Fontblog Artikel im Juli 2014

Braucht die Welt einen deutschen E-Book-Award?

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Leider ja! Weil die tradi­tio­nellen Buchwettbewerbe das E-Book igno­rieren. Zwei Gespräche, die ich zum Thema E-Book mit der Stiftung Buchkunst geführt habe, die Veranstalterin des Wettbewerbs Schönste Deutsche Bücher, waren nicht sehr ergiebig. Die Druckbücherwelt ist entweder

  • verna­gelt, weil selbstverliebt
  • verängs­tigt, weil Geschäftsmodelle zusam­men­bre­chen, oder
  • betriebs­blind, was einem Todesurteil gleichkommt

Mich erin­nert das an die Druckvorstufe vor knapp 30 Jahren. Wir haben 1986 die Zeitschrift PAGE mit der Mission gestartet, die neue Technik des Desktop Publishing (DTP) zu feiern. Heute ist alles DTP, und die Maschinen und die Jobs von damals sind unter­ge­gangen. Wir wurden belä­chelt: »Mickey-Maus-Design«, »miese Qualität«, »alles nur eine Phase«. Aber wir waren berauscht von den neuen Möglichkeiten. Genauso wie die E-Book-Freunde heute berauscht sind von den neuen Möglichkeiten.

Weil uns keiner zuhörte, haben wir 1988 einen eigenen Designwettbewerb ins Leben gerufen und drei Jahre durch­ge­führt. Zugelassen waren nur Drucksachen, die im Desktop Publishing erstellt wurden. Ein ziem­lich hirn­ris­siger Ansatz, denn gutes Grafikdesign ist – unab­hängig vom Werkzeug – einfach nur gutes Grafikdesign. Aber gut, wir waren jung, wir waren high, wir wollten den bran­chen­po­li­ti­schen Paukenschlag.

Geschichte wieder­holt sich. Den Deutschen E-Book-Award muss es geben, weil das E-Book das Buch der Zukunft ist. Vergesst die klas­si­schen Buchverlage und die klas­si­schen Wettbewerbe. Je länger sie das E-Book ausblenden, um so schneller werden sie unter­gehen. Von dieser Seite ist keine Hilfe zu erwarten, wenn wie die E-Book-Qualität verbes­sern möchten … zum Beispiel mit einem Gestaltungswettbewerb für E-Books.

Habe ich »Gestaltung« gesagt? Oh, das tut mir leid. Das Wort ist nicht gerne gesehen beim E-Book-Wettbewerb. Oder genauer: Es stößt auf Unverständnis, wie meine Twitter-Konversation belegt. Irgendwie seltsam, wenn man auf der Suchen nach den »schönsten deutsch­spra­chigen eBooks« ist, Themen wie Leserführung, Bildsprache, Typografie und derglei­chen auszublenden. 

Der Schriftentwerfer und Screenfont-Experte Tim Ahrens war der erste, dem etwas in der Jury auffiel: 

Tatsächlich besteht die Jury aus drei Buchhändlern, zwei E-Book-Herstellern, einem Journalisten und einem App-Entwickler. Kein Typograf, kein Buchgestalter, kein UX-Designer. Ich glaubte zunächst: »Hoppla, vergessen.« Nee, die Sache hat System, denn:

OK, dachte ich kurz, Ahnungslosigkeit in Reinform. Was kann man da noch machen. Vielleicht einen (vor)letzten Versuch der Erläuterung wagen: 

Das nenne ich Lagerdenken. Selbst über­zeuge Buchregalanbeter nervt, wie sich die Börsenbuchhandeldruckfraktion nur noch am Duft von Papier, seiner Haptik, der Druckerschwärze und ihren feuchten Zeigefingern berauscht. Plötzlich schlagen die E-Book-Apologeten in die gleiche Kerbe. Das Potenzial des E-Book liege in »tech­ni­schen Aspekten«. Das würde der Hersteller eines gedruckten Buchs sofort unter­schreiben: Papiergewicht, Seitenzahl, Schutzumschlag, Lesezeichen, Bindung, Druckverfahren, Repros, Schriftart, … alles tolle tech­ni­sche Aspekte. Nur: Wer ist denn für die Regie dieser tech­ni­schen Aspekte verant­wort­lich, damit ein schönes Buch entsteht? Dreimal darfst du raten, @eBookAward.

Mein letzter Versuch:

Hey, wacht auf beim Deutschen E-Book-Award. Wenn ihr gar nicht erst versucht, die Ignoranten der Printfraktion mit ihren eigenen Argumenten und Ansprüchen umzu­drehen, wird der Award schon im Geburtsjahr im selbst gemau­erten Ghetto verhun­gern. Es geht um das Buch an sich, nicht um das E-Book und nicht um das Papierbuch. Nur um das Buch und seine Inhalte. Die Zukunft des Buches liegt im E-Book. Erst recht, wenn es schön gestaltet ist. Aber das »schöne E-Book« wird weder von künst­li­cher Intelligenz, noch von Programmierern gestaltet. Es gibt einen Beruf für diese Aufgabe und ein Dutzend Hochschulen im Land, wo Buchgestalter ausge­bildet werden. Das sollte sich im Land der Dichter und Denker viel­leicht auch mal in der E-Book-Ecke herumsprechen.

(Aufmacherfoto: Courtesy of Shutterstock)


Ansichtskarte von Martina Flor

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Die argen­ti­ni­sche Schriftkünstlerin Martina Flor hat einen Online-Grußkarten-Service ins Leben gerufen: Letter Collections. Um diese bekannt zu machen, schickt sie jeden Tag einer Freundin oder einem Freund, die/der gut vernetzt ist, eine gedruckte Ansichtskarte. Diesen Vorgang doku­men­tiert sie auf Instagram und Twitter. Die Motive wählt Martine Flor sorg­fältig aus, passend zur Person.

Heute habe ich ihre Karte erhalten. »Something Wonderful is about to Happen«. Besser hätte ich es nicht sagen können … genau das empfinde ich im Moment. Vielen Dank, Martina, für den lieben Gruß.


ADC-Seminar »Kreativtechniken« in Berlin

seminar

Wo kommt Inspiration eigent­lich her? Wie wird aus einem ersten Gedanken ein Konzept oder eine Kampagne? Die gute Nachricht: Kreativität lässt sich fördern und steuern! Das ADC Seminar »Kreativtechniken & Ideenfindung« am 3. September 2014 in Berlin offen­bart Kreativen neue Perspektiven und nimmt die Angst vor dem leeren Blatt.
ADC Mitglied Nicole Hoefer-Wirwas hinter­fragt mit den Teilnehmern, welche Kreativtechniken für welche Aufgaben am nütz­lichsten sind, wie man Ideen bewertet, die beste auswählt und weiter opti­miert und wie Kreativteams zu besseren Ergebnissen kommen. Weitere Informationen …


Effekt-Fonts: Schneller, Weiter, Höher – 2. Weiter

FontShop Breeze™ Rightie weit entfernten Teile Asiens, mit den Ländern um China, Japan und Korea und auch Indien, bezeichnen wir oft euro­zen­trisch als Fernost. Selbst Amerikaner spre­chen von Far East, obwohl die Region west­lich von Amerika liegt. Als Begriff, der aus der Kolonialzeit stammt, weicht Fernost zuneh­mend der Bezeichnung Ostasien (Quelle: Wikipedia). Die Ruhe ausstrah­lende Buddha-Statue auf dem Regal, der Asia-Snack aus der Garküche (oder Tüte), konfu­zia­ni­sche Kalender-Sinnsprüche oder die Bubble-Tee-Erfrischung hekti­scher Metropolen – sie alle belegen, wie selbst­ver­ständ­lich asia­ti­sche Kultur unseren Alltag prägt.

Displayschriften im Asien-Stil greifen die Ästhetik chine­si­scher, japa­ni­scher oder korea­ni­scher Schriftzeichen auf und über­tragen Sie auf unsere latei­ni­schen Zeichen. Auf Verpackungen, in Auszeichnungen oder auf Flyern und Anzeigen: Wo diese Fonts auftau­chen entsteht unver­wech­sel­bares Asia-Ambiente. Wir haben latei­ni­sche Asia-Schriften in der  Fontliste »Faux Asian« versammelt:

FontShop_Wanton Regular

Wonton™ Regular,  Linotype  | 1 Font | 26 Euro

FontShop_Mandarin Caps

URW Mandarin Caps OT Std ,  URW | 1 Font | 29 Euro

FontShop_Kanban

Kanban™ ,  ITC  | 1 Font | 26 Euro

FontShop FF Manga Steel

FF Manga Steel OT ,  FontFont | 4 Fonts |  39 Euro

FF Manga Stone

FF Manga Stone OT ,  FontFont | 4 Fonts | 39 Euro

FontShop Breeze Complete

Breeze Complete Pack

, Linotype

| 2 Fonts | 51 Euro

FontShop Sho Roman

Sho™ Std Roman Linotype   | 1 Font | 29 Euro

FontShop Totally Gothic

Totally Gothic ,  Emigre  | 3 Fonts | 50 Euro

Mao Mao ,  Elsner+Flake  | 1 Font | 35 Euro

FontShop Chineze

Linotype Chineze Pack ,  Linotype  | 3 Fonts | 78 Euro

FontShop Fusaka

Fusaka™ Std Regular ,  Linotype   | 1 Font | 29 Euro

FontShop CS Takahashi

CS Takahashi OT Std ,  URW  | 1 Font | 29 Euro

drei Asia Sterne

Direkt in der Faux-Asia-Liste können Sie eigene Schriftmuster erstellen. Fontlisten finden Sie zu einer Vielzahl von Themen, zum Beispiel Genres, Formate, Non-Latin oder Entstehungsperiode. Hier zur Fontlisten-Übersicht.


Hat FontFont seine Designer getäuscht?

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Vorweg ein Kompliment an die PAGE-Redaktion, die mit zwei Beiträgen (»Monotype/FontShop … Was sagt die Community« Teil 1 und Teil 2) und ange­se­henen Experten die Debatte um die Akquise anführt. Gerne möchten Ivo und ich die Diskussion mit den Lesern an dieser Stelle fort­setzen. Dabei soll es (erneut) weniger um gute oder schlechte Gefühle bei dem Deal gehen, sondern um Fakten. Genauer: Um den Vorwurf, FontShop bzw. FontFont habe den Verkauf bereits im vergan­genen Jahr vorbe­reitet oder einge­fä­delt. Als Indiz werden geän­derte Vertragsbedingungen für die FontFont-Designer heran­ge­zogen, nämlich die Erhöhung der Tantiemen von 20 % auf 30 % und die Verlängerung der Vertragslaufzeit von 5 auf 10 Jahre.

Fakt ist: Es gab 2013 keinerlei Anfragen, Angebote oder Gespräche über einen Verkauf der FontFonts. Wäre dem so gewesen, hätten wir bestimmt nicht  den Designern das Angebot gemacht, ihre Marge zu erhöhen und die Verträge zu verlän­gern. Das wider­spräche jegli­cher Verkaufsstrategie, weil es entweder den Verkaufspreis dras­tisch nach unten gedrückt oder aber den Deal sofort zum Platzen gebracht hätte.

Der Grund für die Anhebung der Marge und die Verlängerung der Verträge waren vor allem geän­derte Randbedingungen in der Font-Industrie:

  • es gab noch nie so viele profes­sio­nelle Foundries, und damit Alternativen für Type-Designer, ihre Schriften auf den Markt zu bringen
  • auch der Schritt zur Ein-Mann/Frau-Foundry war eben­falls noch nie so einfach und
  • alter­na­tive Vertriebswege verspra­chen höhere Einnahmen als der Verkauf über FontFont/FontShop

Und weil bereits einige FontFont-Designer ihre neueren Schriften woan­ders oder selbst vertrieben, sollte die ange­ho­bene Marge und die Verlängerung der Vertragsdauer dem FontFont-Marketing und -Vertrieb mehr Sicherheit bringen.

Dass die 10-Jahresfrist heute für die FontFont-Designer fast wich­tiger zu sein scheint als für die Foundry, ist eine Ironie des Schicksals – geplant war es so nicht. (Ivo Gabrowitsch, Jürgen Siebert)


Wie sich ein 7-jähriger das Versal-ß vorstellt

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FontShop hat Post bekommen, von Lukas Mascher, aus Berlin, 7 Jahre alt, 2. Klasse. Kurz vor Ende des Schuljahres schrieb er uns: »Ich wollte oich das große ß zeigen« und legte eine Reinzeichnung dazu. Seine Mutter erläu­terte auf einem sepa­raten Briefbogen: »Liebe FontShopler, nachdem Lukas gehört hat, dass es gar kein großes ß gibt, hat er eines erfunden und schickt es euch. Er wird (0der ist) Erfinder und hat den Mangel mal schnell behoben.«

versal_sz_lukasLieber Lukas, wir freuen uns, dass du Erfinder werden möch­test: Hilfreiche Ideen und Geräte machen viele Menschen glück­lich, und erst recht den Erfinder selbst. Über einen Großbuchstaben ß, den wir auch Versal-Eszett nennen, haben sich tatsäch­lich schon einige Experten Gedanken gemacht. Da sich noch keine verbind­liche Form durch­ge­setzt hat, wird der neue Buchstabe noch nicht in der Schule gelehrt. Einen Entwurf mit drei Bäuchen hat übri­gens noch kein Schriftentwerfer zur Diskussion gestellt. Vielen Dank für den tollen Vorschlag. Mal sehen, wie deine Idee hier im Fontblog disku­tiert wird.


Hans Eduard Meier (1922 – 2014)

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Hans Eduard Meier im Juni 2001 auf der Type-It in Stuttgart (Foto: Michael Bundscherer)

Viel berühmter als der Name des Schweizer Designers ist seine Schrift, die Syntax. Hans Ed. Meier ist der Erfinder eines ganz spezi­ellen und sehr popu­lären Schriftstils, der zur Gruppe der seri­fen­losen Linear-Antiqua gehört und salopp gerne als »huma­nis­ti­sche Sans« bezeichnet wird. Die FF Meta ist viel­leicht der popu­lärste Vertreter dieser Gattung, doch bevor es die gab, arbeitet man bei MetaDesign in Berlin mit der Syntax, zum Beispiel als Textschrift für den legen­dären Marlboro-Design-Shop-Katalog Anfang der 1990er Jahre. Syntax war damals gesetzt, wenn eine sympa­thi­sche Sans gewünscht war.

syntax_musterMeiers Syntax vereint die Klarheit der Groteskschriften mit der Wärme und Lesbarkeit der Renaissance-Antiqua. Die Großbuchstaben leitet Meyer sogar aus der ganz frühen Römischen Lapidarschrift ab (2. J. v. Chr), die keine Serifen und kaum Kontrast kannte. Jeden Buchstaben, jede Ziffer, jedes Satzzeichen zeich­nete Meier mit Tuschepinsel und Feder.  Anschließend korri­gierte er mit weißer Farbe oder Rasierklinge so lange, bis die Form exakt seinen Vorstellungen entsprach. Genau 14 Jahre hat Hans Meier an der ersten »Antiqua ohne Serifen« gear­beitet, von 1954 bis 1968.

Mitte 1968 kommt die wegwei­sende Schrift unter der Bezeichnung »Syntax Antiqua« bei D. Stempel für den Handsatz auf den Markt. Jan Tschichold ist voll des Lobes: »… vorzüg­lich, sehr gut leser­lich, gut zuge­richtet: Besser als die ihr verwandte Gill Sans.«

Auch im Digitalzeitalter gab Hans Ed. Meier die Zügel nicht aus der Hand. Die Wiederveröffentlichung und Erweiterung seiner Erfolgsschrift als Linotype Syntax im Jahr 2000 (siehe Abbildung, gesetzt in FontBook) lief komplett über den Rechner des damals 78-Jährigen, vom Entwurf bis zur Bildschirmoptimierung.

Sein Schüler und Weggefährte Beat Stamm schreibt heute in einer Rund-Mail an Kollegen: “This past Tuesday Hans Eduard Meier passed away peacefully. I’ll fondly remember Hans’ humo­rous yet patient way to teach me the basics of typo­graphy. Rest in Peace, Hans.”


Heute beim Creative Morning: Light Printing

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Unser Sprecher beim heutigen Creative Morning ware die Fahrrad-Event-Truppe Trafo Pop, vertreten durch Thomas Gnahm. Er zeigte uns, wie sie in Workshops LED-Klamotten herstellen und Geräte für Performances austüf­teln. Eines davon ist der mobile Lichtdruckkopf, mit dem sich eine Grafik zeilen­weise in den Raum stellen lässt. Aufgenommen mit einer Langzeitbelichtung ergeben sich Hologrammartige Bilder. Mehr Bilder dazu später …