Fontblog Artikel im März 2012

So war der 8. Creative Morning Berlin

Hier eine kleine Diashow (Flash) mit 16 Fotos (von Robert Schatton) vom heutigen Creative Morning bei Saint Elmo’s in Berlin Mitte. Nadine Roßa sprach über ihren Lieblingsbuchstaben ß, präsen­tierte kuriose histo­ri­sche Fakten, neue Entwicklugen und wunder­bare Stilblüten. Tip: Diashow im Vollbild-Modus ansehen und die Bildtitel einblenden:


Women in Graphic Design 1890–2012

Im Jovis-Verlag ist soeben ein Buch erschienen, dessen Thema uns seit längerem beschäf­tigt, mindes­tens seit es die TYPO Berlin gibt: »Warum spre­chen immer noch so wenige Frauen auf Konferenzen?« Diese Frage stelle ich mir inzwi­schen nicht mehr, aber der Verlag und die Autoren stellen sie … sicher­lich zu Recht. Weitere Fragen aus dem Buch:  Warum gibt es in der Designgeschichte scheinbar so wenige Frauen? Warum werden ehemals bekannte Frauen »vergessen«? Welche Auswirkungen hat die Gender-Debatte auf den heutigen Arbeitsalltag?

Seit den Anfängen der Professionalisierung haben Grafikdesignerinnen aktiv und erfolg­reich gear­beitet. Dennoch wurden Frauen, bis auf wenige Ausnahmen, nicht in die »offi­zi­elle« Designgeschichte aufge­nommen. Auch heute ist, trotz der Behauptung, die Geschlechterfrage im Grafikdesign sei obsolet, nur ein geringer Prozentsatz der tätigen Gestalterinnen öffent­lich sichtbar.

Der soeben erschie­nene, opulent illus­trierte Band »Women in Graphic Design 1890–2012« versucht die Ursachen zu finden, zum Beispiel die konstru­ierte Synthese von Männlichkeit und künst­le­ri­scher Genialität, und stellt wich­tige Gestalterinnen vor. Zahlreiche Kurzbiografien verge­gen­wär­tigen ihre Wege zur Professionalisierung, flan­kiert von Essays, Quellen und ausführ­li­chen Gesprächen mit bekannten heutigen Designerinnen. Darüber hinaus enthält das Buch wissen­schaft­liche Beiträge von Sabine Bartelsheim, Gerda Breuer, Ute Brüning, Susanne Dechant, Jochen Eisenbrand, Ellen Lupton, Julia Meer, Ada Raev, Bettina Richter, Patrick Rössler, Martha Scotford und Judith Siegmund. Programmatische Schriften steuern Paula Scher, Sheila Levrant de Bretteville, Natalia Goncharova, Ellen Lupton, Martha Scotford, Véronique Vienne, Astrid Stavro, Alissa Walker und andere Autorinnen bei. Sie werden ergänzt von Interviews mit Irma Boom, Paula Scher, Sheila Levrant de Bretteville, Julia Hoffmann, Tina Roth Eisenberg (›Swiss Miss‹), Katja M. Becker, Anna Berkenbusch, Heike Grebin, Gisela Grosse, Miriam und Nina Lambert, Iris Utikal und Judith Grieshaber.

Kurz eine aktu­elle Privatstatistik zu diesem Thema aus meinem eigenen Umfeld:

  • heute: ein char­manter, emotio­naler Vortrag von Nadine Roßa auf dem Berliner Creative Morning
  • vorges­tern: Launch des neuen Design-Ehrenpreis, initi­iert von Juli Gudehus
  • Mai: TYPO Berlin 2012, 17 Sprecherinnen, 23 Sprecher
  • Freitag letzter Woche: TYPO Day Hamburg, 1 Sprecherin, 5 Sprecher

Nadine Roßa (LaunchCo), heute beim 8. Berliner Creative Morning im Konferenzsaal von Saint Elmo’s (Foto: Robert Schatton)


bukowskigutentag 9/12: Geile Headline?

Diese Woche weilte ich in Hamburg zu Besuch bei einer Agentur, für die ich ab und an als Junior-Tüte arbeite. Während einer Mittagspause kam es dort in der Innenstadt zu einem schweren Zusammenstoß zwischen einem Plakat und mir, bei dem meine Laune gesunken war; und zwar bis auf den Grund. Bis auf den Abgrund sogar. Hier das Plakat, mit dem meine gute Stimmung völlig unvor­be­reitet im Foyer eines Parkhauses kolli­diert war.

Sehen Sie es? Geile Headline, was? Ja, finde ich auch – nicht! Genau genommen weiß ich nicht einmal, ob das »Für ihr persön­li­ches Bedürfnis« über­haupt eine Headline, ein Slogan, ein Claim oder was auch immer sein soll. Deswegen würde ich hier die Bezeichnung Spruch bevor­zugen. In diesem Fall mit dem Zusatz saublöder Spruch.

Mit der erle­senen Debilität dieses Satzes möchte ich mich gar nicht weiter aufhalten. Viel inter­es­santer als die verun­glückte Sentenz finde ich die Tatsache, dass auf diesem Plakat über­haupt ein Spruch steht. Lassen Sie uns die Unfallursache rekon­stru­ieren. Wir haben hier eine Art werb­liche Ansprache für eine öffent­liche Toilette. Wozu denn bloß? Muss man jemanden, der muss, wirk­lich noch zusätz­lich animieren, eine Toilette aufzu­su­chen? Nein. Kann man jemanden, der nicht muss, mittels witziger Ansprache trotzdem zum Besuch einer Toilette animieren? Wohl kaum. Gibt es hier eine Wettbewerbssituation, in der sich diese Toilette durch diese lustige Ansprache aufmerk­sam­keits­stark von der Konkurrenz absetzt. Nö.

Bleibt also nur eine einzige und leider die denkbar schlimmst­mög­liche Ursache: Auf diesem Plakat steht ein Spruch, weil man es kann. Lassen Sie mich den Auftraggeber zitieren: »Hier, Agentur! Top-Job für Euch. Plakat für Toilette und so bla bla. Da ist noch Platz. Macht da mal was hin. Geile Headline oder so. Weil wir es können. Gigantische Referenz für Euch, daher bitte für lau arbeiten. Danke. Geil!« (Nein, ich war nicht beim Briefing dabei, würde aber wetten, dass es sich genau so zuge­tragen haben muss). Es herrscht hier dasselbe Prinzip wie zum Beispiel bei Atomwaffen: Braucht niemand, sind sogar eher kontra­pro­duktiv, werden aber trotzdem gebaut, weil man es kann.

Leider handelt es sich hier nicht um einen Einzelfall. Eine andere Dienstreise führte mich kürz­lich nach Konstanz, wo ich ab und an bei einer Agentur als Kundenbändiger arbeite. Während einer Mittagspause besuchte ich die Toilette eines Cafés. Dort entdeckte ich am Handwaschbecken einen Spiegel mit darin einge­las­senem Monitor, auf dem irgend­welche Informationen und Werbebotschaften gespielt wurden. Diese Entdeckung nutzte ich gleich mal für ein Spontan-Shooting und präsen­tiere Ihnen hier das Ergebnis:

Offensichtlich ist die Botschaften produ­zie­rende Industrie auf dem besten Weg, noch die letzten unge­nutzten Freiflächen zu erschließen – auf dass man nirgendwo mehr hinsehen und hören kann, ohne werb­lich ange­quatscht zu werden. Ich persön­lich begrüße das nicht, aber alles spricht dafür. Wieder zurück in Berlin sah ich in einem Café eine jungen Hipsterin, die ein knappes, bauch­na­bel­freies Oberteil trug. Auf ihrem Bauch prangte ein Tattoo, das aus folgendem Schriftzug bestand: »Aktion! Zwingli Erdnussflocken jetzt nur 2,99/kg!«

Das alles stimmt mich langsam etwas nach­denk­lich. Zumal sich die Zeichen häufen. Eines anderen Tages zum Beispiel belauschte ich im Vorbeigehen dieses Gespräch eines Pärchens in einem Park:

Sie so: Schau mal da, Schatz, netter Platz mit Parkbank in der Sonne. Lass uns da hin und biss­chen knutschen.

Er so: Joa, aber … keine Headline, kein Slogan, kein Monitor, nicht mal ein Logo … nee, spricht mich irgendwie nicht an.

Leider wächst mit der Zunahme der voll­flä­chigen Verwerblichung aller mögli­chen Räume und Flächen anschei­nend auch die Akzeptanz bei den Leuten. Trotzdem: Ich persön­lich möchte nicht von einer Toilette ange­spro­chen werden. Und ich möchte auch nicht in einer Toilette ange­spro­chen werden; sei es von Monitoren, Urinal-Plakaten oder was auch immer. Ginge das? Danke.

Michael Bukowski


Geschwungene Schulausgangsschrift wird zum Hobby

Schulschrift bei FontShop.com

Das Erlernen einer charak­ter­bil­denden Handschrift wird bald zur Privatsache, so wie das Erlernen eines Musikinstruments. Weil wir heute kaum noch unsere (verbun­dene) Handschrift einsetzen, sollen die drei Schulausgangsschriften in Deutschland abge­schafft werden. An ihre Stelle soll die neue Grundschrift treten, eine Blockbuchstabenschrift, die der kosten­losen Ernst_55 ähnelt.

Zum Glück werden die Vorlagen für das Üben der drei Schreibschriften (Lateinische Ausgangsschrift, Vereinfachte Ausgangsschrift und Schulausgangsschrift) nicht aussterben, genauso wenig wie die Fonts dazu. Ganz im Gegenteil: FontFonts hat sie ins OpenType-Format über­tragen, so dass sie noch einfa­cher einzu­setzen sind … mit verschie­denen Lineaturen und auto­ma­ti­schen Buchstabenverbindungen.

→ Zu den Schulschriften bei FontShop …

→ Vom Ende der Schreibschrift, Jürgen Siebert für das Page E-Mag


Der 90-Sekunden-FontShop-Navi-Crashkurs (3)

Teil 3: Express-Stöbern mit Fontlisten 
Unsere Kunden möchten wir nicht nur schnellstmöglich per Fontlisten zur gesuchten Schrift führen, auch die Suche selbst haben wir überarbeitet: Die verbesserte Suchfunktion auf FontShop.com liefert jetzt vorsortierte Ergebnisse. Sobald Sie mindestens drei Zeichen eingegeben haben, erscheint eine gegliederte Liste. Ausgehend von den beliebtesten Einträgen gelangen Sie ohne Zwischenschritt zum Ergebnis.

Direkt auf der Homepage können Sie Ihre Suche nach Fonts, Familien, Foundries oder Entwerfern beginnen. Die Ergebnisse werden so gruppiert, dass Sie direkt in die gesuchte Rubrik klicken können.

Frutiger-Suchergebnis bei FontShop.comBereits während der Eingabe des Schriftnamens erkennt die Suche den Unterschied zwischen Entwerfer, Familie oder Produkt und gruppiert die Ergebnisse.

Wenn Sie zum Beispiel, Fru eingeben erhalten Sie eine Liste, beginnend mit den einzelnen Familien.

Frutiger-light-Ergebnis bei FontShop.com

Darunter steht der Entwerfer oder, wenn die Eingabe passt, das Schriftenhaus, gefolgt von den Einzelschnitten, die nach Beliebtheit sortiert erscheinen.

Wir hoffen, wir vereinfachen Ihren Besuch auf der Site und helfen Ihnen Ihre Suche zu einem schnellen Ergebnis zu führen, so dass Sie sich auf die Arbeit mit Schriften konzentrieren können. Lassen Sie uns wissen, ob die neue Suche Sie so unterstützt, wie wir es uns wünschen. Wir freuen uns über Ihre Kommentare.

 

 

 

 

 


★ der Woche: FF Schulschrift OT (20 Fonts) 69 € 55 €

Die drei in Deutschland verwen­dete Schulausgangsschriften sollen abge­schafft werden, weil wir heute kaum noch unsere (verbun­dene) Handschrift einsetzen. An ihre Stelle soll die neue Grundschrift treten, eine Blockbuchstabenschrift, die der kosten­losen Ernst_55 ähnelt. Damit wird das Erlernen einer charak­ter­bil­denden Handschrift bald zur Privatsache, so wie das Erlernen eines Musikinstruments.

Zum Glück werden die Vorlagen für das Üben der drei Schreibschriften (Lateinische Ausgangsschrift, Vereinfachte Ausgangsschrift und Schulausgangsschrift) nicht aussterben, genauso wenig wie die Fonts dazu. Ganz im Gegenteil: FontFonts hat sie ins OpenType-Format über­tragen, so dass sie noch einfa­cher einzu­setzen sind … mit verschie­denen Lineaturen und auto­ma­ti­schen Buchstabenverbindungen.

Als Stern der Woche gibt es die deut­schen Schulschriften komplett (= 20 Fonts) bis kommenden Montag zum Sonderpreis: statt 69 € nur 55 € (zzgl. MwSt.). Einfach beim Bestellen auf www​.font​shop​.com diesen Promo-Code verwenden: DE_star_2012_13.


Berlin: Kunst mit Zeitungen und Zeitschriften

Für typo­gra­fi­sche Gestalter ist es wahr­schein­lich die span­nendste Ausstellung der Saison: ART and PRESS (Kunst und Presse). Seit dem Wochenende ist sie im Berliner Gropiusbau zu sehen, mit Werken von inter­na­tio­nalen Stars wie Ai Weiwei, Andy Warhol, Damien Hirst, Gilbert & George, Anselm Kiefer, Julian Schnabel oder Jenny Holzer.

Der junge irani­sche Künstler Farhad Moshiri beschäf­tigt sich in seiner Installation »Kiosk de Curiosité« mit dem Thema Zensur

Was gibt es zu sehen? Zum Beispiel ein Zeitungskiosk aus dem Iran, mit Magazinen wie Marie Claire, Essen & Trinken oder Vogue als hand­ge­webte Teppiche – und mit großen ausge­stanzten Löchern, ein Hinweis auf die persi­sche Zensur. Oder ein lebens­großer röhrender Hirsch auf einem Zeitungsstapel, also Mahnung, dass unser Medienkonsum auch ein Stück unserer Natur konsu­miert. Anselm Kiefer hat im Lichthof drei Satz- und Druckmaschinen mit versil­berten Sonnenblumen und Foto-Printrollen drapiert, um sie herum liegen Hunderte von Bleibuchstaben … »Für Kiefer begann ein Prozess der Verarmung, als nicht mehr manuell gesetzt wurde« heißt es im Katalog und: »Die Geschichte unserer Zivilisation wär ohne die Schrift, ohne das Buch, ohne die Zeitung nicht denkbar.«

In ihrem Bilderzyklus »London Pictures« werfen Gilbert & George mit zitierten Schlagzeilen die Frage nach der Produktion von Nachrichten und deren Wahrheitsgehalt auf

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Zeitung Material und Gegenstand der Kunst. Künstler setzen sich mit diesem Medium, ob in der Funktion als Instrument der Aufklärung oder der Manipulation, auf viel­fäl­tige Weise ausein­ander. Motivation und Bedeutung für die Nutzung des Mediums sind dabei immer unter­schied­lich. Art and Press zeigt über 56 künst­le­ri­sche Positionen zu dem Thema. Die Bandbreite der Werke reicht von Malerei und Collage über Skulptur und Installation bis zur Fotografie.

In »A Mallarmé« des italie­ni­sche Künstler Mario Merz bilden Zeitungsstapel eine Bodenskulptur, auf denen ein Zitat aus blauen Neonbuchstaben auf die Beliebigkeit der jour­na­lis­ti­schen Praxis verweist

Viele Künstler haben eigens für die Ausstellung neue Arbeiten reali­siert oder aus ihrem Œuvre ausge­wählt. Gilbert & George werfen in ihrem Bilderzyklus »London Pictures« mit zitierten Schlagzeilen die Frage nach der Produktion von Nachrichten und deren Wahrheitsgehalt auf. Ai Weiwei hat für die Ausstellung eine Rauminstallation aus Armier-Stahl geschaffen. Das Material dafür stammt von einem erdbe­ben­zer­störten Schulgebäude, unter dem über 1000 Schüler begraben wurden – der Stahl als Beweisstück auf der Suche nach der Wahrheit, über die in China nicht berichtet werden durfte.

Die Ausstellung läuft bis zum  24. Juni 2012. Im Herbst kommt Art and Press dann nach Karlsruhe: Das ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie zeigt die Ausstellung vom 15. 09. 2012 bis 10. 02. 2013.


Verlosung: FUSE-1-Erstausgabe von 1991

Ich beschäf­tige mich seit einigen Tagen wieder mit der legen­dären typo­gra­fi­schen Publikation FUSE. Und so habe ich eben mein heimi­sches Bücherregal konsul­tiert, um in ein paar älteren Ausgaben zu blät­tern. Dabei stelle ich fest: ›Hoppla, FUSE 1 hab’ ich ja doppelt, eine davon sogar unge­öffnet‹. Da ich bezüg­lich meiner heimi­schen Medien seit drei Jahren die Devise fahre ›Alles muss raus, was ich nie mehr anfassen werde‹, beschließe ich jetzt einfach mal: Diese unbe­zahl­bare und versie­gelte Erstausgabe, legendär, Museumsstück (V&A, London) … gehört in die Hände eines Typografie-vernarrten Fontblog-Lesers. Ich veran­stalte eine Verlosung.

Meine FUSE-1-Ausgabe gehört in einer Woche einem Fontblog-Leser

Unter allen (Vor-)Bestellern des frisch erschie­nenen TASCHEN-Buchs FUSE1-20 auf www​.font​blog​.de verlose ich – gemeinsam mit dem FontShop-Versand-Team – diese FUSE-Erstausgabe aus meinem Privatarchiv. Auch wer das Buch nicht bestellt (hat), kann gewinnen. Einfach eine Mail senden an info-ät-fontshop.de mit der Antwort auf folgende Frage: Welche Schrift aus FUSE 1 ist bis heute im Einsatz beim Logo der ARD-Anstalt Mitteldeutscher Rundfunk? Bitte den Schriftnamen nennen. Einsendeschluss ist der kommende Freitag, 30. März, 12:00 Uhr.