Fontblog Reportage

FontFonts für die Page: Redesign in Print und Web

PAGE_Cover

Kreative und Profis in Design, Werbung und Medien schätzen die PAGE seit ihrer Gründung, 1986, in der Frühzeit des Dekstop-Publishings. Nach der Entwicklung einer Magazinschrift durch Ole Schäfer 2007 (siehe Fontblog-Beitrag vom November 2007) ist PAGE in das neue Jahr 2015 mit dem Relaunch des Online-Auftritts samt neuer Webfonts gestartet und setzt gleich­zeitig neue Print-Schriften im Heft ein.

Redaktion und Agenturen wählten für den Fließtext der Print-Ausgabe FF Quadraat. Es warFred Smeijers moderner Satzschrift-Klassiker den die Page-Redaktion in einem Magazin entdeckt und der sie so beein­druckt hatte, dass sofort beschlossen wurde, sie für den Fließtext einzu­setzen. FF Quadraat ist eine digital erstellte Schrift, ihre Ausgangsbasis waren jedoch unzäh­lige Zeichnungen von Hand. Die Familie sollte gleich­zeitig neu aussehen und an altbe­währte Vorbilder anknüpfen, zum Beispiel Garamond, Times oder Plantin. Die fast senk­rechten Kursiven dagegen, legte Smeijers ausge­spro­chen eigen­willig und origi­nell an – sie wurden zu einer Art Markenzeichen der Quadraat.

Für die Auszeichnung und online zusätz­lich als Text- (Web-)Font kommt Hannes von Döhrens  FF Mark zum Einsatz. Als zusätz­liche Auszeichnungs-Antiqua entschied man sich für Ingeborg, eine Familie von Michael Hochleitner für sein Wiener Schriftenhaus Typejockeys.

PAGE_13 Headline Subline

Spannung durch Kontrast: FF Mark Headline mit Ingeborg Italic Subline

FF Mark ist eine moderne geome­tri­sche Sans. Sie entstand in einem zwei­jäh­rigen Gemeinschaftsprojekt zwischen Hannes von Döhren, Christoph Koeberlin und dem FontFont-Technik-Team, begleitet von Erik Spiekermann. Ende 2013 wurde die Großfamilie mit 10 Strichstärken (von Hairline bis Black) und die dazu­ge­hö­rigen Kursiven (= 20 Fonts) veröf­fent­licht, wobei die extremen Schnitte für den Einsatz in Headlines opti­miert, und die mitt­leren auf Textleserlichkeit getrimmt wurden.

PAGE_10 Headline und Text

Geometrische Sans mit Bauhaus Anklängen und Neu-Antiqua: FontFonts FF Mark und FF Qudraat als Headline und im Fließtext im Page Layout

Relaunch und Redesign der Page entstanden in Zusammenarbeit mit den Agenturen digi­tal­mobil und SQUIECH. Besucher der Page-Site können der Umstellung auf WordPress weiterhin online beiwohnen.

Fotos: Alexander Roth


»Kreativität lässt sich trainieren …«

Fontblog-Interview mit Mario Pricken

Vor 15 Jahren entwi­ckelt der öster­rei­chi­sche Berater Mario Pricken ein neues Kreativitätsmodell: Ideen sind kein Zufall, sie lassen sich syste­ma­tisch herleiten, Kreativität trai­nieren auf Basis von rund vierzig Prinzipien. Sein Buch »Kribbeln im Kopf« verkaufte sich welt­weit in sieben Sprachen über 135.000 mal. Jetzt kommt die iPad-App zum Buch. Sie heißt »Trigger me« und stellt drei Kreativmethoden zur Verfügung. Fontblog sprach mit Mario Pricken über Genie, Zufall und Bodybuilding.

Kreativberater Mario Pricken in seinem Wiener Büro

Fontblog: Herr Pricken, wie kommt man auf die gewagte Behauptung, dass jeder Mensch Ideen entwi­ckeln kann wie einst David Ogilvy oder Steve Jobs?

Mario Pricken: Anfang der 90er …

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Fünf Fragen an Jens Kutilek, FF Font-Techniker

Vermutlich ist Azuro die erste Schriftfamilie, deren Bildschirmverhalten bereits in der Entwurfsphase unter Windows, Mac-OS und Apple iOS uner­müd­lich getestet wurde, Rückwirkung auf den Designprozess inbe­griffen. Daher ist Azuro am Bildschirm und auf Papier in hohem Maße leser­lich (zum Beweis: Azuro als Webfont für diesen Blog oben auswählen). 2011 bei FontShop erschienen, wurde Azuro von Georg Seifert entworfen und von Jens Kutilek gemastert.

Jens_Kutilek-FontShop

Neben seiner Arbeit an vielen FontFonts hat Jens auch dafür gesorgt, daß die Webfonts der Süddeutschen Zeitung am Bildschirm gut aussehen, ebenso wie der Schriftschnitt der Real Text, der Erik Spiekermanns Buch „Hallo, ich bin Erik“ beiliegt

Kommenden Freitag (14. November) spricht Jens  auf dem TYPO Day München darüber, wie sich sorg­sames Mastering auf die Qualität einer Schrift auswirkt. Jens Kutilek studierte Kommunikationsdesign in Braunschweig, grün­dete nach dem Studium mit zwei Freunden das Webdesign-Büro Netzallee und arbeitet seit 2007 als Fonttechniker bei FontShop.

1. Was hat Dich bewogen, Dein Augenmerk auf die tech­ni­sche Seite des Schriftenentwurfs zu legen?

Meine Interessen haben sich schon immer zwischen den tech­ni­schen und künst­le­ri­schen Feldern bewegt. Als Jugendlicher habe ich am C64 program­miert und gepi­xelt, und in der Schule meine Lehrer zum Verzweifeln gebracht, weil ich die Schulstunden damit verbracht habe, in mein Notizbuch zu zeichnen. Ich habe dann, weil ich an der Kunsthochschule nicht genommen wurde, ein Ingenieursstudium begonnen, was eigent­lich von vorn­herein zum Scheitern verur­teilt war. In den vier Semestern begann ich, mich für Serveradministration und Webdesign zu inter­es­sieren, und nicht zuletzt haben die Vorlesungsskripte für Mathematik mit all ihren Formeln mein Interesse für Typografie am Computer entfacht. Die waren offen­sicht­lich nicht mit Word gesetzt, sondern es gab (für mich) geheime, viel mäch­ti­gere Textsatzsysteme.

FF-Comic-Jens

Als Alternative zur allge­gen­wär­tigen Comic Sans veröf­fent­lichte Jens 2008 für den Einsatz in Kindergärten, Vereinen, im Büro und zu Hause  – Comic Jens. Inzwischen erfreut der Creative-Commons Font sich großer Beliebtheit und erhält im kommenden Jahr einen kommer­zi­ellen Nachfolger.

Beim zweiten Versuch bin ich dann an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig gelandet und habe dort Kommunikationsdesign studiert. Dort enteckte ich Typedesign – meine Professoren befassten sich jedoch mehr mit der Anwendung von Schrift. Diese Richtung habe ich nicht konse­quent weiter­ver­folgt und mich auf Webdesign konzen­triert. Die Erkenntnis, daß sich meine Interessen in der Schrifttechnik fast ideal vereinen lassen, entstand nach dem Studium, und ich hatte das Glück, dies zu meinem Hauptberuf machen zu können.

2. Berlin gilt zur Zeit als Hochburg für Typedesigner. Wo findet man die typo­gra­fi­schen Techniker? Bei GitHub?

Viele span­nende Tools werden aber auch als Auftragsarbeiten für Kunden entwi­ckelt und errei­chen die Öffentlichkeit nicht. Man sieht höchs­tens mal einen Screenshot davon.

Ja, auf GitHub stellen viele aus der neuen Generation der „program­mie­renden Typedesigner“ ihre selbst­pro­gram­mierten Tools freund­li­cher­weise der Allgemeinheit zur Verfügung.

Persönlich treffen kann man viele der im norma­ler­weise im Verborgenen arbei­tenden Fonttechniker aus aller Welt auf Konferenzen wie der Robothon in Den Haag, oder der jähr­li­chen ATypI-Konferenz.

3. Welche tech­ni­schen Anforderungen sollte eine moderne Schriftenfamilie erfüllen?

Zeitgemäße Font-Familien sollten in allen Umgebungen gut funk­tio­nieren, sei es als OpenType-, als Office-, Web- oder App-Font. Das hört sich selbst­ver­ständ­lich an, ist aber nicht ganz einfach zu errei­chen. Bei FontShop haben wir es gut, da wir durch die Automatisierung und unsere eigenen, ständig weiter­ent­wi­ckelten Produktionsstandards viele Klippen ganz auto­ma­tisch umschiffen.

Als „Einzelkämpfer“ ist man da im Nachteil, weil man nie so viele Testsysteme, sowohl hard­ware- als auch soft­ware­seitig, auf aktu­ellem und auch älterem Stand, vorhalten kann, und die Fontproduktion mit viel mehr Handarbeit verbunden ist.

FF-Hertz

Schmale Zeichen und hervor­ra­gende Lesbarkeit, vor allem am Bildschirm – die heraus­ste­chenden Eigenschaften der FF Hertz Textfamilie von Jens Kutilek, die sich zur Zeit im finalen Mastering befindet und Anfang 2015 als FontFont erscheint 

Immer noch wichtig ist auch die Bildschirmoptimierung, trotz ständig stei­gender Bildschirmauflösungen. Da ist die Handarbeit der Automatik immer noch über­legen, und wird es auch in den kommenden Jahren sein.

4. Deine Font-Technik-Tool Top 5?

Mein Schweizer Messer sind sicher­lich die Python-FontTools, mit denen man prak­tisch jedes Bit einer Fontdatei einzeln modi­fi­zieren kann. AnchorOverlayTool-RobofontUnd wenn es eine Funktion nicht gibt, kann man sie sich selbst dazu­pro­gram­mieren. Python hat sich als Programmiersprache der Wahl für alles, was mit Fonts zu tun hat, etabliert.

Ein ähnli­ches Tool, ohne Erweiterbarkeit, dafür mit grafi­scher Oberfläche, ist DTL OTMaster.

Glyphs und RoboFont sind zwei moderne Fonteditoren mit unter­schied­li­chem Konzept. Glyphs nimmt einem viel Arbeit und tech­ni­sche Entscheidungen ab und läßt einen so schnell zum Ziel kommen, RoboFont ist mehr eine Plattform, auf der man sich ein Schriftentwurfs- und -produk­ti­ons­system nach eigenen Vorstellungen detail­liert selbst bauen kann.

ToGA-Animation

Für die Bildschirmoptimierung von Fonts benutze ich immer noch FontLab Studio. Es gibt zwar Programme, die in dem Bereich mehr können, aber das beste Tool ist immer das, was man beherrscht.

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Abb. links: AnchorOverlayTool ist ein Tool, das Jens für RoboFont selbst program­miert hatt, um die Positionen der Akzente als Vorschau sehen zu können. Glyphs enthält diese funk­tion bereits, in RoboFont muss man sie selber program­mieren. Abb. rechts: ToGA (Topographic Glyph Analyzer) ist eines der so genannten „geheimen“ Tools, das charak­te­ris­ti­sche Punkte in nicht inter­po­lier­baren Glyphen iden­ti­fi­zieren kann. Der links ange­klickte gelbe Punkt wird vom Programm im rechten Buchstaben gesucht und dort mit einem blauen Kreis markiert.

5. Welche Deiner gemas­terten Schriften ist Dein persön­li­cher Liebling?

Technisch am span­nendsten sind Schriften, die an die Grenzen der Fonteditoren und Tools gehen, wie etwa Schriften mit mehreren Schreibsystemen. Die Superfamilie FF Amman von Yanone vereint zum Beispiel latei­ni­sche und arabi­sche Buchstaben in sich.

Dort ist man mit FontLab schnell am Ende, und muß sich andere Tools suchen, mit denen man arbeiten kann, oder, wenn es nichts passendes gibt, selbst anfangen zu program­mieren. Die Tools im Dialog mit den zu bear­bei­tenden Schriften weiter­zu­ent­wi­ckeln bringt das tech­ni­sche Know-How in unserem Type Department am meisten voran, glaube ich.

Bei den Webfonts für die Süddeutsche Zeitung, die ich für den Bildschirm opti­miert habe, bin ich stolz auf einen kleinen Hinting-„Trick“: Nachdem die neuen Fonts bei Lesern mit älteren Windowssystemen nicht gut ankamen, habe ich sie so gehintet, daß sie auf den alten Systemen fast nicht von der vorher benutzten Georgia zu unter­scheiden sind.

Auf neuen Systemen sieht die Schrift dagegen deut­lich unter­schied­lich aus, was ja auch der Sinn einer eigenen Hausschrift ist.

Das Mastern der FF Quixo von Frank Grießhammer hat mir großen Spaß gemacht. Vielleicht liegt es nur daran, daß ich Frank persön­lich kenne, aber ich habe in vielen Details der Buchstabenzeichnungen Franks Persönlichkeit und Humor erkannt. Außerdem hat er sehr gute und voll­stän­dige Arbeit gelie­fert, so daß ich nicht mehr viel zu tun hatte und nur noch ein wenig tech­ni­schen Feinschliff anbringen mußte …

Weil Jens nicht nur an den Schriften anderer Leute arbeiten wollte, hat er über die letzten Jahre konti­nu­ier­lich an einer eigenen Handschrift- und einer Textschriftfamilie gear­beitet. Die Familien FF Comic Jens und FF Hertz werden 2015 in der FontFont-Bibliothek erscheinen.


30 Tage Kunst im Orangelab, Berlin

30 Tage Kunst im Orangelab (Foto: Chloë Litchfield)

30 Tage Kunst, eine Veranstaltung des Orangelab (Foto: Chloë Litchfield)

Zum fünften Mal findet in diesem November die Veranstaltungsreihe 30 Tage Kunst statt, im Orangelab, das seit 3 Jahren auch die Heimat des Creative Morning Berlin ist. Die Idee für das einmo­na­tige Kunst-Event stammt vom Leiter des Orangelab, dem Schauspieler Hans Brückner. »Ursprünglich wollte ich in meiner Wohnung Lesungen im Stile der Salons des frühen 20sten Jahrhunderts anbieten.« erin­nert sich Brückner an die erste Idee. Doch seine Wohnung war zu klein dafür. 2009 lernte er Marc Maximilian Doege kennen, der am Kurfürstendamm gerade die Galerie POPUP 195 eröffnet hatte. Und genau dort fand am 1. November 2009 die Premiere von 30 Tage Kunst statt: Hans Brückner trug Edgar Allan Poe vor, am Flügel begleitet von Marco Maria. Fotos von diesem Abend gibt es keine, aber einen Blogbeitrag von Hans Brückner …

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Hans Brückner in seiner Spielstätte, dem Orangelab, wo er ab morgen 30 Tage Kunst anbietet (Foto: Robert Schatton)

Übermorgen, am Halloween-Freitag, startet also die fünfte Saison, mit einem Aufwärmabend unter dem launigen Motto: »Meet the artist in person. Stehrumchen mit Film.« Gezeigt werden die Film »Am Savignyplatz«, von Caterina Woj, und die 30-minü­tige Reportage »Von 6 bis 6 am Savignyplatz«. Im Programm heißt es: »Der Savignyplatz gehört den Bohemiens. Den Bildungsbürgern, Literaten, Künstlern und solchen, die sich dafür halten. Leute, die gern lange schlafen und spät ins Bett gehen. Lange ausharren. In den vielen guten Kneipen am Bermudadreieck der bürger­li­chen Piazza. Zum Beispiel im ›Zwiebelfisch‹. … Hier ist die Zeit stehen geblieben. Die Stammgäste altern mit. Auch Zappa, der Kneipenkater, verbringt hier lange Nächte.«

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Wenn der Verleger Klaus Wagenbach und der Chef des Buchhändlerkellers in der Carmerstrasse über ihren geliebten Platz erzählen, gibt es viel zu schmun­zeln. Und zu lernen. Über die berüch­tigten 70er Jahre. Wie das alles hier einmal war. Beide Filme vermit­teln ein Bild vom Savignyplatz, das viele Altberliner vergessen haben und Neuberliner noch nicht kennen. Künstler und Verleger, Literaten und Schauspieler erzählen und führen in ihre Welt. Der Eintritt ist frei.

Am Samstag erwartet uns eine Veranstaltung, die auch bei Grafikern und Editorial-Designern auf Interesse stoßen sollte. Es geht um die Zeitschrift »Das Magazin«, und die Devise lautet: 90-60-90 – ein maßloser Abend mit dem Magazin. Die einen nennen das Heft »New Yorker des Ostens«, die anderen eine monat­liche Wundertüte. Gegründet 1924, erfindet sich Das Magazin immer wieder neu und hat mit seiner unge­wöhn­li­chen Mischung aus Journalismus und Literatur seit Jahrzehnten Erfolg.

Viel Platz, zentrale Lage, angenehme Atmosphäre: Das Orangelab, auch die Heimat des Creative Morning Berlin (Foto: Fabian Hamacher)

Viel Platz, zentrale Lage, ange­nehme Atmosphäre: Das Orangelab, auch die Heimat des Creative Morning Berlin (Foto: Fabian Hamacher)

Am ersten »amtli­chen« Abend von 30 Tage Kunst erzählen die Macher des Magazins Stories und Skurriles aus 90 Jahren Redaktionsarbeit. Hierzu begrüßt Hans Brückner Pierre Sanoussi-Bliss und Franziska Arnold, sowie die Magazin-Kolumnisten Kirsten Fuchs und Stefan Schwarz. Es singt Pascal von Wroblewsky. Eintritt: 12,50 €.

Das Programm der folgenden Tage ist bereits online, was die Planung der Novemberabende unge­mein erleich­tert. Hier alle Events von 30 Tage Kunst 2014. Karten online reser­vieren nicht vergessen!


Schreibschrift lebt!

Im Fontblog ist sie Stammgast: Die Schreibschrift. Totgesagt in der Schule. Digital wieder­be­lebt. Diskutiert, erklärt. Erst im Sommer griff FontShops Type Talk im Berliner Apple Store das Motto auf. Andreas Frohloff, gelernter Schildermaler, Kalligraf – heute typo­gra­fi­scher Direktor der FontFont-Schriftbibliothek, zeigte, wie die Schreibschrift mittels zuneh­mend ausge­feilter digi­taler Kalligrafie auf Computer und Pad Einzug hält.

Schriftenhäuser veröf­fent­li­chen Schreibschriften – auch Scriptfonts genannt – mit sehr unter­schied­li­chen Konzepten zur tech­ni­schen Umsetzung unter Bewahrung des Script-Charakters. Hier eine Zusammenstellung:

FontShop Schreibschriften 3FF Pepe, Feel Script, Kinescope (von oben nach unten): Das Genre Schreibschrift enthält Vertreter, wie sie kaum unter­schied­li­cher ausfallen könnten

FF Pepe entwarf der spani­sche Designer Pepe Gimeno 2002. Was kaum jemand weiß – Andy Warhol lieferte die Vorlage für Pepe: Das Langspielplatten-Cover einer Lesung von Tennessee Williams aus dem Jahr 1952 zierte die unre­gel­mä­ßige Schreibschrift der Pop-Art-Ikone. Allerdings ist sich die Fachwelt nicht einig, ob Andy die Kringelbuchstaben selbst zu Papier brachte oder seine Mutter Julia Warhola schreiben ließ, die in der frühen Phase seines Künstlerdaseins öfters für ihn zur Feder griff (mehr zu Warhols Frühphase bei Wikipedia).

Kinescope ist die Neuinterpretation einer US-Pinselschrift aus den 40er Jahren, die Mark Simonson (Bookmania, Proxima Nova) im Comic ‘Fleischer Brothers’ Superman’ gefunden hat. Die OpenType-Technik sorgt auto­ma­tisch dafür, das sich immer die zuein­ander passenden Buchstaben anschließen; hierfür hat der Entwerfer 6 stilis­ti­sche Varianten ange­legt (Formatsätze). Mehr Informationen und Anwendungsbeispiele im liebe­voll gestal­teten Kinescope-User-Guide-PDF (5 Seiten, 2 MB).

Feel Script greift ameri­ka­ni­sche Schreibschriften zwischen 1935 und 1955 auf. Mit Stift, Feder, Stahlstich und Reprokamera entstanden neue Script Fonts mit dem Beginn des Fotosatzes und durch die Entwicklung des Fernsehens. Im aufrechten und gut gelaunten Feel Script Font, der hervor­ra­gend für Auszeichnungen, Verpackungen oder Poster einge­setzt werden kann, stecken 1200 Zeichen raffi­nier­teste OpenType-Technologie. Mehr über Ale Paus Recherchen bei der Entwicklung der Feel Script im Feels-Good-Post.

Font-Pakete

• FF Pepe Multiformat | 1 Font | ab 39 Euro
• Kinescope OT und Web | 2 Fonts | ab 25 Euro
• Feel Script OT und Web | 1 Font | je 72,50 Euro

Mehr Schreibschriften - FontShop

Hipster Script, P22 Zaner (rechts), MeMimas & MeMimas Dots, Baka (von oben nach unten): Gekratzt, beschwingt oder sogar gepunktet – Schreibschriften sind Blickfänger mit Persönlichkeit

Hipster Scripts Entstehung beschreibt Alejandro Paul so: „Hipster Script schließt meine zahl­rei­chen Versuche, die Kluft zwischen manu­eller und digi­taler Schrift ein Stück weiter. Ich griff diesmal zum Pinsel, brachte den Schriftzug auf Papier und legte mein Augenmerk darauf, die Zeichen ebenso flie­ßend in den Computer zu bekommen.“ 1851 Hipster-Glyphen später, belohnte der Type Directors Club Pauls Bemühungen mit der Wahl unter die besten Schriften 2012.

P22 Zaner ist eine Federschrift, die auf der Handschrift des einfluss­rei­chen ameri­ka­ni­schen Schreiblehrer, Charles P. Zaner basiert, der 1888 das Zanerian Art Center grün­dete. Mit den beiden OpenType-Fonts (entwi­ckelt von Paul D. Hunt) lassen sich ausge­klü­gelte kalli­gra­fi­sche Schriftzüge konstru­ieren, wahl­weise mit mehr oder weniger Zierschwüngen, floralen Elementen und weiterem Zierrat (enthalten in einem zweiten Font). Ideal für Urkunden, Etiketten, Packaging und fest­liche Drucksachen. Mehr über die Geschichte von Zaner und Anwendungsbeispiele im Zaner-PDF.

Baka bedeutet auf japa­nisch Dummkopf. Was als Schreibexperiment auf Papier begann, gefiel Neil Summerour so gut, dass er Baka digital in eine perfekte Form brachte. Mehr als 1000 Zeichen wurden von ihm auf Baumwollpapier entworfen und in die beiden Zeichensätze Baka und Baka Too über­führt. Er zeich­nete die Lettern übrigen nicht mit einem Pinsel, sondern mit einen Füllfederhalter, dessen Spitze er abgeschrägte.

MeMimas Dots von Joan BarjauJosé Manuel Urós ist der Star der MeMimas-Familie. Sorgfältig plat­zierte Punkte machen die Skript zu einem abso­luten Hingucker und ermög­li­chen ein weites Spektrum von Effekten — allein oder in Kombination mit weiteren Schnitten aus der umfang­rei­chen MeMimas-Familie. Wie bei Type-Ø-Tones Standard, verfügen alle Mitglieder der MeMimas-Familie einen üppigen Zeichenvorrat: einen Schriftschnitt mit Alternatebuchstaben und einen mit Ligaturen und Endbuchstaben.

Font-Pakete

• Hipster Script OT Pro und Web | Font | je 58 Euro
• P22 Zaner Pro Set OT und Web | 12 Fonts | ab 333,50 Euro, Font ab 24,95 Euro
• MeMimas Familie OT und Web | 12 Fonts | 392 Euro, Font ab 42 Euro
• Baka OT | Font | 16 Euro

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Foto: Shutterstock (modi­fi­ziert), Schriftmuster: FontShop Plugin, Preise zzgl. MwSt., Preisänderungen vorbehalten.


»Mann trifft Frau« von Yang Liu ist erschienen

Mann zieht sich aus: krank, Frau zieht sich aus: sexy

coverBeim Creative Morning im April (Thema: Sex) mussten wir den Ball flach halten, denn der ursprüng­liche Veröffentlichungstermin des Büchleins wurde vom Verlag über­ra­schend auf den Spätsommer verschoben. Doch immerhin bekam Yang Liu die Erlaubnis, viele Bilder aus dem Büchlein zu zeigen. Sogar eine Ausstellung war möglich, einen Monat später auf der TYPO Berlin. Doch in unserem Creative-Mornings-Video durften wir leider keine großen Abbildungen hinein­schneiden (»wegen der Raubkopierer«), sondern nur die Leinwand abfilmen. Das mindert aber nicht den Reiz der gespro­chenen Worte, mit denen die (hoch­schwan­gere) Autorin die Beweggründe und Gedanken zu ihrem Buch schilderte:

Inzwischen ist das Baby da. Es trägt den schönen Namen »Immi«. Und das Buch ist auch erschienen. Werfen wir mal einen ausführ­li­cheren Blick hinein. Sein Stoff ist zeitlos. Das Ringen für die Gleichstellung von Frau und Mann ist in allen Industriestaaten ein Dauerthema. Und so hat sich die poli­ti­sche und gesell­schaft­liche Ungleichheit beider Geschlechter in den letzten Jahrzehnten tatsäch­lich kaum verrin­gert. Was bleibt sind Vorurteile und tatsäch­lich abwei­chende Verhaltensmuster, die wir lieben oder an denen wir uns reiben.

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In ihrem neuen Buch wirft die deutsch-chine­si­sche Designerin Yang Liu (Ost trifft West) einen unbe­fan­genen Blick auf unser Verhalten. Weit entfernt von Stereotypen decken ihre Piktogramm-Paare die feinen Differenzen zwischen männ­li­chem und weib­li­chem Verhalten auf: beim Shoppen, beim Rendezvous, in der Familie, am Arbeitsplatz. Blättert wir eine Seite weiter, begegnet uns plötz­lich dasselbe Verhaltensmuster beim anderen Geschlecht.

Die Wegbeschreibung von Frauen und Männer

Diese Doppeldeutigkeiten sind es, die unseren Blick auf das andere Geschlecht und auf uns selbst neu justieren. Frauen sind auch nur Männer, und umge­kehrt … das ist die verblüf­fend simple Erkenntnis von »Mann trifft Frau«, und damit bietet Yang Liu einen amüsanten Grundkurs in Sachen Verständnis und Toleranz.

Gehaltsverhandlungen von Mann und Frau unterscheiden sich

Yang Liu wurde in Peking geboren und lebt seit 1990 in Deutschland. Sie studierte an der University of the West of England (Bristol) und schloss ihr Studium mit einem Master an der Berliner Universität der Künste ab. Sie arbei­tete mit Derek Birdsall und Thomas Manss (London, Berlin), bei Chermayeff & Geismar (New York), bevor sie 2004 ihr eigenes Büro Yang Liu Design in Berlin grün­dete. Seit 2010 ist Yang Liu Professor und Leiterin des Fachbereichs Kommunikationsdesign an der TU Berlin. Sie gewann verschie­dene inter­na­tio­nale Preise und veröf­fent­lichte mit dem Buch »Ost trifft West« einen ersten Bestseller.

Das Kaufverhaten von Mann und Frau

Weitere Informationen zu Mann trifft Frau beim Verlag ….

Mann trifft Frau, Verlag Taschen, Hardcover, 13 x 13 cm, 128 Seiten, € 12


bukowskigutentag 3/14: Akkurater Widerstand

emo_demoDas Thema Überwachung geht alle an, aber in der Breite der Bevölkerung hält sich die Empörung in Grenzen. Noch tut es ja auch niemandem direkt weh. Ein paar tapfere Widerständler enga­gieren sich und orga­ni­sieren wieder die »Freiheit statt Angst«-Demo, diesmal am kommenden Samstag in Berlin. Dort sieht man wie in den Jahren zuvor Alu-Hüte, Grumpy Cats und andere Internet-Folklore. Das mag lustig sein, spricht aber niemanden außer­halb der eigenen Filterblase an. Deswegen sieht man auf der dies­jäh­rigen FSA noch eine andere Fraktion: den »Akkuraten Widerstand«. Und das ist? Zitat:

»Wir sind der akku­rate Widerstand und sehen auch so aus. Wir tragen Anzüge, Oberhemden, Blusen, Röcke. Wir wollen, dass Oma Krause in den Nachrichten proper geklei­dete Leute sieht. Wir wollen, dass der Widerstand gegen die Radikalüberwachung in die Breite der Bevölkerung getragen wird. Wir wollen unsere Wut gegen­über den frei­dre­henden Geheimdiensten und die Abschaffung unserer Zivilgesellschaft in ange­mes­sener Form äußern. Wir wollen sichtbar machen, dass nicht ein paar Internet-Freaks um ihren digi­talen Spielplatz kämpfen, sondern dass unsere elemen­taren Bürgerrechte abge­schafft werden. Und mit ‘uns’ sind Erika Mustermann und Otto Normalverbraucher gemeint. Genau so sehen wir auch aus.«

Der Akkurate Widerstand ist bereits als offi­zi­eller (Anzugträger)-Block bei der FSA 14 gelistet. Los geht’s am Samstag, 30.8., um 14 Uhr am Brandenburger Tor. Wer akkurat mitde­mons­trieren möchte, einfach nach gut geklei­deten Leuten und Fahnen Ausschau halten.

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Dresscode: Come as you are, bunt, entspannt, aber akkurat. Nicht über­trieben aufbre­zeln, denn das soll keine Kostümtruppe werden. Gutes Oberhemd oder Bluse reicht schon. Anzug und ähnli­ches erwünscht.

Mehr zum Thema nach­lesbar hier bei jetzt​.de, bei t3n​.de und hörbar hier im Interview bei Radio Fritz. Zur Homepage der Aktion geht’s hier und zur Facebook-Seite hier.

In eigener Sache: font​blog​.de gefällt die Aktion und Jürgen Siebert spen­diert dem Akkuraten Widerstand auch das Online-Banner, das hier rechts im Wechsel mit dem Typo Day ange­zeigt wird. Vielen Dank, Herr Siebert!

Michael Bukowski

P.S.: Autoren, die diesen Beitrag geschrieben haben, haben auch diese Beiträge geschrieben.

 

 


Braucht die Welt einen deutschen E-Book-Award?

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Leider ja! Weil die tradi­tio­nellen Buchwettbewerbe das E-Book igno­rieren. Zwei Gespräche, die ich zum Thema E-Book mit der Stiftung Buchkunst geführt habe, die Veranstalterin des Wettbewerbs Schönste Deutsche Bücher, waren nicht sehr ergiebig. Die Druckbücherwelt ist entweder

  • verna­gelt, weil selbstverliebt
  • verängs­tigt, weil Geschäftsmodelle zusam­men­bre­chen, oder
  • betriebs­blind, was einem Todesurteil gleichkommt

Mich erin­nert das an die Druckvorstufe vor knapp 30 Jahren. Wir haben 1986 die Zeitschrift PAGE mit der Mission gestartet, die neue Technik des Desktop Publishing (DTP) zu feiern. Heute ist alles DTP, und die Maschinen und die Jobs von damals sind unter­ge­gangen. Wir wurden belä­chelt: »Mickey-Maus-Design«, »miese Qualität«, »alles nur eine Phase«. Aber wir waren berauscht von den neuen Möglichkeiten. Genauso wie die E-Book-Freunde heute berauscht sind von den neuen Möglichkeiten.

Weil uns keiner zuhörte, haben wir 1988 einen eigenen Designwettbewerb ins Leben gerufen und drei Jahre durch­ge­führt. Zugelassen waren nur Drucksachen, die im Desktop Publishing erstellt wurden. Ein ziem­lich hirn­ris­siger Ansatz, denn gutes Grafikdesign ist – unab­hängig vom Werkzeug – einfach nur gutes Grafikdesign. Aber gut, wir waren jung, wir waren high, wir wollten den bran­chen­po­li­ti­schen Paukenschlag.

Geschichte wieder­holt sich. Den Deutschen E-Book-Award muss es geben, weil das E-Book das Buch der Zukunft ist. Vergesst die klas­si­schen Buchverlage und die klas­si­schen Wettbewerbe. Je länger sie das E-Book ausblenden, um so schneller werden sie unter­gehen. Von dieser Seite ist keine Hilfe zu erwarten, wenn wie die E-Book-Qualität verbes­sern möchten … zum Beispiel mit einem Gestaltungswettbewerb für E-Books.

Habe ich »Gestaltung« gesagt? Oh, das tut mir leid. Das Wort ist nicht gerne gesehen beim E-Book-Wettbewerb. Oder genauer: Es stößt auf Unverständnis, wie meine Twitter-Konversation belegt. Irgendwie seltsam, wenn man auf der Suchen nach den »schönsten deutsch­spra­chigen eBooks« ist, Themen wie Leserführung, Bildsprache, Typografie und derglei­chen auszublenden. 

Der Schriftentwerfer und Screenfont-Experte Tim Ahrens war der erste, dem etwas in der Jury auffiel: 

Tatsächlich besteht die Jury aus drei Buchhändlern, zwei E-Book-Herstellern, einem Journalisten und einem App-Entwickler. Kein Typograf, kein Buchgestalter, kein UX-Designer. Ich glaubte zunächst: »Hoppla, vergessen.« Nee, die Sache hat System, denn:

OK, dachte ich kurz, Ahnungslosigkeit in Reinform. Was kann man da noch machen. Vielleicht einen (vor)letzten Versuch der Erläuterung wagen: 

Das nenne ich Lagerdenken. Selbst über­zeuge Buchregalanbeter nervt, wie sich die Börsenbuchhandeldruckfraktion nur noch am Duft von Papier, seiner Haptik, der Druckerschwärze und ihren feuchten Zeigefingern berauscht. Plötzlich schlagen die E-Book-Apologeten in die gleiche Kerbe. Das Potenzial des E-Book liege in »tech­ni­schen Aspekten«. Das würde der Hersteller eines gedruckten Buchs sofort unter­schreiben: Papiergewicht, Seitenzahl, Schutzumschlag, Lesezeichen, Bindung, Druckverfahren, Repros, Schriftart, … alles tolle tech­ni­sche Aspekte. Nur: Wer ist denn für die Regie dieser tech­ni­schen Aspekte verant­wort­lich, damit ein schönes Buch entsteht? Dreimal darfst du raten, @eBookAward.

Mein letzter Versuch:

Hey, wacht auf beim Deutschen E-Book-Award. Wenn ihr gar nicht erst versucht, die Ignoranten der Printfraktion mit ihren eigenen Argumenten und Ansprüchen umzu­drehen, wird der Award schon im Geburtsjahr im selbst gemau­erten Ghetto verhun­gern. Es geht um das Buch an sich, nicht um das E-Book und nicht um das Papierbuch. Nur um das Buch und seine Inhalte. Die Zukunft des Buches liegt im E-Book. Erst recht, wenn es schön gestaltet ist. Aber das »schöne E-Book« wird weder von künst­li­cher Intelligenz, noch von Programmierern gestaltet. Es gibt einen Beruf für diese Aufgabe und ein Dutzend Hochschulen im Land, wo Buchgestalter ausge­bildet werden. Das sollte sich im Land der Dichter und Denker viel­leicht auch mal in der E-Book-Ecke herumsprechen.

(Aufmacherfoto: Courtesy of Shutterstock)