Fontblog Artikel im Juli 2009

Logo-Abstimung: Olympia-Bewerbung München 2018

München bewirbt sich zusammen mit Garmisch-Partenkirchen und dem Berchtesgadener Land um die Olympischen Winterspiele und die Paralympics 2018. Die Suche nach einem passenden Bewerbungslogo geht in die entschei­dende Phase. Seit heute dürfen die Bürger per Internet-Abstimmung entscheiden, mit welchem Signet sich die Bewerbung präsen­tieren soll.

Bis zum 31. August kann auf der Webseite der Bewerbergesellschaft abge­stimmt werden, mit welchem Emblem München ins Rennen gehen soll. »Wir laden die gesamte Bevölkerung unseres Landes ein, aktiv an der Bewerbung um die Winterspiele 2018 teil­zu­nehmen und zu entscheiden, wie sich diese national und inter­na­tional präsen­tieren soll«, erklärte Richard Adam gegen­über der Presse, einer der Geschäftsführer der Bewerbungsgesellschaft München 2018 GmbH.

Eine 18-köpfige Experten-Jury hatte aus 20 vorlie­genden Entwürfen von zehn Agenturen drei ausge­wählt, diese stellen sich nun der Publikumsgunst. Zur Wahl stehen die Logo-Vorschläge »Münchner Schneekristall«, »Die Berge bei Föhn« und »Spuren der Spiele« von Agenturen aus Haltern am See, München und Grafenau.

(Abbildung: © muen​chen2018​.org)


Deutschlands »größte Stadt« hat jetzt ein Logo

Nein, es geht mal nicht um Berlin, sondern um RuhrStadt. Noch nie gehört?!  Nicht schlimm, denn RuhrStadt ist eine Fiktion, eine Idee des Vereins Pro Ruhrgebiet und der StadtRuhr Initiative. Ihr Plan: »Wir gründen Deutschlands größte Stadt! Fünf Millionen Menschen lassen sich nicht länger über­sehen. Das Ruhrgebiet muss eine Einheit werden, demo­kra­tisch regiert.« Was martia­lisch klingt heißt frei über­setzt: Aus dem einst kraft­vollen Industriegebiet soll – durch den Zusammenschluss von 53 Städten und Kommunen – Deutschlands größte Stadtlandschaft werden.

Schwerwiegende Projekte brau­chen Solidarität, einen visu­ellen Anker, kurz: ein Logo. Dieses wurde gestern im Bochumer Stadtpark vorge­stellt. »Wir möchten eine größere Identität für das Ruhrgebiet schaffen«, sagte Prof. Klaus Tenfelde, Sprecher der Initiative StadtRuhr. Also schickte er einen Heißluftballon mit dem neuen Signet in den Himmel, denn »Hebt man den Blick nach oben, so sieht man keine Grenzen« zitieren die Ruhr Nachrichten Hjalmar Bremann, den Mitentwickler des Logos.

Entstanden ist das Signet bei der Agentur Koch Essen. Es basiert auf der Farb- und Formsprache des Logos der Kulturhauptstadt Ruhr.2010, nicht zu verwech­seln mit der Standort-Kampagne Ruhr hoch n (wir stritten im Fontblog darüber). Das Logo soll den pulsie­renden Ballungsraum und den bunten Mix, den eine Metropole ausmacht, darstellen. Im Originalton heißt das: »Die Wort-Bild-Marke der RuhrStadt symbo­li­siert: Dynamik, Ausstrahlung und Anziehungskraft. Individuelles findet sich zu einem Ganzen zusammen, Kräfte bündeln sich und strahlen nach innen wie nach außen. Gemeinschaftlicher Zusammenhalt und stän­dige Bewegung gehen Hand in Hand.«

Über die poli­ti­schen Hintergründe berichtet der Pottblog.


Offener Brief an www​.desi​gnen​lassen​.de

Der Kölner Designer Stefan Maas (MAAS+CO), Mitglied der Allianz deut­scher Designer, hat seinem Berufsverband und dem Fontblog heute morgen seinen offenen Brief an den Nürnberger »Marktplatz für Kreativdienstleistungen« www​.desi​gnen​lassen​.de in Kopie über­bracht, den ich hier gerne zur Diskussion stelle. (Abb: www​.desi​gnen​lassen​.de)

Sehr geehrter Herr Kubens, sehr geehrter Herr Sobolewski,

auf diesem Wege muss ich Ihnen zu Ihrer Internetseite www​.desi​gnen​lassen​.de. gratu­lieren. Ihr zwei­fellos krea­tives und neuar­tiges Geschäftsmodell könnte tatsäch­lich eine neue Zeit in der Designbranche anbre­chen lassen, aller­dings meiner Meinung nach eher eine Endzeit. Das von Ihnen prak­ti­zierte Designverständnis wirft diesen Beruf in seiner öffent­li­chen Wahrnehmung locker um 20 Jahre zurück und ist Rufschädigung pur.

Schon der Name ist für einen poten­zi­ellen Auftraggeber wenig hilf­reich. Jeder, der sich mit profes­sio­neller Gestaltung beschäf­tigt hat, weiß, dass Design eine sehr persön­liche Dienstleistung ist. Das hat zur Folge, dass der „Maßanzug“ für den Auftraggeber nicht ohne dessen Mitwirkung entstehen kann. Wer glaubt, man könnte das Thema komplett dele­gieren oder mit Minimalbriefing als Lotterie ausschreiben, hat schlicht keine Ahnung und wird zu entspre­chenden Ergebnissen kommen, die den Kunden selten begeistern.

Soviel zur fach­li­chen Seite. Mit Interesse lese ich weiterhin auf der Startseite Ihres Projekts, dass sich am 16. Mai 2009 um 18:00 Uhr 1.664 Designer um 43 Projekte mit einem Gesamtbudget von 15.190,00 € balgen. Rechts daneben erfahre ich, dass die in der Liste aufge­führten Projekte ein durch­schnitt­li­ches Budget von ca. 350,00 € aufweisen. Wie man von solchen „Preisgeldern“ als Designer exis­tieren soll, bleibt unklar. Wenn ich die oben genannten Zahlen zum Beispiel mit den Honorarempfehlungen der Berufsverbände vergleiche, dann wird deut­lich, dass es sich hier um den Sachverhalt der „Liebhaberei“ handelt, wie es das Finanzamt ausdrü­cken würde. Das erin­nert mich an eine Denkweise, die man in der Praxis bei Unternehmen ohne Designvorkenntnisse leider manchmal antreffen kann: sollen die Designer doch froh sein, dass sie was Kreatives machen dürfen; aber dann auch noch Geld verdienen; das muss doch nicht sein. So oder so ähnlich lautet zusam­men­fas­send Ihre Botschaft an poten­zi­elle Auftraggeber.

Insofern ist der Name Ihres Projekts tref­fend: desi­gnen lassen; lassen Sie das mit dem Design doch einfach sein. Solange Sie Geld damit verdienen, dass Designer sich für ein Taschengeld um Jobs balgen, kann Ihnen das natür­lich egal sein, solange Ihr Geschäftsmodell funktioniert.

Diejenigen, die sich auf Ihr Angebot einlassen, kann man nur bedauern. Sie brau­chen drin­gend einen Grundkurs in kauf­män­ni­schem Denken und werden wohl demnächst ein Fall für Hartz 4 oder 5 sein. Es ist durchaus beein­dru­ckend zu sehen, dass man mit den heutigen Marketingmitteln sogar moderne Formen von Sklaverei so schick verpa­cken kann, dass sie attraktiv wirken. Und man bekommt sogar Förderpreise für diesen Unfug.

Beste Grüße

Stefan Maas, Dipl. Des. AGD


Fundstücke aus der Provinz (1)

»Urlaub zu Hause kann so schön sein« schreibt das Dorfblättchen. Und das stimmt. Wenn man länger nicht mehr in seiner Heimatstadt war, sieht man viele Alltäglichkeiten mit anderen Augen. Vor allem ist die »freie Zeiteinteilung entspan­nend zu händeln«, wobei »spon­tane Aktionen auf dem Plan stehen können«.

Wie oft bin ich schon an diesem Piktogramm im Freibad vorbei geschwommen und habe mich gefragt, warum noch niemand diese Sportart erfunden hat: Handfußball. Weil es den nicht gibt, stellen sich die Kinder doof und spielen mal Handball, mal Fußball am Beckenrand.

Die neue Möblierung in der Altstadt muss noch von der Bevölkerung ange­nommen werden. Der Gastwirt des Pizzastübchens unter­stützt diesen Prozess mit einem Notizzettel: »Ich bin ein Fahrradständer«. Das ist drin­gend nötig, denn die Metallbögen verraten ihre Funktion nicht.

Das »Siegertreppchen« ist ein Kunstwerk im Kurpark, gestaltet von Heide Weidele und Martina Schober. Seine 3 Standflächen zieren wunder­liche Lobeshymnen auf die Heimatstadt, geschrieben im Stil eines Kinderaufsatzes.


PdW 31: Unser aller Lieblingsbuch, Ausverkauf, nur noch 19 €

Bei der Premiere dieses Buches schrieb ich: »Ich bin einiges gewohnt auf dem Fachgebiet Schriftmusterbücher. Dieses Werk sprengt meine Erwartungen. Dabei weiß ich nicht, ob meine 15-jährige Tätigkeit als FontFont-Typeboard-Mitglied dieses Gefühl eher verstärkt oder abschwächt. Natürlich bin ich befangen. Ich lebe seit Jahren mit diesen Schriften, benutze sie, ich schreibe über sie, entdecke sie im öffent­li­chen Raum … «.

»Made with FontFont« wurde redak­tio­nell betreut von Jan Middendorp und Erik Spiekermann, gestaltet von United Designers (heute EdenSpiekermann). Über 100 Mitwirkende haben Texte und Abbildungen gelie­fert, ihre eigenen Erfahrungen mit FontFonts notiert, neue Schriftmuster gebaut und Font-Familien auf Doppelseiten inszeniert.

FontShop hat sich die Restauflage gesi­chert, um sie im Rahmen des Produkts der Woche günstig anbieten zu können. Statt 45 € kostet »Made with FontFont« in dieser Woche nur 19 € (zzgl. MwSt., keine Versandkosten), und danach ist es wahr­schein­lich ausver­kauft. Hier geht es zur Bestellseite mit weiteren Infos … 


Endlich: »Wie man’s liest«, von Gerard Unger

unger_niggliDie Originalausgabe »Terwijl je leest« (Während Du liest) erschien bereits 1997, war lange vergriffen und gilt als die wich­tigste Veröffentlichung des hollän­di­schen Schriftentwerfers Gerard Unger. 2006 über­ar­bei­tete er das Buch komplett und brachte es mit großem Erfolg in seiner Heimat neu auf den Markt. Ein Jahr später erschien die engli­sche Ausgabe »While You’re Reading«. Monatelang suchte Unger nach einem deutsch­spra­chigen Verlag und einem guten Übersetzer. Nun ist es voll­bracht: »Wie man’s liest« ist erschienen, bei Niggli.

»Wie man’s liest« ist ein Standardwerk zu Lesbarkeit und Leserlichkeit. Unger gibt dem Leser durch seine anek­do­ti­schen Schreibweise einen vergnüg­li­chen und zugleich fundierten Einblick in die Arbeit und die Möglichkeiten von Typografen, Schriftentwerfern und Grafikdesignern. Sein Buch setzt dort an, wo viele Lehrbücher über typo­gra­fi­schen Gestaltung aufhören: Es geht den Eigenschaften verschie­dener Schriften auf den Grund und erklärt fundiert anhand der Arbeiten profes­sio­neller Typografen, was passiert, wenn man liest.

Bei FontShop ist die Neuerscheinung sofort lieferbar (30 €), ohne Versandkosten. Hier bestellen …


Heinz Edelmann 1934 – 2009

rs_edelmannDer Illustrator, Grafikdesigner und Hochschullehrer Heinz Edelmann ist am 21. Juli im Alter von 75 Jahren in Stuttgart gestorben, wie die Staatliche Akademie der Bildenden Künste mitteilt. Edelmann studierte an der Kunstakademie Düsseldorf und arbei­tete seit 1958 als frei­schaf­fender Grafiker. Gemeinsam mit dem Artdirektor Willy Fleckhaus prägte der gebür­tige Tscheche als Illustrator über zehn Jahre lang entschei­dend das Gesicht des Jugendmagazins Twen. Daneben war er  für Capital, Playboy, Pardon und das FAZ-Magazin als Grafiker tätig. Einem größeren Publikum wurde Heinz Edelmann durch den Beatles-Zeichentrickfilm Yellow Submarine, bei dessen Produktion er als Artdirektor 1967/1968 mitar­bei­tete. Der Vorspann der ZDF-Sendereihe Der phan­tas­ti­sche Film stammt eben­falls von ihm (YouTube-Link).

form-Chefredakteur Gerrit Terstiege besuchte Heinz Edelmann vor 14 Tagen zu Hause in Stuttgart, führte ein Interview und machte Fotos. »Ich habe ihn in guter Verfassung und sehr char­mant erlebt« schreibt er mir heute in einer Mail. Er fügte seinen Nachruf bei, den ich hier mit freund­li­cher Genehmigung von form veröffentliche.

Das gezeich­nete Ich

edelmannIn der von Heinz Edelmann ausge­stat­teten Klett-Cotta-Gesamtausgabe der Werke Gottfried Benns findet sich folgendes Gedicht, es gehört zu seinen schönsten: „Durch soviel Formen geschritten, durch Ich und Wir und Du, doch alles blieb erlitten, durch die ewige Frage: wozu? Das ist eine Kinderfrage. Dir wurde erst spät bewusst, es gibt nur eines: ertrage – ob Sinn, ob Sucht, ob Sage – dein fern­be­stimmtes: Du musst. Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere, was alles erblühte, verblich. Es gibt nur zwei Dinge: die Leere und das gezeich­nete Ich.“
Heinz Edelmann wusste Rosen in Schnee zu verwan­deln und Meere aus Löchern zu füllen. Er konnte Radiowellen sichtbar machen, ließ Sterne regnen, Tiere erblühen und brachte Erbsen zum Tanzen. Und er hat Berge versetzt. „Seine Linien und Farben durch­zogen das Heft“, schrieb Willy Fleckhaus über Edelmanns zeich­ne­ri­sche Interventionen in „twen“, viele Jahre nach ihrer Zusammenarbeit in der legen­dären Redaktion. Edelmanns Vorspann zu der ZDF-Reihe „Der phan­tas­ti­sche Film“ hat mir als Kind Alpträume beschert: Köpfe drehen sich darin wie leere Puppenglieder, Haare brennen, Flammen züngeln zu dem flat­ternden Geräusch von Vogelflügeln. Plötzlich erscheint ein einäu­giges Spinnenmonster mecha­nisch wie die Kirschen in Spielautomaten. 30 Sekunden blanker Horror, stilis­tisch noch ganz in der Tradition von „Yellow Submarine“. Viele seiner Buchumschläge machten auch spröde Autoren zu Bestsellern, doch als der von ihm illus­trierte „Herr der Ringe“ vor ein paar Jahren zum „Besten Buch der Deutschen“ gekürt wurde, nannte er diese Wahl einen „Triumph der Blödheit“: „Das Buch ist gewiss eine liebens­wür­dige lite­ra­ri­sche Kuriosität. Aber es ist wohl das einzige Buch, das jemals in diese Finsternis gedrungen ist.“ Was heute längst nicht mehr selbst­ver­ständ­lich ist: Edelmann las die Geschichten, die es zu illus­trieren galt, nahm sich Zeit, expe­ri­men­tierte, haderte mich sich – und mit seinen Epigonen: „Jetzt kopieren sie sogar meine Manierismen, wie den abge­spreizten kleinen Finger, den ich den Beatles ange­dichtet habe“. Aber er verbit­terte nicht, dafür hatte er viel zu viel Humor. In einer Episode seines wunder­baren Buchs „The Incredible“, das er vor vier Jahren fertig stellte, bekommt selbst der Sensenmann seine Späße zu spüren und bleibt sprachlos zurück.
Nun starb der große Lehrer und Zeichner, am 21. Juli in Stuttgart. Zwei Wochen zuvor hatten wir uns noch getroffen, zusammen mit seiner Frau, zu einem lange geplanten Gespräch. Als wir uns vor seiner Wohnung in der Augustenstrasse verab­schie­deten, sagte er mit Blick auf die herunter gelas­senen Rolläden: „Immer wenn sie unten waren, dann war ich zuhause.“ Edelmann hielt sich als Professor immer nur während der Semester in Stuttgart auf, ansonsten war seine Wahlheimat Amsterdam. Im Dunkeln hat er eine helle Welt geschaffen. Adieu, Heinz Edelmann.

Gerrit Terstiege

Abbildung 1: Rolling Stone Ausgabe 9 vom 27. April 1968 (© Rolling Stone Archiv)
Abbildung 2: Heinz Edelmann und seine Frau Anna am 7. Juli 2009 in Stuttgart (© Gerrit Terstiege)


Viabella von Karl-Heinz Lange bei Elsner+Flake

Der Berliner Grafiker und Schriftentwerfer Karl-Heinz Lange wird am 29. Juli 80 Jahre alt (Fontblog berich­tete: Karl-Heinz-Lange Aktionswochen). Veronika Elsner und Günther Flake ehren ihn mit der Veröffentlichung seiner neuen Schreibschrift-Familie Viabella.

Karl-Heinz Lange lebt und arbeitet heute in Berlin und ist nach wie vor als Schriftentwerfer tätig. Unter anderem entwi­ckelte er ein Redesign der im Auftrag von Typoart entwor­fenen Schriften Publica, Typoart Super Grotesk und Minima, die er 2009 als Publicala, Minimala und Superla in Zusammenarbeit mit Ole Schäfer veröf­fent­lichte. In Zusammenarbeit mit Elsner+Flake entwi­ckelte er 2006 bis 2009 die Schriftfamilie Rotola und die Schreibschriften der Viabella-Familie, die bei www​.font​s4ever​.com erworben werden können.