Fontblog Artikel im Juni 2010

Stefan George und die Schrift

Der deut­sche Schriftsteller Stefan George (1868 – 1933) zählt zu den bedeu­tendsten Lyrikern des Symbolismus und der späteren Neuromantik. Häufig trat er, im pries­ter­li­chen Gewand gekleidet, vor ausge­suchten Hörern zu Lesungen auf. Anschließend empfing er einzelne Zuhörer zu Audienzen in einem Nebenzimmer.

Georges Bücher waren außer­ge­wöhn­lich gestaltet und zunächst nur in intel­lek­tu­ellen Kreisen gefragt. Auffallend war das Schriftbild seiner Bücher. Die Texte waren in gemä­ßigter Kleinschreibung gesetzt, also Versalien nur für Versanfänge, Eigennamen und Betonungen. Ab 1904 erschienen Georges Drucke in einer eigenen Schrifttype, der St.-G.-Schrift, die angeb­lich auf seiner eigenen Handschrift basierte. Sie war seri­fenlos mit optisch gleich­blei­bender Strichstärke.

Seit 2003 gibt es eine digi­ta­li­sierte Version der George-Schrift. Als Vorlage diente eine Schriftmuster-Sammlung des Berliner Verlags Otto von Holten von 1907. Die St.-G.-Schrift, wie sie dort abge­kürzt bezeichnet wurde, gab es damals in insge­samt vier Schnitten. Das Schriftmusterbuch blieb durch einen glück­li­chen Zufall erhalten (Berliner Stadtbibliothek), Verlag und Druckerei wurden Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört.

Alle kühnen Eigentümlichkeiten dieser Muster wie das Hochkomma und die fremd­ar­tigen Anführungszeichen wurden in die digi­tale Schrift über­nommen. Zugleich nimmt der über­ar­bei­tete Zeichensatz die für die Gesamtausgabe von 1927ff. charak­te­ris­ti­schen Buchstaben wie die neuen versalen A, L, V, T auf und ergänzt den Zeichensatz durch fehlende bzw. alter­na­tive Zeichen (&, @, l, langes s, …).

Auf der Seite www​.text​kritik​.de kann die digi­ta­li­sierte George-Schrift zum Preis von 25 € bestellt werden.

Diese Geschichte dient aller­dings nur der Einleitung zu einigen Zitaten, die mir heute unter­breitet wurden und meines Wissens in der Welt der Typografne und Schriftentwerfer noch nicht ange­kommen sind. Sie stammen vom Bildhauer Frank Mehnert, der in Georges drei letzten Lebensjahren dessen stän­diger Begleiter war. Mehnert gründet Mitte der 1930er Jahre mit dem Germanisten Rudolf Fahrner und dessen Freundin Gemma Wolters den Delfin-Verlag, der später Texte von Freunden Georges publiziert.

Besonders viel Energie steckte Mehnert in die Neuauflage einer Stefan-George-Drucktype. Sie sollte erneut aus Georges Handschrift geschöpft werden und die in allen Bänden gebräuch­liche »Delfinletter«, die Schrift des Delfin-Verlags, ablösen. Sorgfältig wählte Mehnert die schönsten Lettern aus Georges Handschrift aus, vermaß ihre Längen und Breiten, ihre Strichstärken, Zwischenräume und Wortabstände, versuchte Schriftbreite und Verslänge des Georgeschen Werks aufein­ander abzu­stimmen. Von einigen Handschriften Georges lässt er Vergrößerungen anfer­tigen, um aus den Buchstaben Lettern für den Druck zu gewinnen. Sogar als Soldat im Feld setzt er diese Arbeit fort. »Ich glaube ja immer mehr«, schreibt er mit der Feldpost aus Russland, »dass die schrift auch einer jener hebel ist die ganz unab­sehbar viel in bewe­gung setzen können.«

Die Leiterin des George-Archivs in Stuttgart Ute Oelmann (»Fürs schön­heit verlan­gende Auge«, Sonderausstellung im Rahmen der 3. Stuttgarter Antiquariatsmesse 2009) zitiert Mehnert wie folgt: »Die größten Revolutionen des Menschengeistes gehen auf Letternfüßen einher. Kein anderer Künstler nähert sich der Welt in so subver­siver Absicht wie der Erfinder einer neuen Schrift. Indem er die Träger der Transmission zu seinem primären Material macht, greift er ins Räderwerk der intel­lek­tu­ellen Konventionen. Als metal­li­sche Glieder eines geschmei­digen Körpers sind die Lettern mini­male Konstanten endloser Variation – carac­tères, wie die Franzosen sagen: Atome, Gene und Merkzeichen des Intellekts. Nirgends zeigt sich dieser unver­hüllter, nirgends verbirgt er sich besser als unter den zwei, drei Dutzend schwarzer Kiesel, über die der lesende Geist springt, wenn er das Flussbett der mate­ri­ellen Welt durchquert.«

Klaus Mehnert fällt, bevor sein Werk einer neuen StG-Schrift voll­endet ist. »Die geplante Auferstehung des Meisters in der Schrift findet nicht statt.« (Oelmann)

(Abb 1: »Das Jahr der Seele«, Titelblatt, Quelle Wikipedia; Abb 2: St.-G.-Schriftmuster, Quelle www​.text​kritik​.de; Textquelle: Ulrich Raulff, Kreis ohne Meister. Stefan Georges Nachleben, 2. Aufl., München 2010, S. 200 f.)


Kerning und Ligaturen unter Safari

Gestern stieß ich auf die Internet-Testseite Cross-browser kerning-pairs & liga­tures, deren Überschrift sich über­setzen lässt mit »brow­se­r­ü­ber­grei­fendes Kerning plus Ligaturen«. Dort heißt es, dass schon einige Browser die metri­schen Daten von Fonts unter­stützen, zum Beispiel Firefox, Safari 5 und Chrome. Einzige Voraussetzung: die Option optimizeLegibility muss einge­schaltet sein, was nur bei Firefox von Hause aus der Fall ist (für Textgrößen über 20 Pixel).

Auch der Webdesigner Chris Morrell aus Philadelphia stol­perte gestern über die Demosite und dachte sich: Für diesen Zweck muss es doch eine Safari-Extension geben. Er suchte, fand keine und schrieb sich selbst die Extension Optimize Legibility (4,64 KB), die er seit heute zum kosten­losen Download auf seiner Seite anbietet.

Ich habe es eben auspro­biert und bin teils begeis­tert, teils unschlüssig. Mann muss schon eine mit Webfonts gebaute Internet-Seite besu­chen, um die Verbesserung der Lesbarkeit zu erleben … denn die Standard-Schriften Verdana, Arial, Georgia und Co enthalten größ­ten­teils weder Kerning, noch Ligaturen.

Den oben gezeigte Vergleich habe ich auf simple​bits​.com erzeugt, indem ich die Safari-Erweiterung ein- und ausge­schaltet habe (geht wunderbar in Echtzeit mit geöff­netem Voreinstallungsfenster). Weitere Webseiten, auf denen man die Verbesserung der Lesbarkeit gut nach­voll­ziehen kann sind:


Werkschau Designblick 2010 in Hof

Vom 16.  bis 18. Juli 2010 findet an der Hochschule Hof/Standort Münchberg erst­mals die »Designblick (2010)« statt. Das Spektrum der Arbeiten erstreckt sich bei Mediendesign von Grundlagen der Gestaltung über Illustrationen, Fotografie, Video, Print- und Webgestaltung bis hin zu Editorial Design, Corporate Design, Informationsvisualisierung und Interfacedesign. Textildesign bietet die gesamte Vielfalt textiler Stoffe, Muster, Materialien bis hin zu textilen Produkten und Modedesign. Die Studierenden sind anwe­send und stehen für Fragen zur Verfügung. Ausstellungseröffnung ist am 16. 7. 2010 um 18:00 Uhr in der Kulmbacher Str. 76, 95213 Münchberg.

Die Designblick wird von nun an jedes Jahr statt­finden. An der Hochschule Hof/Standort Münchberg haben sich die Bachelor-Studiengänge Mediendesign und Textildesign zu erfolg­rei­chen Lehrangeboten etabliert, deren Absolventen bundes­weit und inter­na­tional tätig sind. Der Studiengang Mediendesign wird zudem neue Impulse entfalten, seitdem er in der Fakultät Wirtschaft inte­griert ist und ab Oktober 2010 mit einer neuen Studienordnung fort­ge­setzt wird. Für die Lehre von Mediendesign steht die gestal­te­ri­sche Kompetenz zwar weiterhin im Vordergrund, aber parallel zu den Gestaltungsprojekten wird ebenso die Bedeutung von Design als Marketingfaktor, Projektmanagement und Strategien ökono­mi­scher Prozesse gelehrt.

Weitere Informationen zu den Studiengängen und zur Ausstellung: www​.design​-hof​.de


Suhrkamp-Vortrag über Buchdesign, in Berlin und kostenlos

Seit ihrer Gründung durch Siegfried Unseld im Mai 1963 ist die Edition Suhrkamp wie kaum eine andere Buchreihe Spiegelbild der lite­ra­ri­schen und intel­lek­tu­ellen Entwicklung der Bundesrepublik. Durch die legen­däre Umschlaggestaltung von Willy Fleckhaus in den Regenbogenfarben mit Linien hebt sie sich nicht nur inhalt­lich von anderen Taschenbuchreihen ab. Da liegt es nur nahe, dass der jüngst nach Berlin umge­zo­gene Suhrkamp Verlag eine seiner 20 Sommerlesungen der Buchgestaltung widmet. Am kommenden Donnerstag (1. Juli 2010) laden Carsten M. Wolff, Rainer Groothuis und Friedrich Forssmann in die Linienstraße 127 zur kosten­losen Lesung »Buchgestaltung und Design«. Beginn: 20:00 Uhr. Weitere Informationen …


✪ Schreibschrift ›Nothing‹ für 19,– 12,– €

Schreibschriften, Retrofonts und expe­ri­men­telle Headliner sind die Spezialität des japa­ni­schen Labels Flat-it. Sein Gründer und krea­tiver Kopf Ryoichi Tsunekawa hat zunächst Architektur studiert, wobei er schon in seiner Freizeit Schriften zeich­nete. 2005 machte er seine Passion zum Beruf. Seit dem hat Tsunekawa über 30 Schriften und Familien entworfen.

Der OpenType-Font Nothing ist auf den ersten Blick eine typi­sche Filzstiftschrift: einfach, ausla­dend, persön­lich … mit ordent­lich verbun­denen Buchstaben. Doch gerade diese Leichtigkeit machte sie so berühmt, dass Nothing im Jahr 2007 auf Platz 1 der Font-Bestseller-Charts landete. Vielleicht liegt es auch an ihrem Preis, der schon fast in der Größenordnung eines Edding-Stifts liegt. Dabei beherrscht Nothing Millionen Farben und wird nie leer.

Als Stern der Woche kostet sie bei FontShop in den kommenden 7 Tagen sogar nur 12 € statt 19 € (zzgl. MwSt.). Hier geht es zur Bestellung …


Cottbus-Logo, zweiter Versuch

Im Januar 2009 versuchte die Stadt Cottbus, mit einer neuen Bildmarke auf sich aufmerksam zu machen. Schon die Ausschreibung ließ Schlimmes befürchten, doch das Ergebnis über­traf alle Erwartungen. Fontblog berich­tete mehrfach:

»Der Entwurf schei­terte am Protest von Bürgern und Fachleuten.« schreibt die Lausitzer Rundschau heute abend auf ihrer Webseite. Und: »Jetzt stellt Oberbürgermeister Frank Szymanski (SPD) fünf neue Entwürfe zur Debatte.« Diesmal dürfen die Cottbuser mitentscheiden.

»Obwohl wir keinerlei Vorgaben gemacht haben, spielen viele Entwürfe mit dem Motiv der Pyramiden«, zitiert die Tageszeitung Szymanski aus der Präsentation. Neben der Pücklerschen Gartenkunst hätten die Designer das Theater als Wahrzeichen der Stadt hervor­ge­hoben. Ein anderer Entwurf spiele mit der Idee, »die Stadt der Lausitz« als Kern einer viel­fäl­tigen Region darzu­stellen. Alle fünf Bildmarken könnten, so die Zeitung, je nach Nutzungszusammenhang mit Ergänzungen wie »Stadt der Wissenschaft«, »Drehscheibe zwischen Ost und West« oder »Universitätsstadt« genutzt werden.

Details zur geplanten Marketingstrategie, den einzelnen Entwürfen und Variationen wird die Lausitzer Rundschau in den kommenden Tagen auf ihrer Internetseite vorstellen.

(Abbildungen: Lausitzer Rundschau, Montage: Fontblog)


Unschlagbar sahnige Typografie

Unschlagbar – das war das Siegermotiv beim Best New 18/1 Award 2009, das die Düsseldorfer Agentur castenow.communications eigens für die Marke Glücksklee der Allgäuer Alpenmilch GmbH entworfen hat. Das Plakat über­zeugte die Jury in Punkto Aufmerksamkeit, Verständlichkeit, Involvement & Überzeugung und setzte sich so gegen alle Konkurrenten durch.

Als Gewinn gab es Großflächen im Media-Wert von 750.000 Euro, die eine Dekade lang im 18/1 Format in bester Lage geschaltet werden können. Jetzt scheinen Glücksklee und die Düsseldorfer diesen Gutschein einzu­lösen. Berlin hängt voll mit Unschlagbar-Plakaten … wahr­schein­lich, weil die Spiele der Deutschen Mannschaft in Südafrika Erste Sahne sind und auch das nächste am kommenden Samstag wieder zur Kaffee- und Kuchenzeit ausge­strahlt wird. Sahne statt Bier.


Werkschau an der FH Mainz

In diesem Jahr findet wieder eine Werkschau – zeit­gleich mit dem Tag der offenen Tür – an der Fachhochschule Mainz statt. Es werden Semesterarbeiten und erst­mals Bachelorarbeiten der Fachbereiche Kommunikationsdesign, Medien-Design und Innenarchitektur gezeigt. Die Kommunikationsdesigner stellen Illustrationen, typo­gra­fi­sche Arbeiten und Fotografien aus. Der Studiengang Innenarchitektur/ Interior-Design präsen­tiert Möbel- und Produktdesign sowie Innenraumgestaltung und Raumkonzepte. Der Studiengang Medien-Design/Zeitbasierte Medien zeigt inter­ak­tive Arbeiten, Kurzfilme sowie 2D und 3D Animationen.

Die Werkschau beginnt kommendes Wochenende, am 2. Juli (Freitag) und endet am Samstag, dem Tag der offenen Tür, um 16 Uhr. Weitere Informationen unter werk​schau​.fh​-mainz​.de …