Typohochzehn: Materialschlacht im Teutoburger Wald
von Benjamin Hickethier
Am vergangenen Wochenende fanden die zehnten Tage der Typografie statt, organisiert von ver.di und Typosition. Tief im Teutoburger Wald, im wunderschönen Tagungszentrum von ver.di in Lage-Hörste bei Bielefeld kam auch in diesem Jahr eine interessante Schnittmenge aus Mediengestaltern (und -auszubildenden), Grafikdesignern (und -studierenden) oder anderweitig mit Buch- und Schriftgestaltung und Typografie beschäftigten zusammen, Gewerkschaftsmitglieder und Nichtmitglieder.
Präsentation des Paul-Renner-Plakatworkshops geleitet von Tanja Huckenbeck und Peter Reichard
Ungefähr fünfzig Teilnehmer lockte ein abwechslungsreiches und anspruchsvolles Programm, das zum großen Teil aus vier Workshops bestand. Indra Kupferschmid gab (wie sie bekannte, zum ersten Mal mit analogen Mitteln) einen Buchgestaltungsworkshop. Die Teilnehmer, die noch einen Platz in ihrem Workshop ›Titeleien‹ ergattert hatten, entwarfen mit Wissen um die zuständigen DIN-Normen Einbände, Frontispize, Schutzumschläge et cetera.
Weiterlesen»Besser ohne professionelle Kreative …«. Warum?
Es scheint in unserer Gesellschaft ein unausgesprochenes Misstrauen gegen ausgebildete Grafikdesignerinnen und -designer zu geben. Sicherlich müssen auch andere Berufsgruppen für das Ansehen ihrer Arbeit kämpfen. Wenn Laien ihre Wohnzimmer selbst tapezieren oder die Haare vom Nachbarn schneiden lassen, sind hierfür zwei treibende Kräfte verantwortlich: Sparsamkeit (um nicht wieder das Wort »geiler Geiz« zu strapazieren) und eine Missachtung bzw. Zweifel gegenüber der Leistung eines gelernten Handwerks.
Dass diese Vorbehalte inzwischen ganz offen das Private verlassen muss nachdenklich stimmen. Da lässt sich eine Hamburger Markenberatung von gestalterischen Laien per Umfrage bescheinigen, dass das neue Siegel der Stiftung Warentest nichts tauge (Fontblog berichtete). Und am selben Tag gibt die Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur bekannt, dass man das Logo zum 20. Jahrestag des Mauerfalls lieber von einem Mitarbeiter habe zeichnen lassen als von einer »teuer bezahlten Agentur«. Welt Online schließt gleich daraus: »Manchmal geht es besser ohne professionelle Kreative.«
Freilich schwingt bei dem politischen Beispiel noch ein anderes, viel tiefer sitzendes Misstrauen mit. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Ratsvorsitzende der Stiftung Markus Meckel hat nicht verwunden, dass der ehemalige Vereinigungsgegner Oskar Lafontaine irgendwann Mitte der 90er Jahre im Bundestag sowohl die eigene Meinung als auch die Realität verdrehte, als er davon sprach, dass »die Einheit Millionen Ostdeutschen die Freiheit brachte«. Meckel: »In Wirklichkeit war es umgekehrt: Die Freiheit, die sich die Menschen in der DDR friedlich erkämpften, führte zur Einheit.«
Zurück zum Kommunikationsdesign. Wie die Maler und Friseure müssen ausgebildete Grafiker mit der Tatsache leben, dass ihnen Laien im Land, die einen Pinsel halten/eine Schere bedienen/einen Computer einschalten können, in die Quere kommen. Also müssen die Profis ihre Leistung transparenter darstellen, besser verkaufen, leidenschaftlicher verteidigen. Und sie müssen den Finger in die Wunde legen, wenn irgendwo Stroh zu Gold geredet wird. Wie zum Beispiel das 20-Jahre-Logo der Stiftung für Aufarbeitung.
»Mangelhaft« für neues Warentest-Siegel oder …
… Wie sinnvoll sind Designbefragungen beim Verbraucher?
von Fontblog, Berlin
Vor einem Monat haben wir im Fontblog das Redesign der Stiftung Warentest diskutiert (Stiftung Warentest mit neuem Corporate Design), das aus Sicht der Experten »gewöhnungsbedürftig«, »mutig« aber auch als »professionell« bewertet wurde. Nun hat sich die Hamburger Brandmeyer Markenberatung das überarbeitete Testsiegel vorgenommen, das in Zukunft die Verpackungen »guter« Produkte tragen sollen. Dazu führte man eine Umfrage unter 1000 Verbrauchern durch, also Design-Laien (das Testergebnis als Word-Datei). So gesehen überrascht es nicht, dass »nur 15 Prozent den neuen Entwurf seriöser, vertrauenswürdiger und überzeugender« finden. »Mehr als 75 Prozent plädieren für das alte Zeichen.«
Hätte man vor 5 Jahren 1000 Bürger gefragt, ob sie die neuen Euroscheine seriös, vertrauenswürdig und überzeugend fänden, das Ergebnis wäre ähnlich »mangelhaft« gewesen. Eine »Markenberatung« sollte berücksichtigen, dass man sich die Attribute »seriös«, »vertrauenswürdig« und »überzeugend« verdienen muss. So gesehen kann ein neu vorgestelltes Design, eine neue Marke, ein neues Produkt in diesen Punkten nie gegen ein seit Jahrzehnten eingeführten Design/Marke/Produkt bestehen. Verbraucher reagieren unsicher darauf … (Abbildung: Brandmeyer)
Besuch bei Adrian Frutiger
Gerrit Terstiege, Chefredakteur der Zeitschrift form, hat vor zwei Wochen Adrian Frutiger besucht, der morgen 80 Jahre alt wird. Er führte ein Interview mit dem bedeutenden Schriftkünstler, das in der kommenden form-Ausgabe Nr. 221 Ende Juni erscheinen wird. Auf der flickr-Seite von Terstiege sind einige Erinnerungsfotos von diesem Besuch zu sehen, auch das hier abgebildete.
Wer nicht warten möchte, dem empfehle ich das Video des Interviews, das Erik Spiekermann anlässlich der TYPO 96 mit Adrian Frutiger im heimischen Bremgarten führte. Die Ausstrahlung des Gesprächs in der TYPOhall war einer der Höhepunkte der Konferenz. Leidenschaftlich erzählt der Schriftentwerfer von seiner Hingabe zu den Buchstaben, der Entstehung seiner großen Schriften (Ondine, Univers, Frutiger, Avenir, …) und das spannende Zusammenspiel der Innen- und der Außenform.
Bereits heute möchte ich ein Buch über Frutigers Lebenswerk ankündigen. Internationale Autoren haben sieben Jahre an dieser Publikation gearbeitet, die zur Buchmesse im Herbst erscheint: »Adrian Frutiger Schriften. Das Gesamtwerk« (Birkhäuser Verlag, 99 €). Auf 480 Seiten wird mit über 1000 – zum Großteil bisher unveröffentlichten – Abbildungen das Schriftschaffen Adrian Frutigers dokumentiert. Aus dem Klappentext: »Auf Gesprächen mit Frutiger basierend sowie auf umfangreichen Recherchen in Frankreich, England, Deutschland und der Schweiz zeichnet die Publikation den gestalterischen Werdegang des Schriftkünstlers exakt nach. Erstmals werden alle Schriften – vom Entwurf bis zur Vermarktung – abgebildet sowie mit Bezug zu Technik und zu artverwandten Schriften analysiert. Bisher unveröffentlichte, nicht realisierte Schriften sowie über 100 Logos vervollständigen das Bild.«
Timm Ulrichs an der Kunsthochschule Kassel
Der Totalkünstler und Gründer der »Werbezentrale für Totalkunst, Banalismus und Extemporismus« Timm Ulrichs hält am Dienstag, den 27. Mai 2008, einen Vortrag an der Kunsthochschule Kassel. Unter dem Thema »Weiter im Text« stellt Ulrichs experimentelle typografische und sprachliche Arbeiten vor, die vorrangig aus den 70er Jahren stammen. Einen Vorgeschmack bietet diese Seite der Städtischen Galerie Erlangen.
Außerdem wird Ulrichs das machen, was er auch schon zweimal auf FontShops TYPO-Konferenz bewiesen hat: Über sich selbst sprechen, also über sein Leben als Totalkünstler und sammelwütiger Exzentriker, welches schon mit Todesurkunde und selbst gestalteter Grabstätte in der Künstlernekropole bei Kassel bis zum Ende hin ästhetisiert ist. Im Anschluss wird es eine Diskussionsrunde geben sowie ein kleines Get-together in dem Räumlichkeiten der Kunsthochschule Kassel.
Das hier gezeigte Plakat ist im Original ca. 80 x 200cm groß und zeigt einen stilisierten, überlebensgroßen Starschnitt des selbstüberzeugten Künstlers. Gestaltet wurde es von Eva Kordes, Lilly Nikolic und Georg Reinhardt in einem klasseninternen Pitch und unter Leitung der Professoren Ott+Stein. Mehr Informationen hierzu auf dem klasseninternen Blog.
Visual Leader Fundgrube »Lodown«
Habe ich eigentlich schon mal geschrieben, dass Lodown das erfrischendste Magazin hier im Land ist? Ja habe ich, aber da gab es noch kein Fontblog und ich vermerkte es in meiner PAGE-Kolumne. Heute landete seit längerem wieder mal ein Exemplar (genauer: zwei) auf meinem Schreibtisch. Danke, Thomas: Spitzenqualität. Lodown hätte schon längst die Lead-Award-Goldmedaille verdient … wo es doch so vielen Visual Leaders als Inspiration dient.
Simulierte Champions-League-Spielzüge
Als ich mir eben auf Spiegel Online den entscheidenden Elfmeter von Anelka gegen van der Sar ansehen will, stelle ich fest, das in dem kicker.tv-Video alle Spielzüge des gestrigen Chamions-League-Finale Manchester gegen Chelasea bloß als Video-Animation zu sehen sind … kein echter Spieler, nur Puppen auf dem Feld. Irgendwann wurde einem diese Technik mal zur Erläuterung kniffliger Torszenen verkauft. In diesem Video hat es den Anschein, dass die Bildrechte nicht geklärt oder zu teuer waren und die Animation als Ersatz für Echtbilder dient. Das geht überhaupt nicht, Leute …
Insignia bringt neues, »runderes« Opel-Logo
Mit dem Modell Insignia, das im Juli 2008 auf der London Motorshow vorgestellt wird, führt Opel ein überarbeitetes Markenzeichen ein, das den Firmennamen in die breitere Umrandung des Blitzes integriert. Gleichzeitig hat der Blitz an Tiefe gewonnen, die Oberflächen zeigen deutlich einen sphärischen Charakter. »Dieses Zusammenspiel von konturierten Formen und hoher Präzision entspricht der Opel-Designsprache und der Philosophie unserer Fahrzeuge«, unterstreicht Mark Adams, Vizepräsident Design General Motors Europe, anlässlisch der Präsentation. „Der Insignia ist ein ausgesprochen wichtiges Fahrzeug für Opel. Dafür ein neues Markenlogo zu entwickeln, das ebenso ausdrucksstark, hochwertig und präzise wirkt, war entscheidend.«
Der Opel-Blitz ist eines der bekanntesten Markenzeichen in Europa und ziert seit 1963 die Fahrzeuge des Unternehmens. Das links abgebildete Logo ist die offizielle Download-Version laut GM Media Online, die zwar im Januar 2007 eine Facelift erfuhr (siehe Designtagebuch), das jedoch nur halbherzig verbreitet wurde.