3 Ecken = 1 Elfer … und 18 Fonts

Neu von Floodfonts: die Arpona-Schriftfamilie

Der kana­di­sche Autor Mal­colm Glad­well hat in seinem Best­seller ​„Tip­ping Point“ das Phä­nomen von Trends und sprung­haften Ver­än­de­rungen unter­sucht. Immer wieder gibt es in der Wirtschaft, in der Kultur, in den Medien oder im Sport einen Moment des Umkip­pens, ab dem die Dinge nicht mehr so sind wie sie mal waren. Vor dem Hintergrund der Coronakrise liegt nahe, dass auch die Pandemie einiges zum Umschwenken bringen wird, was wir jahr­zehn­te­lang als „normal“ ange­sehen haben.
Das Fußballmagazin 11Freunde ist der Ansicht, dass der Fußball, so wie wir ihn kennen, dem Untergang geweiht sei: „Die natio­nalen Ligen ver­öden, in der Cham­pions League gewinnen stets die glei­chen Klubs. Der moderne Fuß­ball rich­tete sich schon vor der Corona-Krise selbst zugrunde.“ Eine steile Analyse und man fragt sich neugierig: Was kommt danach? Wird die Fußballwelt entschlackt? Besinnt sie sich auf ihre Basics? Oder wird der Fußball – wie ein Großkonzern – zerschlagen? Vielleicht in eine World League, in natio­nale Spaßligen und eine Freude-auf-dem-Bolzplatz-Bewegung.
Der Pragmatismus des Straßenfußballs ist fast in Vergessenheit geraten: 3 Ecken sind 1 Elfmeter hieß es immer dann, wenn der Hof zu eng oder die Straße zu schmal für die Ausführung eines Eckstoßes waren. Heute wird in der Fußballwelt nicht mehr lösungs­ori­en­tiert und ideo­lo­gie­frei entschieden, sondern Fans und Verband beißen sich fest an Reglementierungen, Kollektivstrafen, Pyroverbote und dem Videobeweis … welche neuen Abgründe sich am Rande der Geisterspiele noch so auftun werden: Es wird dem Sport schaden.
Jetzt aber zum Schriftdesign, und zwar einem mit 3 Ecken, mit viel Pragmatismus und einer verblüf­fenden Inspirationsquelle. Der Kölner Schriftentwerfer Felix Branden (Floodfonts) hat eine neu Schriftfamilie heraus­ge­bracht, in der das Dreieck eine domi­nie­rende Rolle spielt, genauer: die Dreiecks-Serife.

Arpona ist inspi­riert von den in Stein gemei­ßelten Buchstaben der römi­schen Antiqua, lässt sich ansonsten aber nur schwer in Kategorien einor­denen. Sie ist weder eine klas­si­sche Serifenschrift noch eine Serifenlose, sondern viel­mehr eine Symbiose verschie­dener Designkonzepte. Aufgrund ihrer Plakativität eignet sich Arpona gut für Packaging (sehe Abbildung unten), Werbung und Editorial-Design, macht aber auch im Fließtext auf dem Bildschirm eine gute Figur.

 

Die Arpona-Familie besteht aus 18 Schnitten, von Thin bis Black, inklu­sive entspre­chender Kursiven. Jeder Schnitt umfasst 590 Glyphen, und unter­stützt alle west-, ost- und mittel­eu­ro­päi­schen Sprachen, darunter vier verschie­dene Zahlensätze und viele Währungszeichen.

Entwurfsprozess

Wie kaum eine anderer Schriftdesigner lässt sich Felix Branden gerne über die Schulter schauen … und er selbst beschreibt die Konzeption und Ausführung eines neuen Entwurfs am besten: „Bei allen meinen Schriftentwürfen beginne ich mit einer hand­ge­zeich­neten Skizze. Auch bei Arpona hatte ich eine grobe Idee im Kopf, aber noch keine Ahnung, wie die konkreten Buchstabenformen aussehen sollten. Freie, schnell gezeich­nete Ideenskizzen helfen mir, eine Form zu finden.“

Bei der Arbeit an Arpona war das Römisch-Germanische Museum in Köln für Braden eine wert­volle Inspirationsquelle. Dort gibt es unzäh­lige antike Steine mit römi­schen Inschriften. Ihn faszi­nierten beson­ders jene, die nicht „dem Ideal“ entspre­chen, bei denen man die verwen­deten Werkzeuge und Materialien erkennen kann. Stichwort: Pragmatismus und Tipping Point (siehe oben). Stein lässt sich nicht einfach bear­beiten, und Hammer und Meißel sind keine fili­granen Werkzeuge. Man muss Gewalt anwenden, um sie zu nutzen, und Fehler können nicht korri­giert werden. Diese archai­sche Vorgehensweise in das digi­tale Design von Arpona einfließen zu lassen ist das Besondere an der neuen Floodfont-Schrift.

Auch der Entwurfsprozess der ersten huma­nis­ti­schen Sans von Edward Johnston und Eric Gill für die Londoner U-Bahn war für Felix Branden eine Inspirationsquelle.

„Als sich aus meinen Ideen eine Richtung heraus kris­tal­li­sierte, begann ich zu testen, ob das Konzept als ganzes Alphabet oder sogar als komplette Familie trag­fägig ist. Auch hier ist für mich die hand­ge­zeich­nete Skizze der schnellste und effek­tivste Weg der Umsetzung. Erst als ich die Buchstaben im Text testen wollte, begann ich mit der Digitalisierung der ersten Glyphen. Als sich die Schriftart im Fließtext bewährt hatte, begann ich direkt mit der Planung als Familie: Die Master für das Interpolieren und die Anzahl und Gewichtung der Stile wurden fest­ge­legt. Dann habe ich die Buchstaben so lange digital über­ar­beitet und getestet, bis alle Zeichen harmo­nisch zuein­ander passten und ein klares und ruhiges Schriftbild ergaben.“

Weitere Informationen zur neuen Arpona-Familie gibt es auf dieser Microsite von Brandens Foundry Floodfonts.

Arpona ist auf Myfonts erhält­lich und in der Adobe Creative Cloud verfügbar. Bei MyFonts gibt es 70% Einführungsrabatt bis zum 19. 6. 2020 auf die ganze Familie.

Felix Braden

der Designer von Arpona, lebt in Köln. Er studierte Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Trier bei Prof. Andreas Hogan und arbei­tete unter Jens Gehlhaar bei Gaga Design. Er ist Mitbegründer von Glashaus Design, Art Director bei MWK und arbeitet als frei­be­ruf­li­cher Schriftgestalter. Im Jahr 2000 grün­dete er die Foundry Floodfonts und entwarf zahl­reiche Freefonts. Seine kommer­zi­ellen Schriften wurden von Monotype (FF Scuba), Fountain (Capri, Sadness, Grimoire), Ligature Inc. (Tuna), URW+ (Supernormale), Floodfonts (Pulpo, Kontiki) und Volcanotype (Bikini) veröf­fent­licht und sind über Adobe Fonts, Myfonts und Fontspring erhält­lich. FF Scuba ist einer der Gewinner des Communication Arts Typography Annual 2013, Kontiki wurde für den Deutschen Designpreis 2019 nominiert.


2 Kommentare

  1. Johnny

    Ja, der Font gefällt.

    Was anderes: Habe hier was über die FF Chartwell gesucht, was aber die Frage nicht gelöst hat, weil leider die Kommentarfunktion ausge­schaltet ist. Übel, kann ich da nur sagen!

    Deshalb die Frage hier an falscher Stelle: Müssen Bezifferungen händisch einge­bracht werden oder geht das auch über Opentype? Meine CS6 zeigt nämlich genau bei dieser Schriftart keinen Stylistic set 1 an.

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