Braucht die Welt einen »Made in Berlin«-Stempel?

Was soll man auf eine solche Frage anderes antworten, als: Natürlich nicht! Was braucht die Welt über­haupt? Sicher keinen Sack Reis, der in China umfällt. Viele 1000 Säcke Reis …unbe­dingt … zur Verfügung gestellt von wohl­ha­benden Erzeugern für rund 900 Millionen hungernde Menschen auf diesem Planeten.
  
Wenn das nur so leicht zu reali­sieren wäre, wie es ausge­spro­chen ist.

Bleiben wir beim Thema dieses Blogs, der visu­ellen Kommunikation. Gütesiegel, Herkunftsbezeichnungen, Testplaketten, Markenzeichen … es gab noch nie so viele davon wie heute. Zuletzt berich­tete ich hier im Blog unter anderem über den Blauen Engel, das neue Stiftung-Warentest-Abzeichen, das Bio-Logo der EU, das EU-Sicherheitslogo für Versandapotheken, ein Siegel für Bio-Mineralwasser, das HTML-5-Logo oder das neue Logo Stiftung Preußischer Kulturbesitz – selbst das deut­sche Ei hat seit wenigen Tagen ein Logo. Dazwischen ging es immer wieder mal um Standort-Werbung, für Cottbus, das Ruhrgebiet, die Region Stuttgart, Olympiabewerber und natür­lich Be Berlin.

Herkunftslogos verkleis­tern. Wenn das Image einer Stadt für Produkte oder Dienstleistungen positiv veran­kert ist, reicht ihr Name als Qualitätsmerkmal. Ein Start-up mit dem Ortsnamen San Francisco in der Adresse steht posi­tiver da als eines aus Hamburg. Einer Zeitschrift aus Hamburg unter­stellen Leser eine profes­sio­nel­lere Qualität als einer aus Dortmund. Dortmunder Bier muss besser schme­cken als Leipziger Bier. Aber Bücher aus Leipzig sind ordent­li­cher gesetzt und gedruckt als Bücher aus Düsseldorf. Das ist alles so wahr wie falsch … aber die mensch­liche Beurteilung basiert nun mal auf Urteil und Vorurteil.

Der Berliner ist dafür bekannt, das er vor Großmauligkeit kaum laufen kann. Seitdem die Spreemetropole wieder Hauptstadt ist, steht die Größenwahnsinnsampel auf grün, grüner geht’s nicht. Seit einigen Jahren lieben uns auch noch die Touristen …  Kunst, Design und Mode feiern sich pausenlos in Berlin … seit Montag sendet auch noch Thomas Gottschalk täglich live vom Gendarmenmarkt … wo soll das noch hinführen. Zu weniger Schulden? Die Stadt ist sexy, aber arm. Können Logos daran was ändern? Das lokale Weblog tech­berlin glaubt: Ja. Und so rief es im November 2011 zur Findung eines Made-In-Berlin-Badge auf, ein Abzeichen, mit dem sich Start-ups zukünftig schmü­cken sollen, nach dem Motto: Gemeinsam sind wir stark (und locken die kali­for­ni­schen Investoren in unsere Büros).

Das »offi­zi­elle« Made-in-Berlin-Signet, Platz 1 beim techberlin-Wettbewerb

Nun steht der Sieger fest (Abb. oben), gewählt von der Leserschaft, was nicht immer die beste Wahl garan­tiert. Mir gefällt Platz 3 viel besser (Abb. ganz oben), nicht nur weil er die Schrift FF Ernestine enthält und aus der Feder unserer Freundin Nadine Roßa stammt … das Signet bringt genau die Portion Ironie (und Sympathie) mit, die es für die Einführung und Akzeptanz eines solchen Siegels braucht. Misslingt das Experiment, war‘s wenigs­tens ein schöner Versuch – schön im Sinne von ästhetisch.


30 Kommentare

  1. Alfred

    1) MADE BERL !
    2) N !
    3) I ?
    4) MADEIN ?
    5) MADE BERLIN ?
    6) MADE IN BERLIN

    Das ist unge­fähr was ich beim ersten Anschauen des Gewinnerlogos gelesen habe.

  2. Vroni

    Platz 1 beim techberlin-Wettbewerb

    Tech …
    dann ist mir klar, warum das auf Platz 1 ist.
    Wer war in der Jury?

  3. Mick

    be Berl !n

  4. Ben

    Wow. Dachte erst, das oberste Logo/Wappen/Stempel ist der Gewinner, und dachte: »Wow, da beweist sich gutes Design.« Aber als ich dann den Artikel laß und das untere Bild sah, wurde ich wieder mit der Realität konfron­tiert. Das oberste Design ist oberste Liga ;-) und gefällt mir auf Anhieb. Zudem ist es frei von Verläufen und Effekten und somit zeitlos. Naja und die Typo ist sowieso super-chic :-)

  5. philipp

    so oder so: MADE IN SPECK… ums mal deutsch zu sagen!

  6. gegra

    Waren da wirk­lich nur 19 Vorschläge einge­reicht, ich denke die Stadt ist voller Designerinnen und Designer.

  7. Kurt

    Die von Vroni ange­deu­tete Freunderlwirtschaft (oder viel­leicht hat sie ja auch nur Dilettantismus gemeint?!) werden wir auch künftig nicht verhin­dern können. Aber: Um auf die Frage „Braucht die Welt einen »Made in Berlin«-Stempel?“ zurück­zu­kommen, habe ich nur folgende Antwort anzu­bieten: Nein, braucht sie nicht, weil solcher zur Idee der allge­meinen regio­nalen Qualitätsbezeugung animiert, die das zuvor in England als Denunziation entstan­dene und heute als Zeichen für gute Qualität bekannte Gütesiegel inflationierte!

  8. de_signer

    Berlin braucht Jobs und kein PR gedöns hinter dem nix steckt.

    Was bringt ein Logo wenn jeden Tag die Autos brennen, Menschen keine Arbeit haben oder prekäre Arbeitsverhältnisse haben, die Berliner Verarmen und Mieten höher steigen als das Einkommen?
    Ich finde das Brandenburger Tor vom Erik reicht völlig aus.

  9. Ich bin nicht englisch!

    Was mich am meisten stört, ist, dass ihr zuneh­mend zu Engländern werdet!

  10. Karl Rosenfeld

    Am auffäl­ligsten wäre wohl das blaue Badge gewesen; nur den Satz hätte man ändern müssen.

  11. andi kissel

    also, ich find’ stempel toll. ich könnte den ganzen lieben langen tag stem­peln. und wenn man mich erwischt kann ich richtig stem­peln gehen ;-)

  12. Marco

    Mmm, Platz 2 erin­nert irgendwie an das DFB-Logo (das mit dem Adler).
    Platz 1 ist weder Logo und schon gar kein Stempel.
    Platz 3 hat Potential.

    …aller­dings braucht wohl niemand das „Ding“!

  13. carlos

    Dieses Berlingedöns wird immer pein­li­cher. Anders kann man es leider nicht sagen.

  14. thomas junold

    so ein blöd­sinn! als wenn es woan­ders keine guten ideen geben würde. aber gut, jedem tier­chen sein spiel­zeug und dem berliner gründer/künstler/wasweissich eben seinen »made in berlin«-stempelchen. wenn’s das braucht um eine arbeit beson­ders zu machen.

  15. Peter

    Huch.

    Platz 3: Hübsch, Platz 2: hm okay, Platz 1: Was zum… ?

  16. robertmichael

    erin­nert mich von der idee her an die ‚made on a mac‘ badges — fand ich damals schon affig. sowas inter­es­siert doch keinen außer­halb von berlin, oder?

  17. Jürgen Siebert

    Nicht gleich persön­lich nehmen, Thomas Junold. Wenn eine Biermarke von sich behauptet, dass sie eine »Perle der Natur« sei, heißt das nicht auto­ma­tisch, dass alle anderen Biere unna­tür­lich und keine guten Biere seien. Wenn sich trotzdem ein Wettbewerber angepi… fühlt, dann wahr­schein­lich, weil er selbst es versäumt hat, einen solchen Claim für sein Produkt in die Welt zu setzen (oder aber keine alter­na­tive Idee dazu hat).
    Außer Frage steht, dass jeder Verbraucher solche Claims kritisch beleuchten darf und dies auch tun wird … und wenn es dann nicht zum Produkt passt, oder arro­gant wirkt … ist’s ein Rohrkrepierer.

  18. Anderer Jürgen

    Ich bin über­rascht dass der zweite Platz hier soviel Zustimmung erfährt! Ich frage mich wie dieses, doch recht opulente Zeichen als Siegel funk­tio­nieren soll ohne dabei den Kontext, also die ausge­zeich­nete Sache optisch völlig nieder­zu­bü­geln. Eine Verkleinerung auf ein schmerz­loses Maß verbietet sich aufgrund der Typo und allg. Komplexität, in ordent­li­cher Lesegröße muss der Zufall schon seinen Teil zu beitragen das am Ende nicht eine Art Weihnachtsbaumprodukt heraus­kommt. Man erin­nere sich im Gegensatz dazu an die meist versteckte und immer unauf­fäl­lige „Made in Germany“ Kennung auf allem mögli­chen Produkten unseres tägli­chen Bedarfs.
    Die Schlagrichtung dieses Siegels ist eindeutig: Hier wird die Herkunft wich­tiger als das Produkt, Hauptsache es kommt aus Berlin, egal was drin steckt. Als Nicht-Berliner wirkt das auf mich nicht wirk­lich positiv, was aber viel­leicht auch im Grundsätzlichen begründet liegt (Warum ist das über­haupt nötig und warum ist es auf englisch? Zeugt alles nicht gerade von Selbstvertrauen – das, wenn die Qualität der Produkte gegeben wäre, ja eigent­lich da sein sollte).

  19. Suzu Pahlke

    Sagt hier niemand auch mal was Positives über Berlin? Das ist ja auch nicht fair – deshalb hier eine Gegenrede ;-) aus Frankfurt am Main:

    „Braucht die Welt einen ‚Made in Berlin‘-Stempel“…? Aber unbedingt!
    „Der Berliner kann von Großmäuligkeit kaum laufen…“? Das sehen wir ihm nach!

    Vor zwei Monaten war ich zum ersten mal seit 25 Jahren wieder in Berlin. Ohne pathe­tisch werden zu wollen: ich gehöre zu der Generation, der es etwas bedeutet, über die im Straßenbelag einge­legten Pflastersteine zu laufen, die den ehema­ligen Mauerverlauf markieren. Meine persön­liche Empfindung: Berlin hat sich durch­ge­kämpft. Der Hauch der Geschichte weht einen an. Im Regierungsviertel weht es seelenlos. Im Osten weht es selt­sa­mer­weise wärmer. Ich fand Berlin unor­ga­ni­siert, funk­tio­niert hat aber trotzdem alles irgendwie – oder gerade darum. Wahrscheinlich, weil aus den zwischen­zeit­lich zwei Teilen doch noch nicht wieder einer geworden ist. Vielleicht deshalb unre­gierbar und daher die ganzen Schulden. Vielleicht auch alles schon ein biss­chen russisch, irgendwie. Berlin – ein Dorf in der Tundra, wie Cees Nooteboom in seinem wunder­vollen Berlin-Roman bemerkt hat. Eine Stadt im Werden, also in Bewegung. Natürlich ist hier die dazu­ge­hö­rige Kunst-und-Kultur-Szene ansässig. Und kämpft sich durch, wie viele Berliner. Das fand ich alles beein­dru­ckend. Und hinter zur Schau getra­gener Großspurigkeit verbirgt sich ja manchmal gerade ein unsi­cherer, sensi­bler Charakter. Das berührt eher, als dass es abstößt, zumin­dest in Berlin.

    Also: jenseits der Frage, ob Berlin einen Stempel braucht oder nicht, finde ich: verdient hätte es sich einen.
    (Wenn auch nicht den Entwurf Nr. 1).

  20. Axel Porsch

    Hmmm, es handelte sich mitnichten um einen Wettbewerb zur Gestaltung eines Stempels (da wäre das viel­far­bige Motiv eh schon durch­ge­fallen) sondern ein „badge“ sollte kreiert werden – also Aufkleber, Plakette, Dienstmarke etc.

    Im übrigen, dies ist so unnötig wie ein Kropf. Seitdem mich das „be Berlin“ Logo auf den Schreiben vom PolPräs Bln anschrie, empfinde ich solch gequälte Eigenwerbung als ober­pein­lich und überflüssig.

  21. thomas junold

    ich nehme das nur bedingt persön­lich jürgen. ;)
    es ist aus meiner sicht einfach völlig über­flüssig einer idee durch einen solchen stempel erst aufzu­drü­cken, dass sie gut ist.

    ein produkt wird nicht glaub­hafter, weil ein claim drauf steht, sondern weil es von sich aus gut ist, oder?
    claims dienen doch nur dazu die werbung dafür etwas knackiger zu gestalten und erinnerungsfähiger.

  22. Vroni

    claims dienen doch nur dazu die werbung dafür etwas knackiger zu gestalten und erinnerungsfähiger.

    So sollte es sein.
    In der Praxis ist es häufig nicht so. Da wird „paint a pig with a lipstick“ gemacht.
    Der Claim der Werbeagentur als Positionierer (und zwar oft als der einzige in der Kommunikation), als der Zurechtbieger und „Produktverbesserer“.

    Ach, es ist …

  23. anderer tom

    Als T-Shirt ist es witzig – auch wenn es nur wenige tragen können. :-)

  24. R::bert

    … aber mussten »Stempel« bisher nicht immer einfarbig funk­tio­nieren. Auch wenn er auch nicht gerade mein Favorit ist – eines muss man dem Siegerentwurf lassen – er ist für einen Stempel konzi­piert … viel­leicht deshalb gewonnen?

  25. Simon Wehr

    Bei »made in Germany« reicht es, wenn die letzten fünf Schrauben kurz hinter dem Grenzübergang rein­ge­schraubt wurden, und es ist in Deutschland herge­stellt. Wie sieht das bei »in Balin jemacht« aus?

    @Suzu Pahlke: Hach, das schreibst Du aber schön! Ich kenne Berlin auch nur als Tourist / Besucher, aber empfinde es ähnlich.

  26. O. Karin

    Da haben wir`s wieder, das große Problem zwischen dem Slogan und dem Claim:

    Claim ist englisch und heißt ins Deutsche übersetzt soviel wie “Forderung”: To make a claim for something, eine Forderung für etwas geltend machen; to lay claim to sth., etwas beanspruchen;

    Interessanter aber dürfte Folgendes sein: To stake one’s claim, sein Anrecht geltend machen. Das kommt aus der Zeit, als der große Goldrausch in Amerika einsetzte und jedem Goldsucher ein Stück Land zugesprochen wurde, auf dem er schürfen durfte. Damals sagte man (ins Deutsche übersetzt) auch: Sein(en) Claim abstecken, sein Stück Land also oder besser noch, sein Gebiet abstecken oder eben beanspruchen, fordern.

    Und in der Werbung? Hier ist ein Claim nicht dem Slogan gleichzusetzen! Im Gegenteil: Ein C. kann im Slogan integriert sein, wenn es nach der Definition des Werbetexters “Uwe Neumann” aus Hamburg, der hunderte Schüler ausgebildet hat, geht. Diese Definition besagt, dass ein C. ein groß herauszustellender Produktvorteil ist, wie man dem Slogan eines Herrn K. Egger aus Kärnten für einen FIAT-Händler entnehmen kann, der da lautet: “Hat Platz. Spart Geld. Panda.” – Hier wären gleich zwei Vorteile herausgestellt: Ein kleines Auto, das Platz hat und bietet und mit dem man auch noch sparen kann. Ein Claim muss aber nicht dem Slogan inhärent sein, er kann auch im Body verarbeitet sein!

  27. Walther

    Karin, das ist aller­dings richtig und auch zu empfehlen, dass man es so lehrt. Ein geiler Panda-Slogan inklu­sive Claims übrigens!

  28. ber

    Von dem vor einigen Jahren gestar­teten Verein Create Berlin ist auch nur noch ein „Netzwerk“ übrig geblieben um das es recht still geworden ist. Und auch die häss­li­chen MiB Sticker werden die vorhan­denen Probleme der Berliner Kreativ-Ökonomie nicht beheben.

    Davon abge­sehen bin ich kein Fan davon den Namen Berlin zu benutzen, um ein Produkt oder eine Firma mit etwas „Hipness“ (oder was auch immer mit Berlin verbunden wird) aufzu­laden. Qualität sollte auch ohne solche Mätzchen deut­lich werden.

    Ansonsten Dank an Suzu für die lieben Worte – so isset!

  29. Dufte Berliner Produkte

    Die Welt braucht auf jeden Fall einen Made in Berlin Stempel. Im Design und der Warenproduktion stehen die hier ansäs­sigen (um die 2000) Designer GEGEN den Trend, immer mehr minder­wer­tige Waren aus China oder Indien zu impor­tieren. Aus der Hauptstadt kommen wenigs­tens noch hoch­wer­tige und indi­vi­du­elle Dinge :)

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