Arte Thema: Geplante Obsoleszenz

In der Feuerwache von Livermore, Kalifornien, brennt seit 109 Jahren eine Glühbirne. Sie stammt aus einer Zeit, als die Industrie noch nicht mit der geplanten Verkürzung der Lebensdauer ihrer Produkte spielte. Das änderte sich an Weihnachten 1924, als in einem Genfer Hinterzimmer die Vertreter großer Leuchtmittel-Hersteller tagten, um einen geheimen Plan auszu­he­cken. Sie grün­deten unter dem Namen Phoebus ein welt­weites Kartell, das sich darauf einigte, die maxi­male Brenndauer einer Glühlampe auf 1000 Stunden unter Laborbedingungen zu begrenzen. Damit wurde die Glühbirne das erste Opfer der geplanten Obsoleszenz. Zitat aus einer Werbezeitschrift von 1928: »Ein Artikel, der sich nicht abnutzt, ist eine Tragödie fürs Geschäft«. Noch heute planen Weltunternehmen ihre Produkte – sei es Hard- oder Software – mit einge­bauter Abnutzung.

Die Arte-Dokumentation »Kaufen für die Müllhalde« (Arte-Link) erzählt die Geschichte der geplanten Obsoleszenz. Drei Jahre dauerten die Recherchen, die mit dem Phoebus-Kartell beginnen. Als Beispiel für die verhee­rende Umweltfolgen zeigt die Dokumentation die riesigen Elektroschrottdeponien im Umkreis der ghanai­schen Hauptstadt Accra. Neben ihrem scho­nungs­losen Blick auf die Wegwerfgesellschaft stellt Filmemacherin Cosima Dannoritzer auch neue Lösungen von Unternehmern vor, die alter­na­tive Produktionsweisen entwi­ckeln. Experten mahnen an, die Technik möge sich auf ihre ursprüng­liche Aufgabe zurück­be­sinnen, die dauer­hafte Erleichterung des Alltags ohne gleich­zei­tige Verwüstung des Planeten.

Vielen Dank an Robert für den Tipp.


10 Kommentare

  1. Johannes

    Hat denn Cosima Dannoritzer der unent­gelt­li­chen Nutzung ihrer krea­tiven Leistung zuge­stimmt? Sollte nicht ein Blog, in dem es (auch) um Design, Kunst und ähnli­ches geht, ganz beson­ders darauf achten? Wir, zu denen ich jetzt auch mal fix Filmemacherinnen zähle, leben immerhin von der Einräumung von Nutzungsrechten an unseren Ideen und Realisierungen.

  2. Florian Pfeffer

    leider kann ich den arte beitrag nicht sehen bzw. hören, weil bei meinem rechner schon seit wochen das audio nicht mehr funk­tio­niert (obso­les­zenz?).

    die 109 jahre alte glüh­birne müsste wahr­schein­lich dennoch ausge­tauscht werden, weil sie mehr wärme abgibt als licht abstrahlt und ihr weiterer betrieb umwelt­schäd­li­cher ist als ihr austausch. und das führt zu der grund­sätz­li­chen frage­stel­lung, die ein richtig kniff­liges design-problem ist:

    viele produkte verfallen heute nicht mehr, weil sie kaputt gehen, sondern weil sie durch andere inno­va­tionen ersetzt werden. diese inno­va­ti­ons­zy­klen sind so schnell geworden, dass eine einge­baute, tech­nisch gesteu­erte „obso­les­zenz“ aus der sicht des gewinn­ori­en­tierten produ­zenten mögli­cher­weise gar nicht nötig ist …

    den elek­tro­schrott in gahna würde es leider auch geben, wenn all diese rechner tech­nisch länger leben könnten. sie wären heute einfach zu langsam und zu klein. 

    hinzu kommt, dass sich die meisten menschen nicht ein neues iphone zulegen, weil das alte kaputt ist, sondern weil es ein neues gibt. die obso­les­zenz ist also in unseren köpfen ebenso einge­baut wie in den produkten. und manchmal macht sie sogar richtig sinn (s. 109 jahre alte glühbirne).

    neue verfahren müssten demnach nur bedingt auf längere halt­bar­keit zielen, sondern viel stärker auf eine bessere besei­ti­gung des obso­leten produkts. ausserdem müssten unter­nehmen viel mehr in daten­er­he­bung und forschung im bereich von lebens­zy­klus-analysen inves­tieren und ihre ergeb­nisse mitein­ander teilen.

    hierauf antworten zu finden, die es sich nicht so einfach machen, ledig­lich die indus­trie zu schelten, sondern echte lösungen für die menschen in accra zu bieten, wäre eine tolle aufgabe für produkt- und kommunikationsdesigner.

  3. R::bert

    hierauf antworten zu finden, die es sich nicht so einfach machen, ledig­lich die indus­trie zu schelten, sondern echte lösungen für die menschen in accra zu bieten, wäre eine tolle aufgabe für produkt- und kommunikationsdesigner

    Beim genaueren Hinsehen, erkennt man, dass es dafür ja schon ein paar viel verspre­chende Ansätze zu geben scheint. Wie zum Beispiel das Konzept »Cradle-to-Cradle« von Michael Braungart.

  4. Jürgen Siebert

    @Johannes. Danke für den Hinweis. Ich hatte den Link nicht sorg­fältig genug geprüfte, dachte es sei ein offi­zi­eller arte-Kanal. Link ist jetzt berichtigt.

  5. Sam Anvari

    This reminds me of Garry Kasparov’s speech in which he believed the last revo­lu­tio­nary tech­no­logy was the Apple II. He says: “We are surrounded by gadgets and compu­ters like never before. They are better each time; a little faster, a little shinier, a little thinner. But it is deri­va­tive, incre­mental, profit margin-forced, consumer-friendly tech­no­logy — not the kind that pushes the whole world forward economically.”

    read more here –> http://​tinyurl​.com/​2​b​b​y​gry

  6. Stephan

    Aus Sicht der Produzenten ist ein frühes aus eine Möglichkeit mit neuen Produkten oder Supportleistungen weiter Geld zu verdienen. Aus Sicht der Endkunden ist ein früheres aus eine Möglichkeit moder­nere, Ressourcen scho­nen­dere Technologien zu erwerben.

    Die Frage die sich auch stellt ist: Hätte es moderne Technologie in ebenso kurzen Zeitintervallen gegeben?

    In einem Fernsehinterview sagte einmal ein Sprecher von Philips, das es durchaus möglich wäre einen Fernseher mit einer Lebensdauer von 60 Jahren zu bauen. Durch die Verwendung edler Werkstoffe wäre das kein Problem, würde aber den Preis enorm in die Höhe treiben. Da wir Verbraucher (der Name ist Programm) aber möglichst moderne Fernsehgeräte verlangen, welche sich nahtlos in das Wohnzimmerdesign einfügen, muss der Kaufpreis gering sein. Dieses ist durch Verwendung nicht so lang­le­biger Werkstoffe möglich.

    Das aller­dings bisher völlig sinn­frei wert­volle Ressourcen auf der Mülldeponie landen ist ein Makel der uns allen bis heute anhaftet.

    Eigentlich ist ja auch nicht die geringe Langlebigkeit von Produkten das Problem, sondern der nicht geschlos­sene Kreislauf der einge­setzten Ressourcen.

  7. Cosima Dannoritzer

    Vielen Dank für die vielen Kommentare. Mehr Infos über die Doku (Festivals, Drehfotos, Kontakt mit dem Team) auf unserer Facebook-Seite:
    face​book​.com/​K​a​u​f​e​n​f​u​e​r​d​i​e​M​u​e​l​l​h​a​lde
    Oder auf der engli­schen Seite des Films (dort steht auch der Trailer):
    http://​www​.face​book​.com/​T​h​e​L​i​g​h​t​B​u​l​b​C​o​n​s​p​i​r​acy

  8. Erik

    Mann kann’s auch selber machen, mit ein biss­chen Interesse und Schraubenzieher: Heute hab ich selber mein flat­screen TV repa­riert. Apfelsaft auf die Tastatur, TV auf Schwarz. Also Machine geöffnet, vorsichtig die Tastatur raus genommen, Schalter sauber gemacht. Alles wieder einge­baut und funk­tio­niert. Letzte Monat: 20 Jahr alte „design“ Bürolampe stürtzt ab, Ersatz Teilchen bestellt, selbst repariert.
    Gute Produkten sind so gestaltet und gebaut das man sie repa­rieren kann (und darf).

  9. spookey

    Habe den Film auch gesehen und war sehr beein­druckt. Das mit den 1000 Stunden scheint zu stimmen, bei mir sind im Treppenhaus inner­halb von einem Monat alle Glühbirnen ausge­fallen.. Komischer Zufall, oder doch beabsichtigt?
    Sehr schön fand ich das Detail, dass die Glühbirne in der Feuerwache schon mehrere Webcams über­lebt hat.
    Das Problem mit dem Elekroschrott geht ja immer weiter, Glühbirnen sind die eine Sache, bloß wohin mit Energiesparlampen? Keiner weiß wo die entsorgt werden können, also landen sie doch wieder im Hausmüll.
    Es müsste sich die Denkweise der im Film erwähnten DDR Ingenieure massiv durch­setzen, die lang­le­bige Glühbirnen entwi­ckelt haben nach dem Motto – Nein, wir wollen uns nicht arbeitslos machen, da die Rohstoffe ja begrenzt sind…

  10. Matthias

    Diese Sendung war längst über­fällig. Daß dieses Thema keinen brei­teren Raum in den Medien einnimmt, wundert mich nicht, denn geplante Obsoleszenz ist selbst­ver­ständ­li­cher Bestandteil dieses Systems. Wer, wie ich, täglich aus beruf­li­chen Gründen in die Menschen hinein­sieht und selbst hier nicht aufge­wachsen ist, diagnos­ti­ziert in der west­li­chen Kultur eine zivi­li­sa­tions- und wohl­stands­ge­schä­digte hedo­nis­ti­sche Gesellschaft mit erheb­li­cher Realitätsferne. Nur hier kann man es sich leisten, mit Produkten mensch­li­cher Arbeit (die ja auch nur noch teil­weise einen Zweck erfüllen, aber vor allem der Umverteilung von Geld dienen) so lieblos umzu­gehen. Das das nicht so bleiben wird, kann sich jeder denken.

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