Fontblog Artikel im Februar 2010

PdW 8: Gutelaunemodeschrift ›Buffet Script‹

H&M mag sie, Kosmetikmarken sowieso, und Hollywood wird sie über­schwäng­lich beju­beln, wenn sie dort erst mal entdeckt ist: Buffet Script, von Alejandro Paul (Sudtipos). Die verbun­dene Schreibschrift ist inspi­riert von der Arbeit des wohl größten ameri­ka­ni­schen Schilder- und Werbemalers Alf Becker. Anfang der 30er Jahre begann Alf R. Becker mit der Gestaltung einer Reihe von Alphabeten die in »Signs of the Times« erschienen. In den späten 1990er wurden viele seiner Entwürfe digitalisiert.

Weil Becker in erster Linie Kalligraf und kein Schriftentwerfer war, liegen der Nachwelt keine kompletten Figurenverzeichnisse vor. Da bedarf es eines einfühl­samen Script-Genies wie Ale Paul, um die histo­ri­schen Formen in einer moderne, komplett ausge­baut OpenType-Schrift (mit Features) neu aufleben zu lassen – in einer Lebendigkeit und Qualität, die es nie zuvor gab.

Ein wunder­schönes, 13-seitiges Schriftmuster-PDF verrät alle Geheimnisse: der Buffet Script Guide. Und hier geht es zum Angebot der Woche, statt 99,– € nur 79,– €.


Fehlstart beim SPIEGEL-iPhone-App [Update]

Am vergan­genen Freitag wurde das lang erwar­tete iPhone-App des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL von Apple frei­ge­geben. Wie verspro­chen, kam die Digitalversion des morgen erschei­nenden Heft 8 dann am gest­rigen Samstag um 22:00 Uhr heraus, zum »Einführungspreis« von 2,99 € (Preis der Printausgabe 3,80 €; geplanter Preis des iPhone-Papers 3,99 €). Doch was viele Leser auf ihrem Mobilgerät empfingen, war keines­falls die verspro­chene komplette Ausgabe: es fehlten Abbildungen und Heftteile; ganz selbst­ver­ständ­lich fielen auch die Anzeigen unter den Tisch (und der Kultur-SPIEGEL eben­falls). Inzwischen äußern Benutzer ihren Unmut per Kommentar im App-Store und werten die Applikation ab. Auch im SPIEGEL-Forum kommt das Programm nicht gut weg.

Dabei sah alles zunächst gut aus. Der SPIEGEL-E-Reader geht selbst­be­wusst einen anderen Weg als zum Beispiel das Magazin stern oder die BILD-Zeitung. Statt die aktu­ellen Inhalte des Internet-Portals handy­ge­recht zu präsen­tieren (stern) oder eine Verkleinerung der Print-Version als PDF anzu­bieten (BILD), setzt der SPIEGEL auf den klas­si­schen Reader, der die Inhalte der aktu­ellen Druckausgabe für das Lesen am Kleinbildschirm neu umbricht. Gekaufte Exemplare werden in einem Archiv abge­legt und sind dort jeder­zeit verfügbar. Auf Wunsch kann man sich zusätz­lich die tages­ak­tu­ellen Seiten von SPIEGEL online in der glei­chen Applikation ansehen.

Mittels Demoheft, das zur Grundausstattung des kosten­losen SPIEGEL-Readers gehört, können sich neue Benutzer mit seiner Logik vertraut machen. Das Lesen beginnt durch das Aufrufen des einspal­tigen, bilder­losen Inhaltsverzeichnisses (siehe Abb. oben rechts). Wie in der gedruckten Ausgabe stehen tradi­tio­nell die Titelgeschichte an erster Stelle (auch wenn sie, je nach Schwerpunkt, irgendwo im Heft beginnt) und die »Briefe« (übli­cher­weise auf S. 6 ff anzu­treffen) ganz am Ende, gemeinsam mit »Impressum«, »Register«, »Personalien« und anderen Rubriken. Die »Hausmitteilung« (andere Medien nennen das »Editorial«) steht nie im SPIEGEL-Inhaltsverzeichnis, also auch nicht in dem der E-Reader-Datei, mit der unan­ge­nehmen Folge, dass die Vorrede im digi­talen SPIEGEL unauf­findbar bleibt – viel­leicht ist sie da, aber es führt kein Weg zu ihr. Die Navigation irri­tiert all jene Stammleser, die das gedruckte Heft von vorne beginnen und sich langsam durch­ar­beiten … das iPhone-App erfor­dert hier radi­kales Umdenken. Wer den SPIEGEL übli­cher­weise von hinten liest … dazu später mehr.

Beginnen wir mit der Titelgeschichte. Auf dem E-Reader öffnet sie sich, wie alle Artikel, als einspal­tige Miniseite, mit einem Aufmacherfoto, zentrierter Headline, eben­falls zentriertem Introtext und links­bün­digem Haupttext. Ist man mit dem Lesen am Ende des Bildschirms ange­kommen, wischt man die Seite nach links und der Reader präsen­tiert den Folgetext auf Seite 2. Die Möglichkeit seiten­weise zu blät­tern ist zwar typisch E-Reader, wider­spricht jedoch der iPhone-Gepflogenheit, auch längere Passagen vertikal zu scrollen (Fotoalbum, App-Store-Bestsellerlisten, Webseiten, usw.).

Beim E-SPIEGEL geht es ausschließ­lich hori­zontal vorwärts, Abschnitt für Abschnitt, 100 Prozent Text, keine Abbildungen. Wie ein Vergrößerungsglas schwebt das Reader-Guckloch von links nach rechts über die eigent­lich verti­kalen Textspalten der (nicht vorhan­denen und doch über allem schwe­benden) Druckausgabe. Verwirrend. Beim aktu­ellen Heft ergeben sich so 43 Seiten Titelgeschichte, bei mitt­lerer Schriftgröße. Eine Mischung von Text und Bild findet nicht statt. Kippt man das iPhone um 90 Grad, öffnet sich eine Galerie inklu­sive Bildunterschriften mit allen zum aktu­ellen Beitrag gehö­rigen Fotos. Das Entkoppeln von Foto und Text ist redak­tio­nell gesehen ein Desaster und tech­nisch unnötig. Ein Video auf dieser SPIEGEL-Seite demons­triert die typi­schen Handgriffe des neuen SPIEGEL-Blätterns.

Das Lesen funk­tio­niert eini­ger­maßen. Es funk­tio­niert viel­leicht besser, als das Schweben über eine gestal­tete PDF-Seite, in die man unent­wegt hinein- und heraus­zoomt. Ein Genuss ist dieses Lesen keines­wegs. Es fehlt der Überblick, es fehlen die opti­schen Aufmunterungen. Alle Beiträge sind Null insze­niert. Kein Foto, keine Grafik kämpft um meine Aufmerksamkeit. Allein die beiden Zeilen im Inhaltsverzeichnis müssen für einen Artikel werben. Das geht oft schief, wenn es zum Beispiel im Kulturteil  nichts­sa­gend heißt: »Musik – Pure Romantik« oder »Sprache – Nur mit der Mutter«. Der Leser weiß auch nie, wie viel Lesestoff sich hinter einem Eintrag verbirgt … er kann von einem seiten­langen Interview bis hinunter zu einer kurzen Meldung auf einer Auftaktseite reichen (zum Beispiel »Szene« oder »Sport«).

Na gut, viel­leicht gewöhnt man sich daran. Was den SPIEGEL jedoch veran­lasst zu glauben, dass Menschen demnächst 3,99 € für den Torso einer digital herunter gebro­chenen Papierausgabe ausgeben, ist mir ein Rätsel. Tatsächlich entspricht die E-Reader-Ausgabe quali­tativ und auch quan­ti­tativ nicht der gedruckten Ausgabe. Die Lieferung der Anzeigen ist per se nicht vorge­sehen. Das mag mancher begrüßen, im SPIEGEL jedoch sind Anzeigen schon immer mehr als »nur Werbung«. In Deutschlands wich­tigstem Magazin werden Marken Aufsehen erre­gend einge­führt, hier pflegen Weltunternehmen mit viel Geld und Qualität ihr Image. Das will ich auch auf dem iPhone sehen. Wenn nicht, böte ein E-Reader die wunder­bare Möglichkeit, Werbung auf Wunsch ein- oder auszu­schalten. Leider scheint der einmal im Monat beilie­gende Kultur-SPIEGEL eben­falls nicht zum digi­talen Lieferumfang zu gehören.

Zurück zur guten Hoffnung. Ich unter­stütze den Wunsch des SPIEGEL, sich redak­tio­nelle Arbeit vom Leser ange­messen entlohnen zu lassen: Grünes Licht für kosten­pflich­tige ePaper. Aber hier stehen Preis und Leistung in keinem Verhältnis. Mehr als 0,99 € dürfte ein SPIEGEL-ePaper dieser Art auf dem iPhone nicht kosten. Ein Vergleich mit der BILD-Zeitung: 1,59 € monat­lich (bezie­hungs­weise 3,99 €/Monat inklu­sive PDF der BILD) scheint im Moment eine realis­ti­sche Preisgestaltung.

Doch der SPIEGEL ist ein Leitmedium, alle wollen von ihm lernen. Darum rauschte der kosten­lose Reader auch binnen weniger Stunden auf Platz 1 der App-Store-Download-Charts. Viele der neugie­rigen Kunden werden heute die erste offi­zi­elle Digitalausgabe kaufen und enttäuscht sein. Ein Rumpfexemplar landet auf ihrem Apple-Smartphone. Bei mir fehlen fast alle Abbildungen (siehe Titelgeschichte, Abb. oben rechts) und mit den Leserbriefen endet mein Heft (siehe Abb. oben links). Wie zuvor beschrieben heißt das glück­li­cher­weise nicht, dass mein elek­tro­ni­sches »Heft« nach Seite 6ff abbricht … die »Leserbriefe« erscheinen in der Digitalausgabe erst kurz vorm Ende, doch anschlie­ßend kämen noch »Register« sowie die beliebten »Personalien« und »Hohlspiegel/Rückspiegel«. Sie fehlen in meiner Datei, für einen SPIEGEL-Leser, der hinten anfängt, ein Super-GAU.

Fazit: Die Überführung des gedruckten SPIEGEL in einen E-Reader ist miss­glückt. Es fehlen nicht nur essen­zi­elle Werkzeuge (Vollbild-Titelseite, Lesezeichen, Suche, Zitierfunktion), der Dialog zwischen Text und Bild – eine Stärke der SPIEGEL-Redaktion – wurde komplett aufge­geben. Als Stammleser irrt man orien­tie­rungslos durch Textwüsten. iPhone-typi­sche Funktionen (Vergrößern auf Tipp, Zoomen, Text-Bild-Integration, Weiterleiten/Empfehlen per Mail, …) werden igno­riert. Die gerade für diese Plattform zu erwar­tende Raffinesse im Detail fehlt gänz­lich. Für ein solch dürf­tiges Ergebnis den glei­chen Preis verlangen zu können wie für ein gedrucktes Exemplar ist eine Utopie … der SPIEGEL wird das nicht durch­halten. Und wenn doch, weil die Umrechnung des Drucklayouts ins E-Reader-Format quasi auto­ma­tisch und damit kostenlos abfällt, schadet diese App dem Ruf des Magazins. Viel schlimmer noch: Seine Entwicklung scheint für die Katz, denn das momen­tane Konzept kann unmög­lich auf das demnächst erschei­nende Apple iPad über­tragen werden, wo das Zusammenspiel von Wort und Bild Pflicht sein wird.

PS: Typografisch gesehen ist der SPIEGEL im Reader genauso lieblos gestaltet wie SPIEGEL online … durch­ge­hend „falsche“ Anführungszeichen und Apo’strophe, die im aktu­ellen Fall nicht mit Browserkompatibilitäten erklärt werden können. Neu hinzu­ge­kommen sind harte Trennun-gen, Rückstände aus dem Printlayout, die eben­falls nicht sein müssten; sie sind die Folge des varia­blen Umbruchs (der Reader bietet drei Schriftgrößen an), und ließen sich durch das Verwenden weicher Trennzeichen vermeiden.

[Update]
Andere über den neuen SPIEGEL-iPhone-Reader:
• Christian Jakubetz, JakBlog: »Schluder-Spiegel«
• Christoph Maier, Macomber’s Posterous: »Den iPhone-Spiegel werde ich …«
• Harald Taglinger, Telepolis: »Spieglein, Spieglein im Gerät«
• Ansgar Warner, E-Book-News: »Unglaublicher Guido für die Westentasche«
• Horst Müller, Blogmedien: »Das ›Spiegel-i‹«

Neu: Durcheinander bei der Abrechnung (siehe mein Kommentar # 19).


Designlabor 25|25 in Hamburg

Die Hamburger Branding- und Designagentur The Brand Union startet ab dem 1. März 2010 das Projekt Designlabor 25|25, einen Pop-up-Store als Live-Experiment im Kulturreich Hamburg. 25 Designer füllen in 25 Tagen die Galerie in der Wexstraße mit außer­ge­wöhn­li­chen Verpackungen. Es sollen Entwürfe entstehen, die Spaß machen, zum Nachdenken anregen, aber frei erfunden sind. Während der 25 Tage ist die Galerie sowohl Arbeits- als auch Ausstellungsraum und dient als Kommunikationsplattform für Designer und Interessierte.

Ziel des Projekts ist zum einen, dass man seine Kreativität ohne Beschränkungen (durch Konsumenten und Auftraggeber) ausleben kann. Zum anderen geht es darum, das Packaging-Design attrak­tiver und inter­es­santer zu machen. Inspiration und Unterstützung für das Live-Experiment liefern aktu­elle Trends vom Trendbüro Hamburg.


Sponsor schleicht sich typografisch auf Olympiabekleidung

Typografie kann eine Waffe sein. Zum Beispiel gegen das Verbot von Sponsoring im Sport. Ich erin­nere mich dunkel an ein Fußballländerspiel vor ein paar Jahren, da lief die deut­sche Nationalmannschaft mit Hemden ins Stadion, deren Rückennummern in der Mercedes-Benz-Schrift Corporate gesetzt waren. Typografische Laien verwirrte allen­falls die Zartheit der Ziffern, Marketingexperten rochen die Schleichwerbung und legten Protest ein. Beim nächsten Länderspiel prangten wieder die vertrauten Zahlen auf den Trikots der Spieler.

Ein Fontblog-Leser machte mich eben auf aktu­ellen Fall von Under-cover-Sponsoring in Vancouver aufmerksam, dort finden noch bis zum 28. Februar die 21. Olympischen Winterspiele statt. Wenn man sich dieses Foto (natio­naler Wettkampf) und dieses Foto (Vancouver) zweier deut­scher Eisschnellläufer ansieht, so fällt auf, das die Länderkennung für Olympia (GER) typo­gra­fisch iden­tisch aufbe­reitet ist wie das Logo des Hauptsponsors der deut­schen Eisläufer, die Deutschen Kreditbank AG (DKB).

Honi soit qui mal y pense.


Die schönste Zeitung kommt aus Deutschland

Alljährlich prämiert die Society for News Design (SND) Mitte Februar die am besten gestal­teten Tages- und Wochenzeitungen welt­weit. Vergangenes Jahr war nicht einfach für die Branche, was auch die Jury spürte. Fast überall kämpfen die Zeitungen mit schwin­denden Auflagen und sinkenden Anzeigenerlösen. In den USA scheint die Situation drama­ti­scher als außer­halb, wo die Printmedien nach Auffassung der SND-Berater einen »gesün­deren« Eindruck machten.

Doch gerade der Wettbewerb mit den digi­talen Nachrichtenquellen sei eine große Herausforderung für die Gestaltung. Die Rolle es Designers habe sich gewan­delt, die visu­elle Inszenierung sei wich­tiger als je zuvor. »This is the age for the thoughtful desi­gner. Your efforts must be as considered as they are crea­tive.« resü­mieren die Experten bei SND.

Dieses Mal betei­ligten sich 240 Zeitungen am Design-Wettbewerb der SND. Sie reichten das nach ihrer Ansicht beste Exemplare des vergan­genen Jahres ein – drei einge­bet­tete Flickr-Diashows im nach­fol­genden Beitrag (mit Full-Screen-Funktion) zeigen diese einge­reichten und prämierten Ausgaben.

Am 8. Februar entschied sich die Jury für drei Sieger, von denen zwei aus Deutschland kommen, was das gefühlte hohe Niveau des deut­schen Zeitungsdesigns bestätigt:

1. der Freitag (Wochenzeitung, Berlin)
2. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (Wochenzeitung, Frankfurt am Main)
3. The New York Times (Tageszeitung, New York, USA)

Die Zeitungen wurden gewählt, weil ihre Gestaltung beweist, dass die Redaktionen ihre Leser genau kennen und gut bedienen möchten. Das Aussehen der Siegerblätter ist in jedem einzelnen Fall das Ergebnis einer sorg­fäl­tigen Planung plus einer redak­tio­nellen Strategie, die sich von der ersten bis zur letzten Seite durch das Gedruckte zieht. Die Jury: »They each have a strong DNA — an iden­tity that goes beyond format. A partial inside page is as iden­ti­fiable to the publi­ca­tion as its’ page one.«

Der Freitag, Berlin, wöchent­lich, Auflage 12.400 Exemplare

Wie die Berliner Wochenzeitung gestern in ihrem Redaktionsblog mitteilt, habe die Freitag-Redaktion nach Erreichen der Nachricht aus Orlando, Florida, erst mal die Arbeit für ein paar Minuten einge­stellt: »Die Freude ist riesen­groß«. Verantwortlich für die vorbild­liche Gestaltung des Blattes sind Matthias Last und Alexander Seeberg-Elverfeldt, das interne Art-Department (Janine Sack, die Leiterin, Andine Müller, Corinna Koch, Jana Schnell und Stefan Stalder) sowie Anja Horn und ihr Team beim Berliner Designbüro Einhorn Solutions. Johannes Erler (factor­de­sign) stand beim Redesign bera­tend zur Seite. Und nicht zuletzt gebührt dem Schriftentwerfer Luc(as) de Groot ein Lob, der für dieses Projekt eine weiter­ent­wi­ckelte Version von TheAntiqua produzierte.

Hier die ausführ­liche Begründung der Jury, über­setzt von Christine Käppele bei Freitag: »Auffällig und doch so schlicht. Seite für Seite wartet diese Zeitung jede Woche mit visu­ellen Überraschungen auf; diszi­pli­niert und elegant, anstatt laut und chao­tisch. Wie gelingt dem Freitag diese schwie­rige Balance? Das strenge Grundlayout – eine solide Typographie, eine intui­tive Navigation – wird durch eine präzise Auswahl und Präsentation der visu­ellen Inhalte ergänzt. Die Zeitung, die 2009 radikal neu gestaltet wurde, hat von der Titelseite an keine Angst davor, auffäl­lige, origi­nelle Illustrationen zu zeigen. Ein Frosch, der in allen Regenbogenfarben schil­lert, sticht dort hervor, als wolle er den Leser dazu auffor­dern, in die Zeitung einzu­tau­chen. In der Mitte einer Doppelseite illus­triert das wunder­volle Foto eines einsamen Iglus in der gefro­renen Tundra eine Leseprobe auf eindring­liche Art. Farbe wird zur Navigation des Lesers sparsam und stra­te­gisch einge­setzt. Woche für Woche ist die Struktur einheit­lich, ohne dass die Zeitung dadurch vorher­sehbar wird. Ähnlich redu­ziert ist die Typographie. Verwendet wird nur eine Schrift, was jedoch durch den Einsatz verschie­dener Schriftschnitte nie eindi­men­sional wirkt. Es gibt keine Unordnung oder unnö­tige Bilder, die den Blick ablenken. Der Freitag scheut sich nicht davor, seine Leser einfach lesen zu lassen. Um es kurz zu machen: Die Zeitung ist ein Genuss«.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, wöchent­lich, Frankfurt, Auflage 347.000 Exemplare

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) ist die Sonntagsausgabe der FAZ, ursprüng­lich nur als Regionalzeitung in der Region Rhein-Main vertrieben, und seit dem 30. September 2001 bundes­weit erhält­lich. Trotz der gemein­samen Nutzung redak­tio­neller Ressourcen (die FAS hat aber zusätz­lich 50 eigene Redakteure) tritt die Sonntagszeitung eigen­ständig auf. Ihr Erscheinungsbild unter­scheidet sich deut­lich vom Muttermedium in der Satzgestaltung, der durch­gän­gigen Vierfarbigkeit und einer eigenen Brotschrift, der Janson. Außerdem ist ihr Ton leichter und unter­halt­samer als jener der seriösen FAZ. Ein Erkennungsmerkmal sind die oft einge­setzten Illustrationen am Artikelanfang (Vignetten), die unter anderem von dem Illustrator Bengt Fosshag stammen.

Die Jury: »Ein bemer­kens­werter Mix visu­eller Elemente entfaltet sich auf den Doppelseiten dieser Wochenzeitung im Nordischen Format. Anstatt Geschichten in unver­än­der­bare Layouts zu quet­schen, erzählen die Designer des Sonntagsblatts – hand­werk­lich gekonnt –  Geschichten, passend zum Thema des Beitrags. Auf einer Seite ließ sich eine Geschichte am besten mit 24 Screenshots vom iPhone illus­trieren. Wenige Seiten später erlaubt die riesige Abbildung eines Renaissance-Gemäldes dem Leser, sich in male­ri­schen Details zu verlieren, was die beglei­tende Geschichte zusätz­lich kraft­voll unter­stützt. Der sinn­volle Gebrauch weißer Flächen und des Rasters, verbunden mit dem umsich­tigen Einsatz von Farbe tragen zur allge­meinen Klarheit bei. Das Ergebnis: eine Zeitung, welche die Zeit, den Verstand und die Neugier stand­haft respektiert«.

The New York Times, täglich, New York City (USA), Auflage 930.000 Exemplare

Die New York Times (NYT), gegründet 1851, ist eine einfluss­reiche über­re­gio­nale US-Tageszeitung, die von der New York Times Company geführt wird. Sie wird auch »The Gray Lady« genannt. Ende 2004 betrug die verteilte Druckauflage wochen­tags 1.124.700 Exemplare, heute liegt sie bei 930.000. Die Wirtschaftskrise ab 2008 traf die New York Times mit Einbrüchen bei den Anzeigeneinnahmen. Am 19. Januar 2009 teilte die New York Times Company mit, dass sich der mexi­ka­ni­sche Milliardär Carlos Slim mit weiteren 250 Millionen Dollar am Verlag betei­ligt. Die Redaktion wurde von 1330 auf 1100 Mitarbeiter redu­ziert. Wie schon andere Druckpublikationen auch verlegt die NYT den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten zuneh­mend in den Online-Bereich, der zunächst als Ableger und Ergänzung der Druckausgabe behan­delt wurde. Zuletzt machten die New Yorker mit inno­va­tiven Apps und Webseitenkonzepten auf sich aufmerksam.

Die Jury: »A large-circu­la­tion general-inte­rest news­paper is a tough beast to visually tame. Every Sunday, the local edition of The New York Times has a dozen or more sections, cove­ring the world from Bali to the Bronx, and topics ranging from nuclear bombs to nose jobs. A DNA of visual disci­pline binds sections with distinct accents toge­ther into a paper that speaks with one voice. A design archi­tec­ture of time­less elegance provides a solid foun­da­tion upon which to build inno­va­tive visual storytel­ling that weaves through the paper. In the Metropolitan section, the extra­or­di­nary lives of ordi­nary people unfold in a feature that raises the bar for photo columns. When it comes to presen­ting long-form written jour­na­lism, Times desi­gners realize their job is to enhance the plea­sure of reading narra­tive text, not dimi­nish it with distrac­tions. From its iconic front page to cutting-edge fashion photos in its maga­zine, the Times serves a national audi­ence with a sprinkle of New York flavor.«

Die Jury:
J. Bruce Baumann, Evansville Courier & Press
Dennis Brack, The Washington Post
Miguel Gomez, Al Nisr Publishing Group (Dubai)
Lily Lu, Berater und Bründer von SND China
Margaret O’Connor, The New York Times


Erst googeln, dann twittern …

… ist das neue »Erst denken, dann spre­chen«. Wer sich das nicht hinter die Ohren schreiben möchte, kann die neue Weisheit der Socials auch schwarz auf weiß bestellen. Entworfen von Joe Newton (@TheJoeNewton), mit der Schrift Olduvai, gedruckt auf 300 g Somerset-Velvet-Baumwollpapier im Buchdruck, Format A4 und erhält­lich bei I love Typography für 15,00 Dollar.


Unsere Nachbarn in der Bergmannstraße

Das echte Leben spielt dort, wo die Menschen sind: auf der Straße. Das dachte sich auch das Team um die Dokumentarfilmerin Bettina Blümner, als es bei uns hier in der Bergmannstraße den zufällig vorbei­kom­menden Passanten ein paar Fragen stellte. Zum Beispiel: »Was wollten Sie immer schon mal machen?« oder »Was ist ihnen lieb und teuer?« Aus den Antworten zimmerte Jung von Matt/Alster, unter dem Kreativdirektor Fabian Frese, eine Imagekampagne für die Deutschen Versicherer: vier Werbeclips, gedreht in vier deut­schen Städten mit stark-doku­men­ta­ri­schem Charakter. Gut gemacht, toll geschnitten, und zumin­dest für den Drehort Bergmannstraße können wir bestä­tigen: Die gezeigten Personen leben hier, wir kennen die meisten vom Sehen.


Gold für Dan Reynolds Schriftfamilie ›Malabar‹

Der Entwerfer von ›Malabar‹ Dan Reynolds (links) und ihr Herausgeber Frank Wildenberg, Geschäftsführer der Linotype GmbH nach der Preisübergabe

Am Wochenende fand in Frankfurt die Verleihung des Designpreises der Bundesrepublik Deutschland statt, darunter der Gold-Award für die Serifenschrift Malabar, entworfen von Dan Reynolds und heraus­ge­geben von Linotype (Fontblog berich­tete). Nach 2007 wurde damit zum zweiten Mal in der Geschichte des Wettbewerbs ein Preis für Schriftdesign vergeben (›DB Type‹, Erik Spiekermann/Christian Schwartz).

»Linotype ist mit Malabar eine ebenso zeit­ge­mäße wie zeit­lose Schrift gelungen, die durch über­ra­gende typo­gra­fi­sche Qualität der Buchstaben und einzelnen Schriftschnitte sowie durch eine perfekte Harmonie der Schriftschnitte mitein­ander besticht«, lobte Robert Klanten, Mitglied der Jury, den Entwurf. Dan Reynolds sieht in dem Gold Award vor allem Anerkennung für eine Zunft, die vielen Menschen unbe­kannt ist: »Den Deutschen Designpreis als Schriftdesigner zu erhalten, ist etwas ganz Außergewöhnliches, denn mit dem Preis wird weit mehr ausge­zeichnet als nur die Malabar. Durch den Award wird Schriftgestaltung in das Zentrum der Designwelt gerückt. Schrift ist nicht die Gestaltung von Buchstaben auf dem Bildschirm – Schrift ist ein quali­ta­tives Designprodukt.«

Bereits während der Gestaltung von Malabar reichte Reynolds Schriftmuster zu den kleinen Spezialwettbewerben ein, zum Beispiel dem TDC Award, wo sie eben­falls gefeiert wurde. Der Deutsche Designpreis sei jedoch etwas ganz anderes. Da stehe die eigene Arbeit plötz­lich »auf der glei­chen Stufe wie das Design eines Audi A5«. »Einfach groß­artig«, beschreibt Reynolds seine Freude.

Der Amerikaner Dan Reynolds (30) lebt in Berlin und arbeitet bei Linotype in der Gruppe für Fontentwicklung. Nach seinem ersten Besuch in Mainz entschied er sich, nach Europa umzu­sie­deln. Seither bestimmt die Arbeit mit und an Fonts sein beruf­li­ches Leben. Zusammen mit vier seiner Mitstudenten an der HfG Offenbach grün­dete er 2004 den Offenbacher Typostammtisch. 2008 bekam er seinen Master-Abschluss in Schriftgestaltung an der Universität Reading.

Neben Linotype standen mehrere renom­mierte deut­sche Marken und Designfirmen auf dem Siegerpodest, wie beispiels­weise Audi, Bulthaup oder Lamy. Auch promi­nente Projekte aus dem Ausland wurden mit dem Preis dotiert, unter anderem Hollywood-Schauspieler Brad Pitt mit seinem Projekt »Make it Right«, das einen Beitrag zum Wiederaufbau New Orleans nach dem Hurrikan Katrina leistete.

Malabar ist eine robuste Serifenschrift, für die Reynolds auch Devanagari-Schriftzeichen entwarf. In ihr spie­geln sich Einflüsse des 16. Jahrhunderts wider. Die Buchstaben sind im Stil der Renaissance Antiqua gezeichnet. In ihrer Form ist eine markante Diagonalachse in den Kurven zu erkennen. Die kräf­tigen Serifen verstärken das Textbild in kleinen Größen und defi­nieren den allge­meinen Charakter der Schrift. Die Schriftfamilie umfasst drei Fetten, jede mit einer eigenen Kursivvariante. Alle Schnitte verfügen über Versalziffern  – die Schnitte Malabar Regular und Italic beinhalten auch Mediävalziffern. Die Familie wird in den nächsten Tagen bei FontShop erhält­lich sein.