Fontblog Artikel im April 2010

Google-Doodle zu Ehren des Fahrrad-Erfinders

Es gibt eigent­lich keinen Grund, die Google-Homepage zu besu­chen … außer an Feier- und Jubiläumstagen, um ein Doodle zu bewun­dern. Da ich viele Designer kenne, die leiden­schaft­lich Rad fahren, möchte ich auf diesem Weg auf das Doodle des Tages hinweisen, zu Ehren des Erfinders und Urvaters des Fahrrads, Karl Drais. Er wurde vor 225 Jahren als Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn in Karlsruhe geboren. Im Jahr 1817 erfand er die »Draisine«, wie das Laufrad in Anlehnung an den Namen seines Erfinders getauft wurde. Dieser Vorläufer des Fahrrads hatte keine Pedale, der Fahrer stieß sich mit den Füßen vom Boden ab; Gestell, Reifen und Lenker waren aus Holz.

Weitere Erfindungen von Drais: ein Klavierrekorder, eine Schnellschreibmaschine, eine Tabakpfeife mit Kühlung und und ein Holzsparherd – also Vorläufer von mp3-Player, iPad, Shisha und 3-Liter-Haus.


Formen finden und nicht stehlen (3)

Viel habe ich nicht heraus­ge­funden, über das Kunstgewerbehaus Wilhelm Fahrig in Braunschweig. Es wurde 1918 gegründet, in den 1960er Jahren resi­dierte es im Bohlweg 11, später kam eine Filiale in der Schleinitzstraße hinzu. Bei eBay werden hin und wieder zwei­ar­miger Kerzenleuchte mit der Beschriftung »Wilhelm Fahrig Braunschweig« ange­boten. Vielleicht hieß es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch schon mal »Farben Fahrig«. Ich schließe das aus einem Aufkleber, den mir Romas Stukenberg aus Bremen heute mailte. Er schreibt dazu: »Diesen Aufkleber fand ich auf einer alten Letraset-Broschüre … aus einer Zeit, in der es noch 4-stel­lige Postleitzahlen gab. Aufgestöbert in einem längst verges­senem Regal.«

Vor 5 Jahren schrieb ich erst­mals hier im Fontblog über einen Vorläufer des FontFont-Logos. Er begeg­nete mir auf dem Cover eines Buches des in Designerkreisen nicht unbe­kannten Anton Stankowski. Titel des Werkes: FormFinden … in der Mitte ein riesiges FF-Logo, auf der Spitze stehend. Mein Botschaft damals wie heute: Wenn sich eine Kombination von Formen anbietet, können Menschen zu unter­schied­li­chen Zeiten und an unter­schied­li­chen Orten die gleiche Idee haben. Dies sollte vor der Beurteilung von Logo-Kongruenzen stets im Kopf haben.

Im Mai 2008 folgte Teil 2 der Serie »Formen finden und nicht stehlen«. Mal sehen, wie es weiter geht.

Die fi-Ligatur in der Headline dieses Beitrags sieht unter Safari kaputt aus (Typekit), Firefox-Nutzer genießen sie störungs­frei, dank lokal gehos­tetem FF Yoga Sans .woff-Font; Explorer-User ebenso (mittels .eot-Font). Nun weiß ich auch, dass ich diesen Beitrag in der Kategorie Eigenwerbung (»In eigener Sache«) ablegen muss.


»HOLLYWOOD« ist gerettet

Das HOLLYWOOD Sign, der Schriftzug auf dem Cahuenga Peak über Hollywood, einem Stadtteil von Los Angeles, ist eine der berühm­testen Wortmarken der Welt. Die Buchstaben des Schriftzugs sind etwa 15 Meter hoch und zusammen 137 Meter lang. Der gesamte Aufbau wiegt rund 220 Tonnen. Er wurde 1923 als Werbegag einer Maklerfirma für Grundstücke in den unbe­wohnten Hügeln aufge­stellt, damals noch HOLLYWOODLAND geschrieben. In den späten 40er Jahren wurde die Konstruktion saniert, die letzten vier Buchstaben abmontiert.

In den letzten Tagen geriet der Schriftzug in die Schlagzeilen, weil er durch ein Bauvorhaben gefährdet war. Das Land, auf dem die Buchstaben stehen, wurde 1940 von dem exzen­tri­schen Unternehmer Howard Hughes gekauft. Er wollte seiner dama­ligen Geliebten Ginger Rogers in den Hügeln eine Villa bauen. Die Beziehung zerbrach vor dem ersten Spatenstich. Als Hughes 1976 starb, verkauften seine Nachlassverwalter das Grundstück an Investoren in Chicago, die jetzt ernst machen wollen mit der Bebauung: Das HOLLYWOOD sollte 6 Luxusvillen weichen.

Als dies bekannt wurde, grün­dete sich die Initiative Trust for Public Land und star­tete die Aktion Save Cahuenga Peak (save​hol​ly​wood​land​.org), ange­führt von Filmstars wie Steven Spielberg und Tom Hanks. Diese forderten ihre Freunde auf, tief ins Portemonnaie zu fassen, um das Wahrzeichen zu retten. Sie gewannen nicht nur 25.000 Fans auf Facebook, sondern auch millio­nen­schwere Kollegen aus der Film- und Medienbranche. Am Montag war es dann der Playboy-Gründer Hugh Hefner, der mit einer Spende von 900.000 Dollar die gefor­derten 12,5 Millionen Dollar voll machte. Gegenüber der Los Angeles Times begrün­dete er seinen Einsatz: »Es ist ein Symbol wie der Eiffelturm für Paris. Das Sign steht für Filme«. Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger nannte den Schriftzug »ein Symbol der Träume und der Möglichkeiten«. Seine Regierung habe 3,1 Millionen Dollar gespendet, 6,9 Millionen seien von der Initiative bereit­ge­stellt worden, der Rest waren Online-Spenden. (Abb: Sörn, Wikipedia​.de)


Typografischer Spaziergang: Jane’s Walk 2010, Berlin

Unter dem Motto »Buchstaben, Schriften, Namen von Geschäften« veran­stalten Stadtstadtstadt, das Netzwerk 20 grüne Hauptwege und das Buchstabenmuseum Berlin am kommenden Sonntag (2. Mai) ab 14:00 Uhr einen Jane’s Walk. Benannt sind diese Spaziergänge nach Jane Jacobs (1916 – 2006; janes​walk​.net), die als Kritikerin einer einseitig auto­ge­rechten Stadterneuerung weit über Nordamerika hinaus bekannt wurde. Obwohl sie weder Architektur noch Stadtplanung studierte, leben ihr prak­ti­sches Wirken und ihre Bücher in beiden Fachdisziplinen fort.

Jane’s Walks verstehen sich als fußläu­fige Kommunikation. Ihr Ziel ist eine lebhafte Diskussion über das, was die Teilnehmer auf dem Walk durch eine Nachbarschaft sehen, fest­stellen und inspi­riert. Beim Berliner Jane’s Walk wollen sich die Veranstalter mit Buchstaben, Schriften und Namen von Geschäften ausein­ander setzen, die ihnen auf dem Weg von Neukölln nach Kreuzberg begegnen. »Welche Erkenntnisse über Nachbarschaft lassen sich daraus ableiten, was sagt das über die dort lebenden Menschen aus, welche Geschichten und Träume finden wir vor? Lädt uns das ein, stößt uns das ab?« sind einige der Fragen, wie sie auf der Stadtstadtstadt-Website ange­kün­digt werden.

Treffpunkt: 14.00 Uhr am Eingang Otto-Suhr-Volkshochschule, Boddinstr. 32-34, nahe U-Bhf. Boddinstraße. Dauer: ca. 3 Stunden. Weitere Infos …


Kölner Klopfer 2010 für Dieter Rams

In einer Vollversammlung haben die Studenten der Köln International School of Design (KISD) Dieter Rams zum Träger des Kölner Klopfers des Jahres 2010 gewählt. Der Preis wird von der Studentenschaft an den besten Designer des Jahres verliehen. Michael Erlhoff, Professor für Designtheorie und -geschichte an der KISD teilte gegen­über der Presse mit, dass Dieter Rams »diese Ehrung mit großer Freude ange­nommen« habe und »bei der Preisverleihung am 6. Mai in der KISD persön­lich anwe­send« sein werde.

Der Kölner Klopfer stellt eine Besonderheit unter den vielen jähr­lich verge­benen Designpreisen dar, weil sein Träger von der Studentenschaft einer Hochschule gewählt wird. Bisherige Preisträger waren unter anderem Ingo Maurer (2009), Stefan Sagmeister (2008), John Maeda (2001) und Erik Spiekermann (1996). Dieter Rams ist vor allem durch seine wegwei­senden Entwürfe für die Marke Braun in den 60er und 70er Jahren inter­na­tional bekannte geworden.

Die Preisverleihung findet am 6. Mai 2010 um 18:00 Uhr in den Räumen der KISD am Ubierring 40, Eingang Mainzer Straße, statt. Im Anschluss an die Laudatio durch Angela Spizig, Bürgermeisterin der Stadt Köln, findet eine Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. h.c. Dieter Rams, Prof. Günter Horntrich (KISD) und den Studierenden statt. Moderiert wird die Veranstaltung von Prof. Dr. Michael Erlhoff (KISD).


Heute Abend: Weltformel des Markenzeichens

Nach 6 Wochen inten­siver Forschungsarbeit glaube ich, am Wochenende die Branding-Weltformel gefunden zu haben. Heute Abend stelle ich sie erst­mals der Öffentlichkeit vor, auf der Pecha Kucha Night in Berlin (20:20 Uhr, Ballsaal Kreuzberg, Skalitzer Straße 130). Der Eintritt beträgt 6 € … ich verspreche allen Corporate Designern und Marketing-Leuten: Allein die »Quantentheorie des Markenzeichens« ist für Sie pures Gold wert.

Als ich Anfang März hier im Fontblog über die kleinste Werbefläche der Welt schrieb, hatte ich eine erste Vorahnung, dass es eine Quantentheorie der Markenkommunikation geben könnte. Heute weiß ich es genauer: diese Ebene des Brandings muss mit Mikromarketing bezeichnet werden. Kurz darauf entdeckte ich das letzte noch unbe­kannte Elementarteilchen des Marketings – es basiert auf Unicode-Glyphen, darunter kommt nichts mehr. Corporate Design auf diesem Niveau bezeichne ich als Nanomarketing. Und das ist die Zukunft, weil Nanomarketing 100 % Social-Media-kompa­tibel ist.

Die obige Abbildung aus meinem Vortrag stellt einen ersten Entwurf der Branding-Quantentheorie dar, in sich bereits geschlossen und weit­ge­hend wider­spruchslos, aber noch nicht verdichtet. Auch wenn es kompli­ziert aussieht: Es ist das letzte Dia meines Vortrags, die 19 Folien davor sind allge­mein verständ­lich, garan­tiert frei von physi­ka­li­schen Fachbegriffen, Tabellen, Torten, Formeln und PowerPoint.

Wir sehen uns, oder?!


Ein neues Symbol für Europa – 12 Vorschläge

Im Januar berich­tete ich über den Wettbewerb der Stiftung Design Den Haag, die ein neues Symbol für Europa suchte. Hintergrund: Die aktu­elle blaue Flagge mit den 12 kreis­förmig ange­ord­neten goldenen Sternen wurde 1955 entworfen. Seitdem hat sich die EU drama­tisch verän­dert. Inzwischen umfasst die Europäische Union  27 Mitglieder – ein Staatenbund mit vielen Identitäten, Sprachen, Kulturen, Religionen, Währungen und Traditionen. Wie wird dieses Europa wahr­ge­nommen, von innen und von außen? Wie könnte ein zeit­ge­mäßes Symbol für Europa aussehen? Kann es über­haupt ein einziges Wappen geben, oder müssen es mehrere sein? Dies waren die Fragen der Veranstalter zu Beginn der Ausschreibung.

Designer aus aller Welt waren einge­laden, dieser Frage nach­zu­gehen und ihre Idee für ein neues Europa-Symbol einzu­rei­chen. Zum Einsendeschluss am 1. März 2010 zählten die Veranstalter des Wettbewerbs 1416 Einreichungen aus 63 Ländern, davon 33 außer­halb Europas. Eine inter­na­tio­nale Jury hat aus dieser Menge 12 Zeichen ausge­wählt (Abb. oben), darunter ein Entwurf aus Deutschland (Abb. unten), einge­reicht von Jonathan Kischkel, der über Fontblog von diesen Wettbewerb erfuhr. Die sieg­rei­chen Kandidaten werden vom 31. Mai bis zum 6. Juni im Rahmen einer Ausstellung auf 12 Flaggen am Schlossweiher (Hofvijver) in Den Haag öffent­lich vorge­stellt. Fontblog zeigt sie schon heute.

So könnte eine neue Flagge für Europa aussehen: der Entwurf des deut­schen Designers Jonathan Kischkel

Nun stellt sich die Frage: Wird eines der nomi­nierten Symbole demnächst die 12 Sterne ablösen? Dazu sagen die Veranstalter des Wettbewerbs nichts. Schaut man sich die Webseite www​.design​den​haag​.eu genauer an, lässt sich eine – zumin­dest natio­nale – Autorität der Initiative nicht verleugnen. Immerhin fand der Wettbewerb in Kooperation mit der nieder­län­di­schen Vertretung der EU statt. Zwei weitere Partner, die in die gleiche Kerbe schlagen, sind Picobelleuropa! (Europaflagge) und die tägliche Abendzeitung NRC Handelsblad. Die meisten Jury-Mitglieder sind gut vernetzt und haben Einfluss auf lokale Gremien. Es wird von der Resonanz auf Ausstellung und Website abhängen, ob die Veranstalter eine euro­pa­weite Debatte anstoßen können.

Der deut­sche Beitrag:
Jonathan Kischkel nennt seinen Entwurf »Time on Europe«. Die ihm zugrunde liegende Idee beschreibt er so: »Die Vereinigung von derzeit 27 starken und eigen­stän­digen Partnern verleiht Europa seine Einzigartigkeit. Die Flagge trans­por­tiert diese Eigenschaft durch die Kreation eines Kreises anhand von mindes­tens 27 oder aber unend­lich vielen Punkten. Ihre beschleu­ni­gende Erscheinung bezieht sich auf Europas Fortschrittlichkeit und nicht zuletzt auf die zwölf Stunden einer Uhr – die zwölf Sterne, die diesem Flaggenmotiv zu Grunde liegen.«

Die Jury:
Gert Dumbar (NL), Alex Ward (IL), Anna Bernagozzi (F), Anniina Koivu (I), Dinu Dumbravician (RO), Emily Campbell (GB), Ewa Kumlin (S), Guta Moura Guedes (P), Jacopo Crivelli Visconti (BR), Ludolf van Hasselt (NL), Mateo Kries (D), Max Bruinsma (NL), Timo Salli (FNI) und Tulga Beyerle (A).

Alle 12 Nominierten:
Bas Pronk (NL), Matea Topic (HR), Charles Bignon (E), Viktor Hertz (S), Brunno Jahara (BR), Menelaos Vakhou (CY), Orio Tonini (NL), Jonathan Kischkel (D), Rachel Graham (USA), Eleni lIiadou (GR), Emilia Palonen (FIN) und Youngha Park (ROK).

Auf dieser Webseite des Veranstalters sind alle 1416 Einreichungen zu sehen, inklu­sive Erläuterungen der Entwerfer.


✪ »Liebe Sarah, ich habe mich verliebt …

… in Deine Handschrift.« Als der kali­for­ni­sche Designer Christian Robertson (Betatype – ein neuer Hersteller bei FontShop) im April 2004 seine OpenType-Handschrift Dear Sarah erst­mals den Kollegen auf Typophile vorstellte, war die Begeisterung groß: »Great stuff, Christian.«, »This is rocking so hard, it hurts.«, »Pretty impres­sive! A superbly rele­vant use of OpenType.« oder »It’s looking pretty darn random.« lauteten die ersten Begutachtungen des authen­ti­schen Schriftbildes. Die Community hatte auch einige Verbesserungsvorschläge, für die Christian ein offenes Ohr hatte. Und so reifte Dear Sarah über Monate zu einer der raffi­nier­testen Schreibschriften der Neuzeit.

Als Beleg für eine solche These hätte man früher die Schnitte der Schriftfamilie aufge­zählt. Doch wir leben im OpenType-Zeitalter: Dear Sarah ist ein einziger Font, der hunderte von Schriftzeichen enthält. Was früher einzeln als »Small Caps«, »Alternates« und »Ornaments« titu­liert werden musste, wird heute mit einem Mausklick auf eine Datei instal­liert. Den jewei­ligen »Geschmack« des Schriftbildes regeln die typo­gra­fi­schen Gestaltert über das OpenType-Menü in InDesign, Illustrator oder Xpress. Das Dear-Sarah-Schriftmuster-PDF veran­schau­licht die verschie­denen Stile der Schreibschrift: mit konzext­be­zo­genen Alternativen, verziert, ohne Kontext, nur Kapitälchen oder aber eine leben­dige Mischung aus allem.

In dieser Woche gibt es den OpenType-Font für nur 64 € statt 84 €. Hier geht es zur Stern-der-Woche-Seite auf www​.font​blog​.de …