Das TYPO Day Seminar besucht Wien
Wiener und alle Typografie-Profis aus der Alpenrepublik können sich am 23. Oktober im WestLicht auf den aktuellen Stand der Kommunikation mit Schrift bringen.
TYPO Day ist das Ein-Tages-Seminar für professionelle Designer, Markenbetreuer und Publishing-Experten und bringt die aktuellen Themen in der digitalen schriftlichen Kommunikation auf den Punkt.
Neben den Vorträgen sind die Begegnungen zwischendurch für viele Besucher der Hauptgrund für den TYPO-Besuch. Ein persönlicher Dialog unter Kolleginnen und Kollegen bringt oft mehr als Telefonate und E-Mails.
In kleiner Runde und im Detail zeigen hochkarätige Redner Wege wie beste Lesbarkeit und differenzierte typografische Ausdrucksmittel über alle Kanäle sichergestellt werden. Sketchnote: Nadine Roßa
Es sprechen: Erik Spiekermann (Video), Indra Kupferschmid, Atilla Korap, Johannes Bergerhausen, Henning Skibbe und Michael Hochleitner.
Diskussionen entwickeln Antworten auf alle Satz-Fragen: Wie wähle ich die richtige Schrift? Welche Anforderungen stellen E-Book und Screens? Was bedeutet Unicode? Brauche ich Emojis? Was muss ich beim Einsatz von Schriften in Zeitungen und Zeitschriften besonders beachten?
Noch bis 30. September können sich Teilnehmer zum Early-Bird-Preis von 198 Euro* anmelden (ab 1. Oktober 298 Euro*). Einen satten Rabatt gibt es für das 3er-Gruppenticket: 3 Personen für 447 Euro*. Hier zum TYPO Day Wien anmelden.
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*Laut Kleinunternehmerregelung (§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG) enthalten die Tickets keine Umsatzsteuer.
Adrian Frutiger, 1928–2015
Gestern wurde bekannt, dass der große Schweizer Schriftentwerfer Adrian Frutiger in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag in seinem langjährigen Wohnort Bremgarten bei Bern verstorben ist. Die Nachricht ging wie ein Lauffeuer durch die sozialen Medien, zum Leidwesen der Familie, die den Todesfall – auf ausdrücklichen Wunsch des Designers – nicht direkt der Öffentlichkeit preisgeben wollte. Es wird auch keine Trauerkarten und keine Todesanzeige geben.
Die Bescheidenheit Adrian Frutigers war legendär. Doch bei aller Zurückhaltung konnten er und seine Erben nicht verhindern, dass sich tausende Schriftbenutzer und zig Schriftentwerfer in den vergangenen 24 Stunden von Frutiger verabschiedeten sowie sich für sein einflussreiches Schaffen bedankten. Einige Beispiele:
My great hero and friend, Adrian Frutiger, best type designer of the 20th century, died today. His #Univers was a revolution back in 1957
— erik spiekermann (@espiekermann) 12. September 2015
RIP Adrian Frutiger, the greatest and most influential type designer of the 20th century. — Commercial Type (@commercialtype) 12. September 2015
For the 2nd time this year we say goodbye to a type design legend. We have lost a giant. #RIPAdrianFrutiger pic.twitter.com/kXRqWOqyCL
— Nadine Chahine (@arabictype) 12. September 2015
We are all standing on Adrian Frutiger’s shoulders. May he rest in peace. — Paul van der Laan (@boldmonday) 12. September 2015
We’ve lost Adrian Frutiger. He defined contemporary type, and he defined the role of a type designer today. We’ll never forget him.
— Font Bureau (@fontbureau) 12. September 2015
So sad, so strange to think Adrian Frutiger has left us. His work feels like… bedrock. His letters live(d) all over the places I grew up. — Nina Stössinger (@ninastoessinger) 12. September 2015
Adrian Frutiger wurde am 24. Mai 1928 in Unterseen an der Aare, Kanton Bern, geboren. Nach einer Schriftsetzerlehre in Interlaken und einem Studium an der Kunstgewerbeschule Zürich (1949–1951) bei Alfred Willimann und Walter Käch arbeitete Frutiger zunächst als Grafiker in Zürich. Ein Jahr später wurde er Mitarbeiter der Pariser Schriftgiesserei Deberny & Peignot. Im Sommer 1962 gründete er mit Bruno Pfäffli und André Gürtler sein eigenes Grafikatelier in Arcueil bei Paris.
Aufbau der Univers-Schriftfamilie bei Erscheinen 1954 (weitere Schnitte sind inzwischen hinzugekommen): die erste Ziffer steht für die Strichstärke, die zweite für die Buchstabenbreite, wobei gerade Ziffern »oblique« bedeuten
Die Schrift Univers, die Adrian Frutiger weltberühmt machte, geht auf Übungen zurück, die er bereits 1949 als 21jähriger an der Kunstgewerbeschule durchführte. Das eigentlich Neue an Univers war, dass eine Schriftfamilie erstmals als geschlossenes System entworfen und vermarktet wurde. Ausgangspunkt ist der Normalschnitt Univers 55, von dem aus sich alle weiteren herleiten. Der Kontrast ist so austariert, dass sich die Schrift auch für lange Texte eignet. Frutiger legte großen Wert auf die Abstimmung der Strichstärkenunterschiede zwischen Versalien und Gemeine. Für damalige Zeiten ist die Mittellänge ungewöhnlich hoch.
Univers brauchte 15 Jahre, bis sie überall bekannt und auf den unterschiedlichen Geräten (Blei und Fotosatz) verfügbar war. Dem Ende der 60 Jahre vorherrschenden rationalistischen Stil in der Typografie kam die kühle, systematisch entwickelte Familie entgegen. Sie entsprach dem Anspruch auf ›Total Design‹, wie Wim Crouwel und Ben Bos ihr Designbüro 1964 tauften. In Holland wurde Univers eine Art Nationalschrift, in den USA und Deutschland setzten die Grafiker eher auf Helvetica.
Der technische Wandel des Fotosatzes spornte Adrian Frutiger an: »Im Blei habe ich die Schrift und ihre Fähigkeit, mit immer denselben Lettern die ganze geistige Welt lesbar werden zu lassen, zuerst erlebt. Damit erwachte in mir das Bedürfnis, die bestmögliche Lesbarkeit zu entwickeln.« erinnert er sich rund 30 Jahre später in einer Biografie. »Schnell kam die Zeit, in der ein Text nicht mehr mit Bleibuchstaben, sondern durch einen Lichtstrahl gesetzt wurde. Die Aufgabe, die Schriften der alten Meister vom Hoch- in den Flachdruck umzudenken, war für mich die beste Schule. Als es jedoch um den Grotesk-Stil ging, hatte ich meine eigene Vorstellung: es enstand die Univers-Familie.«
1997 wurde Univers von Adrian Frutiger und Linotype komplett überarbeitet, auf 59 Schnitte erweitert und dreistellig nummeriert: Linotype Univers. 2004 erschien Univers Next mit weiteren Stilen (71 Schnitte), erweitertem Zeichensatz und systematischem Aufbau.
Gesetzt aus aus Frutiger: Schnittmuster für das zweisprachige Leitsystem des »Aéroport Charles de Gaulle«, eröffnet im März 1974
Als der französische Ministerrat 1964 beschloss, auf dem dünn besiedelten Ackergelände nahe der Dorfschaft Roissy-en-France einen neuen Großflughafen zu errichten, wurde der junge Architekt Paul Andreu mit dem Entwurf betraut. Er veranstaltet er eine Serie von Workshops mit Architekten, Designern, Psychologen und Künstlern, darunter Adrian Frutiger, der mit seiner 1957 erschienenen Erfolgsschrift Univers die Beschilderung entwickeln sollte.
Doch Univers war ihm zu geometrisch und geschlossen für die schnelle Wahrnehmung auf Wegweisern. Also griff Frutiger auf einen 7 Jahre alten Sans-Serif Entwurf namens »Concorde« zurück, den er mit André Gürtler für das Satzunternehmen Sofratype gezeichnet hatte. Die Farbpsychologen legten für das Leitsystem einen gelben Hintergrund fest, die französischen Hinweise sollten in weiß, die englischen in schwarz aufgedruckt werden. Für die Präsentation griff Frutiger zu Letraset-Farbfolien. Das Wort ›Départ‹ schnitt er mit einer kräftigeren Concorde aus, das schwarze ›Departures‹ klebte er darunter auf. Die bessere Lesbarkeit gegenüber Univers überzeugte sofort alle. Und Paul Andreu war begeistert von der Idee einer eigenen ›Flughafenschrift‹.
Als der »Aéroport Charles de Gaulle« im März 1974 eingeweiht wurde, setzte auch das Leitsystem Maßstäbe. Typografen aus aller Welt wünschten sich die Schrift für Drucksachen. 1977 brachten die D. Stempel AG und Linotype Frutiger auf den Markt. Sie wird rasch zum Bestseller und mehrfach erweitert, zuletzt 1999 vom Schöpfer selbst.
Bis heute im Einsatz: Die Schrift Frutiger auf dem Flughafen Charles de Gaulle in Paris
Zwei Jahre nahm sich Adrian Frutiger Zeit für den »Relaunch« Frutiger Next. Alle Zeichen wurden neu digitalisiert, wobei die Grundformen nahezu unverändert blieben. Lediglich das ß und das et-Zeichens entstanden neu, s und t erfuhren ein dezentes Facelifting. Die Strichstärkenabstimmung ergab nun 6 statt 5 Stufen, und eine echte Kursive rundete Frutiger Next ab.
Univers und Frutiger sind nur zwei von über 20 Schriftfamilien, die Adrian Frutiger in rund 60 Jahren schuf. Dabei ist bemerkenswert, dass er in allen Schriftdesign-Stilen eine bahnbrechende Qualität schuf. Seine Avenir ist eine der besten geometrischen Sans-Schriften, Egyptienne F und Glypha werden von den Freunden der Slab-Serif-Schriften verehrt und seine Vectora ist immer noch einzigartig in der Klasse der Anglo-Grotesk-Schriften.
Alle diese Schriften tragen Adrian Frutigers Design-Philosophie in sich, nämlich dass »Lesbarkeit und Schönheit ganz nahe beieinander stehen und dass die Schriftgestalt in ihrer Zurückhaltung vom Leser nicht erkannt, sondern nur erfühlt werden darf. Die gute Schrift ist diejenige, die sich aus dem Bewußtsein des Lesers zurückzieht, um den Geist des Schreibenden und dem Verstehen des Lesenden alleiniges Werkzeug zu sein.« Mit anderen Worten: Die Qualität von Frutigers Schriften beruht nicht auf oberflächlichem bzw. formalen Kriterien, sondern einer strukturellen Leserlichkeit. Diese DNA in seinen Entwürfen zu entdecken bedarf eines geschulten Auges. So gesehen wäre es nicht überraschend, wenn auch die (noch) nicht so populären aber gleichermaßen vorzüglichen Schriften von Adrian Frutiger irgendwann den Durchbruch in der typografischen Welt schaffen.
Im Jahr 2007 führte der Berliner Filmemacher Sebastian Rohner ein langes Interview mit dem Schweizer Schriftentwerfer Adrian Frutiger. »Einer der größten Designer des 20. Jahrhunderts ist den meisten Menschen vollkommen unbekannt. Dieses Interview soll das ändern.« schrieb er in der Erläuterung des inzwischen auf YouTube freigegebenen Videos. Der aufschlussreiche Film wirft nicht nur ein Licht auf den bedeutenden Schriftentwerfer sondern auf eine Designdisziplin, die kaum exotischer sein könnte und doch alle (lesenden) Menschen berührt.
Frische Farben für das nächste Jahr
Das nächste Schuljahr hat in Berlin gerade begonnen. Begleitet von guten Vorsätzen für den Lernerfolg. Für die guten Farb-Vorsätze im kommenden Kalenderjahr bringt der Hermann Schmidt Verlag Mainz den C | M | Y | K Color Swatch Calendar 2016 heraus, ein schön gestalteter Kalender mit Farbinspiration für jeden Tag.
Peter von Freyhold gestaltete ein »Farb-Septett« pro Woche, das durch tägliches Abreißen eines Farbstreifens mit den darunter liegenden Farben in Dialog tritt. Jeder Farbstreifen zeigt die Wirkung seiner Farbe auf zweiseitigem Chromokarton (coated/uncoated) und verrät die exakten Prozentwerte von Cyan, Magenta, Yellow und Black.
Mittels der im Kalenderkopf eingebauten Buchschraube lassen sich eigene Farbwelten zusammenstellen: beim Entwurfsprozess, im Kundenmeeting, während der Planungsphase. Und während die Kalenderblätter fallen, füllt sich das private Favoritenkästchen von Tag zu Tag. Selbstverständlich lassen sich die Farbstreifen auch als Lesezeichen, Notizzettel oder für analoge Short Messages verwenden.
Peter von Freyhold:
CMYK-Farbfächer-Kalender 2016, coated/uncoated, Wochenkalender mit 371 Tages-Farbstreifen zum Abreißen und Generieren täglich neuer Farbmischungen mit genauen CMYK-Werten in einer Box zum Archivieren der Farbstreifen, Format 11 x 24 cm.
→ Kalender beim Verlag bestellen …
Welche sind Eure persönlichen Farbtrends für diesen Herbst? Und warum? Unter allen Kommentierenden verlosen wir unser Rezensionsexemplar. Einsendeschluss ist übermorgen, Freitag, der 4. September um 12:00 Uhr mittags.
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Fotos: © Peter von Freyhold