Fontblog Artikel im Juli 2008

Wo ist unser IT-Administrator?

Heute Morgen lag diese Meldung auf meinem Schreibtisch: »Unlizenzierte Software: IT-Administrator zu acht Monaten Haft auf Bewährung verur­teilt.« Meist legt man mir Nachrichten ins Fach, die ich im Blog verbraten soll. Da es um IT geht, versuche ich mal bei Arne oder Henning nach­zu­fragen. Beide nicht da … ich erschrecke. Wir haben dich sicher keine unli­zen­zierte Software im Einsatz. Unser Anwesenheitsplan gibt Entwarnung: Arne ist auf Dienstreise, Jochen im Urlaub.
Ich konnte bis eben nicht heraus­finden, wer mir die Meldung hinge­legt hat. Wenn die Person glaubt, ich würde jetzt hier im Fontblog schreiben, dass »Fonts auch Software« seien … viel­leicht mit der Intention, einigen Lesern einen Schrecken einzu­jagen … dann hat sie sich aber geschnitten. Außerdem lesen IT-Administratoren keinen Fontblog.


FontFont 45: Expertenübersicht und Satzproben

Wegen der großen Beliebtheit, führe ich die Veröffentlichung unserer internen FontFont-Neuheiten-Übersicht fort. Bereits vor mehreren Wochen erschien FontFont-Release 45, der zur Hälfte aus neuen Schriften besteht sowie zur anderen Hälfte aus OpenType-Updates diverser FontFont-Klassiker.

Neu ist die lang erwar­tete Ergänzung zur Großfamilie FF Clan, die FF Clan Italics. Lukasz Dziedzic und die Techniker von FSI haben ganze Arbeit geleistet. Das gesamte Konvolut umfasst 36 Pakete, denn auch die Italics werden als PostScript, OpenType Std und OpenType Pro ange­boten. Wer sich für maxi­malen Inhalt, maxi­male Übersicht und mini­male Kosten entscheidet, greift zur FF Clan Italic Pro: das sind maximal 6 Pakete (ein Beispiel) mit insge­samt 43 kursiven Clan-Schnitten, von Compressed bis Extended, jeweils in 7 Strichstärken.

Der talen­tierte Warschauer Designer Lukasz Dziedzic ist gleich mit einer weiteren Neuheit vertreten, der kalli­gra­fi­schen FF Pitu, die er bereits 2002 zu entwerfen begann. Vergleicht man sie mit seiner Sansserif  FF Clan – einen größeren Kontrast kann man sich nicht vorstellen: Dziedzic ist ein 360°-Talent! Pitu besteht aus versalen Schwungbuchstaben, denen er kursive Gemeine hinzu­fügte, deren Stil zwischen einer Didone Italic und einer Copperplate Script oszil­liert. Er sagt selbst über die Schrift: »Pitus klin­gen­för­mige Enden sind mit eleganten kalli­gra­fi­schen Schwüngen veredelt, die bisweilen in flau­schige Fuchsschwänze münden«. Das polni­sche Wochenmagazin »Europa« setzte Pitu als Auszeichnungsschrift ein, bevor es sich einem Redesign unterzog. Dziedzic baute die Schrift zu einer drei-schnit­tigen Familie aus und fügte ein komplettes Set zuge­rich­teter Didone-Versalien hinzu sowie Kapitälchen. FF Pitu unter­stützt 85 (!) Sprachen (OpenType-Pro-Version, hier im FontShop für nur 149 € alle 3 Schnitte).

Zur neuen schrift FF Nuvo von Siegfried Rückel hat FontFont-Herausgeber FSI wieder mal einen kosten­lo­sesn Testfont frei­ge­geben: zur Nuvo-Medium-Download-Seite. Siegfried Rückel wurde mit der geome­tri­schen FF Alega erst­mals einem größeren Anwenderkreis bekannt. Er studierte an der FH Potsdam bei Luc(as) de Groot und Lex Drewinski. Die extra­va­gante Typografie fran­zö­si­scher Zeitschriften inspi­rierten ihn zur Nuvo. Rückel wollte eine gerun­dete Schrift schaffen, aber mit einer neuen Formgebung. Er zeich­nete die Buchstaben mit der Erkenntnis im Hinterkopf, dass das mensch­liche Auge aus der Entfernung die Abschlüsse der Buchstaben auto­ma­tisch weich­zeichnet. Erst beim näheren Betrachten offen­baren sich die soften Abschlüsse der FF Novo. Diese sorgen in groß gesetzten Überschriften für Charakter, beim Lesen klein gesetzter Texte jedoch beein­flussen sie nicht die Leserlichkeit. Die FF-Nuvo-Familie wird in 5 Strichstärken ange­boten, einschließ­lich Italics und Kapitälchen. Auch hier wieder meine Empfehlung: OpenType-Version lizen­zieren, zum Beispiel dieses Pro-Paket mit den Strichstärken Regular, Medium und Bold.

Abschließend ein Blick auf zwei FontFont-Klassiker, die jetzt im OpenType-Format lieferbar sind. Das ist zum einen die auf der Frutiger basie­rende FF Transit OT. Bei der neuen Version der Schriftfamilie werden die sog. Bonus-Icons nicht mehr separat gelie­fert, sondern sie sind in allen Schnitten stan­dard­mäßig vorhanden. Dabei handelt es sich um Etikette für Nahverkehrslinien, wie man für die gestal­tung von Leitsystemen, Fahrplänen und den sog. Spinnen verwendet.

Eine neu veröf­fent­lichte Grafik von FSI erläu­tert anschau­lich, was es mit den verschie­denen Schnitten der FF Transit auf sich hat. Keine andere Beschilderungsschrift ist so fein ange­stimmt wie die von MetaDesign entwi­ckelte Transit. Die Strichstärken wurden so entwi­ckelt, dass sie bei jeder Transparent-Technik gleich wahr genommen werden: positiv oder negativ, Auflicht oder Rücklicht.

Seit kurzem eben­falls im OpenType-Format lieferbar: FF Cartonnage von Yanek Iontef. Die Familie setzt sich aus einem Alphabet mit typi­schen Karton-Schablonenbuchstaben zusammen, rau kontu­riert, und einer Serie von Piktogrammen aus dem Logistik-Bereich. Ein echter Hingucker.


Neu: FF Trixie OT, von Erik van Blokland

Ich hatte es in diesem Fontblog-Beitrag schon mal ange­deutet: Erik van Blokland hat seiner legen­dären Schreibmaschinen-Type FF Trixie mittels OpenType neues Leben einge­haucht. Die Original-Trixie erschien 1991 im PostScript-Type-1-Format  und sogar – für Mac-User – mit Ton. Um damals sicher mit den zerklüf­teten Buchstaben drucken zu können, war die Zahl der Stützpunkte begrenzt. Dabei enthielt Trixie Text gegen­über der Plain-Version noch mal weniger Stützpunkte, so dass auch eine voll­ge­schrie­bene DIN-A4-Seite, gesetzt aus Trixie Text, in akzep­ta­bler Zeit aus dem Laserdrucker kam. Ihr kantiger Charme war ein tech­ni­scher Kompromiss, verhin­derte aber nicht den Erfolg der Schriftfamilie.

Heute gibt es diese tech­ni­sche Einschränkung nicht mehr, so dass Erik van Blokland seine Trixie jüngst komplett über­ar­bei­tete und mit intel­li­genter OpenType-Technik verknüpfte. Die neue Familie glie­dert sich in drei Pakete: FF Trixie OT/Pro basiert auf den alten Konturen, ist die Brücke zur Vergangenheit und der Garant für Kontinuität und Kompatibilität (zum Beispiel beim Aktualisieren alter Dokumente bzw. Templates). FF Trixie Rough basiert eben­falls auf den altbe­kannten Formen, weist jedoch ein Vielfaches an Details auf, so dass sie auch auf Plakaten und in Headlines authen­tisch »wie Schreibmaschine« wirkt.

Ein opti­scher und tech­ni­scher Leckerbissen ist FF Trixie HD (einge­setzt im rechts abge­bil­deten Musterblatt; auf Klick auch als PDF down­loadbar), die komplett neu gezeichnet ist. Auffälligstes visu­elles Erkennungszeichen ist die Farbbandstruktur der Buchstaben. Das ist nicht wirk­lich neu … doch bei Trixie gibt es für jedes Zeichen 7 alter­na­tive Glyphen, so dass Headlines und -Texte heute noch leben­diger aussehen können als vor 17 Jahren. In Adobe InDesign werden die Alternativen auto­ma­tisch über die OT-Funktion »kontext­be­dingte Variante« durch­ge­spielt. Weitere zuschalt­bare Effekte sind Grundlinienversatz, histo­ri­sche Formen sowie »Zensur«- und »Schmier«-Schnitte.

Trixie OT Übersicht

Die HD-Pro-Version bietet neben den reinen kyril­li­schen und grie­chi­schen Glyphen noch die Spaßvarianten Fake-Kyrillisch und Fake-Griechisch, in denen die fremd­spra­chigen Formen »latei­nisch lesbar« einge­baut sind.

Weitere Informationen bietet das 6-seitige Trixie-OT-Musterheft (PDF, 6 S, 1 MB).

Berechtigte Abschlussfrage, ange­sichts der Aufmacherabbildung: Enthält FF Trixie OT ein versales Eszett? Im Prinzip ja, aller­dings kam mir die Idee etwas zu spät. Die Fontdaten der doch etwas kompli­zier­teren Schrift (ein HD-Schnitt enthält über 4.000 Zeichen und wiegt 12 – 15 MB) waren bereits seit einigen Wochen bei FSI geschnürt. Also habe ich mir mit Erik van Blokland einen Work-around ausge­dacht. Die 18 Versaleszetts liefert FontShop Deutschland in einem kosten­losen Extrafont (.otf-Download). Der Font wird wie eine Symbolschrift einge­setzt, das heißt: Das Versaleszett liegt auf »fremden« Tasten, nur nicht auf der
ß-Taste. Mit den folgenden – neben­ein­ander liegenden – Tasten werden die Versaleszetts abgerufen:
1 und 2 = Versaleszetts zu Trixie OT/Pro Light und Heavy
3 und 4 =  Versaleszetts zu Trixie Rough OT/Pro Light und Heavy
q, w, e, r, t, z, u = 7 Versaleszetts zu Trixie HD/Pro OT Light
a, s, d, f, g, h, j = 7 Versaleszetts zu Trixie HD/Pro OT Heavy


Font-Konferenz (mit Übersetzung)

Übersetzung

Times New Roman: »Willkommen zurück, Schriften. Ich sehe einige vertraute Gesichter, und einige neue. Heute spre­chen wir über die Aufnahme von Zapf Dingbats.«

Arial Narrow: »Ohhah… Wingdings ist schon Schrott genug … Ich habe keinen Bock mehr auf diese Klugscheißer-Schriften.«

Times New Roman: »Sie sollten ihr Weltsicht über­denken, Arial Narrow.«

Arial Black: »Was glaubt ihr, wie der mich ständig behandelt …«

French Script: »Genau. Wir müssen unsere Kultur schützen, anstatt sie von diesen kindi­schen Comicschriften unter­graben zu lassen.«

Weiterlesen

Be Belfast, be herzlich, be besser

Während die Be-Berlin-Kampagne als Provinzposse im Sande verläuft, scheinen die Belfaster Stadtentwickler eine ähnliche Idee über­zeu­gender umzu­setzen. Und es geht immer noch mit Herz, trotz New York und Slowenien. Vielleicht hat die Londoner Agentur Lloyd Northover einfach ein biss­chen länger gebrütet als die beiden Berliner Agenturen, oder ihnen wurde weniger dazwischengequatscht.

Kernelement des neuen Corporate Design von Belfast ist ein Herz, das die Form des Buchstabens B aufnimmt – klingt einfach, muss man aber erst mal drauf kommen. Gleichzeitig liest sich dieses B im Englischen wie »Be«, also auf deutsch »Sei«, und so wird es auch einge­setzt: Be part of it, be confi­dent, be dynamic, be inspired, be opti­mi­stic und so weiter. Wie in Berlin, nur schlag­kräf­tiger, weil man sich keinen kompli­zierten »Dreiklang« ausge­dacht hat; auch leere Sprechblasen sucht man vergeb­lich in der nord­iri­schen Hauptstadt. Dafür sind die Belfaster Markenrichtlinien (PDF) zu 100 % ausge­ar­beitet, schön anzu­sehen und haben wahr­schein­lich nur einen Bruchteil der Berliner Entwicklungsetats gekostet.

Doch die Schrift: Da hat Berlin eindeutig die Nase vorn, mit einem Entwurf von Alessio Leonardi. Die Belfaster Kampagnenschrift heißt »Moment« und soll exklusiv sein – für mich ist es eine schlechte Chalet-London-Imitation (House Industries). (Via: Brand New)


PAGE sucht Verstärkung

PAGE StellenanzeigePAGE, das Magazin für krea­tives Mediendesign, sucht für den Standort Hamburg zum nächst­mög­li­chen Zeitpunkt eine/n Redakteur/in. Gabriele Günder schrieb mir eben: »Sie oder er sollte stil­si­cher und sowohl design- als auch tech­nik­affin sein. Vielleicht kennst Du jemanden, der in unser Profil passt und schon immer gern für PAGE schreiben wollte.«

Leider kenne ich niemanden. Aber dafür gibt es ja das Fontblog mit vielen tausend Lesern am Tag. Ein Klick auf die neben­ste­hende Anzeige vergrö­ßert diese wie von Zauberhand. Dann ist zu lesen, was zu den Aufgaben gehört:
• Recherchieren rele­vanter Design- und Medienthemen
• Verfassen und redi­gieren von Meldungen und Artikeln
• Online-Redaktion und Community-Pflege
• Crossmediale Content-Verwertung Print/Online/E-Mail

Find’ ich gut, kann ich nur empfehlen. Weitersagen!


Endlich mal ein gutes Plakat in Deutschland [Update]

Barack Obama, Berlin-Tiergarten, Siegessäule, 24. Juli 2008. PDF auf barack​obama​.com …

[Update] Auf dem Download-Server haben sich noch zwei verwor­fene Versionen des Plakats versteckt:


Neue FontShop-Drucksache FontBooklet Nr. 1

Gestern meldeten sich bereits die ersten über­raschten Empfänger unseres FontBooklets Nr. 1 … warum das Heftchen noch nicht im Fontblog erwähnt hätte sei und wo man es down­loaden könne. Also hole ich meine Meldung mal ganz schnell nach.

Das FontBooklet ist eine 20-seitige Broschüre, die sich unsere Kollegen bei FontShop San Francisco ausge­dacht haben. Wir ließen es in Berlin nach­dru­cken und mit einer deutsch­spra­chigen Einleitung versehen. Sie beschreibt den Zweck der Drucksache wie folgt: »Eine neue Schrift auszu­wählen gehört zu den schönsten Aufgaben im Grafikdesign. Nur: Wie findet man die geeig­nete Schrift für eine Drucksache? Sicher ist das Internet ein effek­tives Suchwerkzeug. Allein bei der Beurteilung eines Druckergebnisses hilft es nicht weiter: Typografen wollen die Schrift ›live‹ auf Papier erleben.«

Das FontBooklet stellt eine Auswahl hoch­wer­tiger Satzschriften so dar, dass man sie beur­teilen und verglei­chen kann. Hierfür sind die Seiten im Innenteil hori­zontal perfo­riert. Dadurch lassen sich Schriftmuster aus unter­schied­li­chen Heftteilen gegen­über­stellen, zum Vergleichen oder um eine Kombination zu erwägen. Gezeigt werden die Familien Arnhem, FF Clifford, Corpid, FP Dancer, Lisboa Sans, FF Maiola, ITC Mendoza, FF Meta Serif, Pragma ND, Proxima Nova, FF Quadraat, Sansa und Whitman.

Das FontBooklet Nr. 1 kann hier direkt down­gel­oaded werden (PDF, 20 Seiten, 5,3 MB). Wer sein gedrucktes FontBooklet aufge­trennt hat und ein zweites Exemplar wünscht, ruft einfach die 030 69596-333 an.