Fontblog Artikel im Oktober 2006

Versandhandelskongress (4): Scheindemonstranten

Eine gute Idee, um Messebesucher auf seinen Stand aufmerksam zu machen, gerade wenn man mit Adressen handelt: Man enga­giere eine Handvoll Studenten und gebe ihnen Demo-Schilder der Art »Boykottiert Stand 150, Halle 1« in die Hand. Im aktu­ellen Fall handelt es sich um die Idee des Unternehmens bedi­rect GmbH, das zu den Adressen die Bonität der Kunden recher­chiert und eine Sperrdatei pflegt (Robinson-Liste).

Heute morgen vor Messebeginn begegne ich den Scheindemonstranten, fix und fertig mit Transparenten gerüstet, wie sie auf dem Weg zur Arbeit mit anderen Passanten einen Fußgängerüberweg über­queren – bei Grün. Eine abbie­gende Autofahrerin muss die Gruppe vorschrifts­mäßig passieren lassen, bevor sie weiter­fahren kann. Sie schüt­telt erbost den Kopf, wahr­schein­lich inner­lich fragend: ›Wie können diese Demonstranten mir schon am frühen Morgen den Weg versperren?‹ (was sie nicht wirk­lich taten, denn wie gesagt, man über­quert zügig die Straße und blockiert sie nicht). Ich bin sehr erschro­cken über diese Reaktion. Warum empört sich in einer Demokratie ein Mensch über die bloße Anwesenheit von Demonstranten, die ein Grundrecht wahr nehmen?


Versandhandelskongress (3): Katalog des Jahres

Heute Abend um 19:00 wurden die Gewinner des seit 10 Jahren veran­stal­teten Wettbewerbs »Katalog des Jahres« bekannt gegeben. Die Veranstalter (›Der Versandhausberater‹, Hermes Logistik Gruppe) kündigten einen Wertewandel dieser Leistungsschau an: Erstmals wurden die prämierten Webshop als der eigent­liche Glanzpunkt des Wettkampfs hervor­ge­hoben. Vielleicht war hierfür der neue Neckermann-Express-Shop die Ursache, der die Jury derart verwirrte, dass man ihm einen Innovationspreis gab. Das Besondere am n-express-Shop: er funk­tio­niert so einfach wie eine Google-Suche.
Katalog des Jahres

1. Neuerscheinung:
nomi­niert: »Sunny Walz« (Walz), »Jeans Story« (Otto), »Leben wie in der Provence« (Mirabeau-Versand)
Gewinner: Sunny Walz

2. Business to Business:
nomi­niert: »Grundschule« (Arnulf Betzold), »Feine Werkzeuge« (Dick), »Wehrfritz«
Gewinner: Feine Werkzeuge

Business to Consumer:
nomi­niert: Wohntrend (Otto), Paul Schrader, Domino Haarkosmetik
Gewinner: Wohntrend

Online-Shop des Jahres

Business to Business:
nomi­niert: staples​.de, cash​.de, bechtle​.de
Gewinner: bechtle​.de

Business to Consumer:
nomi­niert: welt​bild​.de, lens​care​.de, otto​.de
Gewinner: lens​care​.de

Konzeptpreis:
www​.​n​-express​.de


Versandhandelskongress (2): Versender des Jahres

Eben ein gutes Gespräch mit Michael Vollmer gehabt, Geschäftsführer der ratio­form Verpackungsmittel GmbH. Ich bin seit Jahren ein großer Freund von ihrem Gesamtkatalog, der mit viel Liebe fürs Detail gestaltet ist. Über 2500 Verpackungslösungen werden vorge­stellt: vom Luftpolsterkuvert über Umzugskartons bis hin zu Paletten und Großraumbehälter.

Vollmer schwärmte von der Neugestaltung dse Katalogs und einer neuen Schrift: FF Unit. Vor allem die Ziffern mit ihren ange­deu­teten Ober- und Unterlängen haben es ihm angetan: »Wir setzen die Tabellen heute 1 Punkt kleiner und sie sind besser lesbar als zuvor.« Nicht verwun­der­lich, den zuvor war die biblio­phile Rotis Semiserif im Einsatz. Der Dank für die Beratung geht an MetaDesign, die nicht nur für die Typografie (Logo aus FF Dax), sondern auch für das neue Farbklima verant­wort­lich zeichnen.

Zu den jähr­li­chen Ritualen der Branche zählt die Nominierung des »Versender des Jahres«. Die Wahl fiel auf den Ausrüster-Shop Globetrotter. Zu recht. Das Unternehmen setzt in fast allen Verkaufskanälen Maßstäbe: Katalog, Filialen, Mailings und auch im vorzüg­li­chen Web-Shop.


Versandhandelskongress (1): Wiesbaden

FontShop ist ein Versandhaus. Und darum infor­miere ich mich wieder mal auf dem jähr­li­chen Versandhandelskongress. Außerdem trage ich morgen meinen Versender-Kolleginnen und Kollegen in einer Fachkonferenz vor, warum ein Weblog gut für FontShop, für die meisten Versandhäuser jedoch unge­eignet ist. Hoppla, jetzt habe ich meine Pointe verraten … macht nichts … hier liest keiner der poten­ti­ellen Besucher mit. Denn bei den großen deut­schen »Distanzhändlern« handelt es sich um eine eher konser­va­tive Zunft, die links und rechts von Amazon, Ebay und Google über­holt wird.

Eine LCD-Anzeigetafel vor den Wiesbadener Rhein-Main-Hallen: echt Retro, echte Pixel.

Den Versandhandelskongress mit der ihm ange­schlos­senen Messe Mail-Order World gibt es seit 10 Jahren. Ich bin zum dritten Mal dabei. Er hat sich zu einer Riesenveranstaltung entwi­ckelt. Damals, noch im beschau­li­chen Bad Homburg, kamen viel­leicht 200 Besucher und es gab 20 Ausstellungsstände. Heute haben über 1000 Kongressbesucher die Rhein-Main-Hallen in Wiesbaden gestürmt, und 350 Ausstellungsstände sind in den Foyers aufgebaut.

In einer Keynote hat Antonella Mei-Pochtler (Senior Vice President Boston Consulting Group) der Branche keine rosige Zukunft ausge­malt. Zwar werden immer mehr Produkt versendet, online verstei­gert, down­gel­oaded … Aber nicht vom klas­si­schen Versandhandel, sondern von jungen Internet-Marken oder den Herstellern selbst (zum Beispiel Dell, Apple, …). Da müssen sich die »alten Hasen« etwas einfallen lassen.

Meine Lieblingsmesse ;-) demnächst wieder in den Rhein-Main-Hallen … Watzlawick: »Man kann nicht nicht kommunizieren.«

Ich werde euch heute und morgen garan­tiert nicht mit Versandhandels-Strategien lang­weilen … Stattdessen erlaube ich mir, hier und da mal ein visu­elles Schmankerl aus der hessi­schen Landeshauptstadt zu senden. Und einen Termin müsst ihr euch als Kreative natür­lich vormerken: die Publikumsmesse Kreativ Welt vom 2. bis 5. November in Wiesbaden.


Bald in eurem Briefkasten: fonts 7

Das letzte Font-Mailing des Jahres 2006 ist fertig und wurde gestern in den Versand gegeben. Unser Titelthema sind Pixel-Schriften … und so »ertrinkt« unser gestanzter Titelschriftzug gera­dezu inmitten seiner gedruckten Brüder und Schwestern.

Wer nicht auf die Post warten möchte, lädt sich schon heute das 36-seitige fonts-7-PDF (6,6 MB) und blät­tert es am Großbildschirm durch. Das macht Freude und nebenbei fragt man sich: Werden PDFs irgend­wann viel­leicht doch die gute, alte Drucksache ablösen. Garantiert nicht, aber sie haben ihren Rhythmus, ihre ergän­zende Funktion noch nicht gefunden. Wir arbeiten noch daran. Mit einem kurzen Blick auf vier Doppelseite möchte ich euch ein wenig neugierig machen.

Ein häufig gestellte Frage am FontShop-Telefon: ›Welche Schriften sind für das Setzen kleiner Texte beson­ders geeignet?‹ Wir haben 8 Mikro-Text-Spezialisten auf den Zahn gefühlt und beweisen ihre Stärke beim Kleingedruckten uf den Seiten 6/7 in fonts 7


Nirgendwo dürfen sich Schriften mehr austoben als auf Markenverpackungen: schrille Farben, Prägung, leuch­tend, glän­zend, matt oder gelackt … die Verbraucher wollen typo­gra­fisch umgarnt werden. Drei unserer Beispiele wurden – mit FontFonts – vom bekannten Büro Schein Berlin entworfen, die auf erfun­dene Produkte für Film- und TV-Produktionen spezia­li­siert sind.


Das Schriftentwerfer-Portrait widmet sich Cyrus Highsmith, der bei The Font Bureau, Inc. als Senior Designer für die Entwicklung neuer Schriftfamilien verant­wort­lich ist. Highsmith-Schriften werden gerne für die Neugestaltung von Magazine einge­setzt: Wir zeigen aktu­elle Beispiele aus US-Medien.


Auf der Doppelseite in der Heftmitte stellen wir Pixel-Schriften vor, wobei wir das Thema sehr breit darstellen: man hätte es auch Display-Schriften über­schreiben können. Warum sind sie wieder so aktuell: Weil moderne Medien wie MP3-Player, Blackberry und Navigationssysteme nicht ohne sie auskommen … die groben Fonts gehören zu unserem Alltag, und das macht sie populär.


FontBook Exlibris

Nicht wenige Designbüros haben inzwi­schen FontBooks für alle Mitarbeiter erworben. Lobenswert. Andere müssen dafür kämpfen, dass ihr persön­li­ches Exemplar stets am eigenen Arbeitsplatz greifbar ist. Zu diesem Zweck haben unsere Kollegen von FontShop San Francisco einen Aufkleber entworfen, mit dem man seinen Eigentümerschaft am FontBook schrift­lich unter­mauern kann. Wir haben das Dokument – mit freund­li­cher Genehmigung – loka­li­siert, hier liegt es als PDF zum Download bereit.

Drucken, ausfüllen, ausschneiden und auf/ins FontBook kleben.


Druckfrisch: die 352-seitige FontFont-Fibel

Ich bin einiges gewohnt auf dem Fachgebiet Schriftmusterbücher. Dieses Werk sprengt meine Erwartungen. Dabei weiß ich nicht, ob meine 15-jährige Tätigkeit als FontFont-Typeboard-Mitglied dieses Gefühl eher verstärkt oder abschwächt. Natürlich bin ich befangen. Ich leben seit Jahren mit diesen Schriften, benutze sie, ich schreibe über sie, entdecke sie im öffent­li­chen Raum … Kann es ange­sichts dieser Nähe ein besseres Kompliment für »Made with FontFont« geben, wenn ich hier gestehe:

  • Das Buch hat mich überrascht
  • es faszi­niert mich seit 24 Stunden
  • ich muss es immer wieder zur Hand nehmen.

Vielleicht sollte ich auch meine Arbeit als Schriftenwerber teil­weise in Frage stellen, denn manche FontFonts habe ich noch nie so attraktiv präsen­tiert gesehen wie in diesem Buch.

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Sehnsucht nach Geldscheinen

Ein ganz natür­li­ches Bedürfnis: Geldscheine sammeln … manche nennt es auch »sparen« oder »gut verdienen«. Auf der Seite Germannotes finden die Visualholics unter uns hunderte von Abbildungen deut­scher Geldscheine:

FontShop-Kollege Klaus Spanka hat sie eben bei einer Schrift-Recherche gefunden.