Fontblog Artikel im August 2020

Alle Gute zum Neunzigsten, Georg Salden

Type is Money: Erinnerung an die TYPO Berlin 1998

Vom 12. bis 14. März 1998 veran­stal­tete FontShop in Berlin seine 3. inter­na­tio­nale Designkonferenz. Ich war Programmdirektor und lud zum Motto „Type is Money“ führende Experten der Werbe- und Schriftenszene ins Haus der Kulturen der Welt. Vor 1200 Besuchern beleuch­teten sie die Rolle der Schrift in Werbung und Marketing: Jonathan Barnbrook, Lo Breier, Neville Brody, David Carson, Günter Gerhard Lange, Erik van Blokland und Just van Rossum,  Uwe Loesch, Stefan Rögener, Erik Spiekermann, Hansjörg Stulle, Roger Pfund … und Georg Salden. Er stellte unter anderem das gerade voll­endete 10-minü­tige Filmporträt „Die Wut auf den Buchstaben“ vor.  

Ich hatte Georg 10 Jahre zuvor kennen­ge­lernt. Als Chefredakteur von PAGE besuchte ich ihn in seinem Atelier, um alles über seine Methode des Schriftentwerfens zu erfahren. Damals war der Beruf mitten im Umbruch. Das Desktop Publishing krem­pelte eine Industrie um, die bis dahin Experten an spezia­li­sierten Maschinen vorbe­halten war. Doch auf einmal konnte jeder einen Font bauen, der einen Mac oder einen PC und eine Type-Design-Software wie zum Beispiel Fontographer beherrschte. Und das waren viele.

Georg frem­delte mit diesem Trend, obwohl er in gewisser Weise Vorreiter der Do-it-yourself-Fontproduktion war. Seit 1986 digi­ta­li­sierte er seine Schriften selbst, auf einem MicroVAX-„Minicomputer“ (groß wie ein Kühlschrank) und mit der Original-Ikarus-Software von URW. Weil das Schriftenmachen etwas für Perfektionisten ist, liegt es in der Natur der Sache, dass die Entwerferinnen und Entwerfer ihre Zeichnungen gerne selbst digi­ta­li­sieren und in Fonts verwan­deln möchten. Was Georg Salden in den 1990er Jahren verständ­li­cher­weise irri­tierte, war der jugend-liche Überschwang einer neuen Generation von Schriftentwerfern, die erst mal die Regeln ihrer Mütter und Väter über den Haufen schmissen und jede Menge expe­ri­men­teller Fonts auf den Markt brachten. Er nannte sie „die Fontographen“.

Auf der TYPO 1998 sagte Salden: „Ich versuche endgül­tige Formen zu schaffen, die viel­leicht noch in 50 oder 100 Jahren reprä­sen­tativ sein können.“ Wir wissen heute, das ihm dies gelungen ist und dass die Techno-Schriften der 90er Jahre (Salden: „Schriften aus dem Fleischwolf“) keine lange Lebensdauer hatten. Sie folgten einem kurz­le­bigen Modetrend (David Carson: „The End of Print“), bei dem es schlicht darum ging, die beschränkte Multimedia-Ästhetik aufs Papier zu über­tragen und den flackernden Animationen am Bildschirm etwas entgegenzusetzen.

Georg zog sein eigenes Resümee auf der Bühne der TYPO Berlin. Am Ende seines Vortrags gab er der Veranstaltung ein neues Motto: „Type is Monkey“.

Herzlichen Glückwunsch zum Neunzigsten, lieber Georg. (Foto: Marc Eckardt)