Fontblog Artikel im Mai 2008

Typohochzehn: Materialschlacht im Teutoburger Wald

von Benjamin Hickethier

Am vergan­genen Wochenende fanden die zehnten Tage der Typografie statt, orga­ni­siert von ver.di und Typosition. Tief im Teutoburger Wald, im wunder­schönen Tagungszentrum von ver.di in Lage-Hörste bei Bielefeld kam auch in diesem Jahr eine inter­es­sante Schnittmenge aus Mediengestaltern (und -auszu­bil­denden), Grafikdesignern (und -studie­renden) oder ander­weitig mit Buch- und Schriftgestaltung und Typografie beschäf­tigten zusammen, Gewerkschaftsmitglieder und Nichtmitglieder.


Präsentation des Paul-Renner-Plakatworkshops geleitet von Tanja Huckenbeck und Peter Reichard

Ungefähr fünfzig Teilnehmer lockte ein abwechs­lungs­rei­ches und anspruchs­volles Programm, das zum großen Teil aus vier Workshops bestand. Indra Kupferschmid gab (wie sie bekannte, zum ersten Mal mit analogen Mitteln) einen Buchgestaltungsworkshop. Die Teilnehmer, die noch einen Platz in ihrem Workshop ›Titeleien‹ ergat­tert hatten, entwarfen mit Wissen um die zustän­digen DIN-Normen Einbände, Frontispize, Schutzumschläge et cetera.

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»Besser ohne professionelle Kreative …«. Warum?

20 Jahre LogoEs scheint in unserer Gesellschaft ein unaus­ge­spro­chenes Misstrauen gegen ausge­bil­dete Grafikdesignerinnen und -desi­gner zu geben. Sicherlich müssen auch andere Berufsgruppen für das Ansehen ihrer Arbeit kämpfen. Wenn Laien ihre Wohnzimmer selbst tape­zieren oder die Haare vom Nachbarn schneiden lassen, sind hierfür zwei trei­bende Kräfte verant­wort­lich: Sparsamkeit (um nicht wieder das Wort »geiler Geiz« zu stra­pa­zieren) und eine Missachtung bzw. Zweifel gegen­über der Leistung eines gelernten Handwerks.

Dass diese Vorbehalte inzwi­schen ganz offen das Private verlassen muss nach­denk­lich stimmen. Da lässt sich eine Hamburger Markenberatung von gestal­te­ri­schen Laien per Umfrage beschei­nigen, dass das neue Siegel der Stiftung Warentest nichts tauge (Fontblog berich­tete). Und am selben Tag gibt die Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur bekannt, dass man das Logo zum 20. Jahrestag des Mauerfalls lieber von einem Mitarbeiter habe zeichnen lassen als von einer »teuer bezahlten Agentur«. Welt Online schließt gleich daraus: »Manchmal geht es besser ohne profes­sio­nelle Kreative.«

Freilich schwingt bei dem poli­ti­schen Beispiel noch ein anderes, viel tiefer sitzendes Misstrauen mit. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Ratsvorsitzende der Stiftung Markus Meckel hat nicht verwunden, dass der ehema­lige Vereinigungsgegner Oskar Lafontaine irgend­wann Mitte der 90er Jahre im Bundestag sowohl die eigene Meinung als auch die Realität verdrehte, als er davon sprach, dass »die Einheit Millionen Ostdeutschen die Freiheit brachte«. Meckel: »In Wirklichkeit war es umge­kehrt: Die Freiheit, die sich die Menschen in der DDR fried­lich erkämpften, führte zur Einheit.«

Zurück zum Kommunikationsdesign. Wie die Maler und Friseure müssen ausge­bil­dete Grafiker mit der Tatsache leben, dass ihnen Laien im Land, die einen Pinsel halten/eine Schere bedienen/einen Computer einschalten können, in die Quere kommen. Also müssen die Profis ihre Leistung trans­pa­renter darstellen, besser verkaufen, leiden­schaft­li­cher vertei­digen. Und sie müssen den Finger in die Wunde legen, wenn irgendwo Stroh zu Gold geredet wird. Wie zum Beispiel das 20-Jahre-Logo der Stiftung für Aufarbeitung.


»Mangelhaft« für neues Warentest-Siegel oder …

… Wie sinn­voll sind Designbefragungen beim Verbraucher?

von Fontblog, Berlin

Vor einem Monat haben wir im Fontblog das Redesign der Stiftung Warentest disku­tiert (Stiftung Warentest mit neuem Corporate Design), das aus Sicht der Experten »gewöh­nungs­be­dürftig«, »mutig« aber auch als »profes­sio­nell« bewertet wurde. Nun hat sich die Hamburger Brandmeyer Markenberatung das über­ar­bei­tete Testsiegel vorge­nommen, das in Zukunft die Verpackungen »guter« Produkte tragen sollen. Dazu führte man eine Umfrage unter 1000 Verbrauchern durch, also Design-Laien (das Testergebnis als Word-Datei). So gesehen über­rascht es nicht, dass »nur 15 Prozent den neuen Entwurf seriöser, vertrau­ens­wür­diger und über­zeu­gender« finden. »Mehr als 75 Prozent plädieren für das alte Zeichen.«

Hätte man vor 5 Jahren 1000 Bürger gefragt, ob sie die neuen Euroscheine seriös, vertrau­ens­würdig und über­zeu­gend fänden, das Ergebnis wäre ähnlich »mangel­haft« gewesen. Eine »Markenberatung« sollte berück­sich­tigen, dass man sich die Attribute »seriös«, »vertrau­ens­würdig« und »über­zeu­gend« verdienen muss. So gesehen kann ein neu vorge­stelltes Design, eine neue Marke, ein neues Produkt in diesen Punkten nie gegen ein seit Jahrzehnten einge­führten Design/Marke/Produkt bestehen. Verbraucher reagieren unsi­cher darauf … (Abbildung: Brandmeyer)


Besuch bei Adrian Frutiger

Gerrit Terstiege, Chefredakteur der Zeitschrift form, hat vor zwei Wochen Adrian Frutiger besucht, der morgen 80 Jahre alt wird. Er führte ein Interview mit dem bedeu­tenden Schriftkünstler, das in der kommenden form-Ausgabe Nr. 221 Ende Juni erscheinen wird. Auf der flickr-Seite von Terstiege sind einige Erinnerungsfotos von diesem Besuch zu sehen, auch das hier abgebildete.

Wer nicht warten möchte, dem empfehle ich das Video des Interviews, das Erik Spiekermann anläss­lich der TYPO 96 mit Adrian Frutiger im heimi­schen Bremgarten führte. Die Ausstrahlung des Gesprächs in der TYPOhall war einer der Höhepunkte der Konferenz. Leidenschaftlich erzählt der Schriftentwerfer von seiner Hingabe zu den Buchstaben, der Entstehung seiner großen Schriften (Ondine, Univers, Frutiger, Avenir, …) und das span­nende Zusammenspiel der Innen- und der Außenform.

Bereits heute möchte ich ein Buch über Frutigers Lebenswerk ankün­digen. Internationale Autoren haben sieben Jahre an dieser Publikation gear­beitet, die zur Buchmesse im Herbst erscheint: »Adrian Frutiger Schriften. Das Gesamtwerk« (Birkhäuser Verlag, 99 €). Auf 480 Seiten wird mit über 1000 – zum Großteil bisher unver­öf­fent­lichten – Abbildungen das Schriftschaffen Adrian Frutigers doku­men­tiert. Aus dem Klappentext: »Auf Gesprächen mit Frutiger basie­rend sowie auf umfang­rei­chen Recherchen in Frankreich, England, Deutschland und der Schweiz zeichnet die Publikation den gestal­te­ri­schen Werdegang des Schriftkünstlers exakt nach. Erstmals werden alle Schriften – vom Entwurf bis zur Vermarktung – abge­bildet sowie mit Bezug zu Technik und zu artver­wandten Schriften analy­siert. Bisher unver­öf­fent­lichte, nicht reali­sierte Schriften sowie über 100 Logos vervoll­stän­digen das Bild.«


Timm Ulrichs an der Kunsthochschule Kassel

Der Totalkünstler und Gründer der »Werbezentrale für Totalkunst, Banalismus und Extemporismus« Timm Ulrichs hält am Dienstag, den 27. Mai 2008, einen Vortrag an der Kunsthochschule Kassel. Unter dem Thema »Weiter im Text« stellt Ulrichs expe­ri­men­telle typo­gra­fi­sche und sprach­liche Arbeiten vor, die vorrangig aus den 70er Jahren stammen. Einen Vorgeschmack bietet diese Seite der Städtischen Galerie Erlangen.

Außerdem wird Ulrichs das machen, was er auch schon zweimal auf FontShops TYPO-Konferenz bewiesen hat: Über sich selbst spre­chen, also über sein Leben als Totalkünstler und sammel­wü­tiger Exzentriker, welches schon mit Todesurkunde und selbst gestal­teter Grabstätte in der Künstlernekropole bei Kassel bis zum Ende hin ästhe­ti­siert ist. Im Anschluss wird es eine Diskussionsrunde geben sowie ein kleines Get-toge­ther in dem Räumlichkeiten der Kunsthochschule Kassel.

Das hier gezeigte Plakat ist im Original ca. 80 x 200cm groß und zeigt einen stili­sierten, über­le­bens­großen Starschnitt des selbst­über­zeugten Künstlers. Gestaltet wurde es von Eva Kordes, Lilly Nikolic und Georg Reinhardt in einem klas­sen­in­ternen Pitch und unter Leitung der Professoren Ott+Stein. Mehr Informationen hierzu auf dem klas­sen­in­ternen Blog.


Visual Leader Fundgrube »Lodown«

Habe ich eigent­lich schon mal geschrieben, dass Lodown das erfri­schendste Magazin hier im Land ist? Ja habe ich, aber da gab es noch kein Fontblog und ich vermerkte es in meiner PAGE-Kolumne. Heute landete seit längerem wieder mal ein Exemplar (genauer: zwei) auf meinem Schreibtisch. Danke, Thomas: Spitzenqualität. Lodown hätte schon längst die Lead-Award-Goldmedaille verdient … wo es doch so vielen Visual Leaders als Inspiration dient.


Simulierte Champions-League-Spielzüge

Als ich mir eben auf Spiegel Online den entschei­denden Elfmeter von Anelka gegen van der Sar ansehen will, stelle ich fest, das in dem kicker.tv-Video alle Spielzüge des gest­rigen Chamions-League-Finale Manchester gegen Chelasea bloß als Video-Animation zu sehen sind … kein echter Spieler, nur Puppen auf dem Feld. Irgendwann wurde einem diese Technik mal zur Erläuterung kniff­liger Torszenen verkauft. In diesem Video hat es den Anschein, dass die Bildrechte nicht geklärt oder zu teuer waren und die Animation als Ersatz für Echtbilder dient. Das geht über­haupt nicht, Leute …


Insignia bringt neues, »runderes« Opel-Logo

Mit dem Modell Insignia, das im Juli 2008 auf der London Motorshow vorge­stellt wird, führt Opel ein über­ar­bei­tetes Markenzeichen ein, das den Firmennamen in die brei­tere Umrandung des Blitzes inte­griert. Gleichzeitig hat der Blitz an Tiefe gewonnen, die Oberflächen zeigen deut­lich einen sphä­ri­schen Charakter. »Dieses Zusammenspiel von kontu­rierten Formen und hoher Präzision entspricht der Opel-Designsprache und der Philosophie unserer Fahrzeuge«, unter­streicht Mark Adams, Vizepräsident Design General Motors Europe, anläss­lisch der Präsentation. „Der Insignia ist ein ausge­spro­chen wich­tiges Fahrzeug für Opel. Dafür ein neues Markenlogo zu entwi­ckeln, das ebenso ausdrucks­stark, hoch­wertig und präzise wirkt, war entscheidend.«

Der Opel-Blitz ist eines der bekann­testen Markenzeichen in Europa und ziert seit 1963 die Fahrzeuge des Unternehmens. Das links abge­bil­dete Logo ist die offi­zi­elle Download-Version laut GM Media Online, die zwar im Januar 2007 eine Facelift erfuhr (siehe Designtagebuch), das jedoch nur halb­herzig verbreitet wurde.

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