Fontblog Artikel im Oktober 2018

Die neuen Emoji 2018 sind da

Mit dem heute veröf­fent­lichten Update 12.1 des mobilen Betriebssystems iOS hat Apple über 100 neue Emojis einge­führt. Neu im Bereich Smileys sind Sticker für kalt, warm, verkleiden und betrunken. Bei den Nahrungsmitteln kommen Mango, Spinat, Bagel, Cup-cake und Créme Caramel hinzu. Menschen mit roten, lockigen und gar keinen Haaren werden sich über neue, zu ihrer Frisur passende Emojis in allen Hautfarben freuen. Weitere Ergänzungen: Superhelden, Wanderschuhe, Skateboard, Seifenspender, Klopapier und die Flagge von St. Pauli.


Kennste, kennste, kennste … Parklets‽

Vor einem halben Jahr wurde die ersten zwei in der Bergmannstraße in Kreuzberg einge­weiht: Parklets. So nennt man jene Stadtmöbel-Inseln, die als Erweiterung der Fußgängerwege auf dem Parkstreifen der Straße instal­liert werden. Als Baumaterial dienen Metall und Holz, meist Komponenten ausran­gierter Paletten. Die Aufenthaltsflächen sollen den Menschen mehr öffent­li­chen Raum zur Verfügung stellen und das KFZ-Aufkommen reduzieren.

»Parklets werden bald die ganze Bergmannstraße säumen«, verkün­dete Bezirksstadtrat Florian Schmidt (Grüne) bei der Einweihung. Und tatsäch­lich: Anfang dieser Woche sind vier weitere Parklets hinzu­ge­kommen, direkt vor unserem Büro. Laut Wikipedia wurde das erste Parklet 2013 in San Francisco errichtet; hier­zu­lande feierten sie 2015 in Stuttgart Premiere.


Tilburg Sans macht die Runde

Gestern schrieb mir Benjamin Ritter, ein 32jähriger Steinmetz aus Nordhessen:

Hallo Herr Siebert,

vor nunmehr über einem Jahr habe ich, haupt­säch­lich aus persön­li­chem Interesse, die TYPO Berlin »Wanderlust« besucht, was eine Kette von Ereignissen nach sich zog und noch immer zieht, von denen ich Ihnen einfach mal berichten möchte.

Begonnen hat alles in einem eher klei­neren Saal im Haus der Kulturen der Welt (TYPO Show), auf dessen Bühne plötz­lich zwei Holländer auftauchten und ihre TilburgsAns präsen­tierten. Sie, lieber Herr Siebert, erin­nern sich mit Sicherheit, weil Sie dieses tolle T-Shirt von den beiden über­reicht bekamen. Ich war begeis­tert von dem Vortrag, insbe­son­dere der Idee, die TilburgsAns-Lettern zur Adoption frei zu geben.

Jürgen Siebert mit dem TilburgsAns-T-Shirt »She loves you yeah, yeah, yeah«

Zurück in der Heimat habe ich schnell mit Sander Neijnens Kontakt aufge­nommen und nach nur wenigen Mails war klar, dass ich den Buchstaben Å (= Aring) adop­tieren möchte. Sander und sein Kollege Ivo van Leeuwen wiederum fanden es aufre­gend, dass jemand, der 400 Kilometer von Tilburg entfernt lebt, Interesse an ihrer Schrift zeigt.

Also haben sie sich ein paar Tage später ins Auto gesetzt und mir den Buchstaben persön­lich vorbei gebracht. Kurze Führung durch die Steinmetzwerkstatt, zusammen Nudeln essen und schon waren die zwei wieder verschwunden. Ein kleines Video dieses Road-Trips ist ganz nebenbei auch noch entstanden:

Kurze Zeit später bat mich die Rockband meines Bruders – Grannys Garden – um den Entwurf eines Logos. Und weil mich der Charakter dieser Band sehr an den Charakter der Stadt Tilburg erin­nert hat, kam TilburgsAns zum ersten Mal komplett zum Einsatz (Erläuterungen zum Logo-Design, PDF). Das fanden wiederum Ivo und Sander so toll (»Wow, eine deut­sche Band mit unserer Schrift«), so dass Ivo uns mit seiner Familie zum jähr­li­chen Werkstattkonzert besuchte, auf dem die Band das erste Mal unter neuer Flagge auftrat.

Ivo versprach nach dem Konzert einen Auftritt für die Jungs in Tilburg zu orga­ni­sieren und so haben sie am 12. Oktober auf dem »Forgotten Hits«-Festival gespielt. Natürlich nicht ohne sich zuvor die Stadt von den TilburgsAns-Macher zeigen zu lassen, um endlich mal die ganzen Icons der Schrift im Original zu sehen.

Das Logo der nord­hes­si­schen Band Grannys Garden, inspi­riert von TilburgsSans

Nächstes Jahr wird dann Ivo mit seiner Band in unserer Werkstatt spielen. Bis dahin bin ich gespannt, was noch alles in TilburgsAns geschrieben werden wird. Einige Buchstaben habe ich in der Zwischenzeit auch schon in Stein gemei­ßelt. Hier eignet sich ganz wunderbar die Black-Version. Ob Steinhocker, Gartenskulptur oder sogar im Tiergrabmalbereich … die Schrift findet immer wieder ihre Berechtigung.

Viele Grüße aus Neukirchen und alles Gute für Sie,

Benjamin Ritter


Was ist Design? Eine Vortragsreihe.

Die Akademie Mode & Design (AMD) in der Pappelallee, Prenzlauer Berg, startet wieder eine Vortragsreihe, in der das Sprechen über Design neu justiert wird. Dabei sollen fest­ge­fah­rene Designmythen (z.B. „form follows func­tion“ oder: „freie Kunst“ vs. „unfreies Design“) hinter­fragt, begriff­liche Missverständnisse aufge­deckt und ein histo­ri­sie­render Blickwinkel einge­nommen werden, der für die Gegenwart und Zukunft des Designs bisweilen vernach­läs­sigt wird. Darüber hinaus werden aktu­elle Entwicklungen in der Design-Praxis beleuchtet, die für das Designverständnis und seine poli­ti­sche bzw. gesell­schaft­liche Relevanz neue Akzente setzen. 

Vorträge von Oktober bis Dezember 2018

Mo, 29. 10.
Prof. Alex Jordan
Grafik? Design?
Alex Jordan war nach dem Ende von Grapus 1993 bis zu seiner Emeritierung 2013 Professor für Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Der Fotograf und Grafiker wird im seinem Vortrag über poli­ti­sches Engagement gestern und heute spre­chen. Ausstellung im Bröhan-Museum (Berlin). Mehr zu Grapus und Nous travail­lons ensemble.

Di, 27. 11.
Prof. Dr. Ekkehart Baumgartner
Die krea­tive Revolte
In den kommenden Jahrzehnten fällt der Kreativwirtschaft eine entschei­dende Rolle zu, den Erfolg von Unternehmen sicher­zu­stellen und die Lebensbedingungen von Menschen zu verbes­sern. Voraussetzung wird aber sein, dass Designer zu unter­neh­me­ri­schen Entscheidern werden. Die Gründe dafür sind viel­schichtig. Interdisziplinäres und menschen­ver­ant­wort­li­ches Denken verdrängt die Philosophie des konven­tio­nellen Managements.

Di, 04.12.
Wer macht Mode?
Macht der Märkte vs. freie Gestaltung

Podiumsdiskussion (Leitung: Prof. Antje Drinkuth und Katharina Krawczyk)


Komfortabler Blindtext-Generator

Paola M. schrieb mir heute:

Hallo Jürgen,
ich benutze immer wieder den Lorem-Ipsum-Gereator, den du in diesem Fontblog-Beitrag vorge­stellt hattest: Endlich bairi­sche Blindtexte, dank bavaria​-ipsum​.de. Ich mag den, weil er so anders ist.
Vielleicht inter­es­siert dich (oder deine Leser) ein anders Tool, das den klas­si­schen Blindtext liefert, aber sehr flexibel und benut­zer­freund­li­cher als die meisten anderen ist. Du findest ihn hier: https://​www​.website​planet​.com/​d​e​/​w​e​b​t​o​o​l​s​/​l​o​r​e​m​-​i​p​sum.
Vielleicht konnte ich dir auf diese Art einen Gefallen tun.
Paola

Absolut. Der Lorem-Ipsum-Genrator von Website Planet spuckt auf Wunsch eine belie­bige Zahl von Absätzen, Sätzen oder Wörtern aus, wahl­weise als Rich Text oder HTML, er kann sogar Hebräisch (RTL = right to left). Danke, Paola.


Nächste Ausfahrt: Frankfurt Buchmesse (6)

Messetagebuch

Dritter Messetag, nur Fachbesucher: Immer noch schönes Wetter, etwas weniger Betrieb am morgen, weil die Besucher aus der Region Westerwald bis Köln verspätet eintrafen, wegen ICE-Brand auf der Strecke Köln–Frankfurt und Vollsperrung der parallel verlau­fenden Autobahn A3.

500 m² Grundfläche, 6,5 m Höhe und eine selbst­tra­gende Holzkonstruktion mit licht­durch­läs­siger Membran – das ist der »Frankfurt Pavilion«, das neue Wahrzeichen der Buchmesse. Es ist der Ort, an dem Diskussionen geführt, Wissen geteilt, Kontakte geknüpft und Trends geprägt werden. Die Architekten von Schneider+Schumacher standen bei der Planung des »Frankfurt Pavilion« vor der Herausforderung, eine tempo­räre, solide Konstruktion umzu­setzen, die leicht abge­baut und wieder aufge­baut werden kann. Um eine nach­hal­tige Nutzung des Gebäudes inner­halb des Messegeschehens über die nächsten Jahre zu gewähren, wurden bei der Positionierung des Pavilion auch die übrigen bauli­chen, szeni­schen und gewerb­li­chen Elemente auf der Agora berücksichtigt.

Paul Maar (81) ist einer der bedeu­tendsten deut­schen Kinderbuchautoren. Seit 1968 schreibt er Bücher, mehr als 120 sind es inzwi­schen, viele davon hat er selbst illus­triert. Berühmt wurde er 1973 mit dem Sams, einem respekt­losen, kind­li­chen Wesen mit roten Haaren, Rüsselnase und blauen Punkten im Gesicht. Das Sams hat viele Menschen beein­flusst, mögli­cher­weise auch die rothaa­rige  Journalistin Roswitha Budeus-Budde, die Paul Maar am Stand der Süddeutschen Zeitung in Halle 3 inter­viewte. Der brachte sein neustes Werk mit, »Snuffi Hartenstein und sein ziem­lich dicker Freund«, bebil­dert von der Berliner Illustratorin Sabine Büchner. Es geht um unsicht­bare Hunde und echte Freundschaft.

Maar verriet auch schon einige Details zu dem Buch, an dem er gerade arbeitet. Während einer Norwegen-Rundfahrt beschäf­tigte er sich mit den Trollen und den Geschichten, die um sie ranken. Das sei ein sehr span­nender und ergie­biger Stoff, so dass er sogar über eine Serie nachdenkt.

Kennt ihr Deutschlands erfolg­reichstes Krimi-Duo? Es heißt Klüpfel & Kobr, hat bisher 13 Bücher veröf­fent­licht und eine Gesamtauflage von über 5 Millionen Exemplare erzielt. Volker Klüpfel wuchs in Altusried im Allgäu auf, studierte Politikwissenschaft, Geschichte, Kommunikationswissenschaft und Journalistik und arbei­tete zunächst als Journalist. Seit 2012 ist er haupt­be­ruf­lich Autor. Zusammen mit Michael Kobr schrieb er den Überraschungserfolg »Milchgeld«, einen Kriminalroman, mit dem es das Duo in die Bestsellerlisten schaffte und der inzwi­schen über 750.000 Mal verkauft wurde. Die Hauptfigur des Buches ist der schrul­lige Kommissar Kluftinger. Der zweite Krimi mit Kommissar Kluftinger, »Erntedank«, belegte wochen­lang Platz fünf in der Focus-Bestsellerliste. Zur Buchmesse erscheint der 10. Band, den Klüpfel und Kobr am Sonntag um 16:00 Uhr im Pavilion vorstellen werden. Der Event wird hier live übertragen …

Wer ist nicht schon mal drüber gestol­pert: »111 Orte in Brüssel, die man gesehen haben muss«, »111 Orte in Istanbul, die man gesehen haben muss«, »111 Orte in Lissabon, die man gesehen haben muss«, »111 Orte in Brüssel, die man gesehen haben muss«, »111 Orte in Wiesbaden, die man gesehen haben muss«, und so weiter. Hinter diesen syste­ma­ti­schen Publikationen steht der Emons Verlag aus Köln. Er wurde 1984 von Hejo Emons gegründet. Mit Christoph Gottwalds 1984 erschie­nenem Köln-Krimi »Tödlicher Klüngel« star­tete der Verlag seine erste Regionalkrimireihe und ist mit über vierzig regio­nalen Krimireihen inzwi­schen Marktführer.

Die Reihe »111 Orte in …« erscheint seit dem Jahr 2008 und ist Reise-, Abenteuer- und Entdeckungsführer in einem. Der Slogan der Reihe lautet »Verreisen war gestern – Entdecken ist heute«. Aufgrund des großen Erfolges sind mitt­ler­weile fast 300 Bände erschienen, wobei es inzwi­schen nicht mehr nur um Orte geht, sondern auch um »111 tödliche Pflanzen«, »111 deut­sche Weine«, »111 deut­sche Draft-Biere«, »111 Pferde« und so weiter.

Immer wieder eine Augenweide in Sachen Konstanz, Branding und Kundenorientierung: Reclam. Der vor allem als Herausgeber der Reclams Universal-Bibliothek bekannten Verlag wurde 1828 von Anton Philipp Reclam in Leipzig gegründet. Der west­deut­sche Zweig des Verlages entstand im September 1947 in Stuttgart und hat seit 1980 seinen Sitz im nahen Ditzingen. Das Stammhaus wurde unter dem Namen Reclam Leipzig bis zum 31. März 2006 in Leipzig fort­ge­führt. Der Verlag befindet sich seit seiner Gründung in Familienbesitz. (Halle 3.0 B153)

Tinte & Feder-Signierstunde bei Amazon Publishing, mit den Autorinnen Emily Ferguson (vorn), Astrid Töpfer (rechts), Stefanie Hohn (links), sowie Kristina Moninger, Nelly Fehrenbach und Anja Saskia Beyer (nicht im Bild).

Amazon Publishing ist ein Verlag, der zu Amazon​.com (Seattle) gehört und 2009 gegründet wurde. Zu Amazon Publishing gehören unter anderem die Marken (Imprints) AmazonEncore, AmazonCrossing, Montlake Romance, Thomas & Mercer, 47 North und Powered by Amazon. Im Februar 2018 kündigte Amazon Publishing die Schaffung eines 15. Imprints mit dem Namen Topple Books an, wo ab 2019 unter Kuration von Jill Soloway insbe­son­dere Genderthemen im Mittelpunkt stehen sollen,

Die deutsch­spra­chigen Verlagsimprint von Amazon Publishing heißen Tinte & Feder (zeit­ge­nös­si­sche und histo­ri­sche Romane deutsch­spra­chiger Autoren) und Edition M (Krimis & Thriller); auch Montlake Romance (Romantic) und 47North (Science-Fiction) veröf­fent­li­chen Werke deutsch­spra­chiger Autoren.

[ENDE]


Nächste Ausfahrt: Frankfurt Buchmesse (5)

Messetagebuch

Zweiter Fachbesuchertag: Noch schö­neres Wetter, noch mehr Betrieb – zwischen den Hallen und in den Hallen. Ich bin seit Montag auf der 70. Frankfurter Buchmesse, weil Monotype Gast des Gastlandes Georgien ist. Wie es dazu kam und was sonst noch so aufre­gendes auf der Messe passiert, vor allem aus typo­gra­fi­scher Sicht … auch heute wieder hier im Fontblog-Tagebuch.

Früh am Morgen lief ich den Studierenden der Forschungsgruppe Urban Health Games der TU Darmstadt in die Arme, die in Halle 3.0 die Barrierefreiheit der Buchmesse erfor­schen. Hierzu gehören, neben einem barrie­re­freien Musterstand, die im Projekt entwi­ckelten Konzepte zum Barriereabbau auf dem Messegelände, wie z. B. Anpassungen beim Orientierungskonzept und Leitsystem sowie das Leiten von Besucherströmen. Am Stand kann zudem durch ein Tastmodell (Abbildung oben) die Perspektive eines Blinden einge­nommen werden, der sich Orientierung auf dem Messegelände verschafft. Ein Rollstuhl vor Ort lädt Besucher zum Perspektivwechsel ein, bei dem man in die Rolle eines mobi­li­täts­ein­ge­schränkten Besuchers schlüpfen kann.

Das Forschungsprojekt wurde 2017 ins Leben gerufen. In der ersten Phase standen drei Besuchergruppen im Fokus: Mobilitätseingeschränkte, sehein­ge­schränkte Besucher und Familien, die mit ihren Kindern die Messe besu­chen. Zu den in 2018 bereits umge­setzten Maßnahmen, die Zugang und Nutzbarkeit von Informationen und Messehallen verbes­sern, gehören eine neue Website, die z. B. für Lesegeräte besser auslesbar ist, sowie eine verbes­serte Beschilderung und Wegführung. Auf der dies­jäh­rigen Messe wird Weiteres getestet: In Halle 3.0 wird ein Gang stel­len­weise fünf Meter breit sein. Zudem wird durch roten Teppichboden ein Rundgang in der Halle und in den Gängen zum Freigelände hin markiert sein, um zu unter­su­chen, wie sich dies auf die Besucherströme auswirkt.

Gut gestaltet, Neugier weckend: Der Stand des jungen Berliner holmVerlag. »Unsere jungen Autoren schreiben von Liebe, Freundschaft und Fantasie, aber auch von Religion, Flucht und Angst.« heißt es knapp auf der Website des Verlags, der leider nicht erklären kann, was sich hinter der Edition 24 Kisses Adventskalender verbirgt und warum diese »Bücher« diagonal abge­schnitten sind. Auch am Stand zeigte man sich maul­faul: »Wir haben schon jede Menge Komplimente dafür bekommen« wirft mir die junge und einzige Mitarbeiterin, in Stuhl sitzend, entgegen. Ich hätte gerne gewusst warum, wollte dann aber doch nicht weiter bohren.

Kurzer Einwurf: Jimi Blue Ochsenknecht kann kochen! Sein Buch heißt Kochen ist easy und ist nicht nur das erste Druckwerk des beliebten Schauspielers, sondern »ein durch und durch authen­ti­sches Kochbuch« (Verlagswerbung). Marktlücke entdeckt und gefüllt.

Die Kunst des Letterings ist jetzt in der Volkshochschule und im Wohnzimmer ange­kommen. Beim EMF Verlag kümmert sich inzwi­schen ein Team von über 40 Mitarbeitern darum, die nächsten Trends des Selbermachens aufzu­spüren, krea­tive Autoren zu fördern, inno­va­tive Bücher zu gestalten und diese zu vermarkten. Bei den dicken Wälzer oben im Bild handelt es sich nicht etwa um einen Bestseller von EMF, sondern um deren Katalog.

Die Erfolgsgeschichte der Edition Michael Fischer begann 1985 mit dem Titel »Wie kopiere ich ein Kunstwerk« des spani­schen Zeichenkünstlers José Maria Parramón. Verlagsgründer Michael Fischer, Sohn des Boje-Verlegers Hanns-Jörg Fischer, entwi­ckelt EMF in den darauf­fol­genden Jahren zum führenden Verlag für Anleitungsbücher im Bereich Malen & Zeichnen. Unter seiner Leitung erscheinen heutige Klassiker wie die »Sammlung Leonardo« oder auch »Das Handbuch für Künstler«.

Habe ich eigent­lich schon gesagt, dass es langsam reicht, mir diesen Handlettering-Kritzeleien‽ Nein, ich glaube, so deut­lich habe ich das noch nicht formu­liert. Wohin die Amateurisierung dieser Kunst führt, lässt sich wunderbar am Stand von Coppenrath & Spiegelburg beob­achten, direkt neben dem Do-it-Yourself-Verlag EMF: links nach­ge­schlagen, rechts gleich haus­ge­führt. »Look poor« auf dem weißen Holzbrettt oben trifft es ganz gut. Aber es sieht sehr gemüt­lich aus.

Noch mehr zuge­ramscht ist die Sammlerecke. Das liegt aber in der Natur der Sache, denn der Shop in Esslingen bietet neue und gebrauchte Comics an. Mein Lieblingscomic »Bobo der Ausbrecherkönig« gibt es dort leider nicht. Ich verstehe auch warum: Bobo musste man sich in den 1970er Jahren selber basteln, aus einem Druckbogen im Fix-und-Foxi-Heftchen. Jedes Bobo-Comic ist ein Original, von dem sich niemand trennen möchte.

Apropos Comic: Heute hat uns ein alter Bekannter am Monotype-Stand besucht, den wahr­schein­lich nur Hessen kennen, die über 50 Jahre alt sind. Onkel Otto, der Fern-Sehhund. Onkel Otto wurde 1958 das Maskottchen des Hessischen Rundfunks. Er kam im regio­nalen Vorabendprogramm des HR als Werbetrenner zwischen den einzelnen Werbespots zum Einsatz. Dieses Video zeigt ab Minute 1:23 die Werbe-Intros der 1960er und 1970er Jahre, unter­malt von Holiday Party von Roger Roger.

[Fortsetzung folgt]

 


Nächste Ausfahrt: Frankfurt Buchmesse (4)

Messetagebuch

Seit heute läuft die 70. Frankfurter Buchmesse auf Hochtouren. Ich bin seit Montag dabei, weil Monotype Gast des Gastlandes Georgien ist. Wie es dazu kam und was sonst noch so aufre­gendes auf der Messe passiert, vor allem aus typo­gra­fi­scher Sicht … auch heute wieder hier im Fontblog-Tagebuch.

Ausfahrt zur Frankfurter Buchmesse

Rund 7500 Aussteller aus 102 Ländern, 4000 Veranstaltungen, 10.000 akkre­di­tierte Journalisten und Blogger, über 300.000 zu erwar­tende Gäste – die Frankfurter Buchmesse ist ein kultu­relles Großereignis, das die Mainmetropole eine Woche lang in Atem hält. In den ersten drei Tagen stehen die Hallen nur Fachbesuchern offen, am Samstag und Sonntag sind alle Literaturfans will­kommen. Der erste Höhepunkt des heutigen Tages war der Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der mit dem »Frankfurt Pavilion« einen neuen Veranstaltungsort auf der Agora der Messe eröff­nete, dem bunten und dieses Jahr sehr sonnigen Dreh- und Angelpunkt inmitten der Hallen.

Der erste Aufreger des Tages – und jetzt geht es hier wieder ganz privat zur Sache –, begeg­nete mir heute morgen bei der Ankunft. Ich parke direkt neben dem Lieferwagen des Mainzer Gutenberg-Museums, einem der ange­se­hensten Druck- und Schriftmuseen der Welt. Seine Hauptattraktionen sind mehrere Ausgaben der Gutenberg-Bibel, das älteste mit beweg­li­chen Lettern gedruckte Buch. Vor diesem Hintergrund fragt man sich natür­lich: Warum ist das Fahrzeug des Gutenberg-Museums gestaltet wie der Bus einer Kita oder der Firmenwagen eines Partyclowns? Mann, wäre das eine Aufgabe für ein Designbüro: den Wagen des Gutenberg-Museums werbe­wirksam gestalten. Tatsächlich scheint es noch andere visu­elle Baustellen beim Museum zu geben, das sich dem geschrie­benen Wort verpflichtet fühlt. Ich war eben mal auf der Website guten​berg​-museum​.de … heiliger Johannes, das ist echt nicht mehr lustig.

Und jetzt zu den guten Nachrichten: das neue Buch von Judith Schalansky ist da, »Verzeichnis einiger Verluste«. Einige Fontblog-Leser erin­nern sich viel­leicht noch an das Erstlingswerk der Berliner Autorin, deren Karriere als Chronistin und Buchgestalterin begann. Es hieß »Fraktur Mon Amour«, erschien vor über 12 Jahren beim Verlag Hermann Schmidt, und diesen Prozess hatte ich damals detail­liert verfolgt, vom ersten Druckbogen (Druckfrisch: Fraktur mon Amour) bis hin zum Exklusivinterview und zur Signierstunde (»Das ist Typo-Sex, was Du hier machst«). [Ich finde, dass die alten Fontblog-Seiten irgendwie ähnlich verklemmt aussehen wie die des Gutenberg-Museums … heute]

Inzwischen erschienen Judith Schalanskys »Atlas der abge­le­genen Inseln«, zwei Jahre später der Bildungsroman »Der Hals der Giraffe«, beide mit dem 1. Preis der Stiftung Buchkunst bedacht. Seitdem spielt die Autorin in einer anderen Liga. Das Tolle an ihrer lite­ra­ri­schen Arbeit ist, aus grafi­scher Sicht, dass sie – als diplo­mierte Kommunikationsdesignerin – alle ihre Bücher selbst gestaltet. Auch das neueste, in dem sie sich ´ den Dingen widmet, die das Verlorene hinter­lässt: verhallte Echos, verwischte Spuren, Gerüchte und Legenden, Auslassungszeichen und Phantomschmerzen. Der Klappentext macht neugierig: »So handelt dieses Buch glei­cher­maßen vom Suchen wie vom Finden, vom Verlieren wie vom Gewinnen und zeigt, dass der Unterschied zwischen An- und Abwesenheit womög­lich marginal ist, solange es die Erinnerung gibt – und eine Literatur, die erfahrbar macht, wie nah Bewahren und Zerstören, Verlust und Schöpfung beiein­ander liegen.«

Die Halle 4.1 ist immer noch Pflicht für alle visu­ellen Gestalter, auch wenn sie der Schmidt-Verlag wegen Halle 3.1 verlassen hat, Taschen nicht ausstellt und Die Gestalten schwä­cheln. Aber die Brueder, ein junges Verlagshaus mit digi­talen Wurzeln, das Magazine, Bücher und Webprojekte produ­ziert, laden zur Indiecon Island, Stand E 108. Zum dritten Mal koope­rieren hier unab­hän­gige Magazinmacher mit der Buchmesse. Auf der Insel können Besucher durch die Magazin-Bibliothek blät­tern, Magazin-Macher/innen treffen und die neuesten und besten Indiemags aus aller Welt kaufen. Mit dabei: Missy Magazine, Das Wetter, Edit, Die Epilog, ZurQuelle, gentle rain, Tau, Sand, Prothese, Slanted, Brasilia und FROH!, sowie der grau­stufen-Podcast. Feiern können die auch: am Freitag den 12. Oktober, Rave in the Parking Lot im AMP im Frankfurter Bahnhofsviertel.

Die neueste Zeitschrift, die ich gekauft habe, am vergan­genen Sonntag im Frankfurter Hauptbahnhof, war Galore, das Interview-Magazin. Wie kann man da nicht zugreifen, wenn es auf Twitter heißt: »›Wer sich täto­wiert, ist ein Faschist.‹ – Ute Cohen hat mit Bazon Brock über Autonomie im Umgang mit dem eigenen Körper gespro­chen. Jetzt erschienen.« Leider stammt dieser Tweet nicht von der jungen Galore-Redaktion selbst, deren Account seit 2 Jahren verwaist ist, sondern vom Interviewten, dem 82-jährigen Bazon Brock. Wow, wenn ich 82 bin, möchte ich auch noch twit­tern, oder was man dann statt­dessen macht.

Als ich in das Inhaltsverzeichnis der aktu­ellen Ausgabe geschaut habe, musste ich zugreifen: Interviews mit Anke Engelke, Ahmad Mansour, Sebastian Koch, Katrin Bauerfeind, Aubrey Powell (siehe Fontblog-Beitrag 50 Jahre ›Album-Cover-Art by Hipgnosis‹, vom 30. 9. 2018), Jean-Michel Jarre, Lenny Kravitz und, und, und … ein tolles Konzept. Simplizität und Eigenständigkeit im Bereich Print-Medien, wie oft kommt das vor‽ Mir fällt eigent­lich nur noch 11 Freunde ein … und Mint, aus dem selben Haus wie Galore: Das Vinyl-Magazin für alte Männer.

Am Stand von Galore erfuhr ich, dass sie mit der jüngsten Ausgabe aktuell eine Art A/B-Cover-Test durch­führen: im Bahnhof-Buchhandel ziert Ahmad Mansour den Titel, am Kiosk Anke Engelke. OK, das ist jetzt nicht wirk­lich ein rando­mi­sierter A/B-Test, sondern eher Zielgruppen-Marketing, aber trotzdem: Viel Erfolg wünsche ich dem Magazin, dessen redak­tio­nelles Konzept nicht einfa­cher zu defi­nieren ist: Just interviews.

Was ich hier noch gar nicht erwähnt habe, neben Gastland, Eröffnungsritualen und Ehrengästen: Die Buchmesse hat sich einer Kampagne ange­schlossen, die an vielen Stellen präsent ist. Im Gründungsjahr der Frankfurter Messe, vor 70 Jahren, verab­schie­dete nämlich die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Charta der Menschenrechte mit 30 Artikeln. Und deshalb nutzen die Frankfurter das Jubiläum in diesem Jahr, um das Bewusstsein für die Charta zu stärken.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Frankfurter Buchmesse haben gemeinsam mit ARTE, ZDF und dem SPIEGEL das Aktionsbündnis WE ARE ON THE SAME PAGE (gesetzt in Avenir Next) ins Leben gerufen. Mit Unterstützung von Amnesty International und den Vereinten Nationen lenkt das Bündnis die Aufmerksamkeit auf poli­ti­sche Missstände, die es zu besei­tigen gilt. Auf der Buchmesse erreicht die Kampagne ihren Höhepunkt, mit viele Veranstaltungen, Aktionen und Aktionsflächen, wie die hier gezeigte Wand im Eingangsbereich von Halle 4. Noch gibt es viele weiße Flächen … Ich werde sie am letzten Tag wieder fotografieren.

Ähnlich wie Thilo Sarrazin im Politischen beweist Manfred Spitzer im Digitalen mit seinen Bestsellern ein großes Gespür für die Ängste der Deutschen. Die Titel seiner Werke, »Vorsicht Bildschirm!«, »Digitale Demenz« oder »Cyberkrank!« sind unter Experten umstritten, bei Lesern aber sehr beliebt. Spitzers Methode ist eigent­lich ganz einfach zu durch­schauen: Korrelationen zu Kausalzusammenhängen umdeuten, Studien selektiv zitieren und immer das weglassen, was nicht zur eigenen These passt. Und immer so tun, als sei »Sucht« im Zusammenhang mit Medien eine allge­mein akzep­tierte wissen­schaft­liche Kategorie.

In seinem neuesten Werk spricht Spitzer nicht mehr von Sucht, sondern von Epidemie, quasi die Steigerungsform einer persön­li­chen Abhängigkeit, Angstmache auf höherem Niveau. »Die Smartphone-Epidemie« beschreibt die gesund­heit­li­chen Folgen der Smartphone-Benutzung. Im Gespräch mit Bärbel Schäfer ließ Spitzer sich immerhin dazu bewegen, sein eigenes Smartphone aus der Jackentasche zu ziehen.

Der Kern des Gesprächs und von Spitzers Argumentation: Eine Studie belege, dass 95 % der südko­rea­ni­schen Jungendlichen heute Augenschäden haben, weil sie das Smartphone stun­den­lang in kurzem Abstand vors Gesicht halten. Das habe ich als Jugendlicher auch mit meinen Karl-Mey-Büchern getan … manchmal über mehrere Stunden am Tag (die man damals nicht gezählt hat). Mit 14 bekam ich eine Brille, -5 Dioptrien. Spitzer hat recht.

[Bis morgen]