Buchsatz-Klassiker (1): Bembo, Pionier der Lesbarkeit

Große Textschriften vereinen Funktion mit Schönheit. Zu Bleisatz-Zeiten nannten Drucker den manu­ellen Satz eines fort­lau­fenden Textes Brotschrift. Sie verdienten mit diesen Schriften ihren Lebensunterhalt. Heute werden große Textmengen für Bücher oder Periodika als Fließtext, Mengensatz oder auch Werksatz bezeichnet (Quelle: Typo WikiWikipedia). Die wich­tigste Aufgabe einer Textschrift liegt in der Lesbarkeit. Große Textmengen müssen so trans­por­tiert werden, dass das Auge des Lesers dem Inhalt folgen kann, ohne zu ermüden. Einer Textschrift muss es gelingen, dem Leser das Erfassen der Information zu erleich­tern und typo­gra­fisch dafür zu sorgen, den Inhalt veständ­lich zu machen. Sie verfügt über eine stäm­mige und unauf­dring­liche Grundform, die sie perfekt für alle Anforderungen des Mengensatzes rüstet.

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Garamond, Mutter vieler Buchschriften. Master-Vorlage ist das Egenolff-Berner-Schriftmuster aus dem Jahre 1592 (Quelle: 100 Beste Schriften aller Zeiten)

Klassiker unter den Textschriften, und bis heute populär, sind Garamond (1530), Adrian Frutigers Univers (1954) und Frutiger (1977)Bodoni (1790) oder auch Times (1931), die eigens für die »London Times« entstand. Unter die ersten 10 der besten Schriften aller Zeiten gelangten ausschließ­lich Textschriften und zeigen, welche Bedeutung Brotschriften auch heute zuge­messen wird. Zu Recht. Der unauf­dring­liche Transport großer Texte verlangt den Formen der Zeichen und den Abständen zwischen ihnen viel ab.

Wikipedia: Bembo -Aetna Originaltext

Ein Lese-Pionier ist die Bembo. Als Ende des 15. Jahrhunderts die Lehren der Antike wieder entdeckt und neu veröf­fent­licht wurden, ahmten die Setzer zunächst die Handschrift grie­chi­scher Gelehrter mit ihren verschlun­genen Linien nach. Diese Schriften – obwohl sehr beliebt beim gelehrten Publikum – waren nicht lese­freund­lich und erschwerten den Setzern die Arbeit.

← Vor mehr als 500 Jahren verhalf Bembo den Schriften der klas­si­chen Antike zum Comeback in der Rennaissance, Abbildung: Original-Bembo mit ausge­prägten Oberlängen aus »De Aetna«, Wikipeadia

Der Venezianer Francesco Griffo schnitt Bembo für den Druck der Abhandlung »De Aetna« des jungen Humanisten und späteren Kardinals Pietro Bembo. Das Werk erschien im Februar 1496 in der Druckerei von Aldo Manuzio und fand nicht zuletzt wegen seiner Lesbarkeit rasende Verbreitung. Der kursive Schnitt geht auf ein Musterbuch des italie­ni­schen Schreibkünstlers Giovanni Tagliente von 1524 zurück. Unter Druckern erfreut sich der Kursivschnitt durch seine platz­spa­renden Eigenschaften bis heute großer Beliebtheit.

Aus der Original-Vorlage entstand 1929 die bis heute verwen­dete Bembo von Monotype. Die ursprüng­li­chen Buchdruck-Versionen besaßen, wie das Original, ausge­prägte Oberlängen bei den Buchstaben »b«, »d«, »f«, »k« und »l«. Bei den zeit­ge­mäßen Varianten wurden sie auf Versalhöhe gekürzt. Das bis heute unver­än­dertes Erkennungsmerkmal ist der zier­liche Auslauf des »e«.

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Als frühe Renaissance-Antiqua legte Bembo den getal­te­ri­schen Grundstein für die inzwi­schen bekann­tere Garamond, die dreißig Jahre nach der Enstehung von Bembo den Buchsatz weiter revo­lu­tio­nierte. Unsere Font-Liste, mit heraus­ra­genden Schriften für den Buchsatz, die wir jedes Jahr während der Frankfurter Buchmesse aktua­li­sieren, enthält stets die Bembo Familie, die für uns bis heute zu den heraus­ra­genden Buchschriften gehört.

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Hilfreiche Links und Quellen:

Lesetypografie: Spitzenleistungen der Buchgestaltung aus mehreren Jahrhunderten, Regeln und Lektionen der Lesetypographie, zum Standartwerk verdichtet von Hans Peter Willberg und Friedrich Forssman. Fünfte, komplett über­ar­bei­tete und erwei­terte Auflage. 39,80 Euro

Die 100 besten Schriften aller Zeiten, Bembo

Wikipedia, die Entstehung der Bembo-Familie

 


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