Fontblog Artikel im August 2011

Die Web-Häuptlinge hassen Typografie…

… aber nicht mehr lange. von Seth Godin*

Es begann wahr­schein­lich mit HTML, und danach Yahoo, natür­lich. Doch eBay über­spannte den Bogen, bevor Google und Facebook es zur Methode erhoben: Eine beschis­sene Typografie, kein biss­chen darauf zu achten wie man was sagt sondern und nur was man sagt – der typi­sche Erst-die-Technik-Ethos des Internets.

Sergey Brin formu­lierte einst, dass Ausgaben für Marketing die Quittung für lausige Produkt sei, und natür­lich ist ein gut gestal­teter Text eine Form des Marketings. Sergey hat keine Ahnung vom Marketing, denn groß­ar­tige Produkte sind Marketing, und erst recht keine Ahnung vom Nutzen guter Typografie.

Es ist die Typografie, die Apple auf den ersten Blick vom Rest des Marktes unter­scheidet. Es ist die typo­gra­fi­sche Gestaltung, die ein selbst­ver­legtes Buch meist alt aussehen lässt gegen­über einem »rich­tigen«. Typografie (genauer: die falsche) ist eine Gefahrenquelle in Flugzeugen: Wer hat fest­ge­legt, das Sicherheitshinweise IN GROSSBUCHSTABEN GESCHRIEBEN SEIN MÜSSEN?

Die Wahl einer Schrift, ihre sorg­fäl­tige Zurichtung und ihre Leserlichkeit ergeben einen starken Eindruck. Wenn deine Visitenkarte nichts anderes ist als Arial auf einem Stück Karton, teilst du den Empfängern etwas mit … ziem­lich genau das Gegenteil von dem, was du ursprüng­lich mit der Karte beab­sich­tigt hast.

Ironie der Geschichte: Es waren die Computer, allen voran Apple, die das Gestalten von Drucksachen in unsere Hände legten. Und dieselbe Computerindustrie nahm es uns wieder weg, entwer­tete unsere Ausdrucksmöglichkeiten um zu demons­trieren wie beschäf­tigt wir mit dem Programmieren sind, auf dass nichts mehr vertrau­ens­voll oder reiz­voll aussehen kann. Typekit und andere Webfont-Dienste packen dieses Problem nun beim Schopf, und es ist ziem­lich sicher, dass die nächste Generation von Unternehmen online besser aussehen wird als die von heute.

Gute Typografie ist etwas aufwän­diger als schlechte, aber sie macht sich um ein Vielfaches bezahlt … nein: sie ist ein echtes Schnäppchen. Hier ein paar brauch­bare Bücher (englisch; eine deutsch­spra­chige Alternative) und ein nettes Tool, gefunden bei Swiss-Miss.
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*Übersetzung des Artikels The web leaders hate typo­graphy (but not for long) von Seth Godin, mit freund­li­cher Genehmigung des Autors. Seth Godin ist ein New Yorker Autor, Unternehmer und Marketing-Experte. Sein Lieblingsthema: die post-indus­tri­elle Revolution. Er schrieb 13 Bestseller die in 30 Sprachen über­setzt wurden.


Kreative machen auf Analphabetismus aufmerksam

Mehr als sieben Millionen Erwachsene in Deutschland verfügen über so geringe Lese- und Schreibkenntnisse, dass sie als funk­tio­nale Analphabeten gelten. 14,5 Prozent der erwerbs­fä­higen Bevölkerung im Alter von 18 bis 64 Jahren können zwar einzelne Sätze lesen oder schreiben, nicht jedoch kurze Texte. Passend zum UNESCO-Weltalphabetisierungstag am 8. September haben der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung und Studierende des Fachbereichs Design der Fachhochschule Münster einen Werbespot produ­ziert, um in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit für das Thema herzustellen.

Mehr dazu in dieser Mitteilung (1 S, PDF, 300 K)


Postkarten-Serie: Versaleszett und runde Ecken

Die Idee zu einer neuen Postkartenserie für Freunde der Typografie entspringt der Diplomarbeit von Franziska Jähnke an der Bauhaus-Universität Weimar. Die sechs Motive wurden erst­mals auf der Leipziger Buchmesse verteilt und stießen dort nicht nur auf viel Interesse, sondern weckten bei vielen auch die Neugier auf das große Eszett. Wegen der fort­dau­ernden Nachfrage wurden die Postkarten nun in Zusammenarbeit mit dem Designbüro Seite7 als Serie mit 12 bzw. 24 Karten produ­ziert. Sie sind im Shop von fonts​.info käuf­lich zu erwerben.

6 Motive, 4/4-farbig, DIN A6, 280 g/qm Chromokarton, einseitig gestri­chen, abge­run­dete Ecken, als Set zu 12 oder 24 Karten verfügbar, ab 8,50 € (zzgl. Versand)


Gelbe Sonntagsmusik von Sony/Reclam …

Die neue Reclam-Musik-Edition gibt es schon seit März 2011, ich bin aber erst jetzt durch eine Anzeige im Kultur-SPIEGEL darauf aufmerksam geworden. All Time Best ist prak­tisch die akus­ti­sche Line-exten­sion zu den gelben Literaturheftchen: das längst amor­ti­sierte Musikarchiv von Sony* wird mit den Kulturgut-Verwaltercharme von Reclam gekreuzt, und heraus kommen preis­werte Künstlermonografien für Sammler oder Wissenslücken-Bekämpfer (Passauer Neue Presse). Folge 2 ist gerade erschienen, mit Werken von Leonard Cohen, Falco, Rory Gallagher, Whitney Houston, Willie Nelson und Lou Reed. Im iTunes-Store kostet ein Album 6,99 bzw. 7,99 €.

*genauer: die Catalog & Concept Division der Sony Music Entertainment Germany GmbH



Die 10 Finalisten des Human-Rights-Logo-Wettbewerb

Der Wettbewerb für ein Symbol für Menschenrechte hat sich (bis jetzt) gelohnt: Die 10 jetzt ausge­wählten Entwürfe sind viel­ver­spre­chend! Und die Veranstalter haben am Ende den rich­tigen Kniff gefunden, um die Ideen von der Art und Weise ihrer Ausführung zu trennen.

Die Logo-Ideen, als neutrale Schwarzweißgrafik:

Dies sind die Originalentwürfe:

Hier weitere News lesen und abstimmen: human​rights​logo​.net


Der ultimative Pecha-Kucha-Merkzettel

Was Sie schon immer über Pecha Kucha wissen wollten, sich aber nie zu fragen trauten, steht im aktu­ellen Useletter aus dem Hause Wehr & Weisweiler (Download-Seite). Wie immer gut gestaltet und präzise formu­liert, inklu­sive Merkzettel zum Ausschneiden.

Pecha Kucha wurde in Tokio im Februar 2003 von den Architekten Astrid Klein und Mark Dytham erst­mals im Rahmen einer Designveranstaltung verwendet. Mittlerweile wird auch in der Wirtschaft von der Technik Gebrauch gemacht.


Frisch ausgepackt: Tageszettelkalender Time Cube

Ich fange mal mit einem Einwand an, der bestimmt geäu­ßert werden dürfte, den ich jedoch nicht teile: der Preis. Dieser Kalender kostet 49,80 €. Das ist kein Pappenstiel. Aber es gibt drei gute Gründe für diesen Preis:

  • Novität (ein Kalenderblock, wie es ihn noch nicht gab)
  • Qualität (Designed in NL, Published in D, Printed in CN)
  • Exklusivität (hat nicht jeder, 1500 numme­rierte Exemplare)

Der Time Cube ist eine Mischung aus Kalender und Notizblock. Wie man als Anwender beides synchro­ni­siert … das ist schon mal das erste span­nende Abenteuer: jeden Tag nur eine Notiz? Oder: Erst mal ein paar Blätter sammeln, denn drauf schreiben … oder: Nur sammeln und gar nichts drauf­schreiben!? Oder: Ein Tagebuch als Zettelkasten anlegen? Wer will, kann auch jeden Tag ein Blatt abreißen und an seine Pinwand klemmen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Und spätes­tens bei dieser Aufgabe fällt uns ein poten­ti­eller Empfänger aus dem Freundeskreis ein, den man sofort glück­lich machen könnte mit Time Cube.


So viel zur Funktion von Time Cube, nun zur Form. Der Würfel ist ein Objekt, ein Hingucker. Auf drei seiner Seitenwände sind die Ziffern 1 und 2 eingra­viert (genauer: gestanzt), auf der verblei­benden Rückwand, die sehr sicher verklebt ist, prangt eine Null, macht zusammen 2012. Darüber hinaus ist jedes Tagesblatt – außer dem letzten eines Monats – im inneren Bereich recht­eckig ausge­stanzt, so dass sich ein freier Blick auf den Monatsnamen ergibt, der nur auf dem letzten Blatt einge­druckt ist. Jeder Monat hat ein eigenes Farbklima. Das Papier ist kräftig, schwerer als das einer Postkarte, so dass Mitteilungen aus dem Block von vorn herein das rechte Gewicht bekommen.

Gestaltet wurde der Time Cube von René Knip, den manche Leser viel­leicht als Sprecher der TYPO Berlin 2005 kennen. Knip machte 1990 seinen Abschluss mit Auszeichnung an der Akademie für Bildende Künste St. Joost in Breda. 1992-95 war er Assistent Designer im Studio Anthon Beeke, Amsterdam. 1995 grün­dete er sein Atelier René Knip in Amsterdam. René Knip arbeitet »ange­wandt und autonom, gestaltet sehr gerne Buchstaben und entwirft räum­liche Grafiken in der 2,5.-Dimension«, was nichts anderes heißt, als räum­liche Objekte aus Buchstaben und Zahlen. International bekannt wurde er mit seiner Office Clock aus dem Jahr 2001.

Abschließend ein paar tech­ni­sche Daten. Time Cube misst 12 x 12 x 12 cm, hat selbst­ver­ständ­lich 366 Seiten und wird in einem ansehn­li­chen trans­pa­renten Acryl-Schachtel gelie­fert. Die Auflage beträgt nur 1500 Exemplare, so dass man mit seiner Kaufentscheidung nicht unbe­dingt bis Weihnachten warte sollte (Time Cube Bestellseite auf www​.font​blog​.de, versand­kos­ten­frei). Und wem der Cube wirk­lich zu teuer ist greife zum Typodarium für 16,90 (Bestellseite auf www​.font​blog​.de, versand­kos­ten­frei).