Berlin bekommt »Internet-Uni«, powered by Google

Unabhängiges Forschungsinstitut für Internet und Gesellschaft startet mit vier Partnern, Google ist Initiator und erster Geldgeber

Eric Schmidt, Executive Chairman von Google, hatte es Anfang des Jahres ange­kün­digt, nun wird es Wirklichkeit: Gemeinsam mit führenden Universitäten und Forschungseinrichtungen initi­iert Google ein unab­hän­giges Forschungszentrum für Internet und Gesellschaft in Berlin. Ich war heute morgen auf der Pressekonferenz zur Gründung des Instituts, dessen Forschungsergebnisse auch für die Kreativbranche von großem Interesse sind, zumal der Mitbegründer von Jovoto zu den Vätern des neuen Instituts gehört und mit auf dem Podium saß.

Die Humboldt-Universität zu Berlin (HU), die Universität der Künste Berlin (UdK) sowie das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) werden bis Herbst 2011 gemeinsam das Institut für Internet und Gesellschaft in Berlin gründen. Dies gaben die Präsidenten der drei Berliner Hochschulen, Prof. Jan-Hendrik Olbertz, Prof. Martin Rennert und Prof. Jutta Allmendinger, heute auf einer Pressekonferenz in Berlin bekannt. Das neue Institut wird von Google mitfi­nan­ziert (1,5 Mio pro Jahr, begrenzt auf 3 Jahre), ist aber in seiner wissen­schaft­li­chen Arbeit und Organisation autonom. Ziel des Instituts für Internet und Gesellschaft ist es, die vom Internet ausge­lösten und verstärkten Veränderungen der Gesellschaft besser zu verstehen und allen Gruppen die Mitgestaltung der digi­talen vernetzten Zukunft zu ermöglichen.

Das Gründungsteam des Instituts für Internet und Gesellschaft, von l. nach r.: Dr. Max Senges (Google), Prof. Thomas Schildhauer (UdK), Dr. Jeanette Hofmann (WZB), Dr. Wolfgang Schulz (HBI), Prof. Ingolf Pernice (HU) und Ahmet Emre Acar (Ansprechpartner des Instituts)

Der Präsident der Universität der Künste Prof. Martin Rennert betonte die Bedeutung der Gestaltung für ein solches inter­dis­zi­pli­näres Instituts. »Die viel­fäl­tigen Fragestellungen – recht­liche, ethi­sche, wirt­schaft­liche, aber auch poli­ti­sche –, welche uns durch neue Kommunikationstechniken auf den Tisch gekommen sind, müssen auch von Seiten einer Universität bear­beitet werden, die sich in all ihren Fächern der nuan­cier­testen Kommunikation durch Künste und Gestaltung widmet. Es gibt in der UdK Berlin keinen Studiengang, in welchem entspre­chende Fragen nicht zum tägli­chen Brot gehören.« Die Einflüsse des Internets wirkten sich nicht nur stark auf die visu­elle Kommunikation aus, sondern würden auch entschei­dend von der Gestaltung mitgeformt.

Ebenfalls inter­es­sant für Designer: Prof. Thomas Schildhauer, Mitbegründer der Crowdsourcing-Plattform Jovoto, gehört eben­falls zum Gründungsteam des neuen Instituts. Der Informatiker, Marketingexperte und Internet Forscher grün­dete 1999 und leitet seitdem als Direktor das größte An-Instituts der UdK, das Institute of Electronic Business (IEB). Sein Lieblingsthema sind die Schwarmintelligenz und inter­net­ba­sierte Geschäftsmodelle. Auf der Pressekonferenz betonte er, dass das neue Institut als zentrale Anlaufstelle zur Beobachtung, Analyse und Bewertung inter­net­ba­sierter Innovationen diene. »Insbesondere die Rolle des Nutzers im Innovationsprozess soll unter­sucht werden.«

Großen Wert werde in der neuen Forschungseinrichtung auf den Dialog zwischen Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft gelegt. Dabei ermög­liche die Expertise der Direktoren in den Themengebieten eine auf die Menschen fokus­sierte Untersuchung der Wechselwirkungen von Internet und Gesellschaft. Um die Unabhängigkeit des Instituts sicher zu stellen, exis­tieren von Anfang an zwei Gesellschaften: Eine Fördergesellschaft gewähr­leistet die Finanzierung des Instituts; das unab­hän­gige Institut als Forschungsgesellschaft bestimmt die Inhalte und Ziele. Ein wissen­schaft­li­cher Beirat wird die Forschungsarbeit des Instituts kritisch begleiten.

Das neue Institut soll als An-Institut der Humboldt-Universität gegründet und in den Räumen der dortigen Juristischen Fakultät unter­ge­bracht werden. Die offi­zi­elle Eröffnung des Instituts für Internet und Gesellschaft ist für Ende Oktober 2011 geplant. Zum Start der Forschungsarbeit werden die Gründungspartner zu einem inter­na­tio­nalen Symposium nach Berlin einladen.


5 Kommentare

  1. Jens Tenhaeff

    Klingt span­nend, obwohl ich nicht sicher bin, wie „unab­hängig“ und „Google“ zusammen in einen Satz passen, ohne dass sofort jeder Ironie-Indikator durchbrennt.

  2. Jürgen Siebert

    Die Direktoren der drei Hochschulen haben glaub­haft versi­chert, dass sie sich nicht in die Forschungsthemen rein­reden lassen werden – von keinem der indus­tri­ellen Unterstützer (es sollen ja noch andere dazu­kommen). Die Ergebnisse der Forschung werden jeder­mann zugäng­lich sein.

  3. Hannes

    Die Unabhängigkeit ist zunächst einmal einge­schränkt, da kein expli­ziter Fond dafür einge­richtet wurde, der auf dann unab­hängig von Google operiert. Wenn Google Forschungs unter­stützen möchte, exis­tieren zudem eine Vielzahl anderer Möglichkeiten.
    Ein Institute, dass eng auch mit anderen Instituten verban­delt ist, wird durch konkrete Projekte und wirt­schaft­liche Interessen beein­flusst werden. Ganz konkret bspw. das im Video auf der Website ange­spro­chene Unternehmen Jovoto. Warum keine Ausrufung von Forschungsprojekten, die Google „nur“ fördert?

    Forschungsauftragsabreit ist auf der anderen Seite bereits etabiert, aller­dings sind die ange­spro­chenen Themen Felder gerade auch dieje­nigen, in denen Google bereits häufig kriti­siert wurde. Die Unternehmensinteressen von Google in Sachen Datenschutz, Transparenz im SEM oder auch Aspekte der Unternehmensinteressen im Umgang werb­li­chen perso­nen­be­zo­genen Daten lässt die Glaubwürdigkeit, gerade diese Aspekte neutral zu erfor­schen, in Frage stellen. Bisher zeigt sich Google in vielen Fragen ja nicht gerade als kooperativ.
    Es zeigt sich teil­weise auch in der Auswahl von Institutesgründern. Hier wurden nicht unbe­dingt die bereits etablierten WIssenschaftler inte­griert. Der Standpunkt Berlin unter­stützt zudem die Nähe zum Google-Publicy-Team. 

    Für mich hat es daher einen ähnli­chen Beigeschmack, wie wenn die Pharmaindustrie ein Institue für Artenvielfalt und Tierschutz gründet. Völlig unab­hängig natürlich.
    Die gute alte HU scheint sich hierfür nicht zu schade zu sein. Mal gespannt, was dort für Doktorarbeiten geschrieben werden.

  4. Jens Tenhaeff

    Die Direktoren (…) haben glaub­haft versi­chert, dass sie sich nicht in die Forschungsthemen rein­reden lassen werden

    Oh, davon bin ich über­zeugt. Was aller­dings die Auswertung der Forschungsergebnisse angeht … nun ja, lassen wir uns mal überraschen.

    Grundsätzlich glaube ich, dass sich keine Organisation „unab­hängig“ nennen kann, sobald sie einen Geldgeber mit Eigeninteressen hat.

  5. Florian Pfeffer

    Man sollte einer privat finan­zierten Forschung in Deutschland nicht so grund­sätz­lich negativ gegen­über stehen. Auch öffent­lich finan­zierte Forschung folgt Interessen. Es geht nicht so sehr darum, keine Interessen zu haben, sondern sie trans­pa­rent zu machen.

    Es gibt aller­dings auch einen Grund, warum dieses Institut ausge­rechnet in Deutschland steht: Deutschland ist für Google ein ebenso wich­tiger wie kriti­scher Markt. In kaum einem anderen Land machen Datenschützer Google das Leben schwerer. In kaum einem anderen Land gibt es mehr Menschen, die auf Streetview ihr Haus unkennt­lich machen lassen. Wird Google die Forschung des Institutes auch dann noch weiter finan­zieren, wenn die Ergebnisse die kriti­sche Haltung (beispiels­weise im Medienrecht) noch weiter verschärfen?

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