Wkk 8: Jung von Matt’s EDV-Beichtstuhl
Das zeichnet den Meister aus: Gegen alle Regeln verstoßen und trotzdem überzeugen. Eben erhielt ich meine Weihnachtsgrüße von der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt. Eine E-Mail mit einem Link. Klarer Verstoß gegen Regel 1 meiner 10 peinlichsten Weihnachtsgrußfehler. Der Link führt zu einem 1-minütigen YouTube-Filmchen, das JvM eigens für diesen Gruß gedreht hat. Man sieht die Firmengründer angespannt in einem kalt beleuchteten Server-Raum sitzen, wo sie an einem Bildschirm gemeinsam mit Pfarrer Hans Bensdorp eine Weihnachts-Mail an ihre Kunden zusammenschreiben: der Texter Jean-Remy von Matt tippt, der Stratege Holger Jung darf den Senden-Button betätigen – nachdem der Pastor seinen Segen gegeben hat. Untermalt ist das Geschehen vom Rauschen der EDV-Lüfter.
Jean-Remy von Matt äußerte sich vor anderthalb Jahren abschätzig über Blogs, die er als »die Klowände des Internets« bezeichnete. Damit löste er in der Online-Community einen Sturm der Entrüstung aus. Mittlerweile nutzt JvM selbst dieses Medium. Mir gefällt die Selbstironie, das (sicherlich inszenierte) hilflose Werkeln im EDV-Beichtstuhl. Und wer dachte, virales Marketing ist ein Auslaufmodell … einer Kreativagentur fällt dazu immer noch etwas ein.
Fazit:
+ gute Idee, gute Ausführung, hohes Mund-zu-Mund-Propaganda-Potential, Selbstironie, vergleichsweise preiswert
– viel Effekthascherei, wenig Weihnachten … eine Werbeagentur darf das
+ 8 Punkte
49 Kommentare
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<a href="http://www…">Link</a> <img src="http://bildadresse.jpg">
Der Sven
Für mich ein schwacher und unsympathischer Versuch, einem kommerzialisierten Fest wieder etwas aufgesetzte Ursprünglichkeit einzuhauchen.
robertmichael
ho-ho-ho, großartige idee!
ich hätte vielleicht noch über die lüfter ein leise klingendes (am besten aus dem pc-speaker) ‚jingle bells‘ gelegt.
;)
Christian Büning
kirche ist gut, das zieht immer. sogar an weihnachten.
gesegnete Emails von einer Agentur, die sich sonst nicht so schnell nach vorne drängelt bei takt und werten (bild-kampagnen mit halbnackten minderjährigen) sind ein wenig geschmacklos, aber das ist weihnachten ja auch.
interessant für theologen:
· Könnte es gesegneten Spam geben?
· Bleibt der Segen bei Autoreply erhalten?
· ist der Segen ein Anhang oder ist die Email als solche gesegnet?
Valentin
Ist ja ganz ok und, dass es dir gefällt schön. Um aber wenigstens Konsequenz zu zeigen hättest du noch mindestens 3 Punkte wegen Verstoß gegen Punkt Was-weiß-ich abziehen müssen.
So dolle isses nun nämlich nicht.
jamie oliver
Heheh. Sehr sehr lustig. Wie ernst die alle dasitzen. Vor allem, dass sie als Schauplatz den Serverraum der Firma genommen haben ist super. Da ist der Kontrast zur schönen glänzenden Werbewelt viel grösser. Sehr selbstironisch. Verdiente Puktzahl!
atbash
Es ist einfach nur schlecht. Ich feiere schon länger nicht mehr Weihnachten, kann mir aber gut vorstellen dass es Leute gibt deren religiöse Gefühle damit verletzt werden. Als provokativer Werbegag kann ich das nicht sehen, dazu wirkt dieses Filmchen zu pubertär.
Thorsten Schmidt
Meiner Meinung nach mal wieder eine ähnlich schlimme Inszenierung wie bei der Sixt-Kampagne. Die Firmengründer mal wieder als kleine Leute. Diesmal nicht als Penner sondern im Serverraum, den sie wahrscheinlich das erste mal gesehen haben. Schließe mich Sven an: schwach und unsympatisch.
tom
Das demonstriert deren Haltung sehr gut. Kein Wunder das denen die Leute weglaufen…
willy
Aber schnell tippen kann er der Junge, dass muss man ihm lassen…
Jürgen
Ein Fontblog-Leser aus Linz schreibt: »Pfarrer Hans Bensdorp aus dem JvM Weihachtsvideo ist ein echter Pfarrer. Er betreut die Pfarre Hetzendorf/Wien und ist ein Spross der berühmten Schokolade-Dynastie. Ein sehr feiner Herr, wie mir meine Cousine bestätigt, die in seiner Pfarrregion wohnt.
Wundert mich nur, warum JvM-Donau*) genau ihn ausgesucht hat und warum die beiden CEOs dafür extra nach Wien fuhren …
*) Der Absender kam ja aus Österreich: *@jvm.at
Thorsten Schmidt
@ willy: kann ich auch:
#feojfgqä wköj g knvqwerjhnvgöjwerqbvöqkeböbcksdbgökawbcvs.kabbfvakhbvörevberb, …
:)
thomas
Super …. superschlecht!
Ich geh heulen.
Phillip
Ich halte es da mit einem der Youtube-Kommentare:
»Große Werber. Große Werbung. Mit dem Einfluss den diese Herren haben gibt’s da sicherlich wieder nen Löwen in Cannes, nen goldenen Nagel beim ADC, den Effi, liaaward, NY ADC, und von Mir den Gurkenpimmel 2007«
Karsten
Hab mir lange überlegt, was ich davon halten soll. Aber eigentlich trifft es das Wort »geschmacklos« wohl am besten.
maxbatu
„Und Gott war gar so entzürnt über diese schlechte Idee, dass er den einen mit Autismus strafte und dem anderen das Haar nahm.“
:D
robertmichael
vielleicht könnt ihr mal begründen wieso ihr das soooo schlecht findet?
adam
*LOL
adam
bezieht sich auf maxbatu’s kommentar :)
Peter
@robert:
Ok. also da sitzen zwei Leute vor einem Computer, einer davon tippt. Dahinter steht ein Pfarrer. Ca ne halbe Minute passiert gar nichts. Bis hierher: Null Sinn, kein Inhalt, kein Witz, gar nichts.
Dann liest der Pfarrer etwas aus seiner Bibel vor und einer der Herren schickt eine E-Mail ab. Null Sinn, kein Inhalt, kein Witz, was soll das. Da kann ich auch einfach mit einer Kamera ne Minute lange eine weiße Wand filmen, das ist exakt das Gleiche.
(diplom)ego
wer findet das lustig???
na gut, für selbstironie +1
für ideenlosigkeit -5
kiwikawa
Die 8 Punkte kann ich kaum nachvollziehen. Das Video finde ich einfach nur langweilig und geschmacklos (nein, ich bin nicht gläubig). Den Kommentaren bei youtube nach zu urteilen gibt es kaum jemanden, der anderer Meinung ist. Wahrscheinlich sind wir dafür zu unkreativ / dumm / neidisch / unfähig (Unzutreffendes bitte streichen).
Susanne
Mit dieser überzogen-positiven Bewertung hast du nun deine »Weihnachtskarten«-Aktion wirklich ins Aus befördert. Schade.
@ Phillip: Ich bin da ganz deiner Meinung. Wir werden sie bestimmt bald wieder sehen bei der Selbstbeweihraucherung.
thomas
Also grundsätzlich kenne ich eigentlich nur kirchenleute und ich meine aktive kirchenleute, die durchaus zum lachen nicht in den keller gehen. soviel zur angedichteten ernsthaftigkeit eines priesters.
und zum thema youtube. die dort herrschende kommentar- bzw. kritikkultur ist gelinde gesagt »fürn arsch«, schwankend zwischen trollerei und völlig unmotivierter zustimmerei und ablehnen der inhalte.
die idee finde ich gar nicht mal so verkehrt. warum denn nicht eine e-mail segnen? es gibt regionen auf diesem planeten, da werden noch ganz andre dinge gesegnet.
blackchili
Was ist Kreativität?
Etwas neues machen, etwas anderes machen!
Diese Weihnachtsgrüße sind kreativ.
q.e.d.
Der Sven
@ blackchili: Kreativ ist aber nicht gleichzustellen mit »von guter Qualität«, »sinnvoll«, »innovativ«, »tiefsinnig«, »stilvoll«, »brauchbar«, »ästhetisch« etc. – es gab hier im Fontblog schon mal einen guten Artikel dazu.
Christian Büning
@ thomas: Das Segnen ist es nicht, was ich geschmacklos finde, sondern den Absender, der sich für das Segnen entscheidet. Ich meine: der Duden bietet für sowas den Begriff »bigott« an.
Getreu nach Harald Schmidt finde ich es gut, sich Witze über Kirche zu verkneifen, da diese immer sichere Kalauer sind und selten die Wagenbachs unter den Pointen.
Ich kann den Reiz dahinter verstehen und den Weg, den ein Werberhirn dahin hüpfend und trällernd gegangen ist (Endlich wieder was mit Sinn, was die Leute noch berühren könnte nach den ganzen nackten.) Trotzdem finde ich es geschmacklos und fade. Schade.
blackchili
@Der Sven
Danke für den Link. Natürlich bedeutet kreativ nicht gleichzeitig gut.
Aber lieber Fettnäpfchen als 0815. Lieber polarisieren als nicht auffallen, oder?
Thorsten Schmidt
JvM hat wahrscheinlich mal wieder erreicht was sie wollten: Aufmerksamkeit …
Die Leistung bleibt aber schlecht.
Der Sven
»Lieber polarisieren als nicht auffallen« würde ich so nicht unterschrieben. Und zu Fettnäpfchen und 0815 gibt es ne Menge Alternativen. Letzten Endes lässt sich aber über Geschmack wie immer viel streiten. Aber da Weihnachten ein Fest des Friedens ist, lassen wir das lieber : )
blackchili
Also schön. Aber nach Weihnachten …
Steffen
Die Email selbst – wie die Verfasser es im Text schreiben – wird gar nicht gesegnet, sondern laut Pfarrer, »alle, die hier arbeiten und alle, die diese Advent- und Weihnachtsgrüße … empfangen.« Das ist schon etwas anderes – weil es persönlich ist und der Segen als Vehikel nicht an eine Email gebunden wird.
Für diejenigen, die mit Segen nicht so viel anfangen können, ist es doch ein Ausdrück dafür, dass andere Menschen (in diesem Fall die Werber und der Pfarrer) die besten Wünsche für die Email-Empfänger auf den Weg schicken – und wissen, dass eine gute Adventszeit nicht allein in ihren Händen liegt. Das ist meiner Meinung nach ein sympathischer Zug, allerdings mehr an dem Video als an der Email.
Die Handlung des Pfarrers ist liturgisch und theologisch in Ordnung – und bei denen, die in die Kirche kommen und beim Segen in der Gemeinde sitzen, so wie hier die beiden Werber, fragen wir auch nicht nach dem eigenen Glauben. Deshalb kann ich mir kaum vorstellen, dass das Video religiöse Gefühle verletzt (anders als z. B. die genannten anderen JvM-Kampagen).
robertmichael
Ich »glaube« (!), die meisten verstehen diese Weihnachtskarte von JvM nicht.
thomas
die meisten werden sie ablehnen, weil sie von JvM ist.
robertmichael
genau, das ist der neid. ;)
thomas
ich würde es nicht neid nennen, eher eine art grundhaltung die besagt »ich bin dagegen«. meistens nicht wirklich rational begründbar und das schade daran. ich finde an der sache wirklich nichts anstössiges, der »aktion« hat doch alleine durch die anwesenheit des geistlichen den nötigen hauch von seriösität bekommen. das sollte eigentlich reichen.
grundsätzlich mache ich mich von anflügen dieser haltung sicher nicht frei. wenn die karte von microsoft käme, ich wäre aber sowas von DAGEGEN, das kannst du dir nicht vorstellen ;-)
Jürgen
Neid ist das richtige Stichwort, vermute ich. Hätte eine junge, aufstrebende Werbeagentur diese Art Weihnachtsgruß inszeniert, würde mit ganz anderen Maßstäben gewertet.
JvM ist aber klug genug, es gleichwohl auf die eigen Art zu realisieren, mit Insider-Scherzen, Seitenhieben und Ironie. Das ist die eigentlich Stärke des Videos.
Am besten gefällt mir diese absurde Besinnlichkeit in dem Server-Raum. Die nehme ich denen sogar echt ab. Aber das ist ja auch egal, ob echt oder gespielt, es geht um Werbung.
Christian Büning
Jürgen, ich denke nicht, dass es hier um Neid geht, auch nicht um die Idee selber. Die ist gut und hat einen hohen Tratschfaktor. Es bleibt nur der Geschmack hängen, dass JvM nichts ernst nehmen und Werbung nur eine große Verarsche ist. (sorry für das Wort) Es gibt sicher einige Agenturen, die sowas hätten glaubhaft machen können, Butgereit und Heidenreich aus Haltern etwa.
Nun, JvM hat zumindest Aufmerksamkeit erregt. Bleibt zu hoffen, dass PR niemals negativ sein kann.
blackchili
@Jürgen
… ich GLAUBE, du hast den Nagel auf den Kopf getroffen!
robertmichael
@ christian, werbung IST eine große verarsche. man unterscheidet nur zwischen gut und schlecht gemachter ‚verarsche‘. und in dem falle von JvM ist es gut gemacht, weil der pfarrer echt ist. ;) thats all!
jamie oliver
Nein Werbung ist NICHT grosse Verarsche. Werbung ist ein Botschaft rüber zu bringen. Ob dass dann reines Kalkül ist, oder echt ist ist schlussendlich wirklich egal.
Klar ist es ist KEINE Verrarschung! Es wird nichts lächerlich gemacht. Die absurde Situation, die Inszenierung ist vielleicht lächerlich sonst aber kann man Jung und Matt nichts vorwerfen. Die Weihnachtsgrüsse sind ernst gemeint. Die Selbstironie auch. Das ist die Botschaft die Leider viele nicht verstanden haben. Das ganze Runderhum ist Werbung – gute noch dazu.
Harro Gern
Ach, Werbung. 95% fuehlen sich davon belaestigt, der Rest lebt davon. Und das ist in einer Demokratie moeglich.
Eine andere Werbeagentur aus Hamburg
Vielleicht soll das ja gar nicht komisch sein. Vielleicht wollen die einfach nur eine ernste Botschaft rüberbringen – JvM nimmt Weihnachten einfach sehr ernst. Weils halt einfach nicht komisch ist. Die Idee ist ja ganz nett. Aber 20 Sekunden hätten auch gereicht.
thomas
RM und jamie: ich denke, das es eher produkte sind, die lügen und die werber machen, das, was sie am besten können. sie versuchen die lüge in ein glaubhaftes vertrauensvolles produkt zu drehen und hoffen auf den nächsten kunden.
harro:
ich glaube nicht, dass werbung eine folge von demokratie ist, dann gäbe es sie schon viel länger ;-). ich denke, sie ist eher eine notwendigkeit des kapitalismus.
Harro Gern
@thomas
Es ist mir schleierhaft, wie man meinen Kommentar so missverstehen kann, es sei denn, es war Absicht.
Zur Erklaehrung: Ich wollte mein Erstaunen zum Ausdruck bringen, dass sowas wie unsere heutige omnipraesente Werbebelaestigung _trotz_ Demokratie moeglich ist.
thomas
was soll die demokratie, bzw. die vertreter dagegen unternehmen? ich verstehe dich wirklich nicht. tut mir leid.
Jürgen
Ich glaube, Harro meint nicht, dass wir eine Diktatur brauchen, um die Belästigung durch Werbung loszuwerden. Er glaubt vielmehr, dass es einer Mehrheit von Verbrauchern nicht gelingt, die Belästigung durch Werbung loszuwerden … in einer Demokratie, wo doch die Mehrheit siegt. Eine politische Reglmentierung von Werbung steht jedoch nicht zu Debatte.
Ich glaube sogar an eine Selbstregulierung. In meinen Augen ist der Fernsehsender Pro 7 praktisch ungenießbar, weil die Inhalte von Shows und Filmen hemmungslos durch Werbung kaputtgemacht werden. Ich vesuche es immer wieder mal (Stromberg) … es geht nicht. Kannste vergessen. Ich zeichne Stromberg an meinem Computer auf, schneide die Werbung raus und schau mir’s eine Stunde später an.
So lange sich jedoch Millionen Menschen unbeeindruckt von diesen – in unseren Augen – »Belästigungen« zeigen, ja wenn sogar noch die beworbenen Produkte eine Absatzsteigerung erfahren, dann wird es aus der Sicht von Sender/Agentur/Kunden schwer sein, Argumente gegen die Werbung zu finden. Erst wenn Einschaltquoten und Verkaufszahlen bodenlos sinken sollte die Belästigung aufhören.
thomas
okay. so machts sinn. dann stand ich wohl auf der leitung. kann ja mal vorkommen ;-)