Fontblog Artikel im Oktober 2006

TypoTuning: Lehrhefte plus Website von Ralf Turtschi

TypoTuning ist eine neue Lehrheftserie in vier Bänden (je 25 €), die sich praxisnah gestal­te­ri­schen Themen in der Geschäftswelt annimmt. Sie richtet sich an Benutzer, die mit Word, PowerPoint, InDesign oder XPress alle mögli­chen Dokumente wie Briefe, Flyer, Einladungen, Preislisten, Menükarten, Präsentationen und ähnli­ches erstellen. Autor ist der Schweizer Kommunikationsdesigner (und FontShop-Beirat-Mitglied) Ralf Turtschi (Agenturtschi).

Gerade ist Heft 2 mit dem Thema »Office-Kommunikation« erschienen. Auf 84 Seiten führt Turtschi in das Corporate Design und die Büro-Kommunikation ein, empfiehlt Schriften, geht auf die Gestaltung von Briefen, Faxe und Visitenkarten ein und gibt viele typo­gra­fi­sche Tipps. Checklisten und Tabellen vermit­teln das Wissen in kompakter Form. Auch erfah­rene Designer werden das Büchlein gerne durch­stö­bern, weil es sich einer einfa­chen, leicht verständ­li­chen Sprache bedient, die im Gespräch mit Auftraggebern mehr über­zeugt als Branchen-Latein. Zur Bestellseite …

Die TypoTuning-Webseite bietet einige Leseproben und Downloads, auch zum bereits im Frühjahr erschie­nenen Band 1 »Basics«.


Jack O’Lantern: Google – Flickr 0:1

Im letzten Jahr haben wir unsere Inspirationsquellen fürs Kürbisschnitzen noch über Google gefunden. Auf US-Bastelseiten gab es die besten Schablonen. Inzwischen liefert Google zu Stichwörtern wie »hallo­ween«, »pumpkin« und »carving« über­wie­gend Spam-Link-Seiten, die nichts anderes im Sinn haben, als mit Google-Anzeigen Geld zu verdienen. Eine Kurzschluss-Strategie … für Google.

Und so besuchten wir diese Mal die Flickr-Gemeinde. Wir stellen schnell fest, dass die Auswahl hier bedeu­tend breiter, poli­ti­scher, brutaler, bissiger, typo­gra­fi­scher und geschmack­loser ist als auf jeder Hobby-Seite. Das Stichwort »jack o lantern« (der ameri­ka­ni­sche Sammelbegriff für geschnitzte Halloween-Kürbisse) liefert über 12.000 Fotos; als Sortierung »Most inte­res­ting« wählen. Ja es gibt Step-by-step-Anleitungen, Best-of-Auswahlen und Grußkarten-Motive à la Anne Geddes. Das Rennen machte ein Gespenster-Motiv, das wir gestern schnitzten …


Frankfurter Bier: es geht auch ohne Fraktur

Ein Biermarke aus Brandenburg erobert langsam die Hauptstadt: Frankfurter. Es ist also kein Bruder von Henninger und Binding … das Brauhaus steht in Frankfurt a. d. Oder und ist eine der modernsten und größten Brauereien Deutschlands. Und so ziert das Etikett der Flaschen ausnahms­weise mal keine Frakturschrift, sondern eine moderne Schrift. Trotzdem wirkt die Marke glaub­haft, Premium, deutsch (im Sinne des Reinheitsgebots). Welche Schrift kommt hier zum Einsatz (Frankfurter-Logo-PDF-Download-Seite)? Wer sie zuerst iden­ti­fi­ziert, dem spen­diere ich eines meiner wunder­schönen numme­rierten Spatium-Belegexemplare (»Hamburgefonts«*), einschließ­lich Poster (Gesamtwert 20 €).
__________________

*Rezension folgt


Tiki: Den Tag nicht mit E-Mails beginnen

Einen habe ich noch … ein Tiki-Küstenmacher-Original-Simplify-Tipp vom Versandhandelskongress (siehe auch hier). »Fangt den Arbeitstag nicht mit den E-Mails an! Warum? Weil sie 1) das Reagieren kulti­vieren (nicht das Agieren) und (2) zum Klein-Klein-Denken verführen. Sie werden klein­ka­riert. Beginnen Sie den Tag mit einer Aktion statt mit einer Reaktion, einer aktiven Maßnahme. Ich lege Ihnen vor allem die ›Großen Us‹ ans Herz: Unerledigtes, Ungeklärtes, Ungemütliches … Widmen Sie sich eine oder zwei Stunden einer wich­tigen Aufgabe aus diesem Fundus … danach erst die E-Mails.«


Das neue Fiat-Logo

Warum ändert ein inter­na­tio­nales Unternehmen alle 6 Jahre sein Firmenzeichen? Fiat, zum Beispiel. Wer es nicht glaubt, hier ist die Fiat-Logo-Historie. Besonders unsinnig an diesem Fall: Jeder Relaunch wird damit begründet, dem histo­ri­schen Original einen Schritt näher zu kommen.

Wir schreiben den Herbst 2006 und es ist wieder so weit … Logo-Frühwarner Martin Hömmerich hat es als erster entdeckt. Zuletzt wurde die Fiat-Plakette 2000 über­ar­beitet … ziem­lich gelungen, eigent­lich. Und erneut ist es dem 100 Jahre alten Vorbild einen Schritt näher gekommen, durch eine schma­lere Schrift und den roten Fond (ausführ­liche Begründung).

Leider verlieren die Schöpfer kein Wort darüber, warum man sich vom Innenkreis verab­schiedet hat und statt­dessen den Audi-Kühler-Frame nach­äfft. Die Schrift ist beliebig geworden, der Plaketten-Effekt einer kurz­le­bigen Web-Button-Analogie gewi­chen. Schwaches Bild, ganz armselig … dieses Ding hält keine 6 Jahre, wetten?


Jetzt im Download: Factor-Design-Monatshefte

Bravo Factor Design, bravo Fontblog-Leser: Eure Kommentare zum Fontblog-Beitrag »Wieder Post von Factor Design« wurden erhört. Jetzt gibt es den anre­genden Lesestoff, die Monatshefte von Factor Design, auch als PDFsim Download. Danke, Johannes, für die gute Nachricht.


Stundenlanges Uhr-Umstellen

Das Umstellen der Uhren von Sommerzeit auf Winterzeit nimmt unfass­bare Ausmaße an.

manuell:

░ Küchenwanduhr
░ Backofen
░ Wecker
░ Schreibtischuhr
░ Armbanduhr
░ Stereoanlage
░ TV-DVBT-Receiver
░ Heizung

░ ISDN-Telefonanlage
░ Schurlostelefon/AB
░ Faxgerät
░ Handy

░ Digitalkamera
░ Camcorder
░ iPod 20 GB
░ iPod 15 GB
░ iPod Nano

░ Fahrradcomputer

auto­ma­tisch:

░ Powerbook
░ Funkwecker
░ Auto


Versandhandelskongress (5): Simplify your lawyer

So simpel ist das nicht, Werner ›Tiki‹ Küstenmacher*, wie du es den Besuchern des Versandhandelskongresses im Abschlussvortrag weiß machen woll­test. Dein »simplify« sei die neue Bezeichnung für »ordnen« und »aufräumen«. Die hübschen Redakteurinnen großer Frauenmagazine küssten dir aus Dankbarkeit die Stirn und würden deine Vokabel in Überschriften einsetzen. Das musste ich dann doch per Zwischenruf richtig stellen: »Wer das tut, bekommt eine Abmahnung von Ihren Anwälten.« So geschehen im März 2005, als ich für ein FontShop-Mailing (FOTOS 2) die Headline »Simplify your busi­ness« getextet hatte … Bumms … 800 Euro Anwaltskosten für das Unterschreiben einer Unterlassungserklärung. Gelächter im Saal.

Nach seinem Vortrag entschul­dige ich mich im Foyer bei einem Kaffee für den Einwurf. Küstenmacher nimmt’s gelassen. Er kennt FontShop und Erik Spiekermann seit Jahren, denn er ist von Hause aus Illustrator (und studierter Pfarrer). Er ärgere sich über die Vorgehensweise der Anwälte und seines Herausgebers (Verlag für die Deutsche Wirtschaft). »Die Sprache ist frei, und eigent­lich ist es eine tolle Bestätigung für meine Arbeit, wenn die ›Simplify‹-Floskel in die Umgangssprache Einzug hält. Da entstehen unnö­ti­ger­weise Rechtskosten … « »… die von Ihren Tantiemen abge­zogen werden.« entgegne ich frech. »Da spre­chen Sie einen empfind­li­chen Punkt an …« bestä­tigt mich Tiki. Immer wieder rechne ihm sein Verlag die Kosten für Rechtsschutz vor.

Tiki: Ich hab’s hier mal proto­kol­liert. Jetzt liegt es an Dir, ob du als großer deut­scher Simplifier unsterb­lich wirst oder als der größter Prozesshansel der Nation.
__________________

* Küstenmacher ist Mitautor von »Simplify your Life«, eines der erfolg­reichsten deut­schen Sachbücher … seit Jahren in den Top-20 der SPIEGEL-Bestsellerliste