Stefan George und die Schrift
Der deutsche Schriftsteller Stefan George (1868 – 1933) zählt zu den bedeutendsten Lyrikern des Symbolismus und der späteren Neuromantik. Häufig trat er, im priesterlichen Gewand gekleidet, vor ausgesuchten Hörern zu Lesungen auf. Anschließend empfing er einzelne Zuhörer zu Audienzen in einem Nebenzimmer.
Georges Bücher waren außergewöhnlich gestaltet und zunächst nur in intellektuellen Kreisen gefragt. Auffallend war das Schriftbild seiner Bücher. Die Texte waren in gemäßigter Kleinschreibung gesetzt, also Versalien nur für Versanfänge, Eigennamen und Betonungen. Ab 1904 erschienen Georges Drucke in einer eigenen Schrifttype, der St.-G.-Schrift, die angeblich auf seiner eigenen Handschrift basierte. Sie war serifenlos mit optisch gleichbleibender Strichstärke.
Seit 2003 gibt es eine digitalisierte Version der George-Schrift. Als Vorlage diente eine Schriftmuster-Sammlung des Berliner Verlags Otto von Holten von 1907. Die St.-G.-Schrift, wie sie dort abgekürzt bezeichnet wurde, gab es damals in insgesamt vier Schnitten. Das Schriftmusterbuch blieb durch einen glücklichen Zufall erhalten (Berliner Stadtbibliothek), Verlag und Druckerei wurden Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört.
Alle kühnen Eigentümlichkeiten dieser Muster wie das Hochkomma und die fremdartigen Anführungszeichen wurden in die digitale Schrift übernommen. Zugleich nimmt der überarbeitete Zeichensatz die für die Gesamtausgabe von 1927ff. charakteristischen Buchstaben wie die neuen versalen A, L, V, T auf und ergänzt den Zeichensatz durch fehlende bzw. alternative Zeichen (&, @, l, langes s, …).
Auf der Seite www.textkritik.de kann die digitalisierte George-Schrift zum Preis von 25 € bestellt werden.
Diese Geschichte dient allerdings nur der Einleitung zu einigen Zitaten, die mir heute unterbreitet wurden und meines Wissens in der Welt der Typografne und Schriftentwerfer noch nicht angekommen sind. Sie stammen vom Bildhauer Frank Mehnert, der in Georges drei letzten Lebensjahren dessen ständiger Begleiter war. Mehnert gründet Mitte der 1930er Jahre mit dem Germanisten Rudolf Fahrner und dessen Freundin Gemma Wolters den Delfin-Verlag, der später Texte von Freunden Georges publiziert.
Besonders viel Energie steckte Mehnert in die Neuauflage einer Stefan-George-Drucktype. Sie sollte erneut aus Georges Handschrift geschöpft werden und die in allen Bänden gebräuchliche »Delfinletter«, die Schrift des Delfin-Verlags, ablösen. Sorgfältig wählte Mehnert die schönsten Lettern aus Georges Handschrift aus, vermaß ihre Längen und Breiten, ihre Strichstärken, Zwischenräume und Wortabstände, versuchte Schriftbreite und Verslänge des Georgeschen Werks aufeinander abzustimmen. Von einigen Handschriften Georges lässt er Vergrößerungen anfertigen, um aus den Buchstaben Lettern für den Druck zu gewinnen. Sogar als Soldat im Feld setzt er diese Arbeit fort. »Ich glaube ja immer mehr«, schreibt er mit der Feldpost aus Russland, »dass die schrift auch einer jener hebel ist die ganz unabsehbar viel in bewegung setzen können.«
Die Leiterin des George-Archivs in Stuttgart Ute Oelmann (»Fürs schönheit verlangende Auge«, Sonderausstellung im Rahmen der 3. Stuttgarter Antiquariatsmesse 2009) zitiert Mehnert wie folgt: »Die größten Revolutionen des Menschengeistes gehen auf Letternfüßen einher. Kein anderer Künstler nähert sich der Welt in so subversiver Absicht wie der Erfinder einer neuen Schrift. Indem er die Träger der Transmission zu seinem primären Material macht, greift er ins Räderwerk der intellektuellen Konventionen. Als metallische Glieder eines geschmeidigen Körpers sind die Lettern minimale Konstanten endloser Variation – caractères, wie die Franzosen sagen: Atome, Gene und Merkzeichen des Intellekts. Nirgends zeigt sich dieser unverhüllter, nirgends verbirgt er sich besser als unter den zwei, drei Dutzend schwarzer Kiesel, über die der lesende Geist springt, wenn er das Flussbett der materiellen Welt durchquert.«
Klaus Mehnert fällt, bevor sein Werk einer neuen StG-Schrift vollendet ist. »Die geplante Auferstehung des Meisters in der Schrift findet nicht statt.« (Oelmann)
(Abb 1: »Das Jahr der Seele«, Titelblatt, Quelle Wikipedia; Abb 2: St.-G.-Schriftmuster, Quelle www.textkritik.de; Textquelle: Ulrich Raulff, Kreis ohne Meister. Stefan Georges Nachleben, 2. Aufl., München 2010, S. 200 f.)
Kerning und Ligaturen unter Safari
Gestern stieß ich auf die Internet-Testseite Cross-browser kerning-pairs & ligatures, deren Überschrift sich übersetzen lässt mit »browserübergreifendes Kerning plus Ligaturen«. Dort heißt es, dass schon einige Browser die metrischen Daten von Fonts unterstützen, zum Beispiel Firefox, Safari 5 und Chrome. Einzige Voraussetzung: die Option optimizeLegibility muss eingeschaltet sein, was nur bei Firefox von Hause aus der Fall ist (für Textgrößen über 20 Pixel).
Auch der Webdesigner Chris Morrell aus Philadelphia stolperte gestern über die Demosite und dachte sich: Für diesen Zweck muss es doch eine Safari-Extension geben. Er suchte, fand keine und schrieb sich selbst die Extension Optimize Legibility (4,64 KB), die er seit heute zum kostenlosen Download auf seiner Seite anbietet.
Ich habe es eben ausprobiert und bin teils begeistert, teils unschlüssig. Mann muss schon eine mit Webfonts gebaute Internet-Seite besuchen, um die Verbesserung der Lesbarkeit zu erleben … denn die Standard-Schriften Verdana, Arial, Georgia und Co enthalten größtenteils weder Kerning, noch Ligaturen.
Den oben gezeigte Vergleich habe ich auf simplebits.com erzeugt, indem ich die Safari-Erweiterung ein- und ausgeschaltet habe (geht wunderbar in Echtzeit mit geöffnetem Voreinstallungsfenster). Weitere Webseiten, auf denen man die Verbesserung der Lesbarkeit gut nachvollziehen kann sind:
- www.pictorymag.com
- twitter-media
- 48hrmag.com und Florian Hartwigs Report vom TypeTalk Brno auf
- www.myfonts.de
Werkschau Designblick 2010 in Hof
Vom 16. bis 18. Juli 2010 findet an der Hochschule Hof/Standort Münchberg erstmals die »Designblick (2010)« statt. Das Spektrum der Arbeiten erstreckt sich bei Mediendesign von Grundlagen der Gestaltung über Illustrationen, Fotografie, Video, Print- und Webgestaltung bis hin zu Editorial Design, Corporate Design, Informationsvisualisierung und Interfacedesign. Textildesign bietet die gesamte Vielfalt textiler Stoffe, Muster, Materialien bis hin zu textilen Produkten und Modedesign. Die Studierenden sind anwesend und stehen für Fragen zur Verfügung. Ausstellungseröffnung ist am 16. 7. 2010 um 18:00 Uhr in der Kulmbacher Str. 76, 95213 Münchberg.
Die Designblick wird von nun an jedes Jahr stattfinden. An der Hochschule Hof/Standort Münchberg haben sich die Bachelor-Studiengänge Mediendesign und Textildesign zu erfolgreichen Lehrangeboten etabliert, deren Absolventen bundesweit und international tätig sind. Der Studiengang Mediendesign wird zudem neue Impulse entfalten, seitdem er in der Fakultät Wirtschaft integriert ist und ab Oktober 2010 mit einer neuen Studienordnung fortgesetzt wird. Für die Lehre von Mediendesign steht die gestalterische Kompetenz zwar weiterhin im Vordergrund, aber parallel zu den Gestaltungsprojekten wird ebenso die Bedeutung von Design als Marketingfaktor, Projektmanagement und Strategien ökonomischer Prozesse gelehrt.
Weitere Informationen zu den Studiengängen und zur Ausstellung: www.design-hof.de
Suhrkamp-Vortrag über Buchdesign, in Berlin und kostenlos
Seit ihrer Gründung durch Siegfried Unseld im Mai 1963 ist die Edition Suhrkamp wie kaum eine andere Buchreihe Spiegelbild der literarischen und intellektuellen Entwicklung der Bundesrepublik. Durch die legendäre Umschlaggestaltung von Willy Fleckhaus in den Regenbogenfarben mit Linien hebt sie sich nicht nur inhaltlich von anderen Taschenbuchreihen ab. Da liegt es nur nahe, dass der jüngst nach Berlin umgezogene Suhrkamp Verlag eine seiner 20 Sommerlesungen der Buchgestaltung widmet. Am kommenden Donnerstag (1. Juli 2010) laden Carsten M. Wolff, Rainer Groothuis und Friedrich Forssmann in die Linienstraße 127 zur kostenlosen Lesung »Buchgestaltung und Design«. Beginn: 20:00 Uhr. Weitere Informationen …
✪ Schreibschrift ›Nothing‹ für 19,– 12,– €
Schreibschriften, Retrofonts und experimentelle Headliner sind die Spezialität des japanischen Labels Flat-it. Sein Gründer und kreativer Kopf Ryoichi Tsunekawa hat zunächst Architektur studiert, wobei er schon in seiner Freizeit Schriften zeichnete. 2005 machte er seine Passion zum Beruf. Seit dem hat Tsunekawa über 30 Schriften und Familien entworfen.
Der OpenType-Font Nothing ist auf den ersten Blick eine typische Filzstiftschrift: einfach, ausladend, persönlich … mit ordentlich verbundenen Buchstaben. Doch gerade diese Leichtigkeit machte sie so berühmt, dass Nothing im Jahr 2007 auf Platz 1 der Font-Bestseller-Charts landete. Vielleicht liegt es auch an ihrem Preis, der schon fast in der Größenordnung eines Edding-Stifts liegt. Dabei beherrscht Nothing Millionen Farben und wird nie leer.
Als ✪ Stern der Woche kostet sie bei FontShop in den kommenden 7 Tagen sogar nur 12 € statt 19 € (zzgl. MwSt.). Hier geht es zur Bestellung …
Cottbus-Logo, zweiter Versuch
Im Januar 2009 versuchte die Stadt Cottbus, mit einer neuen Bildmarke auf sich aufmerksam zu machen. Schon die Ausschreibung ließ Schlimmes befürchten, doch das Ergebnis übertraf alle Erwartungen. Fontblog berichtete mehrfach:
- Cottbus sucht Wort-/Bildmarke 23. Sep 2008
- Ist Cottbus noch zu helfen? 9. Jan 2009
- Brauchen wir eine Designkammer? 12. Jan 2009
- Das neue Logo für Cottbus ist da 15. Jan 2009
- Zeigt her Eure Cottbus-Logos! 16. Jan 2009
- Das Cottbus-Logo ist vom Tisch 3. Feb 2009
»Der Entwurf scheiterte am Protest von Bürgern und Fachleuten.« schreibt die Lausitzer Rundschau heute abend auf ihrer Webseite. Und: »Jetzt stellt Oberbürgermeister Frank Szymanski (SPD) fünf neue Entwürfe zur Debatte.« Diesmal dürfen die Cottbuser mitentscheiden.
»Obwohl wir keinerlei Vorgaben gemacht haben, spielen viele Entwürfe mit dem Motiv der Pyramiden«, zitiert die Tageszeitung Szymanski aus der Präsentation. Neben der Pücklerschen Gartenkunst hätten die Designer das Theater als Wahrzeichen der Stadt hervorgehoben. Ein anderer Entwurf spiele mit der Idee, »die Stadt der Lausitz« als Kern einer vielfältigen Region darzustellen. Alle fünf Bildmarken könnten, so die Zeitung, je nach Nutzungszusammenhang mit Ergänzungen wie »Stadt der Wissenschaft«, »Drehscheibe zwischen Ost und West« oder »Universitätsstadt« genutzt werden.
Details zur geplanten Marketingstrategie, den einzelnen Entwürfen und Variationen wird die Lausitzer Rundschau in den kommenden Tagen auf ihrer Internetseite vorstellen.
(Abbildungen: Lausitzer Rundschau, Montage: Fontblog)
Unschlagbar sahnige Typografie
Unschlagbar – das war das Siegermotiv beim Best New 18/1 Award 2009, das die Düsseldorfer Agentur castenow.communications eigens für die Marke Glücksklee der Allgäuer Alpenmilch GmbH entworfen hat. Das Plakat überzeugte die Jury in Punkto Aufmerksamkeit, Verständlichkeit, Involvement & Überzeugung und setzte sich so gegen alle Konkurrenten durch.
Als Gewinn gab es Großflächen im Media-Wert von 750.000 Euro, die eine Dekade lang im 18/1 Format in bester Lage geschaltet werden können. Jetzt scheinen Glücksklee und die Düsseldorfer diesen Gutschein einzulösen. Berlin hängt voll mit Unschlagbar-Plakaten … wahrscheinlich, weil die Spiele der Deutschen Mannschaft in Südafrika Erste Sahne sind und auch das nächste am kommenden Samstag wieder zur Kaffee- und Kuchenzeit ausgestrahlt wird. Sahne statt Bier.
Werkschau an der FH Mainz
In diesem Jahr findet wieder eine Werkschau – zeitgleich mit dem Tag der offenen Tür – an der Fachhochschule Mainz statt. Es werden Semesterarbeiten und erstmals Bachelorarbeiten der Fachbereiche Kommunikationsdesign, Medien-Design und Innenarchitektur gezeigt. Die Kommunikationsdesigner stellen Illustrationen, typografische Arbeiten und Fotografien aus. Der Studiengang Innenarchitektur/ Interior-Design präsentiert Möbel- und Produktdesign sowie Innenraumgestaltung und Raumkonzepte. Der Studiengang Medien-Design/Zeitbasierte Medien zeigt interaktive Arbeiten, Kurzfilme sowie 2D und 3D Animationen.
Die Werkschau beginnt kommendes Wochenende, am 2. Juli (Freitag) und endet am Samstag, dem Tag der offenen Tür, um 16 Uhr. Weitere Informationen unter werkschau.fh-mainz.de …