Fontblog Designdiskurs

Deutsches Design Museum in Berlin?

Der Rat für Formgebung (Frankfurt am Main) hat Künstler, Galeristen, Designer, Museumsleiter und Ausstellungsmacher, Journalisten und Hochschullehrer gebeten, über die Gründung eines Design-Museums zu disku­tieren. Auf der Website www​.deut​sches​de​sign​mu​seum​.de sind plaka­tive Thesen zu dieser Idee veröf­fent­licht. Sie sollen eine »ergeb­nis­of­fene Debatte« anstoßen. Bitte betei­ligen Sie sich dort … und hier im Fontblog.

Stellvertretend 5 von 13 Thesen:

  • Man kann heute nicht mehr nur Stühlchen ins Museum stellen. Wir müssen über den Designbegriff reden.
    Volker Albus
  • Viele Museen für Design sind wie Gräber. Aber Design ist etwas Lebendiges. Hans-Peter Jochum
  • Gesellschaftliche Entwicklungen ragen in Kunst und Design hinein. Dieses Verhältnis muss auf nicht reduk­tio­nis­ti­sche Weise erforscht werden. Isabelle Graw
  • Wäre es nicht befreiend, auf eine Sammlung zu verzichten? Andreas Murkudis
  • Design ist das denkbar popu­lärste Thema. Ulf Poschardt

Das eBook wird uns lange begleiten

Eine Erwiderung von Martin Holland

Vor einigen Wochen wurde an dieser Stelle die wunder­schöne App des SZ-Magazins gelobt und eBooks wurden in einem zuge­hö­rigen Artikel als »Zwischending« bezeichnet, die von bald Apps abge­löst würden. Dem möchte ich an dieser Stelle wider­spre­chen, anhand eines eigenen Beispiels.

Zunächst aber kurz zu mir: Ich arbeite für das Augsburger Redaktionsbüro Contentplus Communications und wir haben Anfang September den „Contentplus City Guide Augsburg“ veröf­fent­licht, für dessen tech­ni­sche Umsetzung ich zuständig war. Es gibt ihn als ePUB bei iBooks oder ePubli und als leicht ange­passte Kindle-Version.

Aber genug der Werbung: Ich schreibe hier, weil ich weiß, dass ein gut gemachtes und durch­dachtes eBook all die Vorteile bietet, die Jürgen Siebert der App des SZ-Magazins anrechnet. Gleichzeitig leidet es nicht unter dem gravie­renden Nachteil, dass es an ein bestimmtes Gerät oder Betriebssystem gebunden ist:

In einem ePUB (dem Standard schlechthin, der nur von dem in dieser Beziehung anti­quierten Kindle nicht ange­zeigt wird) kann die Bildgeschichte aus »Sagen Sie jetzt nichts« genauso span­nend insze­niert werden wie in der App. Auch einge­bet­tete Videos sind möglich, werden aber bislang nur in iBooks wieder­ge­geben. Genauso kann Axel Hacke per inte­grierter Audiodatei in einem eBook seine Kolumne selbst vortragen. Noch hat iBooks bei der Unterstützung des ePUB-Standards einen immensen Vorsprung, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis ähnlich gute Programme für Android etc. erscheinen. Spätestens dann können ePUBs den großen Vorteil, auf jeder Plattform zu funk­tio­nieren, voll­ständig ausspielen.

Die Vorteile des Schriftenlexikons als App wiegen schon deut­lich schwerer. Vor allem mit der typo­gra­fi­schen Darstellung tun sich einige Reader nämlich noch immer viel zu schwer. Verschiedene Programme (wie Adobe Digital Editions für PC und Mac oder Aldiko für Android) sind aber bereits heute fähig, einge­bet­tete Schriftarten anzu­zeigen, wie im Standard gefor­dert. Ausgerechnet iBooks lässt das aber noch nicht zu. Auch hier bin ich aber der festen Überzeugung, dass es bald Programme für alle Plattformen gibt, die das unterstützen.

Bis auf die leider noch aktu­ellen Probleme hinsicht­lich der korrekten Anzeige, die aber, und das ist wichtig, bei eBooks nicht system­be­dingt sind, hat eine App also keine für immer währenden Vorteile. Dafür gibt es aber schwer­wie­gende Nachteile, die in der Natur einer App wurzeln: Eine App wird immer nur für ein bestimmtes Betriebssystem erstellt und erreicht so nur einen Teil des Marktes. Außerdem ist sie in der Produktion wesent­lich teurer als ein ePUB. Daneben ist auch nie gesi­chert, dass die App ein Update des zuge­hö­rigen Betriebssystems, geschweige denn den Wechsel auf ein Nachfolgegerät mitmacht.

ePUBs dagegen sind leicht zu erstellen (ich habe dafür das kosten­lose Programm Sigil benutzt), komplett durch­suchbar und offen für künf­tige Innovationen wie beispiels­weise Vorlesefunktionen. Sie können bereits jetzt auf vielen Geräten geöffnet werden, wenn auch mit den erwähnten Einschränkungen hinsicht­lich der Anzeige. Ich muss natür­lich einge­stehen, dass heute noch einige Anstrengungen nötig sind, um ein eBook so zu erstellen, dass es in iBooks, in Aldiko für Android und auf dem Kindle gut aussieht. Auf dem PC liefern das Firefox-Plugin EPUB-Reader, der Sony Reader, oder das bereits etwas ältere Adobe Digital Editions dann aber bereits die erwar­teten Resultate.

Gerne möchte ich jetzt auch noch kurz auf unser eigenes ePUB eingehen, auch weil es rein tech­nisch meines Wissens wenig Konkurrenz gibt. Bislang beschränken sich die meisten eBooks auf wenige Designelemente, ohne dass die bereits bestehenden Möglichkeiten ausge­nutzt werden, geschweige denn etwas neues probiert wird

Beim »Contentplus City Guide Augsbug« haben wir uns entschieden, eine möglichst große Reichweite zu erzielen. Auch deswegen gibt es noch keine multi­me­dialen Inhalte. Unser Ziel war es, einen Reiseführer im anspruchs­vollen Layout zu erstellen, der vor allem auf dem iPad das Gefühl vermit­telt, ein wirk­li­ches Buch in den Händen zu halten. Probleme, die bei der Erstellung aufge­taucht sind, hatten fast ausnahmslos damit zu tun, dass iBooks die Standards größ­ten­teils einhält, Adobe Digital Editions, auf dem die Android-App Aldiko basiert, aber nur partiell oder fehler­haft. So wurden zum Beispiel hoch­for­ma­tige Bilder auf dem quer gehal­tenen Smartphone abge­schnitten. Für die Kindle-Version habe ich keine Möglichkeit gefunden, die kleinen Icons einzu­bauen und auch die Unterstützung der entspre­chenden ASCII-Symbole folgt keiner Logik, war also nicht hilf­reich. Mitwachsende Icons gibt es deswegen nur im ePUB.

Ein anderes Problem waren die »Hurenkinder« und »Schusterjungen«, die noch immer auf einigen Geräten auftau­chen. Im inte­grierten CSS steht der entspre­chende Befehl für ihre Vermeidung und wird hoffent­lich bald überall umge­setzt. Prinzipiell nur in iBooks proble­ma­tisch war wiederum die Farbe von Verweisen, deren Anpassung Apple noch verhin­dert. Sobald das aber mit einem Update behoben ist, wird die bereits einge­baute, dezen­tere Farbgebung auch ange­zeigt. Die einge­bauten Karten kann man derzeit nur in iBooks auf 200 % vergrö­ßern. In allen Versionen ist aber das hoch­auf­ge­löste Bild einge­baut. Auch dieses Feature wartet also noch auf die allge­meine Umsetzung des Standards.

Das sind verschie­dene tech­ni­sche Probleme, auf die ich im Lauf der Arbeit gestoßen bin. Sie hatten aber fast ausschließ­lich damit zu tun, dass das ePUB auch auf anderen Geräten so aussehen sollte wie in iBooks. Für Bücher, die nur aus Text bestehen, gibt es diese Einschränkungen bei der Anzeige nicht und hier werden die Vorzüge der größeren Reichweite über­deut­lich. Da sie nicht unter den Anzeigeproblemen leiden und die Reader zum Lesen sowieso unge­schlagen sind, profi­tieren heute also ganz beson­ders Romane von den unge­zählten Readern/Programmen. Ich bin der festen Überzeugung, dass das gleiche bald auch für layout­las­ti­gere Bücher gilt und eBooks ihren festen Platz in unserem Leben einnehmen werden.


Gute Typografie, jetzt (5): Du-mich-auch-Typografie

Gestern Abend feierte das Some Magazine seine neueste Ausgabe in der Berliner VUP Lounge (HBC). Die Zeitschrift verortet sich selbst »irgendwo zwischen Design und Kunst« (aus der Einladung). Sie wird von Studenten (Markus Postrach, Markus Lange, Falko Walter) an der Kunthochschule Burg Giebichenstein in Halle bei Professor Sven Voelker produ­ziert. Dieser saß auch gestern als einer von drei Diskutanten auf dem Podium, neben dem Designer, Journalist und Moderator Maximilian Dax und Erik Spiekermann. Das Trio sprach über die Herstellung des Magazins, über Berufszwänge, den Luxus des studen­ti­schen Treibenlassens, lebens­ge­fähr­lich-falsche Beschilderungen an Flughäfen und Typografie. Da wurde es dann span­nend für mich.

Es gäbe zu viele Schriften, hieß es einmal. Früher hat Spiekermann dieser These wider­spro­chen, mit dem Konter, es könne nie genug Musik oder Weine geben … jeder solle etwas für seinen Geschmack passendes finden. Gestern schwieg er. Sven Völker brüstet sich des weiteren damit, dass er eigent­lich kaum Schriften kenne außer Arial, Helvetica und Akzidenz Grotesk … aber eigent­lich Arial die beste sei und für alle Zwecke ausreiche. Auch hier kein Mucks von Spiekermann, der sonst keine Gelegenheit auslässt, über Arial zu lästern. Man kann sie ja durchaus mögen und als selig machend preisen. Ich hoffe nur, dass diese steile These nicht in Halle gelehrt wird.

Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde deut­lich, dass Voelker viel mehr Künstler als Designer ist. Als Künstler darf ich mit gutem Recht darauf bestehen, Musikstücke zu kompo­nieren, die aus nur einem Ton bestehen, oder Bilder mit nur einer Farbe malen oder ein Magazin heraus­geben, das aus Arial gesetzt ist. Allerdings ist Typografie keine Kunst, sondern eine Dienstleistung. Der Unterschied besteht darin, dass ich als Editorial Designer das Lesen meines Magazins so ange­nehm wie möglich machen möchte. Das ist der Auftrag, den ich von den Autoren meines Magazins bekommen habe, denn sie möchten, dass ihre Texte gelesen werden.

Mehrmals im Monat landen Hefte auf meinem Schreibtisch, oft volu­mi­nöse, die ich hier mal als »Kunst-Magazine« bezeichnen möchte. Damit meine ich aber nicht so etwas wie art, aus dem Hause Gruner + Jahr, sondern Zeitschriften, die von Künstlern gemacht werden und nicht von Dienstleistern. Da diese Sorte Zeitschriften kein neues Phänomen sind, habe ich mir schon vor Jahren einen Schnelltest zur ersten Begutachtung ange­wöhnt, unter Zuhilfenahme aller Sinne. Ich rieche, höre, fühle und schaue auf solche Druckwerke, indem ich sie einmal von vorne und einmal von hinten mit dem Daumen durch scanne. Das dauert rund 5 Sekunden. Bleibe ich hängen, wird es eine Abendlektüre, bleibt nix hängen, landet es im Papierkorb. Früher habe ich statt des Papierkorbes einen Stapel aufge­häuft, der dann nach 2 Jahren im Papierkorb landete. Andere Menschen legen sich solche Magazine auf den Tisch (Coffee-table-Literatur) und warten … oft mehrere Wochen. Nur eines geschieht nicht: Dass sie noch mal rein­schauen. Dies kann an den Fotos liegen (nicht meine Disziplin) oder an der Typografie. Diese ist meine Metier. Ich nenne die nicht dem Lesen verpflich­tete Textgestaltung auch gerne Du-mich-auch-Typografie.

PS: Um Missverständnissen vorzu­beugen. Das Some-Magazin (und viele vergleich­bare) sind wunder­bare Projekte und ich freue mich, dass Designhochschulen in diesem Land die tech­ni­schen Möglichkeiten und die Sponsoren haben, auf profes­sio­nellen Niveau Zeitschriften zu produ­zieren. Das war vor 20 Jahren undenkbar. Doch die Studierenden sollten wissen, dass sie solche Magazin über­wie­gend für sich selbst und die eigene Fortbildung erstellen, so wie Maler ihre Skizzen und Architekten ihre Modelle. Nur weil es zum Wesen einer Drucksache gehört, dass sie in mehreren tausend Exemplaren entsteht, heißt das nicht auto­ma­tisch, dass diese bei jedem Empfänger einen sofor­tigen Lesereflex auslöst. Das sollte man wissen, als Jungredakteur, um nicht enttäuscht zu sein, wenn die Leserschaft ausbleibt. Besonders freut es mich auch, dass die Einladung zu der Veranstaltung (siehe oben) und auch Some #3 nicht in Arial gesetzt sind.


Gute Typografie, jetzt (3): kostenlose Lehrmittel

Dass schlechte Typografie teurer und zeit­rau­bender ist als gute Typografie, haben wir in der Diskussion um die »Fahrschule Edelweiß« gelernt: Ronald W. ist sauer auf uns Typografen. Überaus erfreu­lich ist darüber hinaus, dass es jede Menge kosten­loses Lehrmaterial gibt, um gute Typografie zu lernen und umge­hend zu praktizieren.

Ein Klassiker ist das 15-seitige PDF Typokurz von Christoph Bier. Das Papier liefert den schnellsten Überblick zu elemen­taren (mikro)typografischen Regeln, die der Leserlichkeit eines Textes dienen. Sie alle lassen sich von jeder­mann (und mit jede Textverarbeitung) sofort umsetzen. Der leicht verständ­liche Leitfaden ist in weniger einer Stunde durch­ge­ar­beitet … da gibt es keine Ausrede mehr für schlecht gesetzten Text.

Auch FontShop bringt immer wieder mal nütz­li­ches Lehrmaterial in Umlauf, zum Beispiel unsere drei Font-Fibeln. Sie widmen sich den tech­ni­schen Formaten digi­ta­li­sierter Schriften bzw. ihrer Einsatzgebiete: Büro (Font-Fibel 1), Internet (Font-Fibel 2) und Drucksachen-Gestaltung (Font-Fibel 3). Seit kurzem liegen die drei Faltblätter auf der PDF-Plattform Issuu, so dass ihr sie entweder gleich hiert unten aufrufen und am Bildschirm durch­lesen könnt, oder herun­ter­laden … zum Drucken und später lesen.

Font-Fibel 1: Webfonts (4 S), PDF herun­ter­laden …

Font-Fibel 2: Office-Fonts (4 S), PDF herun­ter­laden …

Font-Fibel 3: OpenType-Fonts (4 S), PDF herun­ter­laden …

Eine letzte Drucksache, die ich heute empfehle ist unser Apfel i, heraus­ge­kommen im Dezember 2010. Es gibt noch wenige gedruckte Exemplare davon, von denen ich morgen gerne 10 kostenlos versende. Einfach unten einen Kommentar hinter­lassen, mit funk­tio­nie­render E-Mail-Adresse (bleibt für andere unsichtbar), so dass ich die Postanschrift ermit­teln kann. First come first go … [Aktion ist beendet].

Ganz eilige laden sich Apfel i über Issuu (Download-Link) oder werfen gleich hier einen Blick hinein:


Gute Typografie, jetzt (2): Zitat Matthew Butterick

“If you believe typo­graphy matters — visually, histo­ri­cally, cultu­rally — consider it your duty to help make sure it doesn’t get washed away by decli­ning expec­ta­tions.” Matthew Butterick, Sep 6 2011, Fonts in Use

»Wenn du glaubst, Typografie sei wichtig – visuell, histo­risch, kultu­rell –, betrachte es als deine Pflicht mitzu­helfen, dass sie nicht durch sinkende Erwartungen zugrunde geht.« Matthew Butterick, 6. 9. 2011 auf Fonts in Use

Matthew Butterick studierte an der Harvard University Visuelle Kommunikation und Mathematik, bevor er Mitte der 90er Jahre bei The Font Bureau Schriften entwarf und digi­ta­li­sierte. Später grün­dete er in San Francisco das Web-Design-Büro Atomic Vision, das er 1999 verkaufte. Butterick zog nach Los Angeles, um seinem Berufsleben eine neue Richtung zu geben. Er studierte Jura und wurde Anwalt. Doch seine Leidenschaft für gut gestal­tete Texte ist unge­bro­chen. 2008 rief er die Website Typography for Lawyers ins Leben. Matthew Butterick war Sprecher auf der ersten FontShop-Konferenz FUSE95.


Ich fordere leidenschaftliche Typografie

(Aufklärung tut not. Deshalb habe ich in diesem Beitrag eine kleine Adobe-InDesign-Schulung versteckt … Wer ausschließ­lich typo­gra­fi­sche Nachhilfe wünscht, gehe einfach nur die Bilder und Bildunterschriften durch. Wer mitdis­ku­tieren möchte, lese die Absätze dazwischen.)

Sagt: Wollen wir mal alle zusammen für bessere Typografie im Land kämpfen? Meine Tochter Marie (15) fragte mich am Wochenende: »Warum sind eigent­lich die ameri­ka­ni­schen und engli­schen Bücher so viel schöner gemacht als die deut­schen?« Na weil die typo­gra­fi­sche Kultur dort weiter entwi­ckelt ist, antwor­tete ich. Außerdem probieren die gerne mal was Neues aus.

Bleiben wir kurz beim Buch. Selbst ein jahr­zehn­te­alter Wettbewerb wie Die Schönsten Deutschen Bücher leistet kaum einen Beitrag zur typo­gra­fi­schen Kultur. Er spornt zwar die kleinen Kunst-, Kinder- und Coffee-Table-Buchverlage an, aber auf das große Brot-und-Butter-Verlagsbusiness färbte …

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Die Web-Häuptlinge hassen Typografie…

… aber nicht mehr lange. von Seth Godin*

Es begann wahr­schein­lich mit HTML, und danach Yahoo, natür­lich. Doch eBay über­spannte den Bogen, bevor Google und Facebook es zur Methode erhoben: Eine beschis­sene Typografie, kein biss­chen darauf zu achten wie man was sagt sondern und nur was man sagt – der typi­sche Erst-die-Technik-Ethos des Internets.

Sergey Brin formu­lierte einst, dass Ausgaben für Marketing die Quittung für lausige Produkt sei, und natür­lich ist ein gut gestal­teter Text eine Form des Marketings. Sergey hat keine Ahnung vom Marketing, denn groß­ar­tige Produkte sind Marketing, und erst recht keine Ahnung vom Nutzen guter Typografie.

Es ist die Typografie, die Apple auf den ersten Blick vom Rest des Marktes unter­scheidet. Es ist die typo­gra­fi­sche Gestaltung, die ein selbst­ver­legtes Buch meist alt aussehen lässt gegen­über einem »rich­tigen«. Typografie (genauer: die falsche) ist eine Gefahrenquelle in Flugzeugen: Wer hat fest­ge­legt, das Sicherheitshinweise IN GROSSBUCHSTABEN GESCHRIEBEN SEIN MÜSSEN?

Die Wahl einer Schrift, ihre sorg­fäl­tige Zurichtung und ihre Leserlichkeit ergeben einen starken Eindruck. Wenn deine Visitenkarte nichts anderes ist als Arial auf einem Stück Karton, teilst du den Empfängern etwas mit … ziem­lich genau das Gegenteil von dem, was du ursprüng­lich mit der Karte beab­sich­tigt hast.

Ironie der Geschichte: Es waren die Computer, allen voran Apple, die das Gestalten von Drucksachen in unsere Hände legten. Und dieselbe Computerindustrie nahm es uns wieder weg, entwer­tete unsere Ausdrucksmöglichkeiten um zu demons­trieren wie beschäf­tigt wir mit dem Programmieren sind, auf dass nichts mehr vertrau­ens­voll oder reiz­voll aussehen kann. Typekit und andere Webfont-Dienste packen dieses Problem nun beim Schopf, und es ist ziem­lich sicher, dass die nächste Generation von Unternehmen online besser aussehen wird als die von heute.

Gute Typografie ist etwas aufwän­diger als schlechte, aber sie macht sich um ein Vielfaches bezahlt … nein: sie ist ein echtes Schnäppchen. Hier ein paar brauch­bare Bücher (englisch; eine deutsch­spra­chige Alternative) und ein nettes Tool, gefunden bei Swiss-Miss.
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*Übersetzung des Artikels The web leaders hate typo­graphy (but not for long) von Seth Godin, mit freund­li­cher Genehmigung des Autors. Seth Godin ist ein New Yorker Autor, Unternehmer und Marketing-Experte. Sein Lieblingsthema: die post-indus­tri­elle Revolution. Er schrieb 13 Bestseller die in 30 Sprachen über­setzt wurden.


Minimalismus: Chance oder Gefahr für große Marken?

Das Design-Beratungsunternehmen Antrepo Design Industry fragt sich: Kann es in einem maxi­mierten Markt mini­ma­lis­ti­sches Design geben? »Unser neustes Projekt beschäf­tigt sich mit Vereinfachung. Wir haben versucht, für welt­weit bekannte Markenprodukte ein redu­ziertes Packaging-Design zu entwi­ckeln. Wir glauben, dass sich jedes Produkt nach einer gewissen Zeit auf Minimalisierung unter­su­chen lassen sollte.« Die Designer von Antrepo prak­ti­zierten ein 2-stufiges rede­sign: a) minimal und b) extrem minimal.

Das inter­dis­zi­pli­näre Design-Blog Ignant schreibt zu dem Experiment: »Natürlich sind Geschmäcker verschieden und während die breite Masse eher die farben­frohe Variante vorzieht, würden mich zwei Farben, eine Typo und möglichst wenig Schnick-Schnack viel mehr anspre­chen.« Es steht also die Frage im Raum: Erreichen welt­be­rühmte Marken mit einem redu­zierten Design mögli­cher­weise ein anderes, neues Publikum? Oder aber: Reicht auch Stammkunden der schlichte Nutella-Schriftzug, um zu ihrem Lieblingsprodukt zu greifen? Sollte es für bestimmte Marken zwei Packaging-Design-Schienen geben?

Weitere über­ar­bei­tete Marken auf dieser flickr-Seite. (Via: Gerrit van Aaken)