50 Jahre »Interaction of Color«, jetzt digital

Der in Bottrop gebo­rene Maler Josef Albers (1888 – 1976) gilt bis heute als der einfluss­reichste Analytiker der Farbe. In seinem Grundlagenwerk »Interaction of Color – Grundlegung einer Didaktik des Sehens« formu­liert er 1963 seine Überlegungen zur Wirkung von Farbe und ihrer visu­ellen Wahrnehmung. Das Buch ist eine Anleitung zum produk­tiven Sehen, und gehört noch heute zum Basiswissen für alle, die sich mit visu­eller Kommunikation beschäf­tigen. Nun ist es als inter­ak­tive App fürs iPad erschienen.

Nach dem Studium an der Königlichen Kunstschule in Berlin sowie der Kunstgewerbeschule in Essen studierte Josef Albers an der Akademie der Bildenden Künste in Berlin und bei Franz von Stuck an der Kunstakademie in München. 1920 schloss er sich dem Bauhaus in Weimar an, wurde dort Baumeister und 1930 stell­ver­tre­tender Direktor. 1932 hatte er seine erste Einzelausstellung. Als im Jahre 1933 das Bauhaus von den Nazis geschlossen wurde, verließ Albers mit seiner Frau Anni, geb. Fleischmann, Deutschland und emigrierte in die USA.

Hier erhielt er einen Ruf an das Black Mountain College in North Carolina, an dem er von 1933 bis 1949 tätig war. Die ameri­ka­ni­sche Staatsbürgerschaft nahm er 1939 an. Zu seinen bedeu­tendsten Schülern zählen John Cage, Robert Rauschenberg, Donald Judd, Kenneth Noland und Merce Cunningham. Von 1950 bis 1959 stand er dem Art Department der Yale-Universität vor, wo er unter anderem Eva Hesse, Richard Serra, Richard Anuszkiewicz und Julian Stanczak unter­rich­tete. 1953 kehrte Albers nach Deutschland als Gastdozent der Hochschule für Gestaltung in Ulm zurück.

Albers expe­ri­men­tierte mit der Wirkung von Farben, Formen, Linien und Flächen zuein­ander, sowie mit der Subjektivität der opti­schen Wahrnehmung (»Nur der Schein trügt nicht«). Mit seinen Zeichnungen auf der Grundlage von opti­schen Täuschungen gehört er neben Victor Vasarely zu den Begründern der Op-Art. Albers hat seine Farben nie gemischt, sondern direkt indus­triell herge­stellten Töne aufge­tragen, deren Artikel-Nummern auf der Rückseite der Bilder vermerkte waren. Dadurch wurde ersicht­lich, dass ein und dieselbe Farbe je nach Umgebung völlig unter­schied­lich auf den Betrachter wirkt.

Sein 1963 erschie­nenes Buch »Interaction of Color« ist kein System und keine Harmonielehre der Farbe. Es schult mittels Übungen unseren Blick, die Variabilität und Relativität des Sehens gegen­über dem Gesehenen wahr­zu­nehmen. Es werden keine Gesetze oder Regeln von Farbharmonien mecha­nisch ange­wendet. Ziel der Übungen ist, einen bestimmten Farbeffekt durch Ausprobieren zu erzeugen. Die voll­stän­dige Ausgabe der »Interaction of Color« wog 10 kg, kostete 200 Dollar und umfaßte 150 große Farbtafeln.

Die gerade erschie­nene iPad-App mit allen Inhalten des Buchs (App Store Link) enthält als Bonusmaterial Video-Interviews mit führenden Designern, Archivmaterial von und mit Josef Albers, sowie völlige neue Paletten und inter­ak­tive Tools. Der kosten­lose Download beinhaltet das 10. Kapitel, dessen Features unein­ge­schränkt auspro­biert werden können. Das gesamte Buch wird als In-App-Purchase für nur 8,99 € freigeschaltet.

(Abb: © Yale University Press)


4 Kommentare

  1. Ralph Lindner

    Hätte ich gerne, aber deswegen kauf ich mir kein iPad. Unglaublich, dass es davon keine Android-Version gibt.

  2. Jürgen Siebert

    Nicht aufregen, Ralph: Vielleicht arbeitet schon jemand daran. Das Buch ist auch gedruckt erhält­lich. Sonderausgabe zum 50. Geburtstag, nur 13,20 €. Oder die volle Dröhnung, Farbtafeln im Schuber, für 187,50 €.

  3. Andreas Kroll

    Hallo Jürgen, passt zwar nicht zum Thema aber: schreib doch mal was zum neuen Yahoo Logo…

  4. J.P.

    Auch ich habe kein iPad und bin daher gezwungen die Farbtafel-Variante zu kaufen. Yeah! Vielen Dank für den Hinweis.

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