Buchsatz (3): Sabon, Antiquas erobern Deutschland

Claude Garamond löste die Antiqua von ihrem Vorbild, der römi­schen Meißelschrift. Er verlieh ihr in den 1530er Jahren Leichtigkeit und Eleganz, die sie von ihren italie­ni­schen Vorgängern abhob und setzte bis ins 17. Jahrhundert hinein den Maßstab für Stempelschneider in ganz Europa (siehe Buchsatz-Klassiker Teil 2).

FontShop: Matrizen Garamond

← Die Abbildung zeigt einen Matrizenkasten mit Bleibuchstaben von Claude Garamond (Sammlung des Plantin-Moretus Museum in Antwerpen)

Seine 1540 erschie­nene »Antiqua« basierte auf Francesco Griffos Bembo (siehe Buchsatz-Klassiker Teil 1) und blieb etwa 250 Jahre die führende Schrift in Europa. Hier der dritte und abschlie­ßende Teil über »Buchsatz-Klassiker«, nach der Schriftenliste unserer Experten zur Frankfurter Buchmesse: Nach Garamonds Tod, 1561, wurde sein Nachlass verkauft.

Sieben Antiqua-Serien erwarb Jacques Sabon (geboren in Lyon, 1535, gestorben in Frankfurt-am-Main, zwischen 1580 und 1590), ein fran­zö­si­scher Stempelschneider und Schriftgießer.

Sabon trug stark zur Verbreitung von Garamonds Schriften bei: Ab 1555 arbei­tete er mit dem Buchdrucker Christian Egenolff in Frankfurt; ab 1565 mit Christophe Plantin in Antwerpen. Sabon brachte die Garamond Antiquas nach Deutschland und entwi­ckelte die von Garamond geschaf­fenen Antiqua-Formen so meis­ter­haft weiter, dass bis heute umstritten ist, welche Sabons eigene Entwürfe sind und welche von Garamond stammen. Nach Sabons Tod heira­tete seine Witwe in Frankfurt Konrad F. Berner. In die Ehe brachte sie auch Garamonds Antiqua-Serien ein. Entwürfe aus dieser Zeit werden häufig als »Egenolff-Berner-Garamond« bezeichnet.

FontShop: Jan Tschichold entwirft Sabon

Viehundert Jahre später, zu Beginn der 1960er Jahre fehlt in deut­schen Druckereien eine ästhe­tisch und tech­nisch zeit­ge­mäße Buchschrift, die sowohl auf Linotype- als auch auf Monotype-Setzmaschinen läuft und auch  für den Handsatz geeignet ist.

Jan Tschischold entwirft Sabon 1965 als erste Schrift die aud Linotype-, Monotype- und Stempel- Maschinen glei­cher­maßen einge­setzt werden kann →

Walter Cunz von der Stempelschen Gießerei beauf­tragte den Typografen Jan Tschichold mit dem Entwurf einer Antiqua in der Tradition Claude Garamonds, die die Forderungen des modernen Buchdrucks erfüllt. Tschichold konnte auf Original-Druckmuster der Konrad-Berner-Gießerei (Nachfahren von Jacques Sabon) aus dem Jahre 1592 zurück­greifen. Er bügelte nicht nur typi­sche Unschönheiten aus, wie kolli­die­rende Unterlänge oder Klecksbildungen, sondern inter­pre­tierte Garamonds Vorlagen zeit­gemäß neu.

Für den Kursivschnitt wählt er, wie viele Garamond-Schneider, eine Type des Zeitgenossen Robert Granjon als Vorlage, die er eben­falls bei Berner findet. Mit Sabon erhält die Schrift den Namen jenes Mannes, der nach dem Tode Claude Garamonds seinen Nachlaß aufkaufte, mit dem Werkzeug nach Frankfurt zog und damit die elegante fran­zö­si­sche Renaissance-Antiqua in die deut­sche Druckerzunft einführt. Sabon belegt Platz 25 unter den 100 besten Schriften aller Zeiten.

FontShop: Schriftmuster Sabon, Tschichold (James Hood)

Jan Tschichold lagen Original-Druckmuster der Konrad-Berner-Gießerei aus dem Jahre 1592 vor. Er bügelte nicht nur typi­sche Unschönheiten aus, wie kolli­die­rende Unterlänge oder Klecksbildungen, sondern inter­pre­tierte Garamonds Vorlagen zeit­gemäß neu.

Die aktu­elle Interpretation der Sabon schloss der fran­zö­si­sche Schriftdesigner Jean François Porchez 2002 ab: eine Neuinterpretation der ursprüng­li­chen Sabon für Linotype. Die neue Schriftfamilie wurde als Sabon Next veröf­fent­licht. Sie umfasst deut­lich mehr Schriftschnitte als die erste Ausgabe der Sabon: Insgesamt hat die Sabon-Next-Familie jetzt je sechs Schriftschnitte (Sabon Next Display, Roman, Demi, Bold, Extra Bold und Black). Zu diesen gibt es jeweils korre­spon­die­rende Kursiv-Schnitte. Schließlich gibt es noch einen Ornament-Schriftschnitt mit verspielten Bordüren und Fleuronen. Porchez ergänzte auch Kapitälchen und Mediävalziffern.

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FontShop: Sabon Next Bold

FontShop: Sabon Next Bold Italic

Die Grundschnitte der Sabon Next Pro Familie enthalten, neben den von François Porchez über­ar­bei­teten Formen und Laufeigenschaften, im OpenType Format einen groß­zü­gigen Zeichensatz mit annäh­rend 1000 Glyphen

Bembo, Garamond und Sabon stehen als bedeu­tende Vertreter der klas­si­schen Renaissance Antiqua, die seit 500 Jahren den Satz großer Textmengen immer weiter perfek­tio­nieren. Sie verfügen über eine robuste Grundform und ausge­feilte Laufeigenschaften, die sie perfekt für alle Anforderungen für den Satz von Büchern und Periodika rüstet.

Quellen

• Wikipedia: Sabon, Claude Garamond, Jaques Sabon, Jan Tschichold

100 beste Schriften aller Zeiten: Sabon

Links

• FontShop Tipps: unsere Favoriten zur Frankfurter Buchmesse

Sabon & Sabon Next bei FontShop

• Buchtipp: Max Bill contra Jan Tschichold  Der Typografiestreit der Moderne, Hans Rudolf Bosshard, Niggli Verlag, 15 x 22 cm, 120 Seiten, über 60 Abbildungen, Leinenband mit Schutzumschlag, Deutsch, 29,80 Euro


Ein Kommentar

  1. Die Sabon

    ist schon lange einer meiner Favoriten-Fonts. Wenn’s etwas güns­tiger sein soll, dann greife ich zur Gandhi.

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