Warum Steve Jobs ein Kontrollfreak war …
… nein: Warum jeder visuell anspruchsvolle Mensch ein Kontrollfreak sein sollte … beweist der Schutzumschlag der deutschen Ausgabe von »Steve Jobs by Walter Isaacson« (oben links, rechts das britische Cover, das mit dem US-amerikanischen identisch ist). Wer sich ein bisschen mit den Verdiensten des kalifornischen Unternehmers auskennt – das könnte man bei einer Buchcover-Gestaltung voraussetzen, die sicherlich an einem Mac verrichtet wird –, sollte Jobs’ jahrzehntelange Vorliebe für die Schrift Helvetica kennen. Sie ist seit der Geburtsstunde des Apple Macintosh Bestandteil des Betriebssystems und die Display-Schrift des iPhones (seit iPhone 4 und iOS 4: Neue Helvetica).
Diese biografische Tatsache kümmert die Verantwortlichen bei C.Bertelsmann wenig, genau so wenig wie die Proportionen des Titelfotos, das vertikal gestaucht wurde, damit eine weitere Textzeile über dem Portrait Platz findet. Dass sich die Biografie eines Weltstars nicht selbst erklärt sondern in Deutschland mit einer zusätzlichen Zeile gekennzeichnet werden muss liegt möglicherweise am »niedrigen Bildungsstand« (Zitat Schlecker) der Kunden. Ach ja, und wieder einmal bestätigt sich meine These, dass gute Typografie schneller und billiger geht als schlechte.
71 Kommentare
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alex
… noch etwas ausführlicher auch hier: Geschmacksverirrung
Jürgen Siebert
Danke für den Hinweis, alex … ein schöner Fotovergleich. Zudem schließe ich ich mich dem Kollegen Michael Preidel an: Ich lese gerade die englische Ausgabe, die ich mir von der TYPO London mitgebracht habe. Da bin ich auch in Sachen Mikrotypografie auf der richtigen Seite.
Hanswurst Peterkäse
… aber sonst habt ihr keine Sorgen, ja?
P
ey hansi, du hast dich im blog verirrt.
Peterkäse Hanswurst
„… aber sonst habt ihr keine Sorgen, ja?“ – Die typische Antwortfrage von Menschen mit niedrigen Bildungsstand :-)
Lorer
@Hanswurst: Doch ich habe noch jede Menge andere Sorgen. Danke der Nachfrage.
SvenR
Wie furchtbar ist das denn?
Jürgen Siebert
Das ist für Dich, Hansi:
“It may have been Leclerc Buffon who first said ‘le style c’est l’homme – the style is the man’ but it is an observation that anyone with sense had understood centuries before, Only dullards crippled into cretinism by a fear of being thought pretentious could be so dumb as to believe that there is a distinction between design and use, between form and function, between style and substance. If the unprecedented and phenomenal success of Steve Jobs at Apple proves anything it is that those commentators and tech-bloggers and ‘experts’ who sneered at him for producing sleek, shiny, well-designed products or who denigrated the man because he was not an inventor or originator of technology himself missed the point in such a fantastically stupid way that any employer would surely question the purpose of having such people on their payroll, writing for their magazines or indeed making any decisions on which lives, destinies or fortunes depended.”
(Steven Fry)
Hanswurst Peterkäse
Exakt, weil ich mich nicht drüber auslassen kann, dass hier fatalerweise eine andere als die bevorzugte Schriftart benutzt wurde und auch noch katastrophal an den Proportionen gedreht wurde, bin ich eines niedrigen Bildungsstandes. Dass ich nicht dem Apple-Hype erlegen bin, spricht natürlich auch für meine geistige Beschränktheit. Wie kann ich nur Steve Jobs nicht anhimmeln? WIe kann ich nur alles, wirklich alles, das ihm auch nur ansatzweise nicht gerecht wird, nicht als Blasphemie bezeichnen und verdammen?
Aber wie ja schon gesagt wurde, ich bin es damit nicht wert, auf irgendjemandes Gehaltsliste zu stehen und nicht fähig, irgendwelche wichtigen Entscheidungen zu treffen. Um mal zusammenzufassen: Ich bin nicht lebensfähig, weil ich nicht kurz vor der Ohnmacht ob des oben beschriebenen Fauxpas stehe.
Peterkäse Hanswurst
@ Hanswurst Peterkäse: Die Antwort meinerseits bezog sich nicht auf eine von Ihnen nicht nachvollziehbare „Apple-Hype“ oder dass Sie Steve Jobs nicht anhimmeln können, sondern um die nutzloseste (und meiner Meinung nach dämlichste) Antwortfrage seit Bestehen der Menschheit.
Nico
Mir gefällt die deutsche Variante besser…
Florian M.
Vielleicht ist das auch nur die verspätete Rache für die gestauchten „Beweis-Bilder“ im Tablet-Streit… http://heise.de/-1340031
Knruxelchen
Die Akzidenz ok die ist unpassend. Aber ganz ehrlich, das gezerrte Bild, sowas sieht man doch nur im direkten Vergleich, sowas merkt kein Endkunde.
Entscheidung
Dann kaufe ich die englische Ausgabe. Völlig unsensible und schmerzfreie Buchgestalter.
Jürgen Siebert
Das ist doch belanglos, ob es ein Leser merkt oder nicht. Es is unanständig und respektos gegenüber dem Abgebildeten und dem Fotokünstler, ein Portrait zu spiegeln oder zu verzerren. Zudem zeigt es die Hilflosigkeit (oder Naivität), mit der in manchen Verlagen Buchtitel gestaltet werden.
Ein Blick über den Teich entlarvt den Dilettantismus …
http://www.youtube.com/user/Knopfdoubleday#p/u/19/aUHck0FViac
Aber so lange es Verleger gibt, die auf auf unsere Kritik mit Sätzen antworten wie »Wir werden kein einziges Buch mehr verkaufen mit einem besseren Cover« geht es dem deutschen Buch gut.
christoph_z
»sowas merkt kein Endkunde.«
vielleicht. aber was ist durch eine gleichgültige haltung und schlechtem handwerk gewonnen? was bringt es uns, auf kultur, inhalte und handwerk zu scheißen?
das gelungene originalcover zu übernehmen wäre ja sogar billiger gewesen – so musste noch einem schlechten grafiker zwei arbeitsstunden bezahlt werden.
Jens
Steve sieht auf dem deutschen Cover ja aus, als habe er fünf bis zehn Kilo mehr auf den Rippen. Wer das nicht sieht, schaut wahrscheinlich auch breitgezogene 4:3-Sender auf seinem 16:9-Fernseher und merkt’s nicht.
Michael Müller-Hillebrand
… sowas merkt kein Endkunde.
Bewusst merken vielleicht nicht, aber wahrnehmen schon. Die Brillengläser sehen mMn deutlich elliptisch aus…
Ich habe volles Verständnis dafür, die Firmeninhaber als letztlich für alles Verantwortliche an den Pranger zu stellen (»Bertelsmann«), aber letztlich sind es doch Menschen (Gestalter, Lektoren, Produktmanager?), die das konkret ausführen. Stehen die im Buch? Denen sollte man schreiben!
Um sich nicht Übersetzungsschlampigkeiten wie Silicon → Silikon (gesehen bei Amazon) aussetzen zu müssen, werde ich auch zur englischen Fassung greifen! Steht es wirklich so schlecht um die Verlage, dass kein Fachlektorat mehr erfolgen kann?
Robert Paulmann
Das Ganze ist um so ärgerlicher, als ich gerade in der iPad-Version (Auszug) lese, dass Steve Jobs keinerlei Einfluss auf das Buchs genommen hat – ausser auf die Gestaltung des Covers…
»He didn’t seek any control over what I wrote, or even ask to read it in advance. His only involvement came when my publisher was choosing the cover art. When he saw an early version of a proposed cover treatment, he disliked it so much that he asked to have input in designing a new version.«
Dümmer und unsensibler geht es wirklich nicht. Dann werde ich mir wohl doch die Originalversion holen müssen. Danke Bertelsmann.
Lorem Ipsum
Da ich mich im Verlagswesen nicht auskenne würde es mich wirklich einmal interessieren, aus welchen Überlegungen heraus solche scheinbar unnötigen Umgestaltungen vorgenommen werden.
Ist der ursprüngliche Einzeiler zu schlicht für deutsche Geschmäcker? Hatte man Sorge, irgendjemand würde nicht verstehen dass es sich um eine Biographie handelt, oder um welche Person es geht? Und warum der Schriftwechsel – etwa aus Lizenzgründen? Oder glaubt man dass es so im Regal besser heraussticht? Ich kann mir da einfach keinen Reim drauf machen, fühle mich aber amüsiert an dieses alte Video erinnert.
Abgesehen davon wundert es mich, dass man nicht die Myriad verwendet hat – ist sie doch eigentlich die nach außen hin viel prägendere Schrift des „Jobs-Universums“ gewesen. Nagut, vielleicht sähe es dann zu sehr nach Apple-Produkt aus.
Matthias
Wäre es nicht interessant nachzufragen, was der/die Gestalter des deutschen Covers dazu sagen?
tschill
Erste-Welt-Sorgen. Währenddessen – mein Zimmer in London, das 700 Pfund kostet, hat keine Heizung. Ihr habt einfach nur einen Knall.
Felix
Himmel, die Kollegen von Bertelsmann lassen aber auch _jeden_ an den Rechner.
koni
Natürlichn ist es ein Unding an einem Foto rumzuzerren.
Und trotzdem: was mich am meisten stört an diesem nun doch schon satt publiziertem Bild, ist diese Floskelhaftigkeit in der Pose.
theo schubert
alter hut. gibt’s momentan nix besser zu disskutieren? *gähn*
Michael Müller-Hillebrand
Ein weiterer Grund, der gegen die deutsche Fassung spricht: Es sind sechs (!) Übersetzer aufgeführt… siehe Randomhouse.de.
Und: »… oder sonstige Bearbeitung der Cover ist nicht zulässig«. Hätte man sich nur selbst daran gehalten. AUf der Seite wird auch die zuständige Presseperson genannt.
Tim Bruysten
Ein gutes Beispiel. Das Kunstwerk ist im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit beständig der Gefahr der Manipulation ausgesetzt. Authentizität kann unter den Zwiebelschalen der Egos derer, die eigentlich eine Transportdienstleistung erbringen sollten, verborgen werden. Die Vernetzung dagegen lässt vielerlei Schwindel schnell auffliegen… ;-)
thomas junold
solange in deutschen verlagen vertreter der gattung erbsenzähliensis simplicus über gestaltungsfragen entscheiden, sehe ich da persönlich eher anthrazit bis schwarz.
thomas junold
tim: schon mal was von urherberrecht vernommen? manipulation ist mindestens grenzwertig, das sollte gerade bei einem der größten deutschen medienunternehmen bekannt sein.
kritzlibaer
Ich habe meinen Schriftsetzer-Gesellen noch mit Blei gemacht. Fast nahtlos daran habe ich mir einen Ur-Macintosh geleistet und gestaunt, wie leicht ich all das, was ich gelernt hatte, über den Haufen hätte werfen können. Seit dem ertrage ich, wie Typogebote und Ästhetik mit Füßen getreten, bzw. mit Mäusen vergewaltigt werden. Das Schlimme ist, dass das Bewusstsein für solche völlig unsinnigen/unnötigen Peinlichkeiten immer mehr abzunehmen scheint. Ich wäre für so etwas damals hochkant rausgeflogen.
R::bert
Mein erster Gedanke: warum nicht in Myriad? Aber das Cover jetzt so zu »entapplen«, das Foto so zu entstellen, ist absolut respektlos, gar verachtend gegenüber dem Gründer, seinem Lebenswerk und vor allem Steve Jobs als Mensch selbst.
Die Schreibweise »C.Bertelsmann« spricht ja schon Bände über typo- und orthografisches Verständnis sowie Selbst-Wertschätzung des Verlages. Für meine Begriffe gehört der Inhalt dieses Buches in verantwortungsvollere Hände.
Knruxelchen
Besten Dank, Ihr habt natürlich allesamt recht, es ist respektlos.
Stefan
»Der Byzantinische Bilderstreit war eine Zeit der leidenschaftlichen theologischen Debatte in der damaligen orthodox-katholischen Kirche und dem byzantinischen Kaiserhaus während des 8. und 9. Jahrhunderts, in der es um den richtigen Gebrauch und die Verehrung von Ikonen ging. Die beiden Parteien wurden als Ikonoklasten (Ikonenzerstörer) und Ikonodulen (Ikonenverehrer) bezeichnet.« (auf die Schnelle aus der Wikipedia)
Fragen die beim Betrachten der Bilder und Lesen des Artikels auftauchen:
– Warum macht Bertelsmann sowas? Es scheint mir völlig unnötig. Wollte der Urheber des Original-Covers so viel Geld?
– Auch wenn das deutsche Bild offensichtlich verzerrt ist, könnte das englische nicht auch durch Objektiv, Fotograf oder Nachbearbeitung verzerrt sein, und wäre das noch im Rahmen des »Erlaubten«? Was sind die richtigen Proportionen einer Steve-Jobs-Abbildung, und wer legt sie fest?
– Ich habe zuerst die deutsche Version des Covers gesehen, und mir gedacht: »In das Cover hat Steve Jobs also korrigierend eingegriffen und das soll das Ergebnis sein?« Wie konnte ich dem Original-Cover entgehen, bis mich das deutsche in die Irre führen konnte?
– Ist es so, dass man sich automatisch mit den Verdiensten von Apple auskennt, wenn man Gestalter ist, und wenn ja, wie kommt das? Verwendet man automatisch einen Mac (und hat vermutlich ein iPhone in der Tasche) wenn man Gestalter ist? Ich finde, dass genau diese offenbar verbreitete Grundannahme erschreckend unreflektiert ist, und das passiert genau Leuten, die immer alles hinterfragen sollten, um gute Arbeit machen zu können. Ein blinder Fleck? In manchen Dingen doch nicht so verschieden zu Leuten mit »niedrigem Bildungsstand«? Wenn ich einen Mac verwende, dann weil das Werkzeug mir unter den bestehenden Angeboten bestmöglich helfen kann – nicht weil Steve Jobs Helvetica mochte oder Jonathan Ive die USB-Anschlüsse an unmöglichen Stellen anbringt, damit man sie nicht sehen muss.
– Da der Buchumschlag Verkaufsmedium ist: Ist die Information, dass das die authorisierte Biographie ist, für den potentiellen Käufer nicht sehr interessant? Ich könnte ja auch an »Die wahrste Wahrheit und die dunklen Geheimnisse von Steve Jobs« geraten, geschrieben von irgendwem. So wüsste ich zumindest, dass das, was da drin ist, kanonisch ist. Aber das übertriebene(?) Weglassen von vielleicht auch Relevanten(?) ist ja auch Apple-typisch. Dafür sieht es auch maximal einfach und schön aus.
Matthias
Ich möchte noch einen anderen Aspekt darlegen: Abbildungen beeinflussen unsere Wahrnehmung. Es ist wissenschaftlich belegt, dass sich z.B. die Präferenz bezüglich der Beinlänge (und damit Schlankheit) von Frauen direkt und vor allem nachhaltig beeinflussen lässt durch die gezielte Präsentation offensichtlich (!) manipulierter Abbildungen mit grotesk „verlängerten“ Beinen. (Btw.: Es gibt noch mehr Beispiele und es geht hier auch nicht nur um die Wahrnehmung von Männern!)
Was also bei der scheinbaren Bagatell-Sünde der disproportionalen Verzerrung des SJ-Portraits eigentlich zu Tage tritt, ist der erschreckend naive und reflektionsfreie Umgang mit Fotografie. Als ob der einzige Maßstab für Abbildungen sei, dass ein Bild optimal ins Format passen müsse. Die Verwendung einer Extended AG (ist das so?) statt einer Neuen Helvetica ist da schon fast ein Kavaliersdelikt und überrascht mich nach alledem auch nicht weiter.
paul
Ihr Lieben,
es ist genau umgekehrt: Für die US-Ausgabe wurde das Foto von Steve Jobs gestaucht, damit er schlanker aussieht.
Petra C.
Ist ja voll dämlich auf einem Blog über Typographie über Gestaltung und Schriftarten von und auf Buchcovern zu schreiben. Schreibt gefälligst über die dritte Welt und existenzielle Nöte, bevor das Internet voll ist und nichts mehr reinpasst.
m-|
Christian Büning
Lieber Jürgen,
vielen Dank für diese Cover-Kritik. Mehr davon, das hebt die Laune und die Qualität. Weiß Bertelsmann eigentlich, dass über seine(n) Designer gekichert wird?
Jürgen Siebert
Danke, Christian.
Noch ein paar Fotos zur Vertiefung der Diskussion:
Morphix
Warum liest ihr denn die Deutsche ausgabe?
Anderer Jürgen
Hier mal ein kleiner Sprung in die Bresche der deutschen Buchtitel-Gestalter: Ich habe das Gewerbe der Buchcovergestaltung eher als Fließband-Arbeit kennengelernt. Während man neidvoll auf angloamerikanische Kollegen guckt, die grundsätzlich Inhalt des Buches, die Biografie und Eigenheiten des Autors kennen und obendrein Muße haben, geschichtliche oder gesellschaftliche Bezüge herzustellen, wird einem hierzulande ein knappes, aber verbindliches Briefing eines noch nicht erschienenen Titels auf den Tisch gelegt. Drei Zeilen Inhaltsangabe und Autoreninfo ist da schon viel, ein Gegensatz zu der Zeit die man für die Gestaltung aufwenden darf. Das funktioniert oft genug nur, weil sowieso alles bis ins Detail von den Verlagen vorgegeben wird („so wie die US Ausgabe, aber ein bisschen anders, vielleicht ne andere Schriftart?“). Einen Dialog gibt es nicht, das unantastbare Votum der Vertreterkonferenz entscheidet.
Die Kritik an den Gestaltern, die oftmals gerne würden, aber weder dürfen noch entsprechende Spielräume bekommen, zielt ins Leere, die an der totalen Unterwürfigkeit gegenüber den Wünschen oder Erfahrungen der Controller und Vertreter/-käuferfraktionextremen, der extremen Phantasielosigkeit und gestalterischen Skrupellosigkeit auf der Seite der Verlagshäuser ist in meinen Augen mehr als berechtigt.
Christian Büning
@ Anderer Jürgen: Ich kann deine Sichtweise bestätigen. Ich habe mit 15 Illustratoren zusammen eine Etage geteilt und immer die ernüchternden Momente erlebt, wenn die Titel-Entwürfe eintrafen. Die Lektoren haben eine erschreckend schlechte Ausbildung in Typografie und den Verlagen ist es offenbar nicht wichtig. Ich war immer wieder überrascht, dass renommierte Verlage typografischen Nonsens und stilistisch Unsagbares durchgehen lassen.
Viele Illustratoren sind dazu übergegangen, den Titel komplett mitzuliefern, um typografische Totalausfälle zu vermeiden. Schließlich steht deren Name mit auf dem Titel. Das geht sogar soweit, dass die Illustratoren das Hand-Lettering bei Profis einkaufen und selbst bezahlen – nur um gute Bücher zu machen.
Ein Fall blieb mir besonders in Erinnerung: Eine Illustratorin setzte sich mit dem Grafiker zusammen im Verlagshaus an die Seiten und kümmerte sich mit um die Typo. Das Ergebnis: Eine Auszeichnung bei den schönsten Büchern Deutschlands. :)
HD Schellnack.
Es ist ja verblüffend, dass dieses Thema erst bei Apple-Gründer Jobs hier aufkommt. Deutsche Covergestaltung amerikanischer Titel ist seit langem in vieler Hinsicht ein Alptraum – Isaacson kommt hier noch insofern gut weg, als dass ihm wenigstens kein Übersetzer (oder die Marketing-Volontäre) einen schnittigen deutschen Titel, der nichts mit dem Original zu tun hat, verpassen… was bei 80% der US-Titel in Deutschland der Fall ist. Das Buch heißt also nicht «Peter Müller» oder «Apple-Mania – von der Garage zum Weltkonzern» o.ä. Ich erinnere mich, dass Jonathan Carroll irgendwann angesichts ausländischer Titelgestaltung seiner Bücher frustriert kommentierte, als Autor ende sein Einfluss über die eigenen Bücher, sobald er sie beim Verlag abgibt.
Schlimmer sieht es hinter dem Umschlag aus, wo die Übersetzungen haarsträubend sind. Mein Favorit ist neben den grandios miesen Urs-Widmer-Übersetzungen von Chandler noch immer Neil Gaimans/Terry Pratchetts «Good Omens», wo schon der erste Satz des Übersetzers einfach den Original-Gag im Wiegenbettchen erstickt und sich danach Kapitel um Kapitel zum literarischen Genozid hocharbeitet. Schön kommentiert hat Sven Böttcher seine eigene Übersetzung von Groucho Marx’ Biographie «Groucho und ich» damit, dass seine eigene Übersetzung nicht unbedingt besser sei als die seiner Vorgängerin – aber immerhin vollständiger. Die Dame hat nämlich, da von Golfer-Know-how weitgehend unbeleckt, kurzerhand ein ganzes Kapitel weggelassen :-D. Die Beispiele sind endlos, ehrlich gesagt.
Es ist also keineswegs nur die Schriftwahl oder der lieblose Umgang mit Albert-Watson-Photos, sondern eine ganz grundlegende Realität im Buch-Lizenzgeschäft. Es gibt durchaus Länder, die liebevoll mit ausländischen Autoren umgehen, wo die Covergestaltung sogar ausgesprochen besser ist als die Originale (Italien und Polen fallen mir da etwa ein), aber in Deutschland ist es meist eher umgekehrt.
Jürgen Siebert
Danke an Christian und Jürgen: Natürlich geht die Kritik nicht allein (oder sogar fast gar nicht) an die Gestalter, sondern an den Verlag … daher meine Überschrift: Es gibt dort keine Kontrollfreaks. Ein bisschen mehr Liebe zum Produkt würde auch schon reichen …!
R::bert
Danke Jürgen (# 38)!
Textausrichtung Buchrücken, Schriftwahl Innenteil (»Ein seltsames Paar …«) und Fotodarstellung finde ich bei der deutschen Ausgabe sogar besser gelöst. Das war es dann aber leider auch.
Seltsam, dass im Innenteil auch die Myriad zum Einsatz kommt. Es fällt im Allgemeinen auf, dass Cover und Mengensatz gestalterisch und typografisch oft keine Einheit ergeben. Und das ist scheint kein ausschließlich deutsches Problem zu sein.
Bzgl. »Gute Typografie, jetzt« würde ich gern anregen, dem Abhilfe zu schaffen und bei Schriftwahl etc. übergreifend linear zu verfahren.
Würde mich auch brennend interessieren. Es wäre jedenfalls nur fair, C.Bertelsmann mit Deiner/unserer Kritik Jürgen direkt zu konfrontieren und vielleicht mehr Positives bewirken als bloßes Anprangern. Was meinst Du?
Jürgen Siebert
Würde ich bei Spiegel Online oder der ZEIT sitzen, hätte ich selbstverständlich (schon vor dem Verfassen des Beitrags) am Hörer gehängt und Statements von Verlagsseite eingeholt. Ich bin aber kein Journalist (hauptberuflich), sondern ein Blogger. Als ein solcher sehe ich etwas und sag’ meine Meinung dazu (Kundensicht), die kommentiert werden darf. Nach fast 10 Jahren Web 2.0 sollten auch große deutsche Verlagshäuser gelernt haben, wie man mit wenig Aufwand (Google Alerts, RSS, Twitter …) täglich ein Feedback von Kundenseite über das eigene Tun erhält – kostenlos. Wenn C.Bertelsmann das hier nicht erfährt und daraus lernt, dann haben sie es auch nicht anders verdient …
Bert Vanderveen
The typography of the Little-Brown edition is of average to bad quality — the Didone used for the Chapter titles and headings is too light in relation to the body type and has not been kerned to regulate bad letter combinations.
The body type suffers from way too wide wordspacing, the designer apparantly felt that kerning troublesome numbers like ‘1’ was too much of an hassle, faux small caps have been use in the folio’s, the italic paragraph titles are lumpish, etc., etc.
But still, it is an exciting book to read : )
StefanB
Ist da was dran? Quelle? Wenn ja, würde es ja einen Teil der Diskussion – nicht den Kern – völlig ad absurdum führen …
Heiko
@ 47 | StefanB: Ich habe mal g’schwind das Buchcover über einen Screenshot der Apple.com-Todesanzeigenseite gelegt. Das beweist zwar erstmal nichts, gibt aber zumindest einen Hinweis auf das Wertlegen auf Konsistenz im amerikanischen Sprach/Kulturraum. ;)
Grüße
/H
Jason
pwnd…
Jürgen Siebert
Das Originalfoto, in Farbe …
Das Originalfoto in der ursprünglichen Funktion auf der Apple-Website …
Google-Suche nach „albert watson“ und „steve jobs“ …
StefanB
Besten Dank, wäre diese Frage auch geklärt. ;)
R::bert
@ 37 | Christian Büning
Ja. Und es gibt positiven Dialog. Ein schönes Wochenende!
Tobsen
Leicht OT: Gibt es gestalterisch und Inhaltlich einen Unterschied zw. den US- und UK-Ausgaben?
John
Weiß jemand was in der deutschen Version mit Kapitel 21 „Family Man: At Home with the Jobs Clan“ passiert ist? Die deutsche Version enthält daher nur 41 statt 42 Kapitel.
Gérard Dirks
Es geht noch schlimmer.
In die Digitale Ausgabe sind die Kapital noch anders verteilt :-(
Ich habe das gefühl die habe 2 Kapitel zusammengefügt. Muss Sie mal inhaltlich miteinander vergleichen.
In English gibt es
CHAPTER TWENTY:A Regular Guy: Love is just a Four-Letter Word
CHAPTER TWENTY·ONE: Famlly Man: At Home with the Jobs Clan
CHAPTER TWENTY·TWO: Toy Story: Buzz and Woody to the Rescue
Kapitel 20 Ein gemachter Mann: Love is just a Four Letter Word
Kapitel 21 Toy Story: Rettung naht für Buzz und Woody
Hat jemand mal alle 4 Inhaltverzeichnisse (Buch US/Buch DE /Online US/Online DE gelistet um die differencen zu sehen. BTW. In die US Ausgabe ist das Inhaltverzeichnis vorne drin, in die Deutsche ganz hinten. Wäre für eine Biography doch sehr wichtig um schnell gewisse Lebensphasen zu finden. Ich wurde vorne suchen, aber dies ist wohl weil ich nicht in Deutschen Raum aufgewachsen bin ;-)
Wo ist war Regisseur der mit diese 6 Übersetzer komponieren sollte?
Felix von Pless
Das ist ja lustig, weil ich mich schon so darüber aufgeregt hatte, dass ich C.Bertelsmann schrieb, was dann soll und warum.
Die Antwort lies nicht lange auf sich warten:
Sehr geehrter Herr von Pless,
wie Sie richtig bemerkt haben, ist durch den deutschen Untertitel und die so entstandenen insgesamt drei Textzeilen in der Titelgestaltung das Coverfoto in Abstimmung mit dem Autor geringfügig verkleinert worden (wie übrigens auch schon der US-Verlag das Originalfoto geringfügig verkleinert hatte).
Wir hoffen, dass Sie sich dadurch nicht vom Kauf des Buches abhalten lassen.
Beste Grüße
Arno Matschiner
Aus meiner Sicht ist diese Antwort banal und zudem nicht richtig, was aufgrund der Beweisfotos hier offensichtlich nicht stimmen kann.
Leider ein Beweis dafür, wie die Deutschen anscheinend immer ein Problem damit haben, vorbildliches Design zu übernehmen oder einfach mal den Übersetzer zuhause lassen. Den Deutschen wird auch einfach zu wenig zugetraut, denn wer brauch schon diesen Zusatztitel, wenn er sich dieses Buch kauft?
Sebastian Nagel
@56:
Gerade der Untertitel ist doch die einzige nützliche Änderung von der englischen zur deutschen Version.
Sie enhält den – für mich als Interessenten wertvollen – Hinweis, dass diese Biografie von Steve Jobs authorisiert ist, also die „offizielle Leseart“ über Steve Jobs sein wird, und nicht etwa eine, die irgend ein Hansel mal eben aus diversen Quellen zusammenkopiert hat, gewürzt mit Interpretation und Lückenfüllern.
Dass der Hinweis im Original fehlt, ist zwar „typisch reduziert“ für Steve Jobs, aber eben auch symptomatisch für den Überreduzierungswillen bei Apple, der das Aussehen zwar unschlagbar schön macht, aber dabei eben schon Aussehen vor Funktion stellt.
(Dass man den Untertitel aber auch anders hätte unterbringen können als es Bertelsmann hier gemacht hat, steht außer Frage.)
StefanB
Soso, ein Bild zu stauchen nennt man bei Bertelsmann verkleinern. Am besten ist aber tatsächlich die Begründung: Wenn der US-Verlag das Bild (angeblich) bereits verzerrt hat, dann tut es auch nichts zur Sache, wenn wir es noch etwas mehr verzerren …
Tobsen
Gerade hab ich auf stevejobsthebiography.com gefunden:
Statement regarding Steve Jobs: The Exclusive Biography
Following discussion online regarding differences between the US and UK editions of Steve Jobs: The Exclusive Biography, Little, Brown UK can confirm that the page length for the UK edition is 656 pages – the same as the US edition – and that there is no difference between the two in terms of content.
se
so ein bullshit
Grün= Original
Rot = Bertelsmann
Farbe = Albert Watson
Jürgen Siebert
Eine solche Information ließe sich mit einem Aufkleber (auf der Einschweißfolie) elegant unterbringen. Ja, das kostet ein paar Cent, dafür hätte man jedoch den Original-US/UK-Umschlag unangetastet übernehmen können. Der Sticker wäre auch nur am POS einzusetzen, Amazon-Exemplare benötigen ihn nicht, weil es auf der Website eine Produktbeschreibung gibt.
Rene Hartmann
Anscheinend meinte man, das Cover dem Geschmack und den Sehgewohnheiten des durchschnittlichen deutschen Lesers anpassen zu müssen. Gut möglich, dass dem das Cover sogar besser gefällt als das Original. Nur sieht es eben aus wie das Cover irgendeiner Biografie, der Bezug zur Person Steve Jobs ist verlorengegangen.
koni
Häääääähhhhh?????????
R::bert
@ koni
Steve Jobs = Purismus = weniger ist mehr (jedenfalls beim Produktdesign)
Das hört man auch noch mal gut bei der Apple-Abschiedsfeier heraus.
koni
@R::bert:
schon klar.
Aber der Unterschied zwischen der US/UK- und der D-Version ist doch nicht so, daß man davon sprechen könnt, daß der Bezug zu SJ verloren gegangen wär. Es ist die Frechheit, an seiner Physiognomie rumzudoktern, die zu beklagen ist. Die typografischen Unterschiede sind ja eher vernachlässigbar. Zumal ja beide Covers von einer meiner Meinung nach eher ausdruckslosen Fotografie dominiert werden.
Der Schweizer
Sehr geehrter Herr Siebert,
auch mir ist es mehr als rätselhaft, warum am Cover der deutschen Ausgabe derart herumgepfuscht wurde. Meine Ratlosigkeit steigt allerdings ins unermessliche, wenn ich sehe, dass viele der Kommentare diese „Maßnahme“ auch noch in Schutz nehmen. Als Schweizer Architekt und Designschaffender lebe ich seit über 5 Jahren in Berlin. Herr Siebert, warum wird eigentlich hierzulande von freischaffenden wie angestellten Gestaltern so viel schlechte (aber sicherlich gut bezahlte) Form produziert (dasselbe gilt für den Bereich Architektur)? Meine Ernüchterung wird täglich größer, zumal ich selbst um jeden noch so winzigen Auftrag kämpfe. Was ist hier los? Haben Sie eine Antwort für mich?
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Schweizer
R::bert
@ koni
Ich fasse noch mal zusammen: aus einem einzeiligem wurde ein dreizeiliger Titel plus Verlagsmarke. Von der Helvetica wurde sich verabschiedet und das Portrait wurde gestaucht.
Das Ganze riecht leider stark nach einer Haltung, die folgendes Video schön beschreibt. Das diese mehr Schaden anrichtet, zeigt das Ende: The Process
; )
Twix Raider
Kinder, wisst ihr denn nicht, dass Bertelsmann die Gestaltung komplett nach Taiwan outgesourced hat? Das erledigen schon lange minderjährige Produktpiraten, die bei Foxconn lebenslänglich absitzen, also durchschnittlich 12 Jahre…
Paulimausi
Leider ist nicht nur das Design der deutschen Ausgabe schlecht. Und ich finde eigentlich alles schlecht: Der Titel ist negativ verändert. Die Rückseite ist abgeschmackt und gegenüber dem Original eine völlige Verhunzung. Die Typografie im Inneren ist eher schäbig. Warum hat man nicht einfach die Gestaltung des Originals übernommen?
Aber es ist auch noch die Übersetzung schlecht, jedenfalls soweit ich das sehen kann. Aus
wird
„Zu mir“?
Aus
wird
„Die Time“? … präsentiert Produkte? Steve Jobs war „ungehalten“, um ein Produkt auf den Titel des Time Magazine zu bringen? WTF?
Roger
Was soll an der Akzidenz Grotesk falsch sein? Immerhin ist sie die Vorlage für die Helvetica. Die Helvetica ist eine Akzidenz Grotesk mit grösserer x-Höhe und die Buchstaben wären bei gleicher Höhe breiter. Deswegen ist auch der Zeichenabstand grösser. Die Schrift braucht also mehr Platz in der Breite und hat eine grössere x-Höhe. Ansonsten ist sie die Akzidenz Grotesk.
Stephan Wiessler
Jaja, die gute Kontrolle. Man kann sich echt leicht unglücklich machen…