Fontblog Artikel im August 2012

Köln kann kommen … [Update]

Wie jetzt, wohin? Ich meine das natür­lich relativ. Laut Albert Einstein ist es für das Ergebnis egal, ob man sagt »Ich komme nach Köln« oder »Köln kommt zu mir«. So wie es für Nichtraucher prak­tisch egal ist, ob sie das Bild einer Pfeife sehen oder eine echte Pfeife (frei nach Magritte). Und damit sind wie bei einer von 100* Folien meines Vortrags (siehe oben) für den TYPO Day in Köln, der am 21. September in der Alten Versteigerungshalle statt­finden wird.

Die Pfeife ist nur das Bild einer Pfeife

Tatsächlich verstehen wir den TYPO Day als eine Art Primär-Unterricht. Anders als beim Lehrbuchlesen vermit­teln wir kein Abbild des Lehrstoffs, sondern das Wissen ereignet sich live auf der Leinwand. Ein Training Auge in Auge, stets aktuell und mit Referenten, die sofort auf Fragen eingehen können. Das »Abbild« des TYPO-Day können sich die Besucher noch am selben Abend auf ihre Festplatte laden, in Form von PDFs und Videos. Beides zusammen garan­tiert eine nach­hal­tige Wissensvermittlung.

Ich habe mich noch nie so intensiv auf eine Präsentation vorbe­reitet wie jene für Köln. Inhaltlich und visuell ist es ein komplett neuer Vortrag, der in drei Wochen beim TYPO Day Premiere feiern wird. Zwei Monate lang habe ich unsere Archive durch­forstet, um frische oder spek­ta­ku­läre Corporate-Font-Fallbeispiele zu finden, also Marken- und Unternehmensauftritte, bei denen exklu­sive oder modi­fi­zierte Schriften eine Hauptrolle spielen.

Leuchtkasten: Noch sortiere und animiere ich meine Folien für Köln … aber die Inhalte und die Erkenntnisse stehen fest

Bei meiner Recherche durch rund 500 Aufträge aus den vergan­genen 5 Jahren stieß ich auf Erkenntnisse, die mich selbst über­raschten. Zum Beispiel, dass mittel­stän­dige deut­sche Firmen mit tech­ni­schem Hintergrund ein größeres Feingefühl für Unternehmenstypografie haben als manche Großunternehmen und (leider) Buch- und Zeitschriftenverlage. Unternehmen wie Abus, Biotronik, Bosch-Siemens-Hausgeräte, das Fraunhofer Institut, Linde oder Wilo stellen hohe Ansprüche an die Ästhetik und die Ausstattung ihrer Schriften. Vielleicht können sich Ingenieure besser gegen­über einer Geschäftsführung durch­setzen (oder sie genießen mehr Respekt), als Art-Direktoren in einem Medienunternehmen … jeden­falls kommen meine inno­va­tivsten Font-Technik-Beispiele aus der Industrie.

Von A bis Z: Nur 45 von rund 500 Marken und Unternehmen aus den vergan­genen 5 Jahren, bei denen Corporate-Fonts ›Made with FontShop‹ imple­men­tiert wurden

Weitere Referenten beim TYPO Day in Köln sind: Rolf Mehnert, Andrea Tinnes, Indra Kupferschmid, Jens Kutilek und Erik Spiekermann, letz­terer aus Termingründen nur als »Bild« (= 25-Min-Video), aber gleich­wohl erfri­schend und erhel­lend. Die abschlie­ßende Podiumsdiskussion befindet sich in Vorbereitung: Ich möchte mit drei Vorzeige-Auftraggebern disku­tieren, warum Schrift für ihre Marke von Bedeutung ist und wie sie den Erfolg ihres Corporate Design messen.

[Update: freund­li­cher­weise sollte ich darauf hinweisen, dass die Early-Bird-Phase für TYPO-Köln-Tickets in 2 Tagen endet … mehr …]
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* eine glatte Lüge, noch sind es 189 Folien


Meister des Retro-Letterings

Autor und dies­jäh­riger TYPO London Sprecher Ryan Hughes fertigt Illustrationen und Design für Werbekampagnen, CD- und Platten-Cover, Buchumschläge, „Graphic Novels“ und Motion-Graphics für TV und Film. Er animierte Sicherheit an Bord als Film für Virgin Airlines, schuf eine Sammlung von Hawaii-Hemden, eine Reihe von Uhren für Swatch, eine mit BDA International Gold Award ausge­zeich­nete Broschüre für die MTV Europe Music Awards und zahl­reiche Comic-Logos für Comic-Verlage wie DC Comics und Marvel. 

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Hughes Schriften sind inter­na­tional gefragt und erscheinen inzwi­schen beim eigenen Label, Device Fonts. Für FontFont, schuf er Retro Klassiker wie das Code Alphabet FF Identificationoder FF Revolver im Stil der 1960er Jahre und die humo­rigen FF Rian’s Dingbats.

 

FF Revolver von Ryan Hughes bei FontShop

Fontklassiker von Ryan Hughes: Rian‘s Dingbats vereinen seit Anfang der 90er Jahre Symbolfonts mit Spaß, FF Identification ist Schrift und (Morse)Sound glei­cher­maßen, FF Revolver entwi­ckelt Hughes als Zeitschriften-Font

In seinen Entwürfen spie­gelt sich seine Begeisterung für die Welt der Comics wider, seine Retro-Grafik-Sammlungen sind legendär.

Wir freuen uns auf Rian Hughes Auftritt auf der TYPO London , die dieses Jahr am 19. und 20. Oktober stattfindet.


★ der Woche: Lettering of the 40s & 50s, nur 19,90 €

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Wenn sich jemand mit den hand­ge­zeich­neten Schriften der 40er und 50er Jahre auskennt, dann ist es der briti­sche Schriftentwerfer Rian Hughes. Ein Blick auf sein Lebenswerk zeigt: Er weiß wie diese vitalen Schriften ticken und wie man sie wieder zum Leben erweckt. Sie wurden einst für den Einsatz im Fernsehen, in Comics und Anzeigen geschaffen. Das Sympathische an diesen Schriftzügen, die in einer zukunfts­gläu­bigen und tech­nisch aufge­schlos­senen Welt entstanden: Viele wirken immer noch futuristisch.

Aus dem Klappentext: “When personal compu­ters became de rigueur for the design world, their font lists stan­dar­dized the array of type­faces available to layout artists and type­set­ters. But in the decades before computer domi­nance, hand-drawn fonts were the high­light of tele­vi­sion, comic book and promo­tional design. Rian Hughes, an award-winning graphic desi­gner, illus­trator, comic artist, logo desi­gner and typo­grapher who has desi­gned record album sleeves and worked in adver­ti­sing and for i-D maga­zine, has combed the archives of custom lette­ring to bring toge­ther lite­rally thou­sands — 4,500, to be exact — examples of inspi­ring and enligh­tening hand-lettered fonts from the 40s and 50s.

Motion and acti­vity were key compon­ents of design in this jet-powered era; letters frequently seem to be racing across the page, leaning eagerly into the future, burs­ting in concen­tric arcs from a distant sun, explo­ding from a single perspec­tive point at the bottom of the page or the rear of the picture plane, plum­ping them­selves up into dramatic three-dimen­sional space, or a combi­na­tion of two or more of these acti­vi­ties. With a distinct air of retro cool, but old enough to be rarely seen in print today, these letters will fasci­nate and inspire anybody who works with letters or is inte­rested in the way they look: graphic desi­gners, typo­graphers, art direc­tors, anybody who works in adver­ti­sing, students, illus­tra­tors and lovers of vintage design of all sorts.”

 


Stille Örtchen, malerisch gestaltet

Stille Örtchen müssen über­haupt nicht abstoßen gestaltet sein, erst recht nicht an der Autobahn (wo es eher laute Örtchen sind). Das Stuttgarter Büro Uebele hat gerade, in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Gruppe Omp, eine Serie von 8 WC-Anlagen auf Autobahnparkplätzen in Niedersachsen fertig­ge­stellt. Die grafisch gestal­teten Fassaden zeigen Landschaften, aber nicht im Stile einer Fototapete sondern einer Karte aus dem Schulatlas: Jede Höhenschicht hat eine andere Farbe. So entstehen orts­be­zo­gene Grafiken, die an jedem Örtchen einen grafi­schen Anklang des jewei­ligen Standorts liefern.

Oker, Drachenberg oder Schunter, Orte in Deutschland, die hundert­tau­sende Autofahrer links liegen lassen und vergessen … obwohl sie dort ein Geschäft erle­digt haben (Fotos: Christian Richters)

Eine weitere (gewünschter) Nebeneffekt der bunt gestal­teten Fassade: Farbliche Verschönerungen durch das Publikum sollen von diesem als weit­ge­hend über­flüssig erachtet werden. Des weiteren fällt auf, dass Sitz-WCs sind nicht mehr nach Geschlechtern getrennt werden und Männer das Pissoir verwenden sollen, was bei Ansturm, zum Beispiel durch eine Buspause, einer besseren Auslastung dient. Die Serie von neuge­stal­teten Toilettenanlagen soll übri­gens fort­ge­setzt werden. Aktuell arbeitet Büro Uebele an weiteren Standorten.


So war’s heute beim 12. Creative Morning

Ein paar Fotos vom 12. Berliner Creative Morning, heute morgen im Orangelab am Ernst-Reuter-Platz:

Creative-Morning-Sprecher Van Bo Le-Mentzel (links) und Gastgeber Jürgen Siebert stellten das 1-Quadratmeter-Haus vor

Weitere Bilder in der Diashow auf Flickr:

Live-Demo … so funk­tio­niert das 1-SQM-Haus:

Full House im Orangelab:

Bald online: Das Video von Le-Mentzels Vortrag auf dem 12. Creative Morning Berlin:


Wie schmeckt OpenType?

OpenType-Fonts kommen in zwei Geschmacksrichtungen, mit TrueType- oder PostScript-Aroma (= flavour). Häufig fragen unsere Kunden worin sie sich unter­scheiden und welcher OpenType-Flavour der für sie Passende ist. Entscheidend für die Auswahl ist nicht wie früher die Plattform („Ist die Schrift für Mac oder PC?”), sondern in welcher Software-Umgebung die Schrift einge­setzt wird. Soll Sie vorwie­gend in Office-Programmen wie Word, Excel, PowerPoint oder vergleich­baren Büroanwendungen instal­liert werden, empfiehlt sich der Griff zur TrueType-flavoured OpenType-Schrift (Offc, OT/TT). Für Gestaltungs-Aufgaben eignen sich PostScript-flavoured-OT-Schriften besser.

Grundsätzlich sind OpenType-Schriften Alleskönner mit einem gewal­tigen Zeichenvorrat (Glyphen). Plattformübergreifend funk­tio­niert eine OT-Datei auf Mac wie PC. Um den Anforderungen in der Büro-Kommunikation einer­seits und der Gestaltung ande­rer­seits gerecht zu werden, wurde eine Anpassung an die Software-Umgebung vorge­nommen. Die Dateien lassen sich an der Format-Endung .ttf für TrueType-Flavour und .otf für PostScript-Flavour erkennen.

OpenType mit TrueType-Flavour

TrueType-flavoured OpenType schmeckt nach Bürokommunikation. Dieses Schriftformat wurde eigens für Office-Programme wie Word, Excel und Powerpoint entwickelt

TrueType-flavoured- OT-Fonts (.ttf) zeigen ihre Fähigkeiten in der Büro-Software. Ihre Umgebung sind Office-Programme wie Word, Excel, PowerPoint oder vergleich­bare Büroanwendungen. Sie verfügen häufig über augen­scho­nende Bildschirmoptimierung, die durch Cleartype-Hinting erzeugt wird. Die Auszeichnungs-Schriftschnitte fett und kursiv sind mit den Schaltflächen der Office-Software verknüpft und werden komfor­tabel per Knopfdruck bedient.

Auf unserer Font-Verkaufsseite finden Sie zur Zeit mit dem Suchbegriff »offc« büro­taug­liche OT-Schriften mit TrueType-Geschmack.

 

OpenType mit PostScript Flavor

PostScript-flavoured OpenType schmeckt nach Gestaltung und kann in dieser Software-Umgebung das Potential ihrer Opentype-Features (Ligaturen, Alternativbuchstaben …) optimal entfalten

Wird die Schrift vorwie­gend in Gestaltungs-Programmen, wie Illustrator, InDesign oder vergleich­barer Software instal­liert, ist PostScript-Flavour (OT) das OpenType-Format der Wahl:

PostScript-flavoured-OT-Fonts (OT, .otf) enthalten OpenType-Features, die per OpenType-Menü typo­gra­fi­sche Finessen ins Layout zaubern. So verbinden sich Ligaturen für zusätz­li­chen Fluss oder Alternate-Zeichen beleben das Schriftbild. OpenType-Stilmenüs finden sich in allen gängigen Gestaltungprogrammen, nicht jedoch in Office-Programmen.

Alle Eigenschaften des OT-Formats:

FontShop OpenType-Flavours

* desi­gn­ab­hängig** wenn verfügbar Die Tabelle zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede von TrueType-flavoured und PostScript-flavoured OT-Fonts (.ttf und .otf). »Pro« bezeichnet OT-Schriften mit beson­ders umfang­rei­chem Zeichevorrat, zum Beispiel fremd­spra­chige Akzentbuchstaben.

Die wich­tigsten Office-Eigenschaften können auch nach­träg­lich in Büro-Schriften einge­baut werden, zum Beispiel Bildschirm-Hinting oder Stilverlinkung. Unsere Corporate-Font-Site gibt Auskunft über mögliche Service-Leistungen.

Wer ein größeres Gestaltungsprojekt plant, zum Beispiel für die Umsetzung einer Corporate-Strategie, kann sich auf unseren TYPO Day Seminaren mit dem benö­tigten Know-how besatteln.


2. Experimental Urban Art Festival in Berlin

Vom 30. 8. bis 02. 9. 2012 findet das 2. Street Labour – Experimental Urban Art Festival statt. Das vier­tä­gige Kunstfestival setzt sich mit zeit­ge­nös­si­schen Kunstformen der Urban Culture sowie urbaner Multikultur ausein­ander. Es spie­gelt in verschie­denen Veranstaltungs- und Projekträumen Kreuzbergs und Neuköllns mit Ausstellungen, Installationen, Workshops und dem Highlight »Urban Art Circus« im Heimathafen Neukölln die aktu­elle urbane Kultur wider. Thematisch bezieht sich das Festival in diesem Jahr auf Freiheit. Über 100 Künstler wurden nach Berlin eingeladen.

Weitere Informationen und Programm-Download: www​.street​la​bour​.com


Keine Ruhe! Häuser, Boote, Creative Morning.

Heute vor zwanzig Jahren griff ein aufge­brachter Mob in Rostock-Lichtenhagen die Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim mit Vietnamesen an, das »Sonnenblumenhaus« (Abb. oben, Quelle: Wikipedia). Die Ausschreitungen dauerten mehrere Nächte. Am 24. August 1992 setzten die Randalierer den Plattenbau, in dem sich 100 Flüchtlinge und ein Fernsehteam des ZDF aufhielten, mit einem Molotowcocktail in Brand. Tausend Schaulustige applau­dierten. Die Polizei zog sich zeit­weise völlig zurück. Die im bren­nenden Haus Eingeschlossenen waren schutzlos sich selbst über­lassen. Heute will die Stadt an die Geschehnisse erin­nern. Viele Anwohner wollen nur eines, ihre Ruhe.

Am kommenden Freitag lernen die Besucher des Creative Morning Berlin den Designer Le van Bo kennen. Le van … wer? Klingt irgendwie viet­na­me­sisch. Ist es nicht. Van Bo stammt aus Laos, wo er 1977 geboren wurde. Sein Vater ist chine­si­scher Herkunft, was der Familienname Le verrät, der eigent­lich »Li« ausge­spro­chen wird.

Nach dem Ende des Vietnamkrieges 1975 über­nahmen kommu­nis­tisch geprägte Kräfte die Macht in Laos und prokla­mierten eine Demokratische Volksrepublik. Durch poli­ti­sche und wirt­schaft­liche Repressionen blieb das Land unsi­cher und instabil. Etwa zehn Prozent der Bevölkerung verließen Laos Richtung Thailand, USA, Australien und Europa, darunter die Familie Le.

Der Vater und seine Freunde, alle Piloten, planten Laos über den Luftweg zu verlassen. Da dies nicht unge­fähr­lich war und niemand wusste, ob man es sicher schaffen würde, machten sich alle Beteiligten mit einer Abmachung Mut: Wer es aus Laos raus schafft, muss seinen Kindern den Namen des Flugzeugs geben, mit dem die Flucht gelang.

Van Bo heißt eigent­lich Jumbo Jet, sein Bruder bekam den Namen Boeing. Als die Familie 1979 in Berlin Wedding ankam, schafften es die origi­nellen Namen jedoch nicht in die Einreisepapiere. Aus Jumbo Jet wurde das hollän­disch klin­gende »van Bo«, was dem Namen sogar einen adeligen Touch gab. Weil Van Bo vor einigen Wochen gehei­ratet hat, lautet sein Name inzwi­schen Van Bo Le-Mentzel, also aufge­schlüs­selt Vorname: Van Bo, Nachname: Le-Mentzel.

Le-Metzel kam zu einer Zeit nach Deutschland, als die Stimmung gegen­über Asylsuchenden ausge­spro­chen positiv war. Unser Land nahm unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit die so genannten Boat-People auf: Flüchtlinge aus Vietnam, Laos und Kambodscha, die dem Grauen des Vietnamkrieges und seiner Folgen entgehen wollten. Ihre Aufnahme und Integration erfolgte auf der Grundlage neu geschaf­fener Rahmenbedingungen, die von der Bundesregierung 1979 als »Programm zur sozialen Beratung und Betreuung auslän­di­scher Flüchtlinge« verab­schiedet wurden.

Die Immigranten erhielten von Anfang an eine Perspektive für ein sicheres, menschen­wür­diges Leben in Deutschland. Sie genossen eine unbe­fris­tete Aufenthaltserlaubnis, hatten Zugang zu Schule, Bildung und Arbeitsmarkt und konnten alle Fördermöglichkeiten wie zum Beispiel Stipendien in Anspruch nehmen. Staatliche Mittel, aufge­schlos­sene Verwaltungen, Wohlfahrtsverbände und Kirchen sorgten für das posi­tive Umfeld der Integration.

Bronzetafel in Hamburg mit einer Danksagung der viet­na­me­si­schen Flüchtlinge an das Komitee Cap Anamur (Quelle Wikipedia)

Der deut­sche Journalist Rupert Neudeck grün­dete mit Gleichgesinnten das Hilfskomitee »Cap Anamur – Deutsche Not-Ärzte e.V.«. Sie char­terten den Frachter Cap Anamur und bauten ihn zu einem Hospitalschiff um. In ganz Deutschland wurde dafür gespendet. Mit einem Team aus frei­wil­ligen Technikern, Logistikern, Ärzten und Pflegern an Bord erreichte das Schiff im August 1979 das Südchinesische Meer. In drei Jahren konnten über 9500 Bootsflüchtlinge gerettet werden. Doch bald entspann sich ein (partei)politisches Tauziehen um die Aufnahme von Flüchtlingen in der Bundesrepublik. Im Juli 1982 beschloss die deut­sche Regierung einen Aufnahmestopp. Heute gedenken wir bren­nender Asylbewohnerheime und machen uns Sorgen über die latente Fremdenfeindlichkeit im Land.

Ist es nicht absurd, dass uns nun einer dieser Flüchtlinge mit einem Design-Projekt an die soziale Kälte erin­nert, die in den letzten 20 Jahren über dieses Land gezogen ist? Van Bo Le-Mentzel nennt sein Projekt (ironisch) Hartz-IV-Möbel (»Konstruieren statt konsu­mieren«) … sie könnten auch Ikea-Nein-Danke- oder DIY-2.0-Möbel heißen. Es geht schlicht um Gegenstände zum Selberbauen, aus denkbar güns­tigsten Rohstoffen. Die Pläne dafür sind frei und können von der Community weiter entwi­ckelt werden. Der ange­se­hene Buchverlag Hatje-Cantz hat den Wirbel im Netz verfolgt und Le-Mentzel sofort für ein Buch verpflichtet, das gerade erschienen ist (Look Inside).

Auf dem Creative Morning am kommenden Freitag im Orangelab (es gibt noch einige Tickets) wird der Architekt und Designer sein 1-qm-Haus vorstellen, das selbst anwe­send sein wird. Wir werden erfahren, wie es funk­tio­niert und wie man es nach­baut. Hier ein kleiner Vorgeschmack aus einem CNN-Beitrag über das 1-SQM-Haus von Van Bo Le-Mentzel: