Fontblog Artikel im April 2011

Nichtlesen 22: 180°-Grünwäsche

Wir erin­nern uns: Journalismus-Azubis lernen das kleine ABC der unvor­ein­ge­nom­menen Berichterstattung anhand lehr­rei­cher Anekdoten wie dieser fiktiven, aber aufschluss­rei­chen Geschichte:

Der Papst besucht Brasilien. Bei der Ankunft fragt ein Journalist, ob er denn auch Kinderbordelle besu­chen würde. Daraufhin entgegnet der Papst entrüstet: »Wo gibt es denn hier Kinderbordelle?« Am nächsten Tag lautet die Titel-Schlagzeile in einer Tageszeitung: »Papst: Wo gibt es denn hier Kinderbordelle? – Noch bei der Ankunft am Flughafen zeigte sich der Papst inter­es­siert an Kinderbordellen …«

Offensichtlich haben auch die PR-Verantwortlichen der deut­schen Kernkraft-Lobby ihr Journalismus-Latein in diesem Stil gelernt. Das zeigt die 2007 veröf­fent­lichte Kampagne vom »InformationsKreis Kernenergie«. Mit verblüf­fender Logik wird hier der klima­schüt­zende Aspekt der Atomkraft präzise heraus­ge­ar­beitet und auf den Punkt gebracht (»CO2-Ausstoß: Null«) – bis heute ein uner­reichter Meilenstein der Greenwashing-Technologie.

Die Motive der Klimaschützer-Kamapgne finden sich noch heute im Internet (Beispiel Abbildung oben), aber nicht mehr auf den einschlä­gigen Seiten der Atom-Lobby. Man darf annehmen, dass die Kampagne seit den Ereignissen in Japan und im Zuge des Atom-Moratoriums bei den Verantwortlichen etwas an Relevanz einge­bußt haben dürfte.

Nicht so bei der Werbeagentur Auweier Unhold & Partner. Das Agentur-Team ist kürz­lich bei Recherchen über die Klimaschützer-Kampagne gestol­pert und Agentur-Chef Grabowski war auf Anhieb begeis­tert von der Idee, die Atom-Logik für eigene Zwecke zu nutzen – und zwar in Form einer Kampagne für die Automobil-Industrie.

Wir konnten Herrn Grabowski heute morgen am Flughafen errei­chen und dieses spon­tane Interview mit ihm führen:

Nichtlesen-Redaktion: Herr Grabowski, wie ist es denn gelaufen in Brüssel?

Herr Grabowski: Großartig. Wir haben eben beim Verband der Automobilindustrie initiativ präsen­tiert und ich kann ohne zu über­treiben sagen: nahezu glatter Durchmarsch!

Das heißt, Ihre Kampagne wird umgesetzt?

Ziemlich sicher. Wir haben heute zwar erst beim Sicherheitsdienst und am Empfang vom VDA-Hauptsitz in der Rue de Commerce präsen­tiert, aber die waren sehr begeis­tert. Als man uns freund­lich zum Ausgang gelei­tete, hat uns das Security-Team fest zuge­sagt, unsere Pappen mit den Kampagnen-Motiven an den Facility-Management-Vorstand weiter­zu­leiten. Man hat uns sogar in Aussicht gestellt, dass unser Papier-Material recy­celt wird … so umwelt­freund­lich ticken die da! Unsere Kampagne kann also nur auf frucht­baren Boden fallen. Das hat uns auch eine führende Fachkraft von der Abteilung Litter & Disposal Affairs bestätigt.

Glückwunsch!

Danke, danke! Wir sind alle schon ganz aus dem Häuschen hier und … Moment, bitte … man will mich spre­chen … Was!? Ich soll bitte mitkommen? Wie, Tickets gefälscht? Quatsch: Nix gefälscht, das ist ein Re-Design vom Ticket-Layout, und zwar ein ganz notwen­diges … Sorry, ich muss Schluss machen, drin­gender Meeting-Termin mit dem Flughafen-Management, wahr­schein­lich wegen neuer Kampagne oder so … Tschüssi.

Herr Grabowski, vielen Dank für das Gespräch.

Genießen Sie hier exklusiv eine Vorschau auf die mit größter Wahrscheinlichkeit bald bundes­weit geschal­tete Kampagne von Auweier Unhold & Partner für den Verband der Automobilindustrie – und lassen Sie sich über­ra­schen, wie viel Gutes Sie mit Ihrem eigenen Auto, falls vorhanden, für unser Klima tun!

Wie uns das Agentur-Team weiterhin mitteilte, setzt man bei Auweier Unhold & Partner im nächsten Schritt das Thema erneu­er­bare Energie auf die Agenda. Dazu Herrn Grabowskis Arbeitshypothese: »Nichts gegen erneu­er­bare Energie. Aber was in Deutschland wirk­lich fehlt, sind erneu­er­bare Energieversorger.«

Michael Bukowski

Abbildungen: (1) InformationsKreis Kernenergie, (2) © Corbis RF via ZOOM (Montage Fontblog), (3) Corbis RF via ZOOM (Montage Fontblog), (4) Corbis RF via ZOOM (Montage Fontblog)


Ein Symbol für Menschenrechte wird gesucht

Niemand weiß, ob es funk­tio­nieren wird. Keiner hat eine Ahnung, was am Ende heraus­kommt. Und trotzdem ist ein Versuch wert, dieses Experiment durch­zu­führen. Gesucht wird ein welt­weit verständ­li­ches Symbol für Menschenrechte, so eindeutig wie das Herz für die Liebe oder das Rote Kreuz für Erste Hilfe. Halt … das Rote Kreuz ist schon kein so gutes Vorbild mehr. In nicht-christ­li­chen Staaten wird das Kreuz abge­lehnt, dort steht der Rote Halbmond für medi­zi­ni­sche Hilfe. Im Iran ist der Rote Löwe für die Medizin im Einsatz. 2000 wurde der Versuch unter­nommen, das Rote Kristall einzu­führen … ohne großen Erfolg.

Nur eines scheint klar: Man kann ein solches Zeichen nicht verordnen. Es muss entstehen, von unten, und sich frei verbreiten. Doch wie stößt man einen solchen Schöpfungsprozess an? ›Vielleicht durch einen offenen Wettbewerb‹ dachten sich die Referenten für Menschenrechte in den Außenministerien der 10 Nationen, die sich ein solches Zeichen wünschen, darunter Kanada, Chile, Tschechien, Uruguay, Singapur, Bosnien Herzegowina und Deutschland. Sie spra­chen mit verschie­denen Experten auf diesem Gebiet, darunter das Design-Wettbewerb-Portal www​.jovoto​.com. Das wiederum konsul­tierte Fachleute und so reifte Anfang dieses Jahres die Idee für den Wettbewerb A Logo fo Human Rights, der am 3. Mai offi­ziell starten wird.

Auch FontShop und die Designkonferenzen TYPO Berlin/TYPO London waren einge­laden, ihre Meinung und ihre Expertise für diese Initiative mit ins Spiel zu bringen. Wir haben inter­na­tio­nale Freunde und TYPO-Referenten aus 16 Jahren konsul­tiert und um ihre Mitwirkung gebeten. Am Ende ware es 9 enga­gierte Designerinnen und Designer, die der Human-Rights-Jury aus Politikern und Menschenrechtlern (u. a. Michail Gorbatschow, Aung San Suu Kyi, Muhammad Yunus, Waris Dirie, …) ihre grafi­sche Erfahrung leihen: Erik Spiekermann, Tina Roth Eisenberg, Philippe Apeloig, Javier Mariscal, Marian Bantjes, Max Kisman, Candy Chang, Saki Mafundikwa und Ahmad Humeid.

Ich bin sicher, dass dieser Wettbewerb für Schlagzeilen sorgen wird. Und natür­lich auch für kriti­sche Kommentare. Ich selbst bin kein Freund von Crowd-Sourcing. Und wer Erik Spiekermann kennt, kennt auch seine Ablehnung, an Pitches und unbe­zahlten Wettbewerben teil­zu­nehmen. Aber dieser »Wettbewerb« ist anders, als profes­sio­nelle Corporate-Design-Pitches oder die Schwarmsuche nach einem Wahlkampflogo für Frank-Walter Steinmeier. A Logo fo Human Rights ist ein poli­ti­sches Design-Experiment. Profis können hier kaum was reißen … sie können nur verlieren: viel Geld zum Beispiel, für die Recherche, ob eine Farbe oder ein Symbol in irgend einer Ecke dieser Welt miss­ver­standen wird.

Das Peace-Zeichen wurde auch nicht von einer Werbeagentur entwickelt.


ZDF digitalisiert die »Identifikationsbiene« Maja

Langjährige Fontblog-Leser kennen das Problem: Die Überarbeitung von Stil-Ikonen kann zum Rohrkrepierer werden. Wir erin­nern uns an das seelen­lose neue Kind der Schokolade, abfällig »Kevin« genannt, das vor fünf Jahren heftig bekämpft wurde. Oder die Diskussion um den neuen Mercedes-Benz-Markenauftritt 2007 oder den typo­gra­fi­schen Relaunch bei Audi 2009.

Nun gab das ZDF bekannt, dass es sich eine Institution visuell zur Brust nimmt, die es selbst über 35 Jahren aufge­baut hat, die Erfolgs-Kinderserie Biene Maja. Die Berliner Morgenpost befürchtet heute auf Seite 1 das Schlimmste (»Gefahr für Schwarz-Gelb«), denn vor allem »für Frauen ab 35 ist Maja eine ›Identifikationsbiene‹, wie eine Kuratorin des Berliner Fernsehmuseums einmal sagte. Verantwortlich dafür sind weniger die Bücher von Waldemar Bonsels (1880-1952) als die japa­ni­sche Zeichentrickserie aus den Siebzigerjahren.«

Mit moderner 3D-Animation sollen die Figuren und Grashalme künftig zum Greifen nah wirken, verkündet das ZDF in einer Pressemitteilung. Der Sender lässt in Pariser Studio 100 derzeit 78 neue Geschichten über Maja, Biene Willi und ihre Freunde an modernen Animationscomputern produ­zieren. Im Moment stecken die Trickfilmexperten in der Drehbuch- und Designentwicklung. »Der Grund für die Überarbeitung war zunächst ein rein tech­ni­scher«, erläu­tert die Leiterin der Redaktion Fiktion bei der ZDF-Hauptredaktion Kinder und Jugend, Irene Wellershoff, in Mainz. Das alte Filmmaterial habe sich nicht mehr in ein HDTV-Format umwan­deln lassen, das den heutigen Sehgewohnheiten entspricht.

Trendgemäß wurde die Biene auch einer Verschlankungskur unter­zogen. Sie hat Modelmaße, nur im Gesicht darf sie noch rund sein. Mit den meisten bekannten Vielbeinern wird es ein Wiedersehen geben, darunter Flip der Grashüpfer, Puck die Stubenfliege, Thekla die Spinne und natür­lich Willi. Zu ihnen gesellen sich neue Charaktere, etwa ein kleiner Mistkäfer oder ein Marienkäfermädchen, das voraus­sicht­lich Lara heißen wird.

Der altbe­kannte Titelsong, von Karel Gott gesungen, und die zentrale Botschaft der Biene-Maja-Geschichten bleiben erhalten. Maja lebt weiterhin ihr freies Leben fernab des Bienenstocks und pflegt ihre Freundschaften. Die neuen Folgen werden voraus­sicht­lich ab 2013 im ZDF zu sehen sein. Somit bleibt ausrei­chend Zeit, sich mit der neuen Optik anzu­freunden oder diese kritisch zu disku­tieren. (Abb: © ZDF)

PS: Neben Maja entstehen auch 78 neue Folgen von »Wickie und die starken Männer« … scheint aber weniger kritisch, denn war Wickie jemals ein Identifikationsgermane für Männer ab 35?


✪ der Woche: Lasst FontFonts rocken! [Update]

Noch nie gab es einen Stern der Woche, bei dem etwas verschenkt wurde. Doch damit nicht genug: Es gibt auch noch einen FontFont-Einkaufsgutschein im Wert von 500 € zu gewinnen. Unsere Kollegen von FontShop San Francisco haben den Wettbewerb Rocking FontFont’s Free Fonts auf die Schienen gesetzt, und alle FontShop-Deutschland-Kunden sind einge­laden mitzumachen.

Und so funk­tio­niert es. Ladet euch auf dieser font​shop​.com-Seite (mit euren font​shop​.de– Zugangsdaten) eine oder mehrere von 25 kosten­losen FontFont-Schriftfamilien und gestaltet damit ein Album-Cover, das ihr immer schon mal künst­le­risch betreuen wolltet. Ladet anschlie­ßend euer Artwork auf Flickr hoch und fügt es der FontShop-Gruppe Rocking FontFont’s Free Fonts hinzu. Fertig.

Einsendeschuss ist der 1. Mai 2011 … also beeilen. Gutes Gelingen und viel Glück.

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* 500-€- statt 500-$-Gutschein für FontShop-Deutschland-Kunden


Fontblog schaltet mal ab …

… bzw. schaltet um. Urlaubsbedingt erscheinen die News aus der Designbranche täglich unter dieser Adresse http://​twitter​.com/​f​o​n​t​b​log über Twitter: schneller, mit Bildern und Links, und sogar häufiger – viel­leicht auch persönlicher.


Upcycling statt Recycling

Magdalena aus Österreich schreibt mir heute: »Im Moment bereite ich gerade mit einer Kollegin unsere Diplomarbeit vor. Das Thema ist Upcycling. Bei Upcycling geht es darum aus Abfallprodukten und -mate­ria­lien neue Dinge mit höherem Wert zu schaffen. (Ein bekanntes Beispiel dafür sind die Freitag Taschen die aus alten LKW Planen gemacht werden.)

Nun ist ein Teil des Diploms unser Blog auf www​.weup​cycle​.com auf dem wir in 30 Tagen 30 Upcyclingprojekte posten. Diese 30 Ideen sollen aber nur ein Anstoß sein. Viel wich­tiger ist uns, dass andere Menschen auf uns aufmerksam werden, die sich auch für dieses Thema inter­es­sieren, mitma­chen und ihre Projekte auf unserem Blog veröf­fent­li­chen. So wird unser Blog nach den 30 Tagen für jeden Gastbeitrag um einen Tag verlän­gert. Unser Ziel ist eine endlose Kette von Upcyclingideen und Objekten. Eine Idee pro Tag, 365 Ideen im Jahr.«

Fontblog meint: Unbedingt mitmachen!


✪ der Woche: Volle Kanne Pantone, 4 Tassen gratis

Die Wohltaten gehen weiter – nach dem Knüller-Angebot von letzter Woche: Vierfarb-Referenz-Ringbuch plus kosten­loser Tageslicht-Leuchte. Die kommenden 8 Tage stehen bei FontShop unter dem Motto Pantone satt. Wir empfehlen das Pantone Essentials-Vorteilspaket mit sechs unent­behr­li­chen Farbfächern, und legen kostenlos 4 Pantone-Espresso-Tassen obenauf.

Die sechs Fächer sind den meisten profes­sio­nelle Druckern und Grafikdesignern vertraut. Die aktu­ellen Formula-Guides bieten die gesamte Farbpalette der Plus-Series-Sonderfarben. Die Color-Bridge-Farbfächer dienen dazu, Pantone-Sonderfarben auszu­wählen und fest­zu­legen, um zu bestimmen, wie eine Pantone-Farbe bei der Reproduktion in CMYK erscheint, oder um eine opti­male Anzeige der Pantone-Farben auf Monitoren und Webseiten zu erstellen. Die CMYK-Farbfächer helfen dabei, Farben für Schriften, Logos, Rahmen, Hintergründe und andere grafi­sche Elemente zu defi­nieren, zu kommu­ni­zieren und zu steuern. Ein Tragekoffer ist im Paketumfang enthalten.

Inhalt:

  • FORMULA GUIDE Solid Coated
  • FORMULA GUIDE Solid Uncoated
  • COLOR BRIDGE® Coated
  • COLOR BRIDGE® Uncoated
  • CMYK Coated
  • CMYK Uncoated

Das Vorteilspaket bietet eine kosten­güns­tige Möglichkeit, die bestehende Pantone-Kollektion um die Plus Series-Farbfächer zu erwei­tern. Sie ersetzen das Pantone Matching System, dessen Farben komplett inte­griert sind, und bieten darüber hinaus eine Vielzahl neuer Trendfarben für mehr Flexibilität im Design.

Hier geht es zur Bestellseite unseres Produkt-Bündel der Woche, das 319 € kostet (zzgl. MwSt. und Versand) …


Fontcase 2.0 und Fontcase iOS in Arbeit

Aufmerksame Software-Entwickler, die ihre Arbeit auf der Kreativ-Plattform Dribble disku­tieren, haben bereits bemerkt, dass die Mac-OS-X-Schriftverwaltung Fontcase (FontShop-Link) vor einem umfas­senden Relaunch steht (Fontcase auf Dribble). Die Apple-Infrastruktur hat sich in den letzten Jahren drama­tisch verän­dert, was den Fontcase-Entwickler Pieter Omvlee dazu bewogen hat, seiner App einen neuen Schub zu geben. Wir wissen sicher, dass er im Moment an einem großen, kosten­pflich­tigen Upgrade 2.0 arbeitet. Der Dribble-Diskussion ist zudem zu entnehmen, dass es sogar ein Fontcase für iOS geben wird – was auch immer es auf dem iPhone oder dem iPad veran­stalten wird.

Zu den Neuerung bei Apple gehört seit wenigen Monaten auch der Mac-App-Store. Und so ist es nur verständ­lich, dass Omvlee die Version 2.0 von Fontcase exklusiv über diesen Kanal einem größt­mög­li­chen, inter­na­tio­nalen Kundenkreis anbieten möchte. FontShop respek­tiert Pieters Strategie und wird daher auf seinen Wunsch hin den Vertrieb von Fontcase Version 1.0 zum Monatsende einstellen. Natürlich leistet FontShop weiterhin Support für die App. Falls Version 2.0 im App-Store auch als vergüns­tigtes Upgrade auf Version 1.0 ange­boten wird, kann der über FontShop bezo­gene Registriercode natür­lich dafür verwendet werden. Mehr dazu in einem späteren Beitrag,