Fontblog Artikel im Juli 2016

Buchtipp: Lust auf Lettering

Lust_auf_Lettering_Cover1_PSDAuf den wach­senden Stapel der Bücher über Handlettering haben Martina Flor und der Hermann Schmidt Verlag soeben ein weiteres Buch gelegt. Die meisten Bücher, die bereits auf dem Stapel lagen, sind entweder Übungsbücher mit zwei Dritteln leerer, linierter Seiten, Activity-Bücher zum Reinmalen oder Bastelbücher mit Anleitungen zum Beschriften von Marmeladengläsern. Und selbst das Buch von Jessica Hische, der anderen Queen of Handlettering, ist in großen Teilen eine detail­liert erläu­terte Portfolioshow, wenn auch eine äußerst aufschluss­reiche und inspirierende.

Nicht so das Buch von Martina Flor. Also, nein, nein, es ist natür­lich auch aufschluss­reich und inspi­rie­rend, aber eben viel mehr als das. Auf die Gefahr, dass ein Lob dieser Größenordnung unglaub­würdig wirkt: work­shop-erprobt und char­mant illus­triert, schön gestaltet und gut gedruckt – Martina Flors „Lust auf Lettering“ ist ein Traum in Buchform. Und man weiß schon jetzt: ein Standardwerk.

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Lettering Digital: »Anfangs fühlt sich das Zeichnen in der digi­talen Umgebung an, als würden wir auf dem Mond laufen.«

Denn „Lust auf Lettering“ ist endlich ein Buch, das fundiert ins zeit­ge­nös­si­sche Handlettering einführt, statt sich in Step-by-Step-Projektanleitungen zu verlieren und das typo­gra­fi­sche Fachwissen, das man auch fürs Lettering braucht, herun­ter­zu­spielen. Hier findet man keine Alphabet-Vorlagen zum Abzeichnen und keine Step-by-Step Dekoprojekte. Stattdessen teilt Martina Flor groß­zügig ihr Wissen und ihre Techniken aus dem Kontext der Schriftgestaltung und erklärt, welche Rolle diese beim Lettering spielen. Sie vermit­telt umfas­send und syste­ma­tisch, wie man kennt­nis­reich Buchstabenformen entwi­ckelt, die eigenen Entwürfe hinter­fragt und verbes­sert und schließ­lich als „exqui­site Buchstaben-Bilder“ digital vollendet.

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Sparsam mit Ankern und trotzdem detail­ge­treue Digitalisierung der Vorlage: Martina Flor erklärt Schritt für Schritt wie die analogen Buchstabenformen am Computer nach­ge­ar­beitet werden 

Kapitel eins unter­scheidet Lettering von Kalligrafie und Typografie und zeigt dessen viele Verwendungszwecke. Kapitel zwei schult das typo­gra­fi­sche Auge und lehrt analy­ti­sches Sehen anhand von Fassadenschriften. Mit unzäh­ligen Beispielzeichnungen führen Kapitel drei und vier in die typo­gra­fi­schen Grundlagen ein und stellen Lettering-Werkzeuge und ihre Anwendung vor. In Kapitel fünf geht es um die Vielfalt gestal­te­ri­scher Stile, Kapitel sechs beleuchtet, wie man Lettering-Entwürfe kompo­niert. Den Weg von schnellen Bleistiftskizzen zu perfekten Bézierkurven erklären Kapitel sieben und acht und Kapitel neun zeigt den letzten Schliff mit Farbe und Textur. Abschließend gibt Martina Flor jede Menge Praxistipps für die Arbeit als profes­sio­neller Lettering Artist, basie­rend auf ihrer lang­jäh­rigen Erfahrung als eine der welt­weit bekann­testen Vertreterinnen ihres Fachs.

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Auf den 168 Seiten fehlt manchen viel­leicht die Überleitung in die Praxis, also konkrete Impulse für den Einstieg ins eigene Tun. Möglicherweise ist die Du-Ansprache im Text einigen zu jovial. Und klar, Martina Flors perfekter, orna­men­taler Stil ist viel­leicht nicht jeder­manns Sache. Aber so oder so: dieses Buch sollte bei allen, die sich ernst­haft mit Lettering befassen, ganz oben auf dem Stapel liegen.

 

Rezension von Chris Campe / All Things Letters, Hamburg, Abbildungen: Verlag Hermann Schmidt Mainz (1 – 3), Chris Campe (4)

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Martina Flor: Lust auf Lettering

Ein praxis­er­probter Workshop in zehn Schritten, 168 Seiten mit unzäh­ligen Abbildungen, Tipps und Tricks, Format 21 x 24 cm, Halbleinenband mit farbiger Prägung, Verlag Hermann Schmidt, Mainz.

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