Fontblog Artikel im November 2007

Immer noch kein TYPOblog-Abonnent?

Beschwert euch bitte nicht bei mir, wenn ihr keine Ahnung davon habt, dass hier in Berlin 1000 kosten­lose TYPO-2007-DVDs zum Versand bereit­liegen*. Oder dass wir heute die sechste wöchent­liche TYPO-Gastkarte verlosen. Ich hatte früh genug drauf hinge­wiesen: TYPO-Konferenz bekommt eigenes Weblog. Hier im Fontblog läuft nichts mehr zu dem Thema. Null! Sense! Aus!

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*Besucher der TYPO 2007 müssen nix tun – sie bekommen die DVD auto­ma­tisch zugesendet


Dein Farblaserdrucker spioniert Dich aus

SpiekermannPartners betä­tigen expe­ri­men­tell ein Gerücht, nach dem Farblaserdrucker diverser Hersteller – angeb­lich auf Geheiß der US-Regierung – auf jeder gedruckten Seite einen unsicht­baren Geheimcode hinter­lassen, der ein minu­ten­ge­naues Datum und die Seriennummer des Geräts enthält. Hintergründe dazu bei der Electronic Frontier Foundation (EFF).

Paul Weihe druckte eine A4-Seite mit wenig Text auf einem Xerox DC-12, dann las er mit einem Quato-Scanner einen Ausschnitt von 7,5 × 7,5 cm bei 3200dpi (260MB) ein, zog die Sättigung im Gelbtonbereich voll auf, verdun­kelte alle Farben (Master), erhöhte den Kontrast und erhielt das oben abge­bil­dete Ergebnis: Seriennummer, Datum und Uhrzeit – codiert im Rahmen eines Punktrasters, das EFF geknackt hat.


Spreeblick demonstriert für Grüne

Spreeblick-Autor Malte Welding unter­stützt den Kampf der Grünen gegen den Überwachungsstaat und tritt öffent­lich Bündnis 90 | Die Grünen bei. Diese Geste gefällt mir … sie gefällt mir sehr gut. Schneller und direkter kann man der Partei nicht demons­trieren, dass sie endlich wieder werden soll, was sie mal war.


Geschafft: Das neue Logo der Grünen

Bündnis 90/Die Grünen haben – nach zwei Anläufen – ein neues Logo. Mit breiter Mehrheit hatte der Parteitag in Nürnberg zunächst der Einführung eines neuen Logos zuge­stimmt, bei der anschlie­ßenden Abstimmung über verschie­dene Entwürfe wurde das neue Logo für die Partei beschlossen.

Die neuen Entwürfe wurden zunächst von Steffi Lemke, der poli­ti­schen Geschäftsführerin, und Werner Schulz, Mitglied der Logo-Jury, vorge­stellt. Nach der anschlie­ßenden Debatte beschlossen die Delegierten, dass es ein neues Logo für die Partei geben solle. Aus drei Vorschlägen des Bundesvorstands und einem Entwurf des Kreisverbandes Pankow, der per Beschluss eben­falls zur Abstimmung gestellt wurde, wählten die Delegierten ihre zwei Favoriten. Da die folgende Abstimmung zwischen beiden Entwürfen kein klares Meinungsbild ergab, folgte eine schrift­liche Abstimmung. Mit 347 Stimmen zu 251 Stimmen bei 15 Enthaltungen und 8 ungül­tigen Stimmen votierten die Delegierten für das oben abge­bil­dete Signet, das der alten Version am ähnlichsten ist.

Mehr bei Spiegel Online und auf der Grünen-Seite. Eine erste Kritik auch im Designtagebuch. Dort gibt es auch zwei Videos zum Thema Grünen-Logo. Wortfeld hat heraus­ge­funden, dass sich nun 4 Parteien der Futura bedienen. Als Mitherausgeber des FontBook, das 32.000 Schriften enthält, kann ich dazu nur sagen: Entweder hat die Agentur nicht richtig recher­chiert, oder den Grünen ist es egal, oder es bestä­tigt sich einfach nur, dass es zwischen den Parteien keine Unterschiede mehr gibt – alle 3 Optionen sind skandalös.


So sieht eine persönliche »Cicero« aus [Update]

Fontblog-Leser Lars hat mir eben dieses Foto gesendet und schreibt:»Ich habe auch eine perso­na­li­sierte Ausgabe bekommen. Zur Orientierung: Ich bin da unten rechts in klein, das große Bild zeigt Al Jarreau. :-) Unten links steht noch ›VIP Edition‹, unter meinem Bild stehen mein Name und meine Firma.«

Damit entlarvt Lars mein gest­riges Beispielfoto als falsch, das ich der Cicero-Webseite entnommen aber falsch inter­pre­tiert hatte.

Dort entdeckte ich noch diesen Hinweis: »Leser haben die Möglichkeit, eines von auf 500 Exemplare limi­tierten Unikaten zu bestellen, das ihr persön­li­ches Cover-Foto zeigt.« Ich fürchte, da müsst ihr richtig schnell sein. Also schon mal eine Foto auswählen, und in der Nacht vom 25. auf den 26. November hier lauern.

[Update] Noch eine. Danke, Matthäus.


Das wird der Weihnachtshit 2007

The Streets alias Mike Skinner: Your Song (erschienen auf dem Geburtstags-Sampler Radio 1 Established 1967).


Letzte Warnung zum Thema Weihnachtspost

In wenigen Tagen beginne ich mit dem Verreißen anan­ge­mes­sener Geschäftsweihnachtspost. Ich hatte früh genug davor gewarnt, mich mit den folgenden Peinlichkeiten zu konfrontieren:

10: Die Grüße treffen erst kurz vor (> 22. 12.) oder nach Weihnachten ein
09: Karte stammt aus Unicef-, SOS-Kinderdorf- oder Misereor-Beständen
08: Grüße gesetzt aus Zapfino, Snell Roundhand oder Kuenstler Script
07: enthält: Raffael-Engel, lustige Weihnachtsmänner, schnee­be­deckte Tanne(n)
06: 08-15-Karten aus dem Gewerbekunden-Katalog
05: selbst gedich­tete Verse
04: heraus­fal­lende Teile (Flitter, Flocken, Sterne, …)
03: Ihr schickt keine Karte, spendet statt­dessen und protzt damit herum
02: Grüße per Fax
01: Ein Link zu einer Flash-Animation

Abbildung: Photodisc @ FontShop


Cicero treibt »Massenindividualisierung« auf die Spitze

cicero

Jedes der 160.000 Exemplare der Cicero Dezember-Ausgabe ist ein Unikat, denn jedes Heft hat ein eigenes Titelbild. Die Nachrichtenagentur Reuters stellte ihr gesamtes Bildarchiv 2007 zur Verfügung. Knapp 50 Millionen Fotos wurden in den Mosaik-Hintergrund der Titelseiten plat­ziert Das darüber liegende Aufmacherbild ist numme­riert. Noch eine Premiere: Erstmals zieren Fotos das sonst konse­quent durch Maler und Zeichner gestal­tete Titelblatt von Cicero.

Die Rückseite der Cicero Jahresendausgabe nutzte der Automobilhersteller BMW exklusiv für die Präsentation des neuen BMW 1er Coupé und setzt die Unikats-Idee mit 160.000 unter­schied­lich gestal­teten Stummel-Headlines um, die aus Städtenamen gebildet sind (Abbildung unten). Als foto­gra­fi­scher Untergrund dienen ein Dutzend Hoch- und Querformat-Bilder, die per Zufall gewech­selt werden.

Auch der schmale Heftrücken wurde vom der Mass-custo­mi­sa­tion nicht ausge­nommen. Er zeigt insge­samt 160.000 schmale Streifen aus dem monu­men­talen »Rhein-Bild« des Düsseldorfer Fotografen Stephan Kaluza. Kaluza ist den gesamten Rhein von der Quelle bis zur Mündung abge­wan­dert. Die entstan­denen Fotos hat er zu einem Panorama von 4 Kilometern Länge zusammenmontiert.

Es geht noch weiter: Am heutigen Donnerstag finden über 20.000 Entscheider aus Politik, Wirtschaft, Medien und Marketing ein Cicero-Exemplar in ihrem Briefkasten. Knapp 11.000 davon sind mit dem eigenen Bild auf der Titelseite ausge­stattet (siehe Beispiel 1. Reihe links in meiner Montage). Damit wird die Idee der Individualisierung des Magazins auf die Spitze getrieben. Sollte einer dieser Entscheider das Fontblog lesen: Wir bitten um ein Foto Ihres Cicero-Titels.

Natürlich braucht eine solche Aktion eine glori­fi­zie­rende Marketing-Predigt: kein gerin­gerer als Deutschlands Trend-Papst Matthias Horx darf sie halten. Er erkennt in dem Vorgang einen avant­gar­dis­ti­schen Gesellschaftstrend: »Mass custo­mi­sa­tion, ›massen­hafte Individualisierung‹, nennt sich diese Produktionsweise, die Ihnen Cicero hier in einer Fallstudie für die Zukunft vorlegt«, die er als »Me-Volution« bezeichnet. Weiter: »Es geht nicht um noch mehr Produktvielfalt, sondern um ein mögli­ches Ende jener indus­tri­ellen Einbahnstraße, in der die ›Produktionen‹ immer nur in einer Richtung, nämlich vom Pro-duzenten zum ›Ver-brau­cher‹ verliefen.« Und endlich: »In uns Menschen wohnt der unaus­rott­bare Widerspruch zwischen Ich und Wir, Zugehörigkeit und Differenz. Menschen neigen zu Gleichem, Vergleichbarem – und sei es nur, um sich davon unter­scheiden zu können! Im Kern sind wir schwatz­hafte Wesen, deren Hirne sich gerne mit Ähnlichem beschäf­tigen. Dazu gehören, in aufstei­gender Reihenfolge, Sex, Erfolg und Essen.«

Während Horx die frommen Wort schrieb, wird er hoffent­lich etwas anders gedacht haben. Vielleicht, dass »massen­hafte Individualisierung« ein Widerspruch ist. Und dass sein Auftraggeber Cicero nichts anderes als einen Marketing-Knallbonbon gezündet hat. Die Individuelles-Titelblatt-Aktion ist eine Sackgasse, und vor allem nicht die Zukunft.

Personalisierte Drucksachen sind seit einem halben Jahrhundert bekannt, mit der Verbreitung des Computers wurden sie perfek­tio­niert. Heute spricht man von Database Publishing. Meistens wird er zweck­ge­richtet einge­setzt, für Gewinnspiele und Medien-Abonnements (Stichwort Time Life). Das einzig neue an der Cicero-Aktion ist, dass sie keinen Zweck verfolgt, außer dem zufalls­ge­ne­rierten Titelseitenausstoß. Solche Luxus-Nummern sind norma­ler­weise unbe­zahlbar, oder man lässt sie von Inhalte- und Technologie-Partnern spon­sern Die gab es dann auch reich­lich: »die Nachrichtenagentur Reuters, der Solutions-Partner Hewlett-Packard, der Softwarehersteller Adobe, der Foto-Dienstleister CeWe Color, der Papierlieferant Reflex-Werk, die Druckerei Neef+Stumme, der Druckveredeler Thomas Glawion und der Litho-Partner Appel Grafik.«

So, jetzt bestelle ich mir hier die Dezember-Ausgabe von Cicero, weil ich nicht glaube, dass ich zu den »knapp 11.000 Entscheidern aus Politik, Wirtschaft, Medien und Marketing« gehöre. Außerdem verspreche ich dem Ringier-Verlag, Cicero sofort zu abon­nieren, wenn er mir die Seiten zwischen dem Umschlag indi­vi­dua­li­siert liefern kann – aber bitte nicht mit zufalls­ge­steu­erten Inhalten, sondern mit genau jenen Themen, die für mich inter­es­sant sind.