Spitzenleistung, mit 3 Extrameter Qualität
Das hätte ich nicht erwartet: Nachdem ich vor 2 Tagen meinen Ausstieg aus dem geregelten Berufsleben auf Twitter mitgeteilt hatte, regnete es Danksagungen von Designern und Schriftentwerfern, deren Karriere ich positiv beeinflusst hätte, entweder mit den Konferenzen (TYPO, TYPO Labs, Brand Talks, …) oder mit dem Fontblog. Darunter auch eine Mail des französischen Art-Direktors Julien Fincker, der in Stuttgart lebt und arbeitet. »Sie haben die Typo-Szene stark geprägt und Vieles bewegt. Danke! Persönlich haben wir uns leider noch nie gesprochen, aber ich habe gerne Ihre Moderation auf Events verfolgt und lese immer gerne Ihre Kolumne für die Page.«
Julien sendete mir als Dankeschön seinen jüngsten Schriftentwurf, der vor 2 Tagen erschien … und ich war sofort angetan beim »Durchblättern« der Schriftmuster. Spitzkant ist eine schmal laufende Serifen-Schrift, die durch starke Kontraste geprägt ist. Die Familie bietet fünf Strichstärken (von Thin bis Bold) plus Kursive, und dies alles in zwei optische Größen, also insgesamt 20 Schnitte.
Spektakulär ist der Zeichenvorrat von Spitzkant, mit über 850 Glyphen, die rund 200 lateinbasierte Sprachen abdecken. Darüber hinaus enthält die Schrift eine Menge außergewöhnlicher Ligaturen, Alternativbuchstaben und eine Vielzahl von Währungszeichen, die mittels Open Type-Automatik abgerufen werden: Stylistic Sets, Small Caps, automatische Brüche und viele weitere Features.
Spitze, scharfkantige Serifen und Kanten stehen runden und feinen Formen gegenüber, was Spitzkant einen exklusiven Charakter verleiht. Dadurch ist sie insbesondere für Branding, Editorial, Packaging und Werbung geeignet. Der kontrastreichen Display-Variante hat Julien Fincker eine kontrastärmere Text-Variante zur Seite gestellt, sodass die Familie sowohl für exzentrische Headlines als auch für lesbare Fließtexte geeignet ist. Ein echter Allrounder.
Im Besonderen sei hier die umfangreiche Auswahl an Ligaturen (Standard und Optional) hervorgehoben. Mit über 95 verschiedenen Ligaturen bieten sich viele Möglichkeiten, Headlines und Logos eine individuelle Note zu geben.
Der Designprozess
Julien Fincker schreibt über die Entstehung der Schrift: »Nachdem ich etwa ein Jahr mit dem Gestalten der beiden Finador Familien Sans und Slab verbracht hatte, benötigte ich für mein nächstes Projekt einen Stilwechsel. Nach ein paar ersten Skizzen stand der Plan fest: spitz, kantig und mit starken Kontrasten in der Linienführung sollte es sein.« Zu Beginn zeichnete er noch serifenlos, merkte aber schnell, dass es den Buchstaben an Ausdruckskraft mangelte. »Serifen mussten her. Doch welchen Stil gebe ich ihnen? Haarlinien wie bei Bodoni? Oder doch moderne Dreiecks-Serifen? Nach ein paar schnellen Versuchen entschied ich mich auch bei den Serifen für starke Kontraste: weiche, abgerundete Übergänge mit spitzem Zulauf.«
Bereits in der Konzeptionsphase entwarf Fincker die ersten Ligaturen. »Von Beginn konzentrierte ich mich auf eine umfangreiche Ligatur-Sammlung. Sie bietet jede Menge Anregungen, um Headlines oder Logos zu bauen. Für mich als Grafikdesigner ein wichtigstes Feature von Schriften, mit denen ich Neues entwickeln und mich richtig austoben möchte.«
Ursprünglich war Spitzkant als reine Display-Schrift gedacht. Doch als die ersten Probedrucke in kleinen Größen überraschend vielversprechend aussahen, entschloss sich der Designer für den Entwurf einer kontrastreduzierten Text-Version. »Und wenn man schon den Extrameter läuft, läuft man noch zwei mehr – dachte ich mir. Also habe ich weitere Sprachen und Features hinzugefügt.« Dadurch wurde Spitzkant eine inhaltlich sehr abgerundete und umfangreiche Familie, die sich für viele Zwecke nutzen lässt. Extrameter, die sich gelohnt haben.
Spitzkant kann mit dem kostenlosen Text-Medium-Schnitt getestet werden und ist bis zum 10. Juli 2020 zu einem 75 % reduzierten Preis bei Myfonts und Fontspring erhältlich.
3 Ecken = 1 Elfer … und 18 Fonts
Neu von Floodfonts: die Arpona-Schriftfamilie
Der kanadische Autor Malcolm Gladwell hat in seinem Bestseller „Tipping Point“ das Phänomen von Trends und sprunghaften Veränderungen untersucht. Immer wieder gibt es in der Wirtschaft, in der Kultur, in den Medien oder im Sport einen Moment des Umkippens, ab dem die Dinge nicht mehr so sind wie sie mal waren. Vor dem Hintergrund der Coronakrise liegt nahe, dass auch die Pandemie einiges zum Umschwenken bringen wird, was wir jahrzehntelang als „normal“ angesehen haben.
Das Fußballmagazin 11Freunde ist der Ansicht, dass der Fußball, so wie wir ihn kennen, dem Untergang geweiht sei: „Die nationalen Ligen veröden, in der Champions League gewinnen stets die gleichen Klubs. Der moderne Fußball richtete sich schon vor der Corona-Krise selbst zugrunde.“ Eine steile Analyse und man fragt sich neugierig: Was kommt danach? Wird die Fußballwelt entschlackt? Besinnt sie sich auf ihre Basics? Oder wird der Fußball – wie ein Großkonzern – zerschlagen? Vielleicht in eine World League, in nationale Spaßligen und eine Freude-auf-dem-Bolzplatz-Bewegung.
Der Pragmatismus des Straßenfußballs ist fast in Vergessenheit geraten: 3 Ecken sind 1 Elfmeter hieß es immer dann, wenn der Hof zu eng oder die Straße zu schmal für die Ausführung eines Eckstoßes waren. Heute wird in der Fußballwelt nicht mehr lösungsorientiert und ideologiefrei entschieden, sondern Fans und Verband beißen sich fest an Reglementierungen, Kollektivstrafen, Pyroverbote und dem Videobeweis … welche neuen Abgründe sich am Rande der Geisterspiele noch so auftun werden: Es wird dem Sport schaden.
Jetzt aber zum Schriftdesign, und zwar einem mit 3 Ecken, mit viel Pragmatismus und einer verblüffenden Inspirationsquelle. Der Kölner Schriftentwerfer Felix Branden (Floodfonts) hat eine neu Schriftfamilie herausgebracht, in der das Dreieck eine dominierende Rolle spielt, genauer: die Dreiecks-Serife.
Arpona ist inspiriert von den in Stein gemeißelten Buchstaben der römischen Antiqua, lässt sich ansonsten aber nur schwer in Kategorien einordenen. Sie ist weder eine klassische Serifenschrift noch eine Serifenlose, sondern vielmehr eine Symbiose verschiedener Designkonzepte. Aufgrund ihrer Plakativität eignet sich Arpona gut für Packaging (sehe Abbildung unten), Werbung und Editorial-Design, macht aber auch im Fließtext auf dem Bildschirm eine gute Figur.
Die Arpona-Familie besteht aus 18 Schnitten, von Thin bis Black, inklusive entsprechender Kursiven. Jeder Schnitt umfasst 590 Glyphen, und unterstützt alle west-, ost- und mitteleuropäischen Sprachen, darunter vier verschiedene Zahlensätze und viele Währungszeichen.
Entwurfsprozess
Wie kaum eine anderer Schriftdesigner lässt sich Felix Branden gerne über die Schulter schauen … und er selbst beschreibt die Konzeption und Ausführung eines neuen Entwurfs am besten: „Bei allen meinen Schriftentwürfen beginne ich mit einer handgezeichneten Skizze. Auch bei Arpona hatte ich eine grobe Idee im Kopf, aber noch keine Ahnung, wie die konkreten Buchstabenformen aussehen sollten. Freie, schnell gezeichnete Ideenskizzen helfen mir, eine Form zu finden.“
Bei der Arbeit an Arpona war das Römisch-Germanische Museum in Köln für Braden eine wertvolle Inspirationsquelle. Dort gibt es unzählige antike Steine mit römischen Inschriften. Ihn faszinierten besonders jene, die nicht „dem Ideal“ entsprechen, bei denen man die verwendeten Werkzeuge und Materialien erkennen kann. Stichwort: Pragmatismus und Tipping Point (siehe oben). Stein lässt sich nicht einfach bearbeiten, und Hammer und Meißel sind keine filigranen Werkzeuge. Man muss Gewalt anwenden, um sie zu nutzen, und Fehler können nicht korrigiert werden. Diese archaische Vorgehensweise in das digitale Design von Arpona einfließen zu lassen ist das Besondere an der neuen Floodfont-Schrift.
Auch der Entwurfsprozess der ersten humanistischen Sans von Edward Johnston und Eric Gill für die Londoner U-Bahn war für Felix Branden eine Inspirationsquelle.
„Als sich aus meinen Ideen eine Richtung heraus kristallisierte, begann ich zu testen, ob das Konzept als ganzes Alphabet oder sogar als komplette Familie tragfägig ist. Auch hier ist für mich die handgezeichnete Skizze der schnellste und effektivste Weg der Umsetzung. Erst als ich die Buchstaben im Text testen wollte, begann ich mit der Digitalisierung der ersten Glyphen. Als sich die Schriftart im Fließtext bewährt hatte, begann ich direkt mit der Planung als Familie: Die Master für das Interpolieren und die Anzahl und Gewichtung der Stile wurden festgelegt. Dann habe ich die Buchstaben so lange digital überarbeitet und getestet, bis alle Zeichen harmonisch zueinander passten und ein klares und ruhiges Schriftbild ergaben.“
Weitere Informationen zur neuen Arpona-Familie gibt es auf dieser Microsite von Brandens Foundry Floodfonts.
Arpona ist auf Myfonts erhältlich und in der Adobe Creative Cloud verfügbar. Bei MyFonts gibt es 70% Einführungsrabatt bis zum 19. 6. 2020 auf die ganze Familie.
Felix Braden
der Designer von Arpona, lebt in Köln. Er studierte Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Trier bei Prof. Andreas Hogan und arbeitete unter Jens Gehlhaar bei Gaga Design. Er ist Mitbegründer von Glashaus Design, Art Director bei MWK und arbeitet als freiberuflicher Schriftgestalter. Im Jahr 2000 gründete er die Foundry Floodfonts und entwarf zahlreiche Freefonts. Seine kommerziellen Schriften wurden von Monotype (FF Scuba), Fountain (Capri, Sadness, Grimoire), Ligature Inc. (Tuna), URW+ (Supernormale), Floodfonts (Pulpo, Kontiki) und Volcanotype (Bikini) veröffentlicht und sind über Adobe Fonts, Myfonts und Fontspring erhältlich. FF Scuba ist einer der Gewinner des Communication Arts Typography Annual 2013, Kontiki wurde für den Deutschen Designpreis 2019 nominiert.