich Texte auf jeder Website sprengen lassen. Er nennt das Tool schlicht Font-Bomb. Einmal aktiviert, lässt sich per Mausklick ein Ground Zero setzen, und nach 3 Sekunden fliegen die Buchstaben über den Bildschirm.