Nichtlesen (18.1): Post von Grabowski
Liebe Leserinnen und Leser dieser Kolumne,
am letzten Sonntag, dem 20. März, erreichte uns folgende Email von Herrn Grabowski:
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Hallo Nichtlesen-Redaktion,
Sie müssen leider für den Beitrag am kommenden Freitag auf mich verzichten. Warum? Ich habe die Schnauze voll! Lassen Sie mich das kurz erklären.
Seit ich ein Smartphone besitze, informiere ich mich über das Weltgeschehen nicht mehr nur aus der Tageszeitung. Stattdessen bin ich regelmäßig auch unterwegs online und lese Nachrichten. Leider wird die Qualität des Weltgeschehens davon nicht besser.
Im Gegenteil: Je mehr ich davon wahrnehme, desto mehr wächst meine Wut. Es geht doch immer nur um Macht, eigene Interessen und Besitz. Die wollen doch alle nur auf Kosten anderer so viel wie möglich – wenn Sie mir den saloppen Begriff verzeihen – Eier in die eigene Tasche wirtschaften. Dann verschanzen sie sich hinter haarsträubenden Barrikaden und spielen Verstecken mit uns, den Betrogenen.
Es ist immer das gleiche alte Spiel um Gier und Diebstahl; so alt wie die Menschheit. Neu aber ist, dass ich dank solcher modernen Geräte wie dem Smartphone diese Ereignisse nicht nur passiv als Zuschauer wahrnehme, sondern sie in Echtzeit erlebe und mich ganz aktiv einmischen kann.
Und das tue ich jetzt: Ich werde es diesen Schweinen zeigen! Aber richtig. Sollten Sie von mir nichts mehr hören, machen Sie sich bitte Sorgen, aber unternehmen Sie nichts. Gewinne ich diesen Krieg, hören Sie bald wieder von mir. Verliere ich ihn, sagen Sie den Leuten in der Agentur und beim Fontblog ein herzliches hdgdl.
Ihr Herr Grabowski
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Mit dieser Mail sandte uns Herr Grabowski dieses Bild als Anhang. Wir haben leider keine Ahnung, worum es dabei geht.
Seit diesem letzten Sonntag haben wir nur noch ein einziges Mal versucht, Herrn Grabowski zu kontaktieren. Er meinte allerdings in unmissverständlichem Tonfall, dass er jeden sofort erschießen würde, der es wagen sollte, ihn zu stören.
Wir bitten um Entschuldigung für etwaige Unannehmlichkeiten und hoffen, dass Herr Grabowski bald wieder in alter Frische an dieser Kolumne teilnimmt. Vorerst werden wir versuchen, ihn würdig zu vertreten. Siehe dazu den Beitrag »Nichtlesen 18.2« (erscheint um 14:30 Uhr).
MfG,
Michael Bukowski
»Atomkraft? Nein Danke«-Aufkleber vergriffen
Wer heute den Shop von Ausgestrahlt.de besucht, wird mit der Meldung begrüßt: »Bitte Geduld … Wir erhalten enorm viele Bestellungen, mit denen wir bis vor wenigen Tagen nicht gerechnet haben. Viele Artikel sind ausverkauft. … Achtung: Material, welches jetzt bestellt wird, kommt nicht mehr vor den Großdemonstrationen am 26. März an.« Die Initiative Ausgestrahlt ist eine jener Organisationen, die Original-Protest-Utensilien vertreiben darf. Die Rechte an dem Logo, das die Dänin Anne Lund 1975 entwickelt hat, liegen bei der dänischen Stiftung OOA, die das Signet in allen europäischen Staaten und den USA hat schützen lassen. Sie sorgt dafür, dass das Logo nicht für kommerzielle Zwecke missbraucht wird und vergibt Lizenzen nur an Anti-Atomkraft-Initiativen.
In den 90er-Jahren verschwand die rote Sonne weitgehend von der Bildfläche, doch jetzt kehrte sie mit Macht zurück. Wie die Hamburger Morgenpost berichtet, würden zu Normalzeiten rund 10 bis 30 Button- oder Aufkleber-Bestellungen eingehen Im Moment seien es jedoch 800 bis 1000, laut Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atomkraft-Bewegung Ausgestrahlt. Für Stay ist der Ansturm auf die Insignien der Atomkraftgegner nur ein weiteres Indiz für den enormen Zulauf, den die Anti-AKW-Bewegung derzeit in Deutschland erlebe. Da passe es durchaus ins Bild, dass in der aktuellen Ausgabe der Jugendzeitschrift Bravo – neben den Teenie-Stars-Postern – ein Anti-AKW-Plakat zu finden ist.
Die aktuelle Nachfrage für das Anti-AKW-Logo beendet auch eine Debatte, die wir hier im Fontblog vor einem halben Jahr angestoßen hatten: Braucht »Atomkraft? Nein Danke.« ein Redesign? Nein.
Zwischenspiel: Nat King Cole »Natur Boy«
Erste Fontblog-Leser beklagen sich, dass es etwas ruhig hier geworden ist. Stimmt und ändert sich bald. Meine Fühler stehen inzwischen wieder auf Empfang. Und so erfuhr ich heute durch meiner Lieblings-Jazzsängerin Meldoy Gardot über Twitter von diesem Filmschnipsel aus dem Jahr 1951. Nat King Cole interpretiert mit seinem Samtstimme den Song »Nature Boy«, der ihm 1948 zum Durchbruch verhalf.
»Nature Boy«, heute ein Jazz-Klassiker, ist die einzige bedeutende Komposition des seinerzeit völlig unbekannten kalifornischen Aussteigers Eden Ahbez. Der Titel handelt von einem Jungen, der weit umherreist, um am Ende festzustellen, dass »zu lieben und geliebt zu werden« das »größte Geschenk« sei.
Ahbez wollte den Song Nat King Cole persönlich präsentieren, als dieser in Los Angeles mit seinem Trio auftrat. Cole nahm das Manuskript nicht selbst entgegen, da er Amateuren, die im ihre Lieder anboten, aus dem Weg ging. Also überreichte Ahbez Noten und Text auf zerknülltem Papier einem Saaldiener. Cole sah sich das Werk einige Tage später an und erkannte sein Potenzial. Er war auf der Suche nach einem Song, mit dem er die in den Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkten pro-jüdischen Gefühle ansprechen konnte. Er probierte den Titel in seinen Konzertprogrammen aus, wo er gut ankam. Auch die Song-Legende Irving Berlin riet dazu, den Titel zu kaufen.
Bei der im August 1947 aufgenommenen Interpretation wurde Nat King Cole nicht nur von seinem Trio, sondern einem Studio-Orchester begleitet. Ein halbes Jahr später stand »Nature Boy« acht Wochen auf Rang 1 der nationalen Charts. Auch Frank Sinatra nahm »Nature Boy« 1948 ins ein Repertoire auf, konnte aber, behindert durch den Recording Ban, keine großorchestrale Version aufnehmen. Gleichwohl landete seine Interpretation in den US-Charts, wie auch die Fassungen con Sarah Vaughan und Dick Haymes. Auf diese Art dominierte der Song 1948 die amerikanische Populärmusik bis Zeitungen darüber berichteten, dass die sentimentale Melodie und der Text eine derart melancholisierende Wirkung hätten, dass bereits drei Frauen und vier Männer zum Selbstmord veranlasst worden seien. (Quelle: Wikipedia)
Als Facebook-User direkt in den FontShop
Benutzern von Facebook öffnen sich die Pforten zum FontShop seit dieser Woche praktisch automatisch. Die neue Login-mit-Facebook-Funktion auf fontshop.com erspart das Ausfüllen von Formularfeldern – sowohl beim Einloggen als auch beim erstmaligen Registrieren. Ein Klick genügt, um in die weite Welt der Schriften einzutauchen oder die Vorteile eines registrierten Nutzers zu genießen (kostenlose Downloads, kostenlose Schriftrecherche und ähnliches).
Wer bereits auf fontshop.com registriert ist, kann seinen FontShop-Account mit dem Facebook-Account verbinden (beide müssen mit der gleichen E-Mail-Adresse angelegt sein). Das Einloggen bei FontShop bleibt genauso sicher wie zuvor, man erspart sich aber das Verwalten eines weiteren Passworts. Und: Wer bei Facebook eingeloggt ist, kann nun auch auf fontshop.com seine Lieblingsfonts mit dem Gefällt-mir-Knopf markieren und dies seinen Facebook-Freunden mitteilen.
Unsere neue FontShop-Kollegin Meghan Arnold mag die Schreibschrift Jackalope von Letter Perfect, was sie mit dem Like-Button auf fontshop.com bescheinigt (links) … kurz darauf wissen es ihre Facebook-Freunde (rechts)
Sie nutzen Facebook gar nicht? Auch kein Problem. Selbstverständlich steht die klassische Anmeldung mittels Formular auch weiterhin zur Verfügung.
Im Wortlaut: Spiekermanns Masterplan
Die Rede von Johannes Erler zur gestrigen Ausstellungseröffnung »erik spiekermann. schriftgestalten«
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Frau Dr. Jaeggi,
lieber Erik,
vielen Dank für die Einladung, ein paar Worte zur Eröffnung dieser Ausstellung sagen zu dürfen. Ich fühle mich geehrt.
Dieser Abend ist ja so etwas, wie ein Heimspiel für Erik Spiekermann. Wir sind in Berlin, das ist seine Stadt. Wir befinden uns an einem Ort, an dem man den Begriff Design ausnahmsweise einmal nicht grundlegend erklären muss. Und wenn ich mich umschaue, dann sehe ich viele bekannte Gesichter. Die meisten unter Ihnen kennen Erik und seine Arbeit, viele von Ihnen haben Ihn über viele Jahre begleitet.
Ich werde Ihnen Erik Spiekermann also nicht in aller Ausführlichkeit vorstellen. Ich werde nicht über den Schriftengestalter und Typografen Erik Spiekermann sprechen, der gleich mehrere der einflussreichsten Schriften der vergangenen 20 Jahre geschaffen hat, von denen gleich vier vor kurzem in die ständige Sammlung des Museum of Modern Art in New York aufgenommen wurden.
Ich werde nicht über den Designer und Bürogründer Erik Spiekermann sprechen, der vor ein paar Wochen erst den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland für sein Lebenswerk erhielt und den sicher noch so manch ähnliche Ehrung erwartet.
Ich werde auch nicht über den Unternehmer Erik Spiekermann sprechen, der mit dem FontShop aus seiner Passion für Schrift ein gutes Geschäft gemacht hat. Immerhin ist der FontShop heute der weltweit größte Vertrieb digitaler Schriften.
Und ich werde zuletzt dann auch nicht über den begnadeten Netzwerker Erik Spiekermann sprechen, der die größte Designkonferenz Europas, die Typo Berlin, begründete und dem mittlerweile weltweit über 100.000 Menschen auf Twitter folgen (zum Vergleich: ich habe ungefähr 370 Freunde auf Facebook…).
Über all diese interessanten und erstaunlichen Facetten erfahren Sie heute Abend von mir rein gar nichts. Und im Übrigen sollen Sie sich ja auch noch die Ausstellung anschauen.
Nein, mein Thema ist ein anderes. Mir geht es nicht um das WAS, mir geht es um nicht weniger, als das WARUM! Ich werde gleich also das große Geheimnis des Erik Spiekermann enthüllen, das all diese Leistungen überhaupt erst möglich gemacht hat. Er hat es mir selbst erzählt!
Am Anfang meiner Recherchen stand zunächst ein Artikel, den ich vor einigen Monaten für den Rat für Formgebung zu schreiben hatte. Es ging also um die bereits erwähnte Auszeichnung für das Lebenswerk und mit dem hatte ich mich entsprechend zu beschäftigen.
Wenn man alles, was Erik in den letzten Jahren und Jahrzehnten geschaffen und geleistet hat, zusammenträgt, erkennt man zunächst die ungeheure Menge an Leistungen. Ich kann das ganz gut beurteilen, weil ich ja auch schon ein paar Sachen gemacht habe und aber bereits jetzt, mit Mitte 40, feststellen muss, dass ich da, wo Erik heute ist, nicht mehr hinkommen werde. Ich schaffe das einfach nicht mehr, ich habe einfach nicht mehr genug Zeit, zumindest wenn ich weiter so arbeite, wie bisher.
Das ist dann natürlich schon eine erste Erkenntnis: so etwas schafft man nämlich nicht allein. Und wenn man sich Eriks Arbeit anschaut, wird man schnell erkennen, dass er das alles tatsächlich selten allein gemacht hat. Er hatte immer Mitstreiter, Kollaborateure, Partner in Crime, die ihn gern unterstützt haben.Das ist überhaupt nicht selbstverständlich, weil Designer oft auch große Individualisten und Egozentriker sind. Und das ist noch nicht einmal unlogisch, weil viele Entscheidungen im Design letztlich einsame Entscheidungen sein müssen. Um so erstaunlicher und bewundernswerter ist es für mich, wenn ich dann sehe, wie Erik diese scheinbaren Gesetzmäßigkeiten außer Kraft setzt und es immer wieder schafft, viele Menschen um ein Thema herum zu versammeln, die zusammen natürlich viel mehr schaffen können, als ein Einzelner.
Das ist aber immer noch nicht das Geheimnis von dem ich sprach. Schon eher auf die richtige Spur kommt, wer im Überblick den Masterplan erkennt, der wohl hinter all dieser Aktivitäten zu stecken scheint (und an dieser Stelle muss man auch noch erwähnen, dass Erik viel schreibt. Bücher und Artikel und Vorträge). Dieser Masterplan heißt: Kommunikation. Um die dreht sich alles. Eriks zentrale Botschaft lautet: ohne Kommunikation geht nichts. Er hält sie für das Brot, das Gesellschaften nährt und zusammenhält, und Schrift für das Korn, also die wichtigste Zutat (was erklärt, warum er diese wichtige Zutat besser gleich selbst herstellt).
Erik hat ein ehrliches Interesse daran, Dinge zu erklären und zu verdeutlichen. Für mich ist das DIE zentrale Motivation und die edelste Aufgabe eines Kommunikationsdesigners, der Design nicht als schöne Oberfläche, sonders als Organisationsprinzip jenseits jeder verordneten Ästhetik betrachtet. Und im Übrigen ist dies zu vermitteln bis heute das große Problem unserer Branche, die immer noch auf die Oberfläche reduziert wird. Wir Designer kommen da einfach nicht aus dem Quark und Erik ist als einer der ganz wenigen schon erheblich viel weiter. Man hört ihm zu, man versteht ihn und man glaubt ihm.
Was aber treibt ihn nun dazu an? Ist da eine besonders heftige Form von Sendungsbewusstein zu entdecken? Vielleicht sogar eine Art Weltverbesserungssyndrom? Möchte Erik Spiekermann vielleicht einmal Bundeskanzler werden oder besser noch UN-Generalsekretär? Oder hat sich Erik Spiekermann nicht weniger vorkommen, als das ungeschriebene Gesetz von der Unfähigkeit des Menschen, vernünftig kommunizieren zu wollen, außer Kraft zu setzen? Denn die meisten können und WOLLEN es ja ganz offensichtlich nicht. Wahrscheinlich , weil wir, archaisch betrachtet, immer noch niemals und niemandem unsere überlebenswichtigen Feuerstellen und Jagdgründe preisgeben würden?
Das wären natürlich alles hohe und hehre Ziele. So ist es aber nicht. Denn als ich neulich mit Erik zusammensaß, um Material für ein Buch zu sammeln und schon ganz viel zusammenhatte, weil Erik die ganze Zeit am reden war und wie so oft gar nicht aufhören konnte und ich mich fragte, wie ich das alles bloß jemals sortiert bekommen würde, da habe ich dann ganz zum Schluss doch mal sehr gezielt nachgefragt.
Ich fragte also: »Erik, sag mal, WARUM machst du das alles eigentlich?«
Und Erik antwortete nach kurzem Nachdenken und gar nicht mal laut, sondern eher nachdenklich: »Wahrscheinlich, weil ich so eine Plaudertasche bin …«
Und dann erzählte er mir, wie er als kleiner Junge und gerade erst der Sprache mächtig, ein unstillbares Interesse an allem, was um ihn herum passierte, entwickelte und diese ständigen glücklichen Entdeckungen und Sensationen aber keinesfalls für sich behalten, sondern immer auch alle anderen mitteilen wollte. Und wie er so die Sprache für sich entdeckte und später auch die Schrift. Und wie er nach und nach seine Fähigkeiten zu kommunizieren so weit verfeinert hatte, dass er sie sogar beruflich nutzen konnte. Und Letzteres hat er mir übrigens gar nicht mehr erzählt, sondern ich habe es mir zusammmengereimt, weil es einfach Sinn macht. Weil es keine bessere Motivation und keine bessere Lehre gibt (was auch erklärt, warum Erik nie Design studiert hat).
Kommunikation also, wie sie tatsächlich gemeint ist. Um Informationen zu vermitteln, um aufzuklären, um Menschen miteinander zu verbinden.
Nicht jene Kommunikation als Selbstzweck, wie man sie z.b. in der verschwurbelten Rethorik deutscher Außenminister oder japanischer Regierungssprecher findet. Auch nicht die Kommunikation, die heute fast jede Werbeagentur für sich reklamiert, die genau so nicht mehr genannt werden will: Werbeagentur. Sondern zukünftig: Kommunikationsagentur. Weil ja Kommunikation die neue Werbung ist. Und schon gar nicht die Kommunikation der so genannten Kommunikationsgesellschaft, die man z. B. in Millionen von Internetforen bewundern darf, wo sich Menschen eigentlich gegenseitig helfen wollen und am Ende nur noch mehr verwirren, weil schon jeder Satzbau zum Desaster gerät.
Nein, es geht um jene Kommunikation als Mittel zum Zweck der reinen, klaren Informationsübertragung. Und genau die pflegt und vermittelt Erik Spiekermann schon sein ganzes Leben lang, ganz einfach aus einem inneren Antrieb und aus Neugierde, weil das Leben toll oder zumindest hochinteressant war (und ist). Und weil möglichst viele Menschen davon erfahren sollen.
Das ist ja fast schon eine evolutionäre Weiterentwicklung der Spezies Mensch, wenn man, wie eben erwähnt, eigentlich davon ausgehen muss, dass der Mensch zum Mauern neigt. Und das hört sich vielleicht naiv an und ist gleichzeitig als Motivation doch so klar und eindeutig, wie ein gutes Stück Information selbst.
Wahrscheinlich muss es auch Geheimnisse geben. Aber die Vorstellung einer Welt voller freundlicher und optimistischer Plaudertaschen finde ich zwar ziemlich laut und manchmal ein bisschen anstrengend aber auch sehr schön.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frisch auf dem Büchertisch: »Reporting«
Auch der Schmidt-Verlag bedient sich jetzt der wunderbaren Leseproben-Technik von issuu, die wir auch für FontShop-Publikationen einsetzen. Darum bitte erst mal mit einem kurzen Klick reinschauen, in das frisch erschienene Meisterwerk aus Mainz, bevor ich ein paar Worte über das Buch von Jochen Rädeker und Kirsten Dietz verliere:
Ich weiß zwar nicht, wie groß Ihr Bildschirm ist … doch selbst im Vollbildmodus wird die issuu-Animation nicht an das Original in Atlas-Größe herankommen, nämlich 24,5 x 32 cm. Bleiben wir kurz bei den nackten Fakten: 390 Seiten (inkl. 24seitigen Dünndruckteil und 9 Kapitel-Zwischenblättern auf glänzend mintgrünem Spezialpapier), 1.300 Abbildungen, Festeinband mit Nachtleuchtfarbe und Prägung.
Zum Inhalt: Einmal im Jahr geben Unternehmen Analysten und Aktionären Einblick in ihre Bilanzen, sie veröffentlichen einen Geschäftsbericht. Aus trockenen Zahlen werden Charts und Diagramme mit dem Ziel, möglichst gut dazustehen. Schon lange wird diese Veröffentlichungspflicht als Selbstdarstellungskür verstanden. Zu Zahlen, Daten, Fakten gesellen sich Stellungnahmen über ökologische und soziale Verantwortung.
Die Autoren Kirsten Dietz und Jochen Rädeker wissen wovon sie sprechen. Nach zwei Auflagen finest facts & figures haben sie erneut die besten Geschäftsberichte aus aller Welt gesichtet, um neue, anregende Elemente zu finden und zu erläutern. Sie geben Insiderwissen weiter und verraten, wo die Fallstricke warten und was sich im Reporting geändert hat.
Reporting liefert konkrete Tipps zur Gestaltung von Charts, zur Darstellung der Unternehmensphilosophie, für den brillanten Umgang mit Vorstandsfotos bis hin zum Balkendiagramm. Dabei gehen die Autoren über rein gestalterische Aspekte hinaus und liefern wertvolle Tipps zu Projekt- und Zeitmanagement, zu innovativen Verarbeitungsideen bis zum Register.
Das Buch ist mehr als eine Sammlung von Anregungen. Es dient der Selbstmotivation und versetzt auch kleinere Designbüros argumentativ in die Lage, einem Big Boss auf Augenhöhe zu begegnen. FontShop hat (noch) 20 Exemplare von »Reporting« auf Lager, kann schon morgen liefern – versandkostenfrei – … wenn Sie jetzt bestellen. Zur FontShop-Bestellseite …
Der »Christliche Garten« kann wachsen
Vor fast einem Jahr berichtete ich zum ersten Mal über das Projekt Gärten der Welt im Erholungspark Marzahn: So geht professionelles Design …. Der Berliner Designer Alexander Branczyk machte mich darauf aufmerksam, weil einer der Gärten von einer kolossalen schmiedeeisernen Schriftinstallation beherrscht wird. Vor wenigen Tagen wurde das letzte Teilstück eingefügt. Nachfolgend einige Aufnahmen die anlässlich des Richtfests entstanden sind.
Der Erholungspark Marzahn liegt am nördlichen Fuß des Kienbergs und wurde am 9. Mai 1987 anlässlich der 750-Jahr-Feier von Berlin als »Berliner Gartenschau« und »Geschenk der Gärtner an die Hauptstadt der DDR« (Ost-Berlin) eröffnet. Mit den angrenzenden frei zugänglichen Erholungsflächen des Kienbergs und dem direkt östlich anschließenden Wuhletal ergibt sich eine Gesamtfläche von über 100 Hektar Grün.
Zwei Jahre nach der Wende wurde die Anlage in Erholungspark Marzahn umbenannt. Spiel- und Liegewiesen kamen hinzu, Bäume wurden gepflanzt und Sondergärten eingerichtet. Seit Oktober 2000 ist der Park durch seine Gärten der Welt auch weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. 2005 wurde der Chinesische Garten als drittschönste Parkanlage Deutschlands ausgezeichnet. Inzwischen gehört der junge Erholungspark zu den 365 Orten im Land der Ideen.
Nach dem Chinesische Garten (2000), dem Japanischen und dem Balinesischen (2003), folgte 2005 der mit Unterstützung der Allianz Umweltstiftung errichtete Islamische Garten. Inzwischen bereichern noch der Koreanische Garten, ein Irrgarten mit Labyrinth, der Karl-Foerster-Staudengarten und ein Italienischer Renaissancegarten die Gärten der Welt im Erholungspark Marzahn.
Seit 2007 laufen die Vorbereitungen für einen Christlichen Garten, die mit einem Planungs-Wettbewerb begannen. Auch dieses Projekt wird von der Allianz Umweltstiftung gefördert. Eine hochkarätige Fachjury kürte den Entwurf des Berliner Büros Relais Landschaftsarchitekten zum Gewinner, der im Moment realisiert wird.
Abgeleitet von der Urform der Christlichen Gärten, dem klösterlichen Kreuzgang, entsteht in ein »moderner« Klostergarten. Eine quadratische Gartenfläche mit einem Wegekreuz aus hellem Kies, Pflanzflächen aus Buchs und weiß blühenden Stauden sowie einem Wasserbecken, als Symbol für das Wasser als Quelle des Lebens.
Hauptattraktion des Christlichen Gartens wird der Wandelgang: Seine Wände bestehen aus goldlackierten Aluminiumflächen, in die Textpassagen aus dem Alten und Neuen Testament eingearbeitet sind. Damit wird daran erinnert, dass das Christentum eine Religion der Bücher und der Schrift ist.
Die typografische Gestaltung hat Alexander Branczyk (Abb. oben, mit Mütze und Schallschutz) übernommen. Die hier eingestreuten Abbildungen haben er und sein Team vor einigen Tagen beim Richtfest aufgenommen. Branczyk hat es sich natürlich nicht nehmen lassen, für das Projekt eine wunderbare exklusive Schrift zu entwerfen, deren Aussehen von der Aufgabe und der Herstellungstechnik bestimmt ist.
Die Herstellung der Lettern setzte dem Schriftgestalter einerseits Grenzen, andererseits nutzt er die verbleibenden Freiheitsgrade für spleenige Ausschweifungen. Das Ergebnis zeigt die einzigartige Qualität von Branczyks Schriftentwürfen, die er sich Anfang der 90er Jahre in Nachtsitzungen für das Technomagazin Frontpage angeeignet hat: für jede Ausgabe eine neue Headline-Schrift, darunter ging gar nichts. Schnell, zügellos, präzise – aber mit raffiniert kalkulierten Störungen … so lässt sich seinen Typostil charakterisieren.
Einfügen des letzten »gußeisernen« (tatsächlich ist es Aluminium) Teilstücks in den Wandelgang des Christlichen Gartens
Fleißige Hände verschrauben schließlich das letzte Teilstück mit dem Rest der Metallkonstruktion
Nichtlesen (17): Tonstörung
Offener Brief von Auweier Unhold & Partner an die Redaktionen aller deutschen TV-Sender
Berlin, den 18. März 2011
Sehr geehrte Damen und Herren in den Redaktionen, werte Medien-Partner,
aus gegebenem Anlass haben wir in der letzten Montagskonferenz bei Auweier Unhold & Partner folgende Sachlage diskutiert:
Sie senden Filme und Bilder der Katastrophe in Japan mit musikalischer Untermalung. Das ZDF setzte zum Beispiel im Heute Journal auf Massive Attack als Katastrophen-Soundtrack (siehe Bericht darüber bei spiegel.de). Andere Sender entschieden sich für spannungsstark arrangierte Klassik-Medleys. Wie wär’s denn bei verwüsteten Landschaften mit einer Prise gefühliger Enya (bewährt seit 9/11)? Und explodierende Industrie-Anlagen oder Atomkraftwerke könnte man doch mit »Hyper, Hyper« von Scooter zu einem kontraststarken Bild-Ton-Gemetzel aufpusten … Würde uns auch nicht mehr überraschen. Aber kommen wir zur Sache:
Leider müssen wir Ihnen nun mitteilen, dass uns das nicht gefällt. Und zwar gar nicht. Die erschütternden, unfassbaren Bilder und Bewegtbilder von Zerstörung und menschlichem Leid mit musikalischer Stimmungmache anzureichern, halten wir für einen unerträglichen, journalistischen Super-, nein: Mega-, nein: Hyper-GAU.
Insbesondere als Werbeagentur sehen wir uns moralisch in der Pflicht, in diesem Fall entschieden einzugreifen. Wir haben uns zunächst gefragt, wie es eigentlich zu dieser medialen Tragödie kommen konnte. Wahrscheinlich folgten Sie nur dem TV-Macher-Reflex, dass Fernsehminuten nicht geräuschlos verstreichen dürfen. Wenn Bild und Ton möglich sind, dann sind auch beide nötig. Stille dagegen macht Angst; umso beängstigender im Angesicht der furchtbaren Bilder aus Japan. Dann lieber schnell mit Mucke weichspülen.
Aber lassen wir die Spekulationen über Ihre Motive. Denn selbst wenn Sie aus nachvollziehbaren Gründen gehandelt haben sollten, bleibt das Ergebnis nicht weniger inakzeptabel – und das wird folgende Konsequezen für Sie haben:
Zwar haben wir als Werbeagentur im Prinzip keinen Einfluss auf Ihr redaktionelles Hoheitsgebiet, aber darauf können wir in Anbetracht der Schwere der Vorfälle leider keine Rücksicht nehmen. Auf gut deutsch gesagt, ist uns das sogar scheißegal.
In Absprache mit unserem Kunden Miezi’s Katzen Content haben wir beschlossen, mit sofortiger Wirkung unseren Media-Etat von allen TV-Sendern abzuziehen, die sich weiterhin als Katastrophen-DJs hervortun. Sollte Ihnen diese Maßnahme wie Erpressung vorkommen, dann aus gutem Grund: Es ist Erpressung.
Unser Media-Budget von immerhin geschmeidigen 26,5 Mio. Euro für das 2. und 3. Quartal 2011 werden wir wie folgt umverteilen: Einen kleinen Teil verwenden wir für die Beauftragung von Medien-Wissenschaftlern und Psychologen. Deren Expertise soll aufklären helfen, warum und wie es bei Ihnen in den TV-Redaktionen – wenn Sie mir bitte das Wortspiel verzeihen wollen – zu einer derartigen kollektiven Hirnschmelze kommen konnte und was dagegen zu unternehmen wäre. Den verbleibenden Großteil unseres Etats werden wir in sittlich und gesellschaftlich akzeptable Werbeumfelder in anderen Medien umleiten.
Lassen Sie es mich ähnlich wie, aber doch anders als unsere Kanzlerin Frau Merkel sagen: Ihre Werbeeinnahmen liegen jetzt ein Stück weit ganz und gar nicht in Gottes Hand.
Hochachtungsvoll, Ihr
Herr Grabowski
Geschäftsführender Gesellschafter
Werbeagentur Auweier Unhold & Partner
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P.S.: Liebe Leserinnen und Leser von fontblog.de, falls Sie sich fragen, wo hier jetzt der Witz sei: Der fällt dieses Mal leider aus. Zwar erscheint die Nichtlesen-Kolumne unter der Rubrik Spaß. Der Spaß ist den Leuten bei Auweier Unhold & Partner aber kurzfristig vergangen. Wir hoffen auf Ihr Verständnis,
Abbildungen: © Westend61 via ZOOM (1) und © PhotoAlto via ZOOM (2)