Fontblog Artikel im Oktober 2007

Typo-Pantomime

DanceWriter konver­tiert Texte zu Tanzbewegungen: »Create your own choreo­graphy by typing a message. You can also share it with your friends, and send them your animated emails.« Konzept & Design: Peter Bil’ak, Tänzer: Lukáš Timulak.


Der tägliche Buchtipp (8): Schmetterlinge im Bauch

pachanga

Es kommt nicht oft vor, dass man mir ein Buch mit Bedienungsanleitung über­reicht: »Blättere erst in den Hauptteil und schau Dir die Muster an. Dann achte auf den Einbandstoff, das Lesebändchen, den Schmutztitel … und DANN genieße den Höhepunkt des Buches, die Ouvertüre, die schmet­ter­lings­flü­gel­hafte Leichtigkeit der 45-Gramm-Auftaktpapiere.« Das schrieb mir Karin Schmidt-Friderichs Ende letzter Woche voran in einer zu E-Mail ihrer Neuerscheinung Pachanga, das heute bei mir eintraf.

Pachanga ist nicht nur ein visu­eller und hapti­scher Leckerbissen: Es hat einen Nutzwert. Die beilie­gende CD enthält 100 Naturmuster zur freien Nutzung. Doch wie kam es zu dem unge­wöhn­li­chen Buch, dieser Mischung aus Botanik, Design und Theater? Die Geschichte geht so: »Während ihre Freunde ausge­lassen Pachanga (= Party) feiern, zog es die ecua­do­ria­ni­sche Designerin Belén Mena in Neumondnächten hinaus aus Quito in den Regenwald. In der Einsamkeit der Nacht beob­achtet sie entlang der Ruta Verde Nachtfalter, diese auf den ersten Blick unschein­baren, von Vorurteilen und Fliegenklatschen bedrohten Tiere, die um Straßenlaternen flat­tern. Vorsichtig pflückt sie im Morgengrauen die schla­fenden Falter von Blättern, setzt sie sanft auf kontras­tie­rende Hintergründe, und foto­gra­fiert. Wie besessen sammelt sie diese Porträts und destil­liert daraus Muster, created by nature. Muster, die schon beim ersten Anblick Herzklopfen und einen Wirbelsturm der Begeisterung auslösen, eine Begeisterung, die anhält und wächst, je mehr man sich damit beschäftigt.

Mit einer kleine Auswahl dieser Fotos kam letztes Jahr ein Ecuadorianer auf die Frankfurter Buchmesse an den Stadnd des Schmidt-Verlags. Schmidt sei offen für solchen ›Spinner-Projekte‹, hatte man ihm gesagt. Der Funke sprang schnell über. Unzählige Mails, wenige Telefonate, eine Wellenlänge. Leidenschaft! Das Buch wurde größer und opulenter als je geplant – nicht zuletzt durch die Designerin Petra Reichenbach aus Hallean der Saale.«

Europäische Schmetterlingsforscher entdeckten unter Beléns Fotos nie gese­hene Falter. Visuelle Gestalter dagegen sehen sofort die Potenziale der Naturgrundmuster, die Mena aus Flügeln und Körpern der Tiere abstra­hierte und in Reihungen, Spiegelungen, Drehungen in Szene setzte. Da will man als Kreativer sofort »weiter­spinnen«. Zum Glück trennte sich Belén Mena – schweren Herzens – von ihren Mustern, brannte sie auf CD und ließ sie als Beigabe ins Buch fliegen.

Pachanga kostet 68 €, ist bei FontShop auf Lager und kann hier – versand­kos­ten­frei – bestellt werden … 


Der tägliche Buchtipp (7): CI Kompendium

Zehn Jahre nach dem ersten Kompendium »Corporate Identity und Corporate Design« folgt die komplett über­ar­bei­tete Neuauflage. Zum einen einen gab es Revisionsbedarf an einem allzu fest gefügten Identitätsbegriff, wie ihn die CI-Literatur bisher voraus­setzte, zum anderen sind in der gestal­te­ri­schen Praxis viele neue Methoden und Technologien hinzu­ge­kommen, mit denen sich CI umsetzen lässt.

Der erste Teil präsen­tiert Methoden der Erscheinungsfindung und -bildung, mit Exklusivbeiträgen von Ruedi Baur, Thomas Manss, Claus Koch, Barbara und Gerd Baumann. Der zweite Teil zeigt aktu­elle Komponenten zur Umsetzung von Identität: Ton und Animation, Neue Medien, Interaktion, Szenografie, Film, Architektur, Mode und Produkt. Es werden viele berühmte Marken unter die Lupe genommen, darunter Leica, Die Bahn (Spiekermann), Sony, Langnese, Das Erste, FedEx, O2, E-on, IBM, u. a. Der Herausgeber Matthias Beyrow nennt das Werk »ein bebil­dertes Lesebuch über CD-rele­vante Themen«. Es unter­scheidet sich von der gestern vorge­stellten Corporate-Design-Reihe der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd durch den stär­keren Praxisbezug und entschlos­se­nere Bewertungen durch die betei­ligten Fachautoren. Wer wissen möchte, was Corporate Design kosten darf, greift zu meiner 2. Buchempfehlung aus der letzten Woche.

Das Kompendium (49,90 €) gibt es nicht bei FontShop, sondern direkt beim Verlag avedi­tion oder bei Amazon.


Freche Blindtexte …

… gibt es im Blindtext-Archiv.


House Industries legen Latte höher

Neutraface No. 2 ist eine Erweiterung zur erfolg­rei­chen Neutraface-Familie, entworfen von Christian Schwartz für House Industries: keine Verbesserung, kein Ersatz für das Original – die Idee wurde erwei­tert und damit die Einsatzmöglichkeiten der Schrift.

Eine Besonderheit der Original-Neutraface ist ihre »tiefe Taille« (siehe auch die Flickr-Galerie Low Waisted Letters), was sich nicht nur durch die geringe Mittellänge (x-height), sondern vor allem in den Schwerpunkten der Versalien ausdrückt. Nun haben House Industries mit Neutraface No. 2 eine Variante der zeit­ge­mäßen Linear-Antiqua aufge­legt, deren Schwerpunkt nach oben gerückt ist, so dass die Schrift wesent­lich neutraler wurde. FontShop-USA-Kollege Stephen Coles vermutet auf Typophile: »Die Neuheit ist ganz sicher Houses Antwort auf die Experimente vieler User, die charak­te­ris­ti­sche Ur-Neutraface für bestimmte Anwendungen zu ›stan­dar­di­sieren‹.«

Das Besondere des Ausbaupakets, auch das hebt Stephen Coles hervor, ist die Mischbarkeit beider Schriftvarianten: sie sind lauf­wei­ten­iden­tisch. Ebenfalls neu ist eine Inline-Version für den Titelsatz, wie man sie häufig auf Plakaten der 1920er und 1930er Jahre findet. Sicher gibt es vergleich­bare Headline-Fonts, aber keine mit diesem Spektrum kompa­ti­bler Text-Schriften im Hinterstübchen.

Die Kosten: Neutraface No. 2 kostet bei FontShop 249,– €, Neutraface No. 2 Condensed 160,– €. Das Neutraface No. 2 Combo gibt es für nur 299,– € … oder noch aktrak­tiver: die komplette Neutraface für 499,– € (= Neutraface, Condensed, Neutraface No. 2, Condensed). Kunden, die bei FontShop schon mal Neutraface gekauft haben, bekommen das Upgrade für nur 199,– € und sparen damit satte 300 €. Über diesen Umstand haben wir eben rund 80 Kunden per E-Mail infor­miert. Wer an dieser Art indi­vi­du­eller Empfehlungen inter­es­siert ist, von denen es nur wenige im Jahr gibt, muss FontShop das Zustellen von E-Mail-Infos (im Kundenprofil des Webshops) erlauben.


Portal für Kunst- und Design-Abschlussarbeiten

Iamiam ist eine freie, nicht kommer­zi­elle Transferstelle für Absolventen aller euro­päi­schen Kunst- und Design-Hochschulen. Die Plattform bietet ausschließ­lich Absolventen die Möglichkeit, ihre Abschlussarbeiten, zu präsen­tieren, zu beschreiben. Studenten bewerten und kommen­tieren Ihre Hochschule, benennen ihre Prüfer. Mitwirkende werden zentral gesehen und gefunden. Sie können sich einer Öffentlichkeit weit über das Umfeld der eigenen Hochschule hinaus präsentieren.

Über die weitere Entwicklung schreiben die Iamiam-Macher: »In Vorbereitung ist eine zusätz­liche wich­tige Informationsrubrik bei iamiam. Der Bereich Preise und Stipendien soll alle nötigen Informationen und Bedingungen, die Preisträger und deren Arbeiten, die Stiftungen und Sammler zeigen. Den iamiam-Award wird es auch geben! Sobald Jury und Preisgeld feststehen.«


Download: Woraus bestehen Logos …

Wissen kostenlos abgreifen: Zwei inter­es­sante PDF-Broschüren zum Thema Logos und Farbe. Sie gehören zu der Publikationsreihe »Corporate Design«, die im Rahmen eines Hochschulprojektes im 7. Semester (WS 2006/2007) an der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd entwi­ckelt wurde. Ich zitiere: »Während einge­hender Recherche haben wir fest­ge­stellt, dass es an guter Literatur über Corporate Design mangelt. Es gibt ›Bilderbücher‹ und ›Romane‹ über Corporate Design bzw. Corporate Identity, aber kein Buch welches analy­tisch vorgeht und die Basiselemente grund­le­gend aufschlüs­selt, Anleitungen oder Herangehensweisen zeigt, wie man ein Erscheinungsbild entwi­ckelt, auf die verschie­denen Medien anwendet und letzt­end­lich im Unternehmen imple­men­tiert. So entstand die Publikationsreihe Corporate Design, die sich in erster Linie an Gestalter und Gestaltungsstudenten wendet.« (Via: swiss­miss)


Der tägliche Buchtipp (6): Auf der Walz

Handwerksburschen gingen früher auf die Walz, das heißt sie wanderten für einige Monate durch die Welt, um für Leben und Beruf zu reifen. Genau das taten die beiden Kommunikationsdesigner Benjamin Bartels und Maximilian Kohler im Spätsommer 2005. Sie nannten ihr (Diplom-)Projekt Gringografico. Ausgestattet mit einem mobilen Büro bestehend aus Laptop, Kamera, Skizzenbüchern und einer Gürteltasche mit Grafikerwerkzeugen, dazu Schlafsack, Kocher und Klopapier, klopften sie an die Türen großer und kleiner Agenturen, entlang der Panamericana von Vancouver bis Peru. Der Deal: krea­tive Ideen gegen Kost und Logis.

Ihre Erlebnisse halten sie in einem reich bebil­derten Tagebuch fest. Dieses brachte 2006 nicht nur ein Magna-cum-laude-Diplom, sondern auch einen Vertrag beim Schmidt-Verlag. Dort ist es soeben erschienen, und am Freitag auf meinem Schreibtisch gelandet. Der Reisebericht liest sich wie ein Krimi, wobei die typi­schen Zutaten auch nicht fehlen: Überfälle, Unfälle, Pannen, Krankheit. Zwischendurch ziehen die beiden Designer schlaue Resümees, die sie in Piktogrammen, Collagen, Diagrammen und Illustrationen verpa­cken. Ihr »Reife« beweisen sie durch eine ange­nehme Uneitelkeit.

Vielleicht liegt es daran, das es gerade die großen Agenturfestungen sind, die sie mit ihrer Methode nicht erwei­chen können … jeden­falls nicht die Art-Direktion. So etwas macht bescheiden. Dann darf man sich nicht zu fein sein, mal das MacBook zu schließen und mit Hammer und Stichsäge an der Umsetzung einer Idee mitzu­ar­beiten. Und was ist lehr­rei­cher, als live zu erleben, dass die eigenen Entwürfe nicht überall als »genial« einge­stuft werden und man trotzdem wieder die Motivation findet, um weiterzumachen.

Schmidt hat dem Buch die Ausstattung gegeben, die es verdient: tolles Papier, erst­klas­sige Repros und als wich­tiges Zubehör die knall­gelbe Gürteltasche mit zwei Gringografico-Buttons und einer Postkarte. Dies alles für nur 39,80 €, ein verle­ge­ri­sches Kunststück.

Gringografico mit Leinentasche und Buttons – versand­kos­ten­frei – bestellen bei FontShop …