Fontblog Artikel im November 2020

Aus der Werkstatt des Schweizer Schriftdesigns


Das soeben erschie­nene Buch Zurich Type Design* widmet sich dem Thema Leseschriften und stellt unter anderem 70 neue Schriftfamilien aus den Type-Design-Kursen der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) vor. Deren Fokus liegt auf der Funktionalität in den Bereichen Print, Bildschirm und Signalisation. 17 diszi­plin­über­grei­fende Essays zu Lesbarkeit, Schriftgeschichte, dem Unterrichten von Schriftgestaltung und Kalligrafie reflek­tieren aktu­elle Aspekte des Schweizer Schriftschaffens. Unter den Beiträgen findet sich das einzige ausführ­liche Gespräch mit Walter Haettenschweiler, einem der wich­tigsten Grafiker und Schriftgestalter der Schweiz des 20. Jahrhunderts.
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* Triest Verlag, Zürich: Hrsg. Rudolf Barmettler, 296 Seiten, 22 × 30,7 cm, durch­ge­hend illus­triert, 70 Schriftmuster, Freirückenbroschur mit Schutzumschlag, Euro (D) 49.– / Euro (A) 50.40 / CHF 55.– ISBN 978-3-03863-043-2

Es ist ein bemer­kens­wertes Buch – viel­leicht schon jetzt, beim Erscheinen, als histo­risch einzu­ordnen –, das in den Jahren 2010 bis 2019 am Rande der Nachdiplomkurse CVS-Schriftgestaltung und des Masterkurs MAS Type Design entstand, sowohl zwischen den Lehrveranstaltungen der ZHdK sowie an anderen Schulen im In- und Ausland. Ohne Budget, getrieben von der Leidenschaft für das Schriftgestalten.

„Greifen Sie geistig zu Schnitzmesser, zur Raspel, zur Säge und zum Hammer. Formen Sie!“

Im ersten Teil geben einfluss­reiche Dozierende im Bereich Typedesign Einblicke in Ihre Denk- und Arbeitsweisen, darunter André Baldiger, Anton Studer, Bruno Margreth, Hans-Jürg Hunziker, Katharine Wolff und der Herausgeber Rudolf Barmettler (s. u.). Ihre Beiträge werden ergänzt durch den Außenblick einer Gastdozentin, die nie in der Schweiz unter­rich­tete: Fiona Ross. Auch der gerade 90 Jahre alt gewor­dene Georg Salden (vgl. Fontblog: Alle Gute zum Neunzigsten …) liefert einen Beitrag, der unter dieser moti­vie­renden Devise steht: „Greifen Sie geistig zu Schnitzmesser, zur Raspel, zur Säge und zum Hammer. Formen Sie!“

Der zweite Teil stellt die Nebenfächer und ergän­zenden Module bezüg­lich Fachwissen, Geschichte, Recht und Theorie vor. Auch hier wirkten zwei Gastautoren mit: Robin Kinross („The Monotype Era“) und Georg Salden (Über das compu­ter­ge­stützte Schriftentwerfen).

Im hinteren Teil geht es um Visionen und Ausblicke, Tools und neue Technologien, die an der ZHdK entstanden. Bemerkenswert: Remo Caminadas Beitrag über „Die Entwicklung des Type Generators“ und Christian Flepps „Typender: Find the Font You’re thin­king of“. In diesem Zusammenhang wird auch die Pädagogik im Schriftdesign neu überdacht.

Zwischen den Beiträgen finden sich Strecken mit doppel­sei­tigen Schriftmustern von Textschriften der ZHdK-Absolventinnen und -Absolventen, darunter Arbeiten von Martina Meier, Andreas Schenkel, Ronald Studer, Roland Stieger, Filippo Salmina, Stefanie Preis, Marc Droz, Clovis Vallois, Matthias Pauwels, Fabian Leuenberger und Nina Stössinger (Ernestine).

Über den Herausgeber: Rudolf Barmettler (*1956) besuchte den Vorkurs und die Grafikfachklasse in Luzern und betrieb schon in jungen Berufsjahren Forschung im Bereich visu­elle Kommunikation, unter anderem bei Hans Rudolf Lutz. Er arbei­tete in Zürich bei Georg Staehelin und in Paris bei Jean Widmer und war viele Jahre Assistent am Lehrstuhl für bild­ne­ri­sches Gestalten an der ETH. Seit 1989 ist er Dozent an der ZHdK für  Typographie, von 1999 bis 2008 war er Leiter des Studienbereichs Visuelle Kommunikation. Sein Schwerpunkt in der Forschung liegt im Schweizer Schriftschaffen des 20. Jahrhunderts. (Foto: Matthias Bünzli)