Fontblog Artikel im März 2010

Edenspiekermann stärkt den Standort Deutschland

Das Amsterdamer Büro von Edenspiekermann bereitet sich auf einen Durchstart in redu­zierter Form vor. »Die Wirtschaftskrise hat unseren hollän­di­schen Standort hart getroffen und zwingt uns, das Büro in Amsterdam neu zu struk­tu­rieren«, sagt Erik Spiekermann, Vorstand von Edenspiekermann in Berlin. »Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass nur ein schlan­keres Büro mit flexi­blen Strukturen – vergleichbar unserer Berliner Niederlassung – den dortigen wirt­schaft­li­chen Anforderungen gewachsen ist«.

Eine gute Nachricht: Im April eröffnet das Designbüro eine Dependance in Stuttgart. »Wir freuen uns, dass wir bereits ein Jahr nach dem Merger der beiden Agenturen SpiekermannPartners und Eden Design & Communication an einem weiteren Standort in Deutschland präsent sind,« erklärt Oliver Schmidthals, Vorstand von Edenspiekermann in Berlin. »Wir wollen damit unserem wich­tigen Auftraggeber, der Bosch Gruppe, näher sein, die wir seit 2004 betreuen«. Das Stuttgarter Büro wird Kristin Laufer leiten, bislang Account Manager im Berliner Standort von Edenspiekermann. Zuvor war sie acht Jahre lang für die Bosch Gruppe tätig.

Eine weitere Veränderung gibt es im Aufsichtsrat: René Repko wird neben Göran Lagerström und Dirk Große-Leege neues Mitglied des Aufsichtsrates bei Edenspiekermann. René Repko ist Marketingchef von HEMA, der nieder­län­di­schen Kaufhauskette mit Filialen in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Frankreich und Deutschland.


Große Unternehmensbefragung zum Thema Design

Der Rat für Formgebung, der Markenverband und die Werbeagentur Scholz & Friends haben soeben die Studie »Die Schönheit des Mehrwertes« veröf­fent­licht. Nach Aussage der Herausgebe ist es die größte Befragung unter deut­schen Unternehmen zum Thema Design. Die Studie belege umfas­send die wirt­schaft­liche Bedeutung von Design, zeige aber auch kaum genutzte Potenziale auf.

Die Studie beruht auf Angaben von Mitgliedern des Markenverbandes. Als Spitzenorganisation der Markenwirtschaft in Deutschland vertritt er rund 400 namhafte Unternehmen, die insge­samt einen Markenumsatz von über 500 Mrd. Euro repräsentieren. Eine deut­liche Mehrheit der Befragten hat ihre Investitionen im Bereich Design in den letzten Jahren erkennbar gestei­gert. 70 Prozent von ihnen geben an, dass Design einen großen Einfluss auf die Gesamtrendite ihres Unternehmens habe. Zudem spiele Design als Erfolgsfaktor für verschie­dene Unternehmensbereiche eine immer größere Rolle. Den Mehrwert von Design sehen die Unternehmen vor allem bei der Einführung neuer Produkte (95 Prozent), bei der Gewinnung von Marktanteilen (87 Prozent) sowie bei der Preisgestaltung (84 Prozent).

Die Herausgeber verdichten das Fazit der Studie auf 4 Punkte:

  • Design wird immer mehr zum Schlüssel des wirt­schaft­li­chen Erfolgs eines Unternehmens
  • Viele Unternehmen haben den Trend erkannt und die Investitionen in diesem Bereich erhöht
  • Unternehmen lagern Aufgaben im Bereich Design zuneh­mend an Agenturen aus. Von diesen erwarten sie an erster Stelle Kreativität
  • Potenziale von Design werden weit­ge­hend verschenkt, sowohl im Bereich der Kostenreduktion als auch in der Optimierung von Prozessen

Download der Studie (PDF, 80 Seiten): www.designstudie-downloadseite


Neville Brody ans Royal College of Art berufen

Der welt­weit ange­sehen briti­sche Designer Neville Brody, unter anderem Mitbegründer von FontShop International, der FontFont-Schriftbibliothek und der TYPO Berlin, wurde als Leiter des Fachbereichs Communication Art & Design ans Londoner Royal College of Art (RCA) berufen. Er wird diese Position zum 1. Januar 2011 antreten.

Es gab im Netz wilde Spekulationen während der letzten Woche zu dieser Personalie. Am Montag schließ­lich wendete sich der Rektor des RCA, Dr. Paul Thompson, mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit. Brodys Berufung bestä­tige die Verpflichtung seiner Hochschule, die Chancen und Herausforderungen der sich rasend schnell entwi­ckelnden Disziplin des Kommunikationsdesigns im 21. Jahrhundert anzunehmen.

»Neville Brody ist sowohl ein eloquenter Fürsprecher als auch ein glän­zender Praktiker.« begründet Thompson die Entscheidung für den neuen Leiter. »Sein Talent erstreckt sich über viele Disziplinen – von den klas­si­schen Drucksachen und der Typografie über Online-Medien und Motion-Graphics bis hin zu Packaging und Corporate Design. Er ist einer der einfluss­reichsten Designer seiner Generation und verkör­pert auf perfekte Weise den inter­dis­zi­pli­nären Ethos unseres Fachbereichs Communication Art & Design.«

Obwohl ihn sein Designbüro Research Studios voll in Anspruch nimmt, hatte Brody stets großes Interesse an der Designausbildung und dem Nachwuchs. Davon zeugen zum Beispiel seiner Unterstützung des Student-FUSE-Projekts Anfang der 90er Jahre, die FUSE-Konferenzen (inkl. FUSElab) und die vielen Vorträge, die er an Hochschulen in aller Welt hielt. Auch die Idee, ein Drittel der TYPO-Konferenzkarten vergüns­tigt an Studenten abzu­geben, stammt von Brody, denn die TYPO basiert auf dem Grundstein, den er mit seiner legen­dären FUSE 1995 in Berlin legte.

»Die Berufung ans RCA ist eine Ehre und eine große Herausforderung für mich.« sagt der Designer über seinen neuen Job. »Das Royal College ist ein Qualitätszentrum für Kunst und Design, die Geburtsstätte für alle Disziplinen der visu­ellen Kommunikation. Ich freue mich darauf, das tiefe Verständnis des RCA für Geschichte, Handwerk und Sachkenntnis mit einer dyna­mi­schen, aktu­ellen und forschenden Herangehensweise zu verknüpfen, um Kunst und Kommunikation weiter zu bringen.«

Was können wir in Deutschland von London lernen? Ich habe Johannes Erler gefragt, Gründer von Factor Design in Hamburg und Professor an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur. Er bewertet die Nachricht aus dem Royal College so: »Eine bedeu­tende Hochschule wirbt mit der Ernennung eines bedeu­tenden Designers und stellt damit einen direkten Zusammenhang zwischen fundierter Ausbildung und Relevanz von Design in unserer Zeit her!« Er wisse zwar nicht, welches Verfahren zu dieser Entscheidung geführt habe, aber allein das Ergebnis sei erfri­schend konse­quent und logisch. Die Meldung mache ihm Mut, aber kann sie ein Vorbild für Deutschland sein? »Ein Zeichen, ein Symbol dieser Art kann ich hier nicht erkennen. Jedenfalls erin­nere ich mich nicht an eine vergleich­bare Meldung. Die Auswahlverfahren bei uns sind gruselig. Und die Arbeitsbedingungen für Professoren verschlech­tern sich zuse­hends.« (Abbildungen: Marc Eckardt, Research Studios)


Neuer Verband übernimmt ›Ohne-Gentechnik‹-Logo

Das bundes­weit einheit­liche Logo »Ohne Gentechnik« wird künftig von der Wirtschaft vergeben. 31 Unternehmen und Verbände der Lebensmittelindustrie grün­deten heute in Berlin einen entspre­chenden Verband, der die Nutzungsrechte von der Bundesregierung über­nimmt. »Der Verein ist künftig für die Vergabe und die Verwaltung des Logos zuständig«, erklärte die Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU). Zu den Gründungsmitgliedern zählen verschie­denste Branchen der Lebensmittelkette – von Erzeugern wie der Upländer Bauernmolkerei bis zu Einzelhandelsunternehmen wie Tegut. (Quelle: agrar­heute)

Im August 2009 wurde hier im Fontblog die angeb­lich repro­fä­hige Vorlage des Ministeriums heftig kriti­siert (»mise­rabel ausge­führt«; Abbildung oben). Einen Tag später lieferte Ralph du Carrois eine ordent­liche Reinzeichnung für den kosten­losen Download, die auch in kleinen Größen nicht »zuläuft« (Abb. unten, verlinkt zum direkten Download).

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Reprofähige Version in Farbe und schwarz­weiß (PDF, 1,8 MB; Herstellung: carrois​.com): auf das Logo klicken …


Wahl zum Goldenen Windbeutel 2010 ist eröffnet

Foodwatch wird dieses Jahr zum 2. Mal den »Goldenen Windbeutel« für die dreis­teste Food-Werbelüge verleihen (Fontblog über die Wahl 2009 Wer verdient den Goldenen Windbeutel? und den dama­ligen Gewinner). Eine promi­nente Jury hat aus elf Produkten, die seit dem Goldenen Windbeutel 2009 auf www​.abge​speist​.de neu hinzu­ge­kommen sind, fünf nomi­niert. Nun entscheiden die Verbraucher, wer die unrühm­liche Trophäe über­reicht bekommt. Zur Auswahl stehen:

  • Beo Heimat Apfel-Birne von Carlsberg
  • Bertolli Gegrilltes Gemüse von Unilever
  • Der Gelbe Zitrone-Physalis von Pfanner
  • Duett Champignon Creme-Suppe von Escoffier
  • Monte Drink von Zott

Weiter Informationen über die 5 Produkte und warum sie nomi­niert wurden auf Page online. Fast inter­es­santer als die 5 Nominierten ist ein Blick in die komplette Liste der Lebensmittel, die so gesund sein wollen, es aber meist nicht sind. Das 3-seitige PDF (Abb. oben links)  mit den 24 Produkten liegt hier zum Download bereit.

Hier kann über die 5 Favoriten abge­stimmt werden …


✪ Die TYPO-Tasche 2009, für 12 statt 25 €

Neu im Fontblog: der Stern der Woche, immer diens­tags. Er löst das Produkt der Woche (PdW) ab. Heute ist unser die TYPO-Tasche 2009. Eigentlich sind es zwei Taschen, denn im Inneren der »Space«-Tasche steckt die kleiner Krimskrams-Tasche. Wie jede unserer Konferenztaschen wurde auch diese eigens für die TYPO entworfen und ange­fer­tigt (Design: Studio Adhoc). Das heißt: Es gibt nicht viele davon. Und wer sie trägt, ist ein ★.

Die äußeren Werte: 38 x 29 cm (kleine Tasche 25 x 22 cm), Nylon, anthrazit/grau, mit abge­setzten blauen Rand und blauer Innenseite. Statt 25 € kostet die »Space«-Tasche für die kommenden sieben Tage nur 12 € (keine Versandkosten). Zur Bestellung auf www​.font​blog​.de …


Neuer Wettbewerb: SOTA Catalyst Award

Die Society of Typographic Aficionados (SOTA), Veranstalter der jähr­li­chen Typografie-Konferenz TypeCon, hat einen neuen Wettbewerb ins Leben gerufen. Der Catalyst Award wendet sich an junge Designer unter 30, die Außergewöhnliches in den Bereichen Schriftentwurf, Schriftgeschichte oder anderen typo­grafi­schen Gebieten geleistet haben. Der Empfänger des Cataylst-Awards erhält eine Einladung zur kommenden TypeCon nach Los Angeles (17. – 22. August 2010), wo er seine Arbeit vor einem Fachpublikum präsen­tieren kann. Darüber hinaus winkt ein Taschengeld zur Deckung der Reisekosten von 1500 US-Dollar.

Einsendeschluss ist der 30. April 2010, am 21. Mai wird der Gewinner bekannt­ge­geben. Die Einsendung (< 12 MB) an catalyst@typesociety.org sollte folgendes enthalten:

  • ein PDF der Arbeit bzw. Abbildungen der Arbeit
  • eine Beschreibung der Arbeit und ihrer Präsentation (max. 100 Wörter)
  • eine Brief mit dem beruf­li­chen Werdegang (max. 300 Wörter)
  • Optional: Link zu einer Website mit anderen eigenen Arbeiten

Kontaktinformationen nicht vergessen.


MoMA »kauft« @-Zeichen

Wie das New Yorker Museum of Modern Art heute in seinen Hausmitteilungen Inside/Out berichtet, hat die Abteilung Architecture and Design das @-Zeichen in seine Sammlung aufge­nommen. »Es ist ein bedeut­samer und ermu­ti­gender Erwerb, der uns alle stolz macht.« heißt es auf der Internetseite des Museums. Doch was bedeutet die Anschaffung eines Schriftzeichens über­haupt, sowohl konzep­tio­nell als auch praktisch?

Das MoMA erläu­tert seine histo­ri­sche Entscheidung so: »Der Erwerb des @-Zeichens geht einen Schritt weiter als alle Akquisitionen der jüngeren Zeit. Er fußt auf der Annahme, dass der physi­sche Besitz eines Objekts keine Voraussetzung mehr für seine Anschaffung ist. Dies ebnet uns Kuratoren einen völlig neuen Weg zum Taxieren der Welt und erlaubt uns Dinge anzu­er­kennen, die eigent­lich ›nicht zu haben‹ sind – weil sie entweder zu groß sind (Gebäude, eine Boeing 747, Satelliten, …) oder weil sie einfach nur da sind und allen und niemandem gehören, wie das @. Solche Exponate müssen sich den glei­chen Kriterien von Qualität, Relevanz und Einzigartigkeit stellen wie die übrigen Objekte der MoMA-Kollektion.«

Um zu verstehen, warum da MoMA das @-Zeichen in seine Sammlung aufge­nommen hat, hilft ein Blick in die Geschichte des Symbols. Die meisten von uns kannten es als Affenschaukel, Klammeraffe oder Elefantenohr, bevor es als essen­zi­eller Bestandteil von E-Mail-Adressen »lebens­not­wendig« wurde. In dieser (neuen) Rolle trennt es den Benutzer- vom Domainname.

Es gibt mehrere Theorien über die Entstehung des @. Zwei davon sind im Mittelalter ange­sie­delt, wo es entweder als hand­schrift­liche Verschmelzung (Ligatur) der Buchstaben a und d des latei­ni­schen Wortes »ad« (deutsch »zu«, »zu etwas hin«) diente, oder aber als Abkürzungszeichen, beispiels­weise nach einem Brief eines römi­schen Kaufmannes über Schiffsladungen als Abkürzung für das Wort »Amphore«.

Nach gängiger Typografen-Meinung ist das @ eine Ligatur, die schon zu Bleisatzzeiten in der Monotype-Bibliothek Mitte des 19. Jahrhunderts auftauchte. Seit den 1880er Jahren ist es auf engli­schen Schreibmaschinen nach­ge­wiesen. Dabei handelte es sich um ein angel­säch­si­sches kauf­män­ni­sches Wertzeichen, dessen Bedeutung aus der Preisangabe »five apples at 10 pence« = »5 apples @ 10 p« hervor­ging. In den deut­schen Sprachraum wurde parallel dazu das fran­zö­si­sche à einge­führt, zum Beispiel für »5 Brötchen à 10 Pfennig«.

Da es zuneh­mend im Handel zum Einsatz kam, gelangte es sehr bald auf hiesige Schreibmaschinen und so letzt­lich auch auf unsere Computertastaturen. Im Englischen wird durch­gängig die Aussprache »at« (wie in »I’m at home«) benutzt, und das Zeichen heißt »„commer­cial at«, früher »commer­cial a«. Im Deutschen wird das @ entweder »ät«, analog zum engli­schen Ausdruck, teil­weise auch als »à« ausgesprochen.

Bei der Erfindung der E-Mail 1972 wurde nach einer weit­ge­hend unge­nutzten Glyphe im Zeichensatz ameri­ka­ni­scher Fernschreiber (ASCII) gesucht, das – zwischen Benutzer- und Rechnername gesetzt  – die beiden Adressbestandteile eindeutig trennen sollte. Dabei stieß der Elektroingenieur Ray Tomlinson auf das @. Es passte auch von der Benennung her (at = bei), weil der Name vor dem @ einen Benutzer und der Rechnername (Domain) hinter dem @  den Großrechner des Betriebs oder Instituts bezeich­nete, bei dem er arbeitete.

Zurück zum MoMA. Was hat das Museum nun wirk­lich »gekauft«, fragt es sich selbst in seiner Ankündigung. Die Antwort böte Raum für Interpretationen, heißt es. Das @ ist weder Kunst, noch ein Designobjekt, selbst seine Form ist nicht eindeutig fest­ge­legt, wie wir als Typografen alle wissen. Seine Bedeutung liegt in der welt­weiten Benutzung. Es ist imma­te­riell und künst­lich, und trotzdem verfügt es über eine allge­gen­wär­tige Kraft. Es ist kein Kunstwerk, was man schon alleine daran sieht, das es – auch das MoMA – keinen Cent gekostet hat.

Obwohl das @ nur schwer zu greifen ist, kommt auch das bedeu­tende Museum nicht umhin, es zu zeigen. Auf der Website entschied man sich für ein @-Zeichen aus der Schrift ITC American Typewriter Medium (Abbildung oben), die 1974 von Joel Kaden, Tony Stan und Ed Benguiat gezeichnet wurde und der Schrift des Fernschreibers Modells Teletype 33, auf dem die erste E-Mail verfasst wurde, am nächsten kommt.