Braucht die Welt einen deutschen E-Book-Award?
Leider ja! Weil die traditionellen Buchwettbewerbe das E-Book ignorieren. Zwei Gespräche, die ich zum Thema E-Book mit der Stiftung Buchkunst geführt habe, die Veranstalterin des Wettbewerbs Schönste Deutsche Bücher, waren nicht sehr ergiebig. Die Druckbücherwelt ist entweder
- vernagelt, weil selbstverliebt
- verängstigt, weil Geschäftsmodelle zusammenbrechen, oder
- betriebsblind, was einem Todesurteil gleichkommt
Mich erinnert das an die Druckvorstufe vor knapp 30 Jahren. Wir haben 1986 die Zeitschrift PAGE mit der Mission gestartet, die neue Technik des Desktop Publishing (DTP) zu feiern. Heute ist alles DTP, und die Maschinen und die Jobs von damals sind untergegangen. Wir wurden belächelt: »Mickey-Maus-Design«, »miese Qualität«, »alles nur eine Phase«. Aber wir waren berauscht von den neuen Möglichkeiten. Genauso wie die E-Book-Freunde heute berauscht sind von den neuen Möglichkeiten.
Weil uns keiner zuhörte, haben wir 1988 einen eigenen Designwettbewerb ins Leben gerufen und drei Jahre durchgeführt. Zugelassen waren nur Drucksachen, die im Desktop Publishing erstellt wurden. Ein ziemlich hirnrissiger Ansatz, denn gutes Grafikdesign ist – unabhängig vom Werkzeug – einfach nur gutes Grafikdesign. Aber gut, wir waren jung, wir waren high, wir wollten den branchenpolitischen Paukenschlag.
Geschichte wiederholt sich. Den Deutschen E-Book-Award muss es geben, weil das E-Book das Buch der Zukunft ist. Vergesst die klassischen Buchverlage und die klassischen Wettbewerbe. Je länger sie das E-Book ausblenden, um so schneller werden sie untergehen. Von dieser Seite ist keine Hilfe zu erwarten, wenn wie die E-Book-Qualität verbessern möchten … zum Beispiel mit einem Gestaltungswettbewerb für E-Books.
Habe ich »Gestaltung« gesagt? Oh, das tut mir leid. Das Wort ist nicht gerne gesehen beim E-Book-Wettbewerb. Oder genauer: Es stößt auf Unverständnis, wie meine Twitter-Konversation belegt. Irgendwie seltsam, wenn man auf der Suchen nach den »schönsten deutschsprachigen eBooks« ist, Themen wie Leserführung, Bildsprache, Typografie und dergleichen auszublenden.
Der Schriftentwerfer und Screenfont-Experte Tim Ahrens war der erste, dem etwas in der Jury auffiel:
@Fontblog @eBookAward Schön, aber ist da wirklich kein Designer in der Jury?
— Tim Ahrens (@TimAhrens) 29. Juli 2014
Tatsächlich besteht die Jury aus drei Buchhändlern, zwei E-Book-Herstellern, einem Journalisten und einem App-Entwickler. Kein Typograf, kein Buchgestalter, kein UX-Designer. Ich glaubte zunächst: »Hoppla, vergessen.« Nee, die Sache hat System, denn:
@Fontblog @TimAhrens @fabian_kern Keine Grafikdesigner, aber Digitalhersteller. Sollte doch aufs gleiche hinauslaufen, oder?
— Dt. eBook Award (@eBookAward) 29. Juli 2014
OK, dachte ich kurz, Ahnungslosigkeit in Reinform. Was kann man da noch machen. Vielleicht einen (vor)letzten Versuch der Erläuterung wagen:
@Fontblog Darum geht es auch, jedoch im geringeren Maße. eBooks haben ihr Potenzial vor allem in technischen Aspekten auszuspielen.
— Dt. eBook Award (@eBookAward) 30. Juli 2014
Das nenne ich Lagerdenken. Selbst überzeuge Buchregalanbeter nervt, wie sich die Börsenbuchhandeldruckfraktion nur noch am Duft von Papier, seiner Haptik, der Druckerschwärze und ihren feuchten Zeigefingern berauscht. Plötzlich schlagen die E-Book-Apologeten in die gleiche Kerbe. Das Potenzial des E-Book liege in »technischen Aspekten«. Das würde der Hersteller eines gedruckten Buchs sofort unterschreiben: Papiergewicht, Seitenzahl, Schutzumschlag, Lesezeichen, Bindung, Druckverfahren, Repros, Schriftart, … alles tolle technische Aspekte. Nur: Wer ist denn für die Regie dieser technischen Aspekte verantwortlich, damit ein schönes Buch entsteht? Dreimal darfst du raten, @eBookAward.
Mein letzter Versuch:
@Fontblog Unserer Ansicht nach ist eine Fokussierung auf Typo eine stiefmütterliche Sicht auf diese Medienform.
— Dt. eBook Award (@eBookAward) 30. Juli 2014
Hey, wacht auf beim Deutschen E-Book-Award. Wenn ihr gar nicht erst versucht, die Ignoranten der Printfraktion mit ihren eigenen Argumenten und Ansprüchen umzudrehen, wird der Award schon im Geburtsjahr im selbst gemauerten Ghetto verhungern. Es geht um das Buch an sich, nicht um das E-Book und nicht um das Papierbuch. Nur um das Buch und seine Inhalte. Die Zukunft des Buches liegt im E-Book. Erst recht, wenn es schön gestaltet ist. Aber das »schöne E-Book« wird weder von künstlicher Intelligenz, noch von Programmierern gestaltet. Es gibt einen Beruf für diese Aufgabe und ein Dutzend Hochschulen im Land, wo Buchgestalter ausgebildet werden. Das sollte sich im Land der Dichter und Denker vielleicht auch mal in der E-Book-Ecke herumsprechen.
(Aufmacherfoto: Courtesy of Shutterstock)
Ansichtskarte von Martina Flor
Die argentinische Schriftkünstlerin Martina Flor hat einen Online-Grußkarten-Service ins Leben gerufen: Letter Collections. Um diese bekannt zu machen, schickt sie jeden Tag einer Freundin oder einem Freund, die/der gut vernetzt ist, eine gedruckte Ansichtskarte. Diesen Vorgang dokumentiert sie auf Instagram und Twitter. Die Motive wählt Martine Flor sorgfältig aus, passend zur Person.
Heute habe ich ihre Karte erhalten. »Something Wonderful is about to Happen«. Besser hätte ich es nicht sagen können … genau das empfinde ich im Moment. Vielen Dank, Martina, für den lieben Gruß.
ADC-Seminar »Kreativtechniken« in Berlin
Wo kommt Inspiration eigentlich her? Wie wird aus einem ersten Gedanken ein Konzept oder eine Kampagne? Die gute Nachricht: Kreativität lässt sich fördern und steuern! Das ADC Seminar »Kreativtechniken & Ideenfindung« am 3. September 2014 in Berlin offenbart Kreativen neue Perspektiven und nimmt die Angst vor dem leeren Blatt.
ADC Mitglied Nicole Hoefer-Wirwas hinterfragt mit den Teilnehmern, welche Kreativtechniken für welche Aufgaben am nützlichsten sind, wie man Ideen bewertet, die beste auswählt und weiter optimiert und wie Kreativteams zu besseren Ergebnissen kommen. Weitere Informationen …
Effekt-Fonts: Schneller, Weiter, Höher – 2. Weiter
ie weit entfernten Teile Asiens, mit den Ländern um China, Japan und Korea und auch Indien, bezeichnen wir oft eurozentrisch als Fernost. Selbst Amerikaner sprechen von Far East, obwohl die Region westlich von Amerika liegt. Als Begriff, der aus der Kolonialzeit stammt, weicht Fernost zunehmend der Bezeichnung Ostasien (Quelle: Wikipedia). Die Ruhe ausstrahlende Buddha-Statue auf dem Regal, der Asia-Snack aus der Garküche (oder Tüte), konfuzianische Kalender-Sinnsprüche oder die Bubble-Tee-Erfrischung hektischer Metropolen – sie alle belegen, wie selbstverständlich asiatische Kultur unseren Alltag prägt.
Displayschriften im Asien-Stil greifen die Ästhetik chinesischer, japanischer oder koreanischer Schriftzeichen auf und übertragen Sie auf unsere lateinischen Zeichen. Auf Verpackungen, in Auszeichnungen oder auf Flyern und Anzeigen: Wo diese Fonts auftauchen entsteht unverwechselbares Asia-Ambiente. Wir haben lateinische Asia-Schriften in der Fontliste »Faux Asian« versammelt:
Wonton™ Regular, | Linotype | | 1 Font | 26 Euro |
URW Mandarin Caps OT Std | , URW | | 1 Font | 29 Euro |
Kanban™ | , ITC | | 1 Font | 26 Euro |
FF Manga Steel OT | , FontFont | | 4 Fonts | 39 Euro |
FF Manga Stone OT | , FontFont | | 4 Fonts | 39 Euro |
, Linotype |
| 2 Fonts | 51 Euro |
Sho™ Std Roman | , Linotype | | 1 Font | 29 Euro |
Totally Gothic | , Emigre | | 3 Fonts | 50 Euro |
Mao Mao | , Elsner+Flake | | 1 Font | 35 Euro |
Linotype Chineze Pack | , Linotype | | 3 Fonts | 78 Euro |
Fusaka™ Std Regular | , Linotype | | 1 Font | 29 Euro |
CS Takahashi OT Std | , URW | | 1 Font | 29 Euro |
Direkt in der Faux-Asia-Liste können Sie eigene Schriftmuster erstellen. Fontlisten finden Sie zu einer Vielzahl von Themen, zum Beispiel Genres, Formate, Non-Latin oder Entstehungsperiode. Hier zur Fontlisten-Übersicht.
Hat FontFont seine Designer getäuscht?
Vorweg ein Kompliment an die PAGE-Redaktion, die mit zwei Beiträgen (»Monotype/FontShop … Was sagt die Community« Teil 1 und Teil 2) und angesehenen Experten die Debatte um die Akquise anführt. Gerne möchten Ivo und ich die Diskussion mit den Lesern an dieser Stelle fortsetzen. Dabei soll es (erneut) weniger um gute oder schlechte Gefühle bei dem Deal gehen, sondern um Fakten. Genauer: Um den Vorwurf, FontShop bzw. FontFont habe den Verkauf bereits im vergangenen Jahr vorbereitet oder eingefädelt. Als Indiz werden geänderte Vertragsbedingungen für die FontFont-Designer herangezogen, nämlich die Erhöhung der Tantiemen von 20 % auf 30 % und die Verlängerung der Vertragslaufzeit von 5 auf 10 Jahre.
Fakt ist: Es gab 2013 keinerlei Anfragen, Angebote oder Gespräche über einen Verkauf der FontFonts. Wäre dem so gewesen, hätten wir bestimmt nicht den Designern das Angebot gemacht, ihre Marge zu erhöhen und die Verträge zu verlängern. Das widerspräche jeglicher Verkaufsstrategie, weil es entweder den Verkaufspreis drastisch nach unten gedrückt oder aber den Deal sofort zum Platzen gebracht hätte.
Der Grund für die Anhebung der Marge und die Verlängerung der Verträge waren vor allem geänderte Randbedingungen in der Font-Industrie:
- es gab noch nie so viele professionelle Foundries, und damit Alternativen für Type-Designer, ihre Schriften auf den Markt zu bringen
- auch der Schritt zur Ein-Mann/Frau-Foundry war ebenfalls noch nie so einfach und
- alternative Vertriebswege versprachen höhere Einnahmen als der Verkauf über FontFont/FontShop
Und weil bereits einige FontFont-Designer ihre neueren Schriften woanders oder selbst vertrieben, sollte die angehobene Marge und die Verlängerung der Vertragsdauer dem FontFont-Marketing und -Vertrieb mehr Sicherheit bringen.
Dass die 10-Jahresfrist heute für die FontFont-Designer fast wichtiger zu sein scheint als für die Foundry, ist eine Ironie des Schicksals – geplant war es so nicht. (Ivo Gabrowitsch, Jürgen Siebert)
Wie sich ein 7-jähriger das Versal-ß vorstellt
FontShop hat Post bekommen, von Lukas Mascher, aus Berlin, 7 Jahre alt, 2. Klasse. Kurz vor Ende des Schuljahres schrieb er uns: »Ich wollte oich das große ß zeigen« und legte eine Reinzeichnung dazu. Seine Mutter erläuterte auf einem separaten Briefbogen: »Liebe FontShopler, nachdem Lukas gehört hat, dass es gar kein großes ß gibt, hat er eines erfunden und schickt es euch. Er wird (0der ist) Erfinder und hat den Mangel mal schnell behoben.«
Lieber Lukas, wir freuen uns, dass du Erfinder werden möchtest: Hilfreiche Ideen und Geräte machen viele Menschen glücklich, und erst recht den Erfinder selbst. Über einen Großbuchstaben ß, den wir auch Versal-Eszett nennen, haben sich tatsächlich schon einige Experten Gedanken gemacht. Da sich noch keine verbindliche Form durchgesetzt hat, wird der neue Buchstabe noch nicht in der Schule gelehrt. Einen Entwurf mit drei Bäuchen hat übrigens noch kein Schriftentwerfer zur Diskussion gestellt. Vielen Dank für den tollen Vorschlag. Mal sehen, wie deine Idee hier im Fontblog diskutiert wird.
Hans Eduard Meier (1922 – 2014)
Hans Eduard Meier im Juni 2001 auf der Type-It in Stuttgart (Foto: Michael Bundscherer)
Viel berühmter als der Name des Schweizer Designers ist seine Schrift, die Syntax. Hans Ed. Meier ist der Erfinder eines ganz speziellen und sehr populären Schriftstils, der zur Gruppe der serifenlosen Linear-Antiqua gehört und salopp gerne als »humanistische Sans« bezeichnet wird. Die FF Meta ist vielleicht der populärste Vertreter dieser Gattung, doch bevor es die gab, arbeitet man bei MetaDesign in Berlin mit der Syntax, zum Beispiel als Textschrift für den legendären Marlboro-Design-Shop-Katalog Anfang der 1990er Jahre. Syntax war damals gesetzt, wenn eine sympathische Sans gewünscht war.
Meiers Syntax vereint die Klarheit der Groteskschriften mit der Wärme und Lesbarkeit der Renaissance-Antiqua. Die Großbuchstaben leitet Meyer sogar aus der ganz frühen Römischen Lapidarschrift ab (2. J. v. Chr), die keine Serifen und kaum Kontrast kannte. Jeden Buchstaben, jede Ziffer, jedes Satzzeichen zeichnete Meier mit Tuschepinsel und Feder. Anschließend korrigierte er mit weißer Farbe oder Rasierklinge so lange, bis die Form exakt seinen Vorstellungen entsprach. Genau 14 Jahre hat Hans Meier an der ersten »Antiqua ohne Serifen« gearbeitet, von 1954 bis 1968.
Mitte 1968 kommt die wegweisende Schrift unter der Bezeichnung »Syntax Antiqua« bei D. Stempel für den Handsatz auf den Markt. Jan Tschichold ist voll des Lobes: »… vorzüglich, sehr gut leserlich, gut zugerichtet: Besser als die ihr verwandte Gill Sans.«
Auch im Digitalzeitalter gab Hans Ed. Meier die Zügel nicht aus der Hand. Die Wiederveröffentlichung und Erweiterung seiner Erfolgsschrift als Linotype Syntax im Jahr 2000 (siehe Abbildung, gesetzt in FontBook) lief komplett über den Rechner des damals 78-Jährigen, vom Entwurf bis zur Bildschirmoptimierung.
Sein Schüler und Weggefährte Beat Stamm schreibt heute in einer Rund-Mail an Kollegen: “This past Tuesday Hans Eduard Meier passed away peacefully. I’ll fondly remember Hans’ humorous yet patient way to teach me the basics of typography. Rest in Peace, Hans.”
Heute beim Creative Morning: Light Printing
Unser Sprecher beim heutigen Creative Morning ware die Fahrrad-Event-Truppe Trafo Pop, vertreten durch Thomas Gnahm. Er zeigte uns, wie sie in Workshops LED-Klamotten herstellen und Geräte für Performances austüfteln. Eines davon ist der mobile Lichtdruckkopf, mit dem sich eine Grafik zeilenweise in den Raum stellen lässt. Aufgenommen mit einer Langzeitbelichtung ergeben sich Hologrammartige Bilder. Mehr Bilder dazu später …