Fontblog Artikel im Juni 2009

Stadtgespräche: Spurenlese im urbanen Raum

Der Wiener Kommunikationsdesigner und Markenentwickler Markus Hanzer zählt zu den klügsten Köpfen der deutsch­spra­chigen Designszene. Dies bewies er zuletzt wieder auf der TYPO Berlin 2009 mit seiner fesselnden Präsentationen zum Thema »Real Space vs Virtual Space« (hier ein PDF des Vortrags, 45 S., 2,7 MB). Hauptberuflich betreut Hanzer große Medienunternehmen, darunter viele Fernsehanstalten. Darüber hinaus lehrt er an der FH Salzburg sowie an der Angewandten in Wien. Privat treibt ihn seit Jahren eine große Leidenschaft an, nämlich Buchstaben und Schilder im öffent­li­chen Raum.

Deswegen wurde Hanzer auch Museumsdirektor des virtu­ellen Typemuseum, das ich schon öfters zitiert habe. Aus diesem entwi­ckelte sich vor einiger Zeit die Internetseite Stadtgespräche mit Fotografien aus dem öffent­li­chen Raum. Auf Reisen liest er die viel­fäl­tige (typo)grafische Zeichen der Städte wie Romane. Seine Sammlung blickt auf die sicht­bare Oberfläche unserer Umwelt und analy­siert syste­ma­tisch, welche Motive das Erscheinungsbild unserer Umwelt prägen. Welche Zeichen und Botschaften lassen wir in unser Bewusstsein dringen? Wie funk­tio­nieren die Selektionsmechanismen unserer Wahrnehmung? Welchen typo­gra­fi­schen Formen messen wir Bedeutung zu? Woran orien­tieren wir uns?


Doppelseite aus »Krieg der Zeichen»: »Identitätsstiftende Zeichensysteme – Briefkästen, Postboten, Poststationen – verschwinden langsam aus dem Stadtbild«

Jetzt gibt es – nach vielen Jahren Sammeltätigkeit – das Buch zu den Stadtgesprächen, das eine Zwischenbilanz zieht. Und dies zu einer inter­es­santen Zeit. Warum? Markus Hanzer verriet es mir in einem Gespräch: »Der öffent­liche Raum stand noch nie so im Mittelpunkt wie heute. Durch die Zersplitterung der Medien Fernsehen und Zeitschriften entwi­ckelte er sich zum einzig verblei­benden Gemeinsamen.« Die Menschen spre­chen nicht mehr über Fernsehsendungen, die am Abend zuvor Millionen gesehen hatten. Die Zeitungen verlieren an Bedeutung, Plattenfirmen gelingt wahr­schein­lich nie mehr ein welt­weiter Megahit. Stattdessen gewinnen Konzerte neu an Bedeutung, Sportfans zeigen mit Fahnen und Bemalung, welche Mannschaft sie unter­stützen, globale Konzerne insze­nieren in den Großstädten haus­hohe Botschaften.


Doppelseite aus »Krieg der Zeichen»: »Wo die Bewohner eines Hauses auch dessen Nummerierung stolz als Ausdruck und sicht­baren Repräsentanten ihrer Identität betrachten, werden Hausnummern zum Zwecke der Inszenierung eingesetzt.«

Die Hälfte der Menschheit lebt in Städten, Tendenz: zuneh­mend. Die Fähigkeit Spuren zu lesen, Spuren zu hinter­lassen, aber auch zu verwi­schen besitzt eine zentrale Bedeutung im Alltag, nicht nur unter Jugendlichen. Die unent­wegte Beschäftigung mit Spuren hinter­lässt auch deut­liche Spuren in unserem Denken. Dieses Buch versucht, die realen und erin­nerten Zeichenfassaden unserer Lebensräume aufzu­reißen. Das Buch hat mich faszi­niert. Selten wurde so klug über Design geschrieben, mit akade­mi­scher Akkuratesse, dabei boden­ständig, verständ­lich und mit den Augen eines Praktikers. Großartig! Es ist meines Wissens das erste Buch, das sich allen Aspekten der grafi­schen Welt im öffent­li­chen Raum widmet: von den Leit- und Verkehrssystemen über Werbung und Ladenbeschilderung bis hin zu Graffiti, Kunst und privaten Zeichen.


Doppelseite aus »Krieg der Zeichen»: »Optische Heimat: Sind wir auf dem Weg in eine Gesellschaft, in der alle eine Chance bekommen, gehört zu werden?«

Das Buch kommt genau zum rich­tigen Zeitpunkt, denn in Wien findet gerade eine Ausstellung zu Markus Hanzers Lieblingsthema statt, von ihm kura­tiert. Wer dort wohnt oder eine Wienreise plant, sollte sich die Spurenlesen im urbanen Raum nicht entgehen lassen, im Designforum (noch bis 30. 8. 2009, Quartier21/MQ, Museumsplatz 1).

Die Ausstellung beleuchtet die Macht der Zeichen zwischen Information, Orientierung und dem Kampf um Kunden. Eine breit aufge­fä­cherte Darstellung und Analyse unserer opti­schen Heimat bietet den Besucherinnen und Besuchern auch Gelegenheit sich aktiv mit den Zeichen ausein­an­der­zu­setzen und selbst Spuren zu hinterlassen.

Krieg der Zeichen: Spurenlesen im urbanen Raum kostet 39,80 €. Bei FontShop kaufen …


Deutscher Typografie-Eventkalender

Dan Reynolds und Indra Kupferschmid sind die reise­freu­digsten Typografie-Aktivisten in Deutschland. Dan hat vor 5 Jahren den ersten Typostammtisch in Offenbach ins Leben gerufen, viele folgten … zuletzt der in Saarbrücken, initi­iert von Indra. Da lag es nur nahe, die Meilensteine der deut­schen Typografie-Treffen in einen gemein­samen Kalender zusammen zu führen. Lest mehr dazu und abon­niert ihn auf dieser Seite …


Letzter Aufruf für alle Schnäppchenjäger

Mein Lieblingstitel auf dem Gossip-Album »Music for Men« ist der erste Song, Dimestore Diamond (iTunes-Link). Er handelt von einer Frau, die sich mit Vorliebe in Billigläden einkleidet und die Haare selbst schneidet. Alle bewun­dern sie, aber niemand ahnt, dass sie ein Pfennigladendiamant ist.

Wie komme ich jetzt darauf … ach so: Der Axel-Dimestore ist nur noch 2 Tage geöffnet. Jetzt zugreifen. Wer nicht mehr weiß, warum, schaue bitte noch mal hier nach: Axel, die neue Spiekermann.


Neu von Underware: Liza Pro

Nicht jeder beherrscht die Kunst des Letterings, eine Disziplin, die im US-ameri­ka­ni­schen Kommunikationsdesign weiter verbreitet ist als in unseren Breitengraden. Fast jeder weiß hier­zu­lande, was einen Kalligraphen auszeichnet, aber was macht ein Letterer? Dabei ist diese Disziplin so alt der Rund- und wie der Flachpinsel, mit denen das Lettering prak­ti­ziert wird. Schriftenmaler findet man eher in einem Tante Emma-Laden als in einem Designbüro. Um so erfreu­li­cher, dass die OpenType-Technik fast jeden digi­ta­li­sierten Designer zum Lettering-Künstler macht – ohne den Arbeitsplatz mit Pinseln, Farben, Papieren und Abdeckfolie ausstatten zu müssen.

Der jüngste Beweis ist die heute neu vorge­stellte Schrift Liza Pro von Underware. Wer es nicht glaubt, schreibe ein paar Buchstaben in dem wunder­baren Liza-Schriftmuster-Generator von Underware (den hätte ich gerne für die FontShop-Site). In einer Art Nachher-Vorher-Ansicht stellt der Schrift-Sandkasten das OpenType-Ergebnis dem »gewöhn­li­chen Schreiben« entgegen (Abbildung oben).

Ausführliche Informationen über die neue Liza in diesem PDF.


»Objectified« an der TU München

Der neue Dokumentarfilm Objectified von Helvetica-Regisseurs Gary Hustwit wird am Mittwoch in der Technischen Universität in München aufge­führt. Beginn ist 20:00 Uhr, Karten an der Abendkasse am 19:00 Uhr. 10 €. Anschließend: Q&A mit Gary Hustwit, Prof. Fritz Frenkler und Leif Huff (IDEO). (Quelle)


Projektil-Vortragsreihe, Bauhaus-Universität Weimar

»Projektil« ist eine inter­na­tio­nale Vorlesungsreihe an der Bauhaus–Universität, Weimar. Sie wurde 2007 von Studenten initi­iert, um eine ausste­hende Graphik-Design-Professur auszu­glei­chen. Sie wird auch in diesem Jahr wieder statt­finden. Im Gegensatz zu den letzten Jahren, finden alle Vorträge und Workshops während einer einwö­chigen Veranstaltung vom 13.–17. Juli statt.

Das Programm:
Marcus Weisbeck, Berlin
Lecture 13th of July

Jason Dodge, Berlin
Lecture 14th of July
Workshop 14th-16th of July

S. Benhadj, T. Hayward & G. Melden, Lausanne
Lecture 15th of July, Workshop 15th-16th of July

Marco Fiedler & Achim Reichert, Paris
Lecture 16th of July, Workshop 13th-17th of July

Clemens Habicht, Paris
Lecture 17th of July, Workshop 16th-17th of July

Weitere Informationen und Anmeldung auf http://​projektil​.org.


FF Dingbats 2.0: »weltbewegte« PDF-Broschüre

Mit FF Dingbats erschien 1993 erst­mals eine ästhe­tisch durch­kom­po­nierte Sammlung von Symbolen für die digi­tale visu­elle Kommunikation, entworfen von Johannes Erler und Factor Design. Vor wenigen Wochen stellte FontFont die komplett über­ar­bei­tete FF Dingbats 2.0 vor (Fontblog berich­tete). Aus 8 Fonts wurden durch die Aufnahme von mehreren hundert neuer Zeichen 12 Fonts. Alle Figuren wurden über­ar­beitet, Sortierung und Namensgebung verständ­li­cher gelöst. Im Zeichensatz »Strong Forms« sind gebräuch­liche Symbole etwas kräf­tiger gezeichnet. Eine OpenType-Funktionen erlaubt farbige Binnenräume.

Wer sich ausführ­li­cher über FF Dingbats 2.0 infor­mieren möchte, besuche die eigens einge­rich­tete Internetseite FF Dingbats Font​.com [engl.], die unsere Kollegen bei FontShop USA gestaltet haben. Teilnehmer der TYPO Berlin 2009 erhielten mit der Konferenztasche eine von Factor Design konzi­pierte und gestal­tete limi­tierte Dingbats-2.0-Broschüre. FontFont-Herausgeber FSI hat diese Broschüre nun über­nommen, leicht über­ar­beitet und ins Englische über­setzt, um sie demnächst auf der Dingbats-Site als PDF zum Download anzubieten.

Die wunder­bare Titelseite gestal­tete Alexander Roth bei FSI, der sich von der goldenen Platte der Pioneer-Weltraum-Mission inspi­rieren ließ. Die Tafel wurden 1972 in der Hoffnung entworfen, etwaige intel­li­gente, außer­ir­di­sche Lebensformen könnten dadurch von der Menschheit und ihrer Position im Universum erfahren, auch wenn die Wahrscheinlichkeit dafür äußerst gering sei.

Die deut­sche Version gibt es schon heute, hier im Fontblog: FF-Fingbats-2.0-Broschüre (PDF, 1,8 MB, 29 S)


Versteigerungsplattform für Illustrationsoriginale

Artbay​.inko​gnito​.de ist die erste Versteigerungsplattform, die sich ausschließ­lich Originalbildern und -zeich­nungen widmet. Viele Illustrationen für Kinder- und Jugendbücher, Zeitschriften, Poster, Covereinbände und ähnli­ches geraten nach ihrer Veröffentlichung häufig in die Untiefen privater Archive und somit in Vergessenheit. Da die Originale aufgrund ihrer illus­tra­tiven Wandtauglichkeit sehr wohl Einzug in Wohnungen, Praxen und öffent­liche Räume verdienen, hat sich der Postkartenverlag Inkognito Gesellschaft für faust­dicke Überraschungen, Denkzeug und Expressversand mbH die Internetauktionsplattform Artbay ausgedacht.

Werke namhafter Künstler wie Jutta Bauer, Quint Buchholz, Marie Marcks und Silvio Neuendorf sowie weniger bekannter aber gleich­wohl bemer­kens­werter Künstler gilt es hier zu erstei­gern. »Wir sind richtig Feuer und Flamme für dieses Projekt und daher sehr neugierig auf das erste Feedback.« sagt Lidwien Steenbrink, die Geschäftsführerin von Inkognito, gegen­über Fontblog und wünscht sich viele Besucher: artbay​.inko​gnito​.de.