Bundesregierung und BDG: Design stärkt den Mittelstand
Im Rahmen der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung hat die iDD Initiative Deutscher Designverbände gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 24. März 2009 die Veranstaltung »Design stärkt den Mittelstand« durchgeführt. Vor 200 Teilnehmern zeigten vier Unternehmer verschiedener Wirtschaftsbereiche anhand von Beispielen, wie Design als ganzheitlicher Teil der Strategie ihre Unternehmensentwicklung vorantreibt. Der BDG zieht in einer Pressemitteilung das folgende Resümee:
»Dagmar G. Wöhrl, MdB und Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, betonte in Ihrer Eröffnungsrede: ›Design kann eine wertvolle Investition in die Zukunft sein. Es kann die Wertschöpfung kleiner und mittlerer Unternehmen erheblich steigern.‹ (siehe auch Pressemitteilung des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie)
Podiumsdiskussion mit den Referenten v. l. n. r.: Thomas Trenkamp (Carpet Concept), Tim Wichmann (Dominic Schindler Creations), Reinhold Seitz (Gildemeister ), Erik Spiekermann (edenspiekermann), Götz Esslinger (Stefanie Hering), Cornelia Horsch (IDZ Berlin), Bernd-Wolfgang Wissmann (BMWI), Susanne Lengyel (Sprecherin iDD, Präsidentin VDID)
Henning Krause unterstrich für die iDD als Präsident des Bundes Deutscher Grafik-Designer und Vizepräsident des Deutschen Designertages in seiner Keynote, dass Design als strategisch-gestalterisches Instrument für Unternehmen erhebliche Potentiale im Wettbewerb eröffnet.
Gleich der erste Redner, Andreas Dornbracht, Geschäftsführer der Aloys F. Dornbracht GmbH & Co KG, stellte klar, dass Designorientierung eine Managementaufgabe sei und langfristige Orientierung brauche. Am Beispiel seines Unternehmens konnte er anhand der historischen Entwicklung klar die Wirkung von Design als Erfolgsfaktor herausarbeiten.
Auch Thomas Trenkamp, geschäftsführender Gesellschafter der Carpet Concept GmbH, zeigte im Anschluss, wie er mit konsequenter Designorientierung sein 1993 gegründetes Unternehmen zu einem enormen Erfolg geführt hat – über 60 Designpreise sprechen eine deutliche Sprache.
Im Anschluss stellten Götz Esslinger, Geschäftsführer von Hering Berlin und Erik Spiekermann von edenspiekermann dar, wie Produkt- und Kommunikationsdesign Hand in Hand bei der schlüssigen Positionierung der hochwertigen Porzellankollektion von Hering Berlin wirken.
Reinhold Seitz von der Gildemeister AG erläuterte abschließend, gemeinsam mit Produktdesigner Tim Wichmann, wie Engineering und Design die Gestaltung von Investitionsgütern gleichberechtigt vorantreiben. Die vorgestellte neue Produktreihe spanender Werkzeugmaschinen besticht durch sehr hohe Wertstabilität und eine Fülle funktioneller Problemlösungen.
In Ihrer Schlussnote wies Cornelia Horsch vom IDZ Internationales Design Zentrum Berlin auf die Bedeutung des Designmanagements hin und griff die von Henning Krause in seiner Keynote aufgestellte Forderung nach einer deutschen Studie zu Designeffizienz auf.
Die Veranstaltung wurde allgemein als großer Erfolg gewertet. Im anschließenden Get-together wurden neue Kontakte geknüpft. Vertreter der deutschen Industrie zeigten Interesse an einer weiteren Verstetigung des Designdialoges.«
32 Kommentare
Kommentarfunktion ist deaktiviert.
<em>kursiv</em> <strong>fett</strong> <blockquote>Zitat</blockquote>
<a href="http://www…">Link</a> <img src="http://bildadresse.jpg">
Ole Schäfer
Mal im Ernst, was daran ist neu und erwähnenswert? Bundesregierung? Wir sind im Wahlkampf …
Florian 2
Carpet Concept: Designpreise sind schön, aber der Erfolg eines Bodenbelagunternehmens bemißt sich doch wohl eher am verkauften Bodenbelag, nicht daran, ob da jetzt Kommunikationswissenschaftler drauf masturbieren. Wo ist jetzt der konkrete Nachweis, daß Design ihn da erfolgreich werden ließ? Es ist ja schon glaubhaft, daß Design zum Erfolg beiträgt (bei solch einem „Lifestyle-Produkt“), aber wie genau? In welchem Umfang? Wie belegt?
Dornbracht: Ebenso. Wie hat er denn die Wirkung von Design auf seinen Erfolg herausgearbeitet?
Die wichtigen und interessanten Punkte fehlen in diesem Posting leider komplett.
Anstelle einer reinen Aufzählung der tollen Leute, die dort teilgenommen haben, wären kurze inhaltliche Zusammenfassungen schön gewesen.
Vroni
Spannende Werkzeugmaschinen…
:.)
(Eine Geschichte kann spannend sein, eine Werkzeugmaschine kann nur zerspanen…)
thomas junold
gibts das logo denn jetzt als möglichkeit es sich auf die eigene kleine firmenwebseite zu basteln? sonst weiss es ja mal wieder keiner.
florian2: dornbracht IST design IST kultur IST wirtschaft und zwar so dicht verwoben, dass alles miteinder muss. und das ist gut so!
Henning
Ole, mag sein, dass Du das nicht neu findest – dass die Designwirtschaft vom Wirtschaftsministerium wahrgenommen wird, ist allerdings völlig neu. Nicht nur die Größe der Designwirtschaft und ihre in den vergangenen Jahren vorgelegte Wachstumsrate hat uns in den Fokus des BMWI gerückt, sondern auch die Einsicht, dass die Arbeit von Designern den Erfolg von Unternehmern stärkt. Und mit der Rückendeckung des BMWI öffnen sich ganz neue Türen für uns. Das ist Lobbyismus par excellence. Mal ganz im Ernst.
Florian2: Die Vorträge haben wir nicht komplett mitgeschrieben. Wozu auch. Das Design nicht Masturbation ist, sondern dem Erfolg des Unternehmens dient, ist für uns Designer eben keine Nachricht wert. In dieser Meldung geht es darum, dass wir mittlerweile auf hoher politischer Ebene angekommen sind und dort ernst genommen werden.
Natürlich muss es spanend heißen, Vroni :-)
Matthias
Man kann sich ja jetzt darüber aufregen wie wenig messbar der Erfolg von Design oder man kann sich freuen, dass dem Mittelstand die Existenz von Design in Erinnerung gerufen wird. Und dass man damit seine Gewinne steigern, seine Marktposition stärken kann.
Ist vielerorts nicht so bekannt.
Oliver Adam
Henning: Eine tolle Veranstaltung war das, die Ihr organisiert habt!
Henning
Richtiger Punkt, Matthias, genau darum geht es. Doch eine kleine Korrektur von meiner Seite: Der Erfolg von Design ist durchaus messbar und wurde in Studien in verschiedenen europäischen Ländern belegt. Nur in Deutschland wurde noch keine Studie vorgelegt. Die Erstellung einer solchen Studie haben wir auf der Veranstaltung angemahnt. Das BMWI sehe ich da in der Pflicht.
Danke, Oliver *rotwerd*.
Dietmar
Die ganze Politik wird doch in D von den Scheiß-Lobbyisten versaut. Und das ist jetzt auf einmal ertrebenswert für euch? Mit mir jedenfalls nicht.
Jürgen
Danke für den »spanenden« Hinweis: Habe ich falsch aus der Pressemitteilung zitiert – dort stand es richtig. Ist jetzt im obigen Artikel korrigiert.
Oliver Adam
Henning:
Der Erfolg von Design ist durchaus messbar und wurde in Studien in verschiedenen europäischen Ländern belegt. Nur in Deutschland wurde noch keine Studie vorgelegt. Die Erstellung einer solchen Studie haben wir auf der Veranstaltung angemahnt. Das BMWI sehe ich da in der Pflicht.
Ich kenne die Studien nicht im Original, jedoch habt Ihr starke Hürden vor Euch, den von uns gewünschten Beleg zu erbringen. Denn eine – empirische (!) – Studie muss mehreren Gütekriterien entsprechen, damit die Aussagen niet- und nagelfest sind:
1) Validität
2) Reliabilität
3) Objektivität
Das Problem sah man schon bei den Infografiken bei Cornelia Horsch. Auf den ersten Blick überzeugend, bildeten sie letztlich doch nur eine Art Meinungsbild ab. Ihr begebt Euch zumindest auf dünnes Eis mit Eurem Ziel, »Effizienz von Design« nachhaltig zu belegen.
Es beginnt schon mit den Definitionen: Was exakt ist »Effizienz« – hier sehe ich viele Variablen auf Euch zukommen: welche auswählen und messen? Und: wie operationalisieren? Was exakt ist »Design«? Wie operationalisieren? Welches Design: Produktdesign, Grafikdesign? Hier auf »Ästhetik« und die Design-Leiter zu verweisen, reicht für eine Studie noch nicht aus. Da fehlen noch zwei Aspekte …
Wie soll das Versuchssetting aussehen? Normalerweise will man eine isolierte Variable X (»Effizienz von Design«) untersuchen. Das geht nur ceteris paribus, unter der Bedingung, dass alle anderen (Stör-) Variablen gleich sind: wie das operationalisieren? Welche Stichproben ziehen?
Um eine wirklich aussagekräftige und belastbare Studie zu entwerfen und durchzuführen, muss man sie im Karl-Popper’schen Sinne versuchen zu widerlegen. Es ist doch klar, dass ansonsten jeder sagen wird: »Klar, wenn IDD X untersucht, kommt doch das gewünsche Ergebnis Y heraus …«.
Fazit: Eine aussagekräftige, »harte« Studie ist alles andere als trivial. Die Alternative wäre eine Umfrage. Und das sind nur Meinungen ;-)
Jürgen
Halte ich für ein zu simples Weltbild. Ich glaube, dass im Moment der Parteienstaat das eigentlich Übel unserer Politik ist. Hierzu hatte ich jüngst auf Twitter schon mal diesen bemerkenswerten Beitrag aus dem SPIEGEL empfohlen: »Land stiller Abschiede« (http://is.gd/my3p).
Verantwortungsvoller Lobbyismus trägt Know-how und industrielle Praxisdenke in die Politik. Das ist mir lieber als eine weltfremde Parteipappnase, deren einziger Verdienst es ist, sich über die Jahre von der hintersten Reihe in die vorderste durchgesessen zu haben.
Oliver Adam
Dietmar (#9)
Lobbyismus ist per se nichts Schlechtes, sondern, im Gegenteil, ein Bestandteil von Demokratie. Zum Problem wird Lobbyismus erst, wenn der Politiker nicht möglichst objektiv abwägt, sondern wider besseren Wissens zum Vorteil einer Interessengruppe entscheidet.
Oliver Adam
@ Jürgen (#12)
Wunderbar!
Vroni
Ich warte jetzt einfach nur noch auf die Studie. Bis dahin ist alles schöner Schein, leucht!
Lobbyismus
Superwichtig, man kommt nicht drum rum. Selbst wenn Missbräuche passieren.
Parteienstaat
Diese Antihaltung gibt es, seitdem Weimar aus dem Kaiserreich entstanden ist und seitdem es die damals junge BRD gibt. Der Wunsch nach „fester Führung“ und „gegen Gezänke“ ist nichts Neues seit Wilhelm II. (Obacht, wer jetzt da mit mir über die echt uralte deutsche Parteienverdrossenheit debattieren will :-), muss sich klar sein, dass ich an der Hochschule in Politik und Geschichte mühelos meine Einser eingefahren habe).
Deutsche tun sich noch immer schwer, a) politische Debatten nicht dauernd nur als „unangenehmen Streit“ zu empfinden, b) Politikern zuzugestehen, dass sie auch nur Menschen sind.
Daher haben wir ja eine unselige Konsenskultur und ducksende Politiker. Das kommt von das, Henne-Ei. Die Politiker tun im Grunde nur das, was der Wähler will: Harmonie-Salbader abliefern, so tun, als sie sich nicht „streiten“ würden, Harmonie vorgaukeln und dann eben heimlich in den Hinterzimmern die Pöstchen verteilen. Es liegt schon stark am deutschen Wähler auch, wir haben uns den Merkelianismus und den Kohlismus gut verdient :-)
Dietmar
wer die teuersten = besten Anwälte hat, der gewinnt in der Regel den Prozeß. Wer das meiste Geld hat, stellt seit jeher die mächtigsten Lobbyisten.
Allen voran die Autoindustrie, Banken, Pharma usw. Das hat mit Demokratie nix mehr zu tun, sondern hier regiert alleine das Geld und damit den Staat.
Henning
Saugute Wortmeldungen, (Vroni, Jürgen, Oliver) danke!
Oliver, Dich hätte ich gerne mit in einem Board, dass die Konzeption einer solchen Studie überwacht. „Machen“ tut die iDD das ohnehin nicht, genausowenig wie das BMWI. So eine Studie wird beauftragt. Mit ceteris paribus kommt man logischerweise nicht weit, weil das zu untersuchende Wirtschaftsgeschehen nicht im Labor stattfindet. Doch mit statistischen Testmethoden kann man Hypothesen prüfen. Beispielsweise kann man mit Chi-Quadrat testen, ob Variable unabhängig sind oder nicht (Der Normalbürger kennt diesen Test eventuell daher, dass er zur Glaubwürdigkeitsprüfung von Fahrtenbüchern beim Finanzamt verwendet wird). Na ja, das driftet jetzt ein bisschen tief ins Feld der Statistik. Bei Interesse:
http://de.wikipedia.org/wiki/Statistischer_Test
Oliver Adam
@Henning:
Mit ceteris paribus kommt man logischerweise nicht weit, weil das zu untersuchende Wirtschaftsgeschehen nicht im Labor stattfindet.
Es gibt auch noch Feldversuche ;-). Na jedenfalls müsst Ihr/müssen wir so oder so homogene Gruppen schaffen, die abhängigen Kriterien prüfen etc. Hier gibt es schon angemesse Versuchsdesigns jenseits des Labors (schon wieder ein »-design«).
Das »Labor« können wir aber dennoch gebrauchen, um zum Beispiel einen »Designfaktor« zu bestimmen. Sprich, wir lassen von einer Stichprobe einschätzen, welchen Designanteil z. B. 5 Fräsmaschinen verschiedener Hersteller haben. Die Begründung »dahinter« läge dabei bei den »Familienähnlichkeiten«, die ich beim Kunst-Thema hier im Fontblog schon mal abgehandelt hatte. Alternativ oder ergänzend ließe man den jeweiligen »Designfaktor« von Experten einschätzen.
Ich bin gerne dabei. Ich habe eben mal mit meinem »alten« Methoden-Prof vom Institut für Psychologie (Wirtschaftspsychologie) an der FU gesprochen. Hier wäre das Thema sicher genau richtig angesiedelt. Mehr vielleicht am Telefon :-)
Henning
Feldversuche ist gut … ;-)
Wir sollten mal einen Blick auf das Material der anderen Studien werfen – die Spanier haben, glaube ich, auch schon was vergleichendes gemacht. Ich ruf Dich Montag an (muss jetzt los).
Vroni
Noch was: Mir kommt das Ding (Veranstaltung »Design stärkt den Mittelstand« jetzt) sehr produktdesignlastig vor. Oder irre ich mich?
Nix gegen Produktdesign. Aber auf die Studie bin man sehr gespan(n)t, wie sie Produktdesign und Kommuikationsdesign auseinander- und wieder zusammenklamüsern wollen. Produktdesign hat eine viel direktere und sichtbarere Wertschöpfung als Kommunikationsdesign. Ersteres ist dem technischen und formgebend unterwegsernen Mittelstand auch sehr gut verkaufbar, sieht man doch sofort, dass sich die sorgfältig designte Kaffemaschine besser verkauft (oder waren es Werkzeugmaschinen…? wurscht. Wurscht?)
Begreift sogar ein undesigniger knarzender Ingenieur alter Schule mit Pilotenbrille halbwegs, dass flott wirkende Werkzeugmaschinen eine feine Sache sind. (Weil seine Frau zuhause auch so ein Colani-Kaffeeding wollte, nicht die eckige, komische, die ihm gefallen hätte..)
Fein. Nur, ich bin gespannt, wie man die „Effizienz“ von Kommunikations_design berechnen will. Das steht aus.
Vergleicht man dazu die Jahresgewinne gleichartiger Unternehmen? Innerhalb welchen Zeitraums? 3 Jahre? 5 Jahre? Die einen mit Schrottgestaltung (schlechte Typo, was ist schlechte Typo, verschiedene und verschieden schlechte Logos, mal auf lila, mal auf gequetscht, „Innovation aus Tradition“- und „Herzlich willkommen“-Schwurbeltexte?) Die anderen mit gutem Auftritt (was ist guter Auftritt, gute Typo, angemessener, interessanter Text?)
Die Neugierde bringt mich fast um^^.
Henning
Kommt einem so vor, ist nach Umsatz- und Beschäftigungsanteilen gewichtet auch so (danach hätte Kommunikationsdesign über 80% der Veranstaltung bekommen müssen) – geht jedoch nach dem Dreisprung Produktdesign-Textildesign-Kommunikationsdesign, wobei Gildemeister auf dem wirtschaftsnahen Sonderticket „Investitionsgüter“ einreisen durfte. War aber jedem klar, dass Kommunikationsdesign immer mit im Boot ist und war auch jedem klar, dass hier nach Branchen und nach Empfängeröhrchen gewichtet wird. Das geht durchaus in Ordnung so.
Generell geht es bei der Effizienz um das Verhältnis von (finanziellem) Nutzen im Verhältnis zum vorherigen (finanziellen) Mitteleinsatz, wenn in Design investiert wird. Es geht um die Frage: Zahlt sich für Unternehmer eine Investition in Design aus? Wenn ja, wann, wie schnell, wie dauerhaft, und wie überhaupt? Durch gesteigerte Rendite, erhöhten Umsatz?
Letztlich will und kann so eine Untersuchung nicht gute und schlechte Typo unterscheiden, oder Schwurbeltexte und Klassetexte. Mal abgesehen davon, dass aus der Grundlagenforschung dazu schon gute Untersuchungen vorliegen: auf kultureller Ebene ist die Beurteilung dieser Dinge stets im Fluß. Die Pilotenbrille, die der beschriebene »knarzende Ingenieur« trägt, ist doch mittlerweile so weit hinten, dass sie wieder vorn ist, oder?
Es geht also um die Korrelation von Unternehmenskennzahlen und einem bestimmten Maß an Integration von Designprozessen in das Unternehmensmanagement. Wenn sich beispielsweise nachweisen lässt, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen Eigenkapitalrendite und hoher Designintegration besteht, dann ist viel gewonnen. Und genau in diese Richtung gehen die Zahlen aus den anderen europäischen Ländern.
Vroni
Um die vielen Abstrakta (stören mich etwas) runterzubrechen: Bleibt die Frage, wie man „Designmanagement“ klassifiziert. Was ist es, was machen Firmen, die welches haben anders, was ist keins. Gibt es Zertifizierungen.
Natürlich weiß ich, was Unternehmenskennzahlen sind. Bei börsennotiereten Unternehmen kein Problem. Aber nicht der ganze Mittelstand.
Henning
Hm, Designmanagement ist auch erstmal nur ein populärer, jedoch dehnbarer Begriff. So grobrhetorisch lässt sich das nicht packen.
Ich bin daher ziemlich sicher, dass man die ganzen Abstrakta braucht, um wissenschaftlich einigermassen brauchbare Ergebnisse abzuliefern. Die Quintessenz darf dann auch wieder populär eingedampft sein, muss sie sogar, damit eine Botschaft rauskommt, die verstanden wird.
Jedes einigermassen ernsthafte Unternehmen hat eine ganze Anzahl an Zahlen vorrätig, auch im Mittelstand.
HD Schellnack
Seit IBM-Chef Thomas Watson Jr. wissen wir doch schon: Good Design is good business. Und das ist nicht neu, das ist 1950 und ist heute wahrer denn je. Jedes Unternehmen muss heute wissen, dass es nicht NICHT kommunzieren kann, also kommunziert es sich gut – erfolgreich als Marke und entsprechend einer kongruenten Strategie für eigene Ziele, inhärente Qualitäten und externem Auftritt – … oder… eben… nicht.
Ich weiß aus Erfahrung, das gutes Kommunikationsdesign viel mehr ist als Broschürenlayout und funkygraphic-o-mat. Es ist das gemeinsame Finden von Wegen zum Erfolg. Dornbracht/Meiré ist da ein exzellentes Beispiel – nicht wegen der gestalterischen Qualität per se (auch die :-D), sondern wegen dem Mut, der die Marke definiert. Zumtobel fällt ein. Auf der anderen, ruhigeren Seite: Erco, Apple, Vira, Bulthaup, BMW.
Ich finde toll, dass darüber endlich geredet wird und zugleich verzweifele ich daran, dass wir noch darüber reden müssen, oder? It’s a fucking no-brainer my dear friends in marketing: beautiful design sells products.
HD Schellnack
Designmanagement verstehe ich gern absichtlich etwas falsch. Nicht als Management von Design (GÄHN), sondern als Design von Management bzw als Management im Sinne ganzheitlicher Designprozesse – Führung von Unternehmen orientiert an den Strukturen, die im Produktdesign und Komdesign gang und gäbe sind bzw auch das Verstehen von einem Unternehmen in toto als DESIGNOBJEKT. Kom-Design ist nicht die schicke Broschüre, sondern der (mal mehr mal weniger efolgreiche) Versuch des Designers-als-Berater, das Unternehmen als ganzes qua der Gestaltung von sichtbaren und unsichtbaren Kommunikationsstrukturen und -akten zu reformieren. Change-Manegement im besten Sinne also.
Sanddorn
Reinhold Seitz? Und ich dachte schon Colani hat den Jungbrunnen gefunden.
Oliver Adam
Klare Sache: Henning ist auf der richtigen Spur, wenn es darum geht, den Nutzen von Design in objektive Zahlen zu fassen. Das ist das, was unsere Auftraggeber auch verstehen ;-). Denn die sind nunmal nicht an Meinungen interessiert, sondern an harten Fakten.
ABER:
Ich habe mir mal die österreichische »Studie« mal näher angeschaut. Diese kann man hier herunterladen. Die ganze Misere lässt sich hier gut ablesen: Leider, leider hat diese Untersuchung keinerlei Aussagewert. Stattdessen krasse methodische Fehler und fatale Missinterpretationen der Daten. Und für das Informationsdesign – das Aufbereiten der Charts – kann man auch nur eine 6 vergeben.
Ich konzentriere mich der Kürze wegen nur auf drei, vier Apsekte:
1. Missinterpretation der Daten
Sicher eines der wichtigsten Ergebnisse steht auf Seite 27. Die These ist: Je höher die Firmen auf der Designleiter steht, desto profitabler sind sie.
Falsch.
Betrachtet mal den Balken »Styling«. Ich lese ihn so, dass 86% ein positives oder ausgeglichenes Ergebnis hatten, 3% ein negatives. Der Rest – 11% – hat offenbar nicht die Frage beantwortet? Aha!
Dann ist die Aufbereitung des Charts falsch, denn das Weiß signalisiert optisch: »zu negativem Geschäftsergebnis gehörig«. Das sieht zwar in der Abfolge der vier Balken gut und passend zur Theorie aus. Sie stimmt nur nicht, und sie ist manipulativ. Denn über die Gruppe der Nicht-Antwortenden wissen wir nichts, sie müsste, wenn überhaupt, zum Beispiel separat und schraffiert dargestellt werden. Dann sieht erstens das Balkendiagramm schon ganz anders aus und es verdeckt zweitens einen krassen Fehler nicht mehr:
Angenommen, auf der Frage-Liste standen je 100 Firmen pro Designleiter-Stufe. Bei »Styling« haben 11 nicht geantwortet. Heißt, 89 haben geantwortet und bilden die 100%. 74 Firmen sind dann – auf Basis von 89 bzw. 100% – 83%. Und nicht 74%!
Die Reihe für »Non-Design« (Basis: 91) wäre also:
Negativ: 17,48%
Ausgeglichen: 23,08%
Positiv: 60,44%
Die Reihe für »Styling« (Basis: 89) wäre also:
Negativ: 3,37%
Ausgeglichen: 13,48%
Positiv: 83,15%
Die Reihe für »Prozess« (Basis: 94) wäre also:
Negativ: 6,38%
Ausgeglichen: 18,09%
Positiv: 75,53%
Für »Strategie« (Basis: 99) wäre die Reihe:
Negativ: 5,05%
Ausgeglichen: 25,84%
Positiv: 71,72%
Ergebnis:
Betrachtet man die positiven Ergebnisse, dann liegt »Styling« klar vorn. Betrachtet man positives und ausgeglichenes Ergebnis, liegen beide – Styling und Strategie – etwa gleich auf. Bei negativem Ergebnis liegt Styling wieder leicht vorn.
Interpretation der Daten:
Es ist besser, nur auf Zuckerguss-Design im Sinne von Styling zu setzen, als auf Design-Strategie. Denn die Wahrscheinlichkeit ist höher, ein positives Ergebnis zu erreichen, und das Risiko, ein negatives Ergebnis zu erlangen, geringer. Genau das sagen die Daten (mal ganz abgesehen davon, ob die Ergebnisse signifikant sind) – und sie widersprechen der Aussage auf Seite 13, nach der »Styling keine gesteigerte Wertschöpfung biete«. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Es erschließt sich mir auch nicht, warum Firmen, die in der Designleiter höher stehen, angeblich »unternehmerisch besser organsiert« seien (Seite 27). Hä?
2. Methodische Fehler
Keine homogegen Gruppen
Sind denn nun die Ergebnisse aussagekräftig? Natürlich nicht! Denn man kann nur Gleiches mit Gleichem vergleichen. Heißt, zum Beispiel nach Branchen. Wer sagt mir, dass unter Non-Design nicht die Schlachtabfall-Beseitiger, Fensterputzer und Schott-Händler fallen, bei Strategie dagegen die Modelabels, Design-Büros und Schmuckhersteller? Man kann nur zu halbwegs brauchbaren Aussagen kommen, wenn man die Stichproben homogenisiert bzw. parallelisiert (»Matching«): also nach gleicher Branche nach gleicher Größe etc. Nur dann lassen sich die Störeffekte minimieren und sich die (eventuell) positiven betriebswirtschaftlichen Effekte auf den Faktor Design zurückführen.
Mangelhafte Defintionen und fehlende Daten
Um nur ein Beispiel zu nennen: Was heißt eigentlich »positives Geschäftsergebnis« (Seite 27): 100 Euro? 10.000 Euro? 10.000.000 Euro? Angenommen, die 60,44% (und nicht 55%!) unter Non-Design haben im Durchschnitt 10.000.000 Euro verdient, die 71,72% unter Strategie nur 1.000 Euro – wäre Non-Design nicht vielleicht sogar die bessere Wahl?! Keine Ahnung, wissen wir doch nicht, was »positives Geschäftsergebnis« hier genau bedeutet.
Korrelation vs. Kausalität
Wie wichtig eine Homogenisierung der Stichproben ist, zeigt folgendes Gedankenexperiment: Angenommen, die Ergebnisse wären gewesen, dass je höher in der Designleiter, desto mehr Gewinn. Das hieße nichts anderes, dass man eine Korrelation entdeckt hätte, also einen Zusammenhang. Der Zusammenhang kann auch völlig unsinning sein:
Im Frühling kommen sehr viele Babys auf die Welt. Im Frühling kommen auch sehr viele Störche nach Deutschland. Das ist ein – unsinniger – Zusammenhang. Es stimmt nun eher nicht, dass viele Babys auf die Welt kommen, weil viele Störche sie bringen. Übertragen heißt dies: Man kann nicht sagen, dass Firmen mit hoher Position auf der Designleiter mehr Profit machen, weil sie designorientiert sind – es könnte auch ganz andere Ursachen haben, zum Beispiel ein agressiver Vertrieb.
3) Fazit
Die Studie sagt nichts aus. Ich finde sie eher kontraproduktiv, zeigt sie doch offenbar, dass Designer nichts von Wirtschaft verstehen. Dann können wir uns nicht beklagen, wenn der Wert unserer Arbeit nicht gewürdigt wird (Cottbus lässt grüßen).
Daher meine Empfehlung: eine wasserdichte, methodisch saubere deutsche Studie, die uns die Unterneher nicht um die Ohren hauen können.
Henning
Daher meine Empfehlung: eine wasserdichte, methodisch saubere deutsche Studie, die uns die Unternehmer nicht um die Ohren hauen können.
So stelle ich mir das auch vor.
Prima Kurzkritik, Oliver, ich seh schon, wir werden viel Spaß haben (ich war ja etwas unlustig zur österreichischen Studie was zu schreiben) … :-)
Vroni
@ Oliver
Genau solche Sachen habe ich befürchtet.
Vor allem Korrelationen, die möglicherweise gar keine sind: Nicht wer gut aussieht, wird Geld (Umsatz, „positive Geschäftsergebnisse“) haben, sondern wer Geld hat, kann es sich leisten, gut auszusehen. Geht doch so rum und geht so rum. Oder Henne-Ei. Oder gar: Störche-Babies. Was auch immer.
Nicht ohne Grund geht der Schnack: Glaube nur der Studie, die du selber gefälscht hast.
Oliver Adam
@Vroni
Deine/meine/unsere Befürchtungen sind sehr wichtig. Die gute Nachricht: Durch einen vernünftig aufgebaute und durchgeführte Studie kommt man schon zu aussagekräftigen Ergebnissen. Nun macht keinem von uns Methodenlehre wirklich Spaß. Aber hier muss sie einfach sein. Denn sonst bleibt alles nur wieder bei »Meinungen« stecken …
Oliver Adam
Nicht ohne Grund geht der Schnack: Glaube nur der Studie, die du selber gefälscht hast.
Das Schöne an empirscher Forschung ist jedoch, dass man seine Methoden offenlegen muss. Damit sind die Ergebnisse nachvollziehbar – und prinzipiell wiederholbar – für andere. Das ist der Sinn des Gütekriteriums »Objektivität«, dem natürlich die deutsche Design-Studie entsprechen muss. Fälschen gilt also nicht.
Vroni
@ Oliver
Spaß- nicht Spaß. Methodenlehre ist doch in Ordnung. Man kann sich mit allem anfreunden, Statistik (richtig gemachte) ist gar nicht so dröge. Zumindest für mich nicht.
Ich fände es halt schade, wenn es nur eine Blahblah-Statistik würde. Damit tut man den Designern und Grafikdesignern keinen Gefallen, sondern einen Schaden.
Wertsteigerung messen durch Design geht nur so:
Methodisch UND empirisch am saubersten wäre tatsächlich, sich jeweils immer 2 in ihren Kennzahlen absolut vergleichbare Firmen aus der gleichen Branche zu schnappen, die eine macht Designmanagement wie es im Lehrbuch steht, die andere nicht. Und hinterher nach einem gewissen zeitraum (5 Jahre Z.B.) vergleicht man, ob der Marktwert* der jeweiligen Unternehmen unterschiedlich gestiegen ist. Oder ob nicht. Dasselbe wiederholt man in anderen Branchen (ich bin sicher, dass es branchenverschiedene Werte geben wird, aber hallo…).
* Was sie kosten würden, resp. auf dem Markt wert wären, wollte man sie dann kaufen.
Alles andere ist Humbug.