Sexy und arm: BDG ermittelt Designer-Einkommen
Gut ein Viertel der Kommunikationsdesigner lebt von weniger als 15.000 € Nettoeinkünften pro Jahr. Das ist die ernüchternde Bilanz einer Online-Umfrage, die der BDG Berufsverband der Deutschen Kommunikationsdesigner e. V. unter angestellten und freiberuflichen Kommunikationsdesignern vom 13. 1. bis zum 19. 1. 2010 durchgeführt hat. 15.000 € pro Jahr, das sind 1.250 € monatlich für eine Berufsgruppe, die eigentlich gesellschaftliches Ansehen genießt.
Ein seltsames Ungleichgewicht ist zu beobachten: Design ist innerhalb der Kulturwirtschaft ein gewichtiger Faktor geworden. Im Jahr 2006 verzeichnete der Bereich Kommunikationsdesign einen Umsatz in Höhe von 12,6 Mrd. €.* Das sind Summen die unendlich weit von der Lebenswirklichkeit der meisten Designer entfernt sind. Lediglich ein Drittel der 1.016 Teilnehmer der Umfrage gab an, mehr als 25.000 € jährlich zu verdienen.
Im Jahr 2006 bewegten sich 120.000 Designer auf dem Markt, darunter waren in etwa 92.000 Kommunikationsdesigner.* Rechnet man die Zahlen der Umfrage des BDG hoch, so ist davon auszugehen, dass in etwa 23.000 Kommunikationsdesigner jährlich weniger als 15.000 € netto verdienen. Das sind zum großen Teil Designerinnen und Designer mit einem Hochschulabschluss, die laut unseren Ergebnissen durchschnittlich 43 Stunden die Woche arbeiten. 7 Prozent der Teilnehmer (das wären hochgerechnet 6.440 Designerinnen und Designer) gaben gar an, dass sie Nettoeinkünfte zwischen 0 und 5.000 € jährlich erzielen. Das ist nicht nur ernüchternd, das ist bitter.
Die Umfrage des BDG ist eine Reaktion auf eine Gehaltstabelle, die im »Stern« vom 7. Januar 2010 veröffentlicht wurde. Danach verdienten Grafiker und Designer monatlich 4.690 € brutto im Jahr 2008. Seit 1990 haben sie damit eine Gehaltssteigerung um 85 Prozent erzielt. In einer kleinen Anmerkung wird darauf hingewiesen, dass in diesem Fall die Anzahl der Befragten weniger als 25 betrug. Es wird Zeit, ein realistisches Bild vom Traumberuf Kommunikationsdesigner zu malen.
Die Dokumentation der Umfrage finden Sie hier (PDF, 4 Seiten, 500 KB)
(Quelle für Text und Bild: BDG)
–––––––––––––––––
* Die Zahlen entstammen einem Forschungsgutachten, das der Kulturwirtschaftsforscher Michael Söndermann im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie erstellt hat.
53 Kommentare
Kommentarfunktion ist deaktiviert.
<em>kursiv</em> <strong>fett</strong> <blockquote>Zitat</blockquote>
<a href="http://www…">Link</a> <img src="http://bildadresse.jpg">
Henning
Schickt diese Zahlen bitte an alle Hochschulen und macht sie zur Pflichtlektüre der Einführungsveranstaltungen der Erstsemester. Das meine ich sehr ernst, in meinem Studium wurde eine ernsthafte Gehaltsprognose nicht ein einziges Mal erwähnt. Es ist wichtig zu wissen worauf man sich da einläßt, dann kann man wenigstens eine fundierte Entscheidung über seine eigene Zukunft treffen.
Bonk
Ich würde wetten, das die Sache bei Architekten gleich bis schlimmer aussieht. Das Bild bietet sich mir zumindest, wenn ich so auf meinen Bekanntenkreis blicke. Leben am Existenzminimum bei unvergüteten Überstunden/Wochenenden. Noch so ein Berufszweig, dem das lange schon nicht mehr der Realität ensprechende Großverdienerimage anhaftet. Von Leidenschaft alleine kann man leider nicht leben. Traurig.
Matthes
Darunter gibt es jedoch auch genügend, die sich ein Studium hätten sparen können, in fast allen Bereichen mangelt es heutzutage an Qualität und Verstand und der Wertschätzung einer Arbeit. – Darin liegt das Problem.
Zum anderen gibt es hier auch keine Differnzierung, wie die „Arbeit“ aussieht, ob mit fundierter Recherche und konzeptueller Überlegung, oder einfach nur „cool designen, Kaffee trinken und facebook-en“. Hysterie, Mac, Kaffee und Design-/Studenten passen heutzutage sehr gut zusammen – relativ treffend pointiert : ( http://www.youtube.com/watch?v=QrlffgnuIko )
Heiner
Ergebnisse einer Internetumfrage als „Pflichtlektüre“? Ich weiß ja nicht. Eine nicht-repräsentative Umfrage hätte gereicht – die repräsentative fehlt immer noch.
Heiner
via dasauge
guest
tja, da heißt es wohl: arsch zusammenkneifen und nicht immer jedes unbezahlte praktikum mitmachen, nicht länger unbezahlte überstunden machen und sich einfach nicht mit einem lehrlingsgehalt bei gleichzeitiger langer ausbildung an einer FH/uni abspeisen lassen.
aber man sieht´s ja immer wieder: die nächste generation wartet schon sehnsüchtig auf die jahrelange praktika-trainee-verarsche der design-butzen.
die lassen sich ihre minderwertigkeit gut einreden.
thomas junold
matthres: das kann man so sicher nicht sagen, da deine aussage impliziert, dass eben genau diese leute a) den BDG kennen, und b) an so einer umfrage teilnehmen um darauf hinzuweisen, dass sie zwar cool aber arm drann sind. es gibt durchaus fähige leute, die eben keinen job finden oder nicht die passenden aufträge. ich finde deine aussage ein wenig zynisch. sorry!
rob robbt
Profilierung und Überstunden als Statussymbol über alles.
In Zeiten in denen „das im Netz suchen“ vor individuellem denken geht; Ideen zu kopieren und einzufügen anstelle selber etwas Mutiges zu entwickeln – das habe ich in einer sehr renomierten Werbeagentur miterlebt – sind 15.000 netto viel zu viel! Aber der „hip“-Status eines „Designers“ scheint in seinen Kreisen einen höheren Stellenwert zu haben, als solides, gut durchdachtes Kommunikationshandwerk.
Kurz: Wer keine Werte schafft, hat auch keine verdient.
Das ist der Grund für diese vollkommen überzogenen Scheinwerte einer Branche, die mit den echten Werten (Geld, Wertschätzung der eigenen Arbeit, Wertschätzung der Arbeit anderer, ohne sie zu kopieren) rein gar nichts mehr zu tun haben. Scheinwerte für Scheinarbeit.
Arbeitgebern kann es nur Recht sein, wenn Junioren in Zukunft sogar umsonst für sie arbeiten, um sich mit Awards zu dekorieren.
Der Angeber Directors Club – Award ist stärker als der Euro.
Hat denn die Jugend gar keine Eier mehr?
thomas junold
kann mal bitte jemand etwas konstruktives schreiben? was soll denn diese maulerei? und dann wundert ihr euch, dass euch keiner ernst nimmt?
machts doch selber besser, versteckt euch nicht hinter anonymen. leute, bei aller liebe ihr habt doch selber keine eier in der hose.
Henning Krause
Zu Bonk (#2):
In der Tat. Die Bundesarchitektenkammer (die machen so eine Befragung regelmässig) hat in ihren Zahlen ein Drittel auf Hartz-IV-Niveau ermittelt.
Henning Krause
Zu Heiner #3+4:
Für Repräsentativität braucht es hieb- und stichfeste Informationen wie sich die zu untersuchende Gruppe nach Alter, Geschlecht, Bildung etc . zusammensetzt. Diese Informationen hat derzeit niemand zu bieten. Was hätten wir also machen sollen? Keine Untersuchung veröffentlichen oder über die wissenschaftliche Aussagekraft lügen? Ich verstehe die Argumentation nicht.
Henning Krause
rob #8:
Teilweise kann man das Segment der niedrigen Einkommen auch aus fehlender Professionalität heraus begründen. Das war, besonders in den vergangenen Boom-Jahren, ein beliebter Erklärungsansatz. Doch fehlende Professionalität kann unseres Erachtens den Marktzustand nicht erklären. Bei gesteigerter Professionalität würde der Wettbewerb um die Aufträge dann eben einfach professioneller geführt. Letztlich ist für uns die plausibelste Erklärung, dass die Nachfrage nach Design für die Anzahl der Anbieter zu gering ist.
Henning Krause
Zu Henning #1:
Hallo Namensvetter! Na, ob das hilft? Sicherlich gibt es hin und wieder jemanden, der oder die den Designberuf nur ergreifen möchte, weil es gut klingt und irgendwie schick ist. Doch dass man mit den Einkommensaussichten viele Menschen abschrecken kann, bezweifle ich. Die meisten sind Überzeugungstäter. Die kann kein noch so mieses Einkommen abschrecken, so wenig wie bei Schauspielern oder Musikern.
thomas junold
danke henning krause. :)
ich habe letzten bei einem meiner studenten im webmailfenster aus den augenwinkeln mails von »MyHammer« gesehen. wer klärt die leute auf, dass das ein schlechter einstieg ist?
Simon Wehr
»wer klärt die leute auf, dass das ein schlechter einstieg ist?«
Thomas, ich hoffe doch sehr, dass Du das zum Beispiel bei deinen Studenten tust!
thomas junold
simon. ich habe gerade eine mail rausgeschickt. ich hoffe, dass sich eine kleine diskussion entwickelt.
verena
@14
Die Antwort ist doch klar: Du. Wir alle. Es fängt bei der eigenen Nase an. Maulen hilft nichts. Es gibt fantastische Designer, die umsonst arbeiten, wenn der Job toll ist. Auch in den oberen Reihen. Sind nicht nur die »kleinen«. Das ist wie die Sache mit den Magermodels – es will natürlich keiner gewesen sein, der das toll findet, aber wenn man die Branche selbst anschaut, kann man ganz schnell ahnen, dass sich da nie was ändern wird.
Es würde einen riesen Berg an ganzheitlichem Denken erforden, die Zustände bei uns zu ändern, und ich bezweifle, dass diese Fähigkeit ausreichen vorhanden ist.
Dickes Dankeschön an Henning.
rob robbt
zu HenningKrause#12
Das mag sicherlich stimmen. Es gibt wahrscheinlich wirklich zu viele Kommunikationsdesigner für zu wenige Aufträge. Das ist mit Sicherheit mit ein Grund dafür, das jeder immer lauter schreien muß, wie toll er ist (vor allem ins Internet – Facebook, twitter ect.). Die zahlreichen Umschulungsmaßnahmen zum Mediengestalter in den 90er Jahren haben diesen Umstand nicht grade verbessert. Ebensowenig die Zunahme von Designprivatschulen, deren Plakate in jeder S-Bahn hängen. Ich habe schon des Öfteren überlegt, einen neuen Beruf zu erlernen, in dem ich das gleiche Geld bei einer 40h/ Woche bekomme anstelle bei einer 60-70h/ Woche, obwohl mir der Beruf als Kommunikationsdesigner liegt.
Bei der Berufsberatung sagte man mir, daß ja eigentlich alle das machen wollen, was ich mache – ich scheine also eine Ausnahme zu sein, den umgekehrten Weg gehen zu wollen.
Was einfach schade ist, (vielleicht ist es auch nur mein Gefühl, weil ich zu lange in den falschen Agenturen tätig war), das es nur darauf ankommt, sich im besten Licht zu präsentieren und überdimensionale Luftblasen aufzupumpen, anstelle gute Arbeit abzuliefern, die auf kollegialen Weg entstanden sind und zum Kunden passen.
Ich möchte einfach nicht ausschliesslich mit in dieses riesige Megaphon schreien und alle Spotlights auf mich richten müssen, um erfolgreich zu sein, kann aber verstehen, daß es bei einigen dabei um Existenzsicherung geht. Bei vielen aber auch ausschliesslich im Gewinnmaximierung. Eigenwerbung ist natürlich unerlässlich, wenn dies aber zum Kern des täglichen Geschäfts mutiert, kann was nicht stimmen.
Sebastian Nagel
Ein paar lose Gedanken von einem der sowohl angestellt als auch freiberuflich tätig ist (und der mit seinem einkommen „zufrieden“ ist – weder prekariat noch luxus):
– angestellte „Mediengestalter“ machen letztlich schlichtweg Ausführung, Produktion. Produktion war noch nie sonderlich gut bezahlt.
– angestellte „Grafiker“ erhalten erfahrungsgemäß auch mehr Geld. „Grafiker“ wird man meiner Erfahrung nach durch visuelle Begabung und Training, sowie durch Kombinationsgabe, Wille zur Beobachtung und zum Blick über den Tellerrand. wer das nicht schafft, hat es in einem überschwemmten job-markt schwer sich zu profilieren.
– Freiberufliche gehen oft ziemlich blauäugig in die Selbstständigkeit, d.h. ohne echtes Profil, ohne Spezialisierungsgebiet (fachlich und thematisch), ohne überzeugende Selbstdarstellung, und vor allem: ohne eine konkrete Geschäftsgelegenheit. Sie haben einen Rechner und Software, gestalten ein Logo und Briefpapier, und warten dann auf Aufträge. Da wird es schwierig, sich in einem überschwemmten Markt durchsetzen zu können.
hannes
also, zunächst, ich finde es toll, dass diese umfrage gemacht wurde und dass die ergebnisse hier präsentiert werden. vielen dank dafür.
mich würde, da selber angestellt, eine noch tierfergehende auswertung der daten im hinblick auf unterschiede zwischen angestellt und freiberuflich sehr interessieren; fragen wären z.B.
_ arbeiten freiberufler mehr stunden als angestellte?
_ kommen freiberufler und angestellte auf vergleichbare durchschnittliche (netto)stundensätze oder jahreseinkommen oder gibt es da eine lücke?
_ bedeutet „bessere“ ausbildung mehr geld?
_ fände es auch interessant, die oben gezeigte einkommensverteilung einmal nach angestellt und selbständig differenziert zu sehen, wie ist da die streuung?
_ wie sieht es heutzutage mit quereinsteigern aus? gibt es die noch in agenturen?
_ sind angestellte zufriedener mit ihrer entlohnung als selbständige?
Henning Krause
zu rob #18:
Ob einer das große Mega/Giga/Teraphon-Wettrüsten mag oder nicht, ist ein Frage individueller Beurteilung. Auch das ist Kommunikatonsdesign.
Mich würde interessieren, ob der Erklärungsansatz „Überbevölkerung“ geteilt wird, wie ja auch von Sebastian unter #19 angenommen.
Unsere Umfrage hat im Armenviertel des Einkommens keine erhebliche Häufung von Quereinsteigern oder Nichtakademikern gezeigt. Das spricht unter anderem gegen die Folgen der Umschulerei vor zehn Jahren als Erklärungsansatz. Ich vermute, diese Welle ist bereits verebbt.
Eine interessante Frage ist, ob die Zunahme der Privatschulen eine Rolle spielen könnte, denn wir beobachten in der Praxis häufig, dass Absolventen solcher Privatschulen irrtümlich meinen, sie hätten einen akademischen Abschluss erworben. Ein Irrtum, der seitens der Anbieter durch das Wording («Semester», «Diplom») nach Kräften geschürt wird. Allerdings gibt es durchaus gute Privatschulen, und angesichts der Angebotsfülle fehlt uns die Übersicht.
Ganz sicher ist, dass einen Grund haben muss, wenn ein Viertel der Marktteilnehmer nur noch mit Ach und Krach (oder Mama und Papa) über die Runden kommt.
Henning Krause
zu Hannes #20
Sehr gute Fragen, das eine oder andere werden wir versuchen zu beantworten. Bitte um Geduld.
Sebastian Nagel
@henning (21):
Mein Eindruck kommt daher, dass bei uns in der Region eine Gestaltungs/Mediengestaltungs-Fachhochschule seit nun 12 Jahren Mediengestalter ausbildet – auch mit der Suggestion, durch Praxisbezug in der Lehre danach sofort ein gefragter Abgänger zu sein.
Ich bin selbst dort „rausgekommen“, viele meiner Kollegen und viele geschätzte und konsequent arbeitende Freiberufler und kreative Querdenker ebenfalls – das Konzept funktioniert also für die, die etwas ersthaft daraus machen wollen – wie immer.
Gleichzeitig ist aber zu beobachten, dass es sehr viele Leute da draußen gibt, die auf diese „Praxisbezug“-Aussage angesprungen sind, denen der Beruf „Mediengestalter“ kreativ und abwechslungsreich schien, ein „angenehmer Beruf“ also, und die jetzt Jobs suchen – mehr als es anspruchsvolle Arbeit gäbe.
Die haben dann entweder irgendwann Glück, oder sie begnügen sich mit einem schlecht bezahlten Job (die gibt es).
Oder sie machen sich (oft notgedrungen und halbherzig) selbstständig und sind als Freelancer für Agenturen unterwegs ohne sich je etablieren zu können, oder programmieren Webseiten für Onkels Fliesenleger-Betrieb.
Oder sie tun das ganze als Laune ihrer Jugend ab, und wählen einen anderen Beruf (wobei ihre Ausbildung als Gestalter/Mediengestalter dabei bestimmt kein Nachteil ist).
Sprich: Die Branche ist nicht das gelobte Land, das sich viele vielleicht vorstellen, wenn sie auf der Suche nach einem Beruf diese Richtung einschlagen. Da es trotzdem so viele probieren wollen, herrscht ziemliches Gedränge im (Schein)paradies.
eva m.
Wer so wenig verdient ist echt selber schuld und sollte sicherlich mal über eine umschulung nachdenken!
Marcus Lepie
Danke an den BDG für die Umfrage. Ich finde das Engagement und konkrete Handeln bemerkenswert.
Als Fortführung könnte man vielleicht verbandsübergreifend in naher Zukunft einen weiteren Anlauf unternehmen und versuchen, eine größere Anzahl von Teilnehmern und Teilnehmerinnen anzusprechen und detailreichere Daten abfragen.
Als Best Practice kann hierbei sicherlich die jährlich von ALA durchgeführte Befragung in den USA gelten: http://aneventapart.com/webdesignsurvey
Zieht man in diesem Fragen-Parcours die Punkte ab, die sehr spezifisch auf den US-amerikanischen Raum zugeschnitten sind, erhält man zwar immer noch kein im strengen Sinne repräsentatives Umfrageergebnis, aber zumindest deutlich belastbare Zahlen, die sich auch vielfältiger auswerten und aggregieren lassen.
Eine sehr wichtiger Hinweis in diesem Zusammenhang: es sollte definitv in Zukunft nach dem Brutto- und nicht dem Nettoeinkommen gefragt werden. Zweiteres ist nicht vergleichbar. Ein Student, der nebenher berufstätig ist, hat u.U. keine steuerlichen Abzüge und geringe Sozialversicherungskosten, eine 40-jährige Designerin ohne Kinder mit auskömmlichem Bruttoverdienst aber durchaus.
Gehaltsstudien, wie sie von seriösen Instanzen in verschiedensten Berufsfeldern durchgeführt werden, fragen – nicht ohne Grund – nach dem Bruttoverdienst. Um eine zukünftige Vergleichbarkeit zu gewährleisten, ist dies also eine wichtig Voraussetzung.
Auch – und so intepretiere ich die Erkenntnis-Zielrichtung hinter der Umfrage – steckt im Bruttoverdienst das Maß an monetär zum Ausdruck gebrachter Wertschätzung von Auftraggebern an Designer und Designerinnen. Dies bekräftig das Argument zur Frage nach Brutto zusätzlich (auch wenn privat natürlich das zählt, was am Ende übrig bleibt).
Martin
@Nr.6: Es lässt sich leicht sagen, das man sich die schlechten Bedingungen nicht gefallen lassen soll? Die Alternative ist meistens dann das Arbeitsamt. Als ich mich beworben habe (ich habe 3 Monate gesucht) waren 80% meiner Bewerbungen „Initiativbewerbungen“. Die wenigen, die Jobs ausgeschrieben haben, erwarten direkt 5 Jahre Erfahrung.
Was man ändern kann? Ich weiß es nicht – heutzutage greift alles so eng ineinander das man schwer einen Schuldigen ausmachen kann. Sicherlich sollten Arbeitgeber einfach zum Trotz bessere Konditionen anbieten, aber innen liegt auch der Druck auf das Geschäft aufrecht zuerhalten. Ich kenne mich nicht so in der Preislage aus, aber so wie bei den Druckereien wird alles billiger billiger und billiger. So das der Arbeitgeber auch nicht mehr voll abrechnen kann.
Christian
@ Martin,
ich denke, dass es hier auch darum geht, dass mit Kreativität viel Geld umgesetzt wird, aber davon nicht viel bei den Leuten ankommt, die die Kreativität liefern – den Designern. Keiner wird uns das Geld hinterher tragen, das müssen wir schon selber fordern. Und eben auch nicht für 20 € die Stunde arbeiten.
Gero Willi
Wie haben zu der Umfrage mit dem BDG gesprochen:
Designer-Gehälter: das Interview bei dasauge
blue-skies
Leider wurde mit der Umfrage, deren Ansatz ich auch als Arbeitgeber prinzipiell sehr schätze, eine Chance vertan. Zur Vergleichbarkeit hätte man unbedingt nach dem Bruttoverdienst fragen müssen. Nur dieser ist für den Arbeitgeber relevant, da das deutsche Steuerrecht bekanntermassen gravierend unterschiedlich „zuschlägt“.
sarah
aber das ist bei anderen berufen auch so. u.a. gab es auch vor kurzem eine umfrage unter juristen. dort gibt es ebenfalls eine ganze menge einzelkämpfer, die trotz ewig langem studium oft auch nur um die 1.000 euro verdienen und davon wohnung und kleines büro/kanzlei bezahlen müssen.
bei juristen gibt es einige gut verdienende in großen kanzleien aber auch sehr viele schlechtbezahlte selbständige.
microboy
Erstmal Danke an den BDG. Ich denke die Umfrage ist in Form und Umfang das was in so kurzer Zeit machbar war und reicht für eine grobe Einschätzung der Lage sicher aus. Eine »breitere« Umfrage mit einer genaueren Auswertung folgt hoffentlich in absehbarer Zukunft.
Marcus Lepie
Die brisante Frage der Vergütung von Design stellt sich – dies wird gerade in Foren wie diesem immer wieder deutlich – gerade jungen Designerinnen und Designern sehr dringlich. Sie betrachten die Märkte (noch) aus der ökonomischen Froschperspektive. Hierzu ein paar Anmerkungen zu meinen eigenen Erfahrungen zur vorsichtigen Ermutigung.
Am Beginn einer Laufbahn als Gestalter arbeitet man häufig für seinesgleichen: andere Berufsanfänger – in meinem Fall konkret junge Fotografen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis. Was uns einte war leider: wir hatten als Auftraggeber und als Auftragnehmer kein Geld. Und schlimmer noch: meine Kunden waren erfüllt vom Glauben, als Fotografen natürlich auch Kommunikationsdesign zu beherrschen.
Dies hatte zwei Folgen: wagte ich es überhaupt, meinen Freunden und Bekannten (eben meinen Kunden) gegenüber von Geld zu sprechen – lieber sprach ich über Ideen und versuchte in dieser Atmosphäre süßer Konspiration unter Gestaltern zu verdrängen, dass die Bezahlung ein nicht unwichtiger Teil der Zusammenarbeit ist – so wurde schnell klar, dass 500 EUR mehr an Vergütung für mich für meine Auftraggeber bedeutete, den Sommerurlaub streichen zu müssen.
Die andere Folge der Beauftragung durch junge Kreative war, dass meine Arbeit eher als Rohmaterial für deren eigene Gehversuche auf ihnen unbekanntem Terrain des Grafik- und Webdesigns diente, von dem sie aber glaubten, es würden dort die selben Gesetze wie in ihrem Bereich gelten. Frustration auf meiner Seite und halbgare Ergebnisse waren die Folge.
Dieses Anfangsstadium muss durchlitten werden.
Aus Kunden, die gerade noch wie man selbst Berufanfänger waren, werden langsam, ebenfalls wie man selbst, sattelfestere Unternehmer in eigener Sache, die ihre «Unternehmenskommunikation» bewusst in ihre Budgets einplanen und für die dann eben erwähnte 500 EUR mehr an Vergütung nicht mehr den Sommerurlaub kosten.
Leider – oder aber gottseidank – ist die beschriebene Entwicklung kein Selbstläufer. Zwar mögen die Auftraggeber langsam selber mehr verdienen – sie reichen den Mehrverdienst aber nicht unbedingt freudestrahlend an ihre Dienstleister weiter.
An dieser Stelle wird eine Aufgabe deutlich, die man vielleicht am besten als Entgrenzung des Gestaltungsbegriffs beschreiben kann: Kreative müssen gewissermaßen den Kopf heben, den Blick öffnen und den zu gestaltenden Rahmen erweitern: vom Blatt Papier oder dem Bildschirm hin zur bewussten und aktiven Gestaltung der Beziehung zum Kunden, für den man gerade Feinmarker oder Mauszeiger über jene eben erwähnten Flächen gleiten lässt.
Auf eine andere Art könnte man sagen: die Aufgabe, die sich insbesondere Grafikdesignern stellt, ist der Übergang von symbolischen, mittelbaren Operationen (Manipulation von Pixel, Vektoren, Linien, Flächen) hin zur Gestaltung von Operationen in der «wirklichen» Welt: der unmittelbaren Beziehung zu anderen menschlichen Wesen – darunter auch und gerade zur Gestaltung der Beziehung zu Auftraggebern.
So wie Gestalter letztlich für ihre Auftraggeber nichts anderes tun, als Präsenz zu schaffen, so müssen sie irgendwann erkennen, dass sie diese Präsenz im direkten Kontakt mit anderen Menschen selbst zum Thema machen und aktiv gestalten müssen. Geld bildet in dieser Perspektive den sichtbaren Ausdruck und Gradmesser für den Erfolg, der einem bei den Versuchen der Erweiterung des Gestaltungsraums von der symbolischen Fläche in die Welt des unmittelbaren beruflichen Miteinanders beschieden ist.
Es ist eine gewissermaßen selbstähnliche Denk- und Lebensfigur: jeden Tag versuchen, der Welt ein bisschen vollständiger die Aufwartung zu machen – fachliche Expertise zu mehren, Engagement, Klugheit und Wärme, Ausdauer, Ehrlichkeit und ein Bewusstsein für die eigenen Qualitäten in die berufliche Praxis einfließen zu lassen und alle eben genannten Faktoren nicht nur arbeitsinhaltlich zur Entfaltung bringen, sondern auch auf die Rahmenbedingingen der eigenen Arbeit erweitern: und diese Rahmenbedingen heißen letztlich „Der Auftraggeber“ und meine Beziehung zu ihm.
So wie man selbst – an guten Tagen – einem zwar formschönen aber sinnlosen Effekt mit nonchalanter Geste aus der eigenen Gestaltung wirft – so sollte man ebenso nicht zögern, den Auftraggeber in anderen Zusammenhängen mit ebenso nonchalanter Geste anzurufen und ihm mitzuteilen, dass durch die von ihm gewünschten außerplanmäßigen Änderungen gerade die Budgetgrenze erreicht wird und man gerne die weiteren Schritte in einem neuen Angebot genau beschreibt und beziffert.
Damit man dies tun kann – und hier schließt mein Beitrag mit zwei konkreten Vorschlägen an junge Designer und Designerinnen – damit man dies tun kann, sollte man folgende Vorschläge ernsthaft in Erwägung ziehen:
1) Geht nach Studium und Ausbildung für zwei Jahre in eine große und gut geführte Agentur und verinnerlicht, was auch immer ihr über die Arbeit als Gestalter und als Unternehmer in Erfahrung bringen könnt: wie wird über Gestaltung gesprochen – aber eben auch: wie wird die Arbeit strukturiert, wie hoch sind die Budgets und wie erfolgt das Controlling, welcher Ton herrscht zwischen Creative Director der Agentur und dem Geschäftsführer auf Kundenseite, welche Strategien werden in Meetings verfolgt und welche davon behagen euch, selbst so banale Dinge wie: welche Kleidung sendet welche Signale, welche Art von Ernährung gibt mir Energie und welche zieht mich runter, welche Ansätze verfolgen meine Kollegen, um aus kreativen Tiefs herauszukommen und taugen sie vielleicht auch für mich, sind von Bedeutung. Am wichtigesten vielleicht in diesem Zusammenhang: betrachtet diese Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen nicht als lästige Pflicht, sondern erkennt darin einen vibrierenden und relevanten Raum neuer Gestaltungsmöglichkeiten für euch.
2) Macht euch selbständig, wenn das Bedürfniss danach überdeutlich wird (und tatsächlich erst dann). Beginnt dann von Anfang an, einen bewussten und konstanten selbstreflektierenden Blick auf die eigenen Arbeitsweisen zu entwickeln. Dies bedeutet neben all den bekannten fachlichen Reflexionen auch, dass man konkret lernt, wie viel Arbeitszeit man genau für welches Projekt aufwendet und dies systematisch dokumentiert und auswertet. Und nicht nur erfasst, wie viel Zeit in welches Projekt einfließt, sondern auch, wie viel Zeit für was innerhalb eines Projektes genau aufgewendet wird. Und hier auch und gerade: wieviel Zeit speziell für die Kommunikation mit dem Auftraggeber anfällt – also wieviel Zeit für diese vermeintlich nicht kreative Leistung anfällt, in der aber der Schlüssel zur Gestaltung der Bedingungen der eigenen Arbeit und damit auch der eigenen Vergütung liegen. Liegt der Kommunikationsaufwand unter 20 Prozent, läuft etwas schief.
Nach dem ersten fassungslosen Entsetzen über die tatsächliche Größenordnung der investierten Projektstunden werden einem diese Zahlen in Zukunft den Rücken beim Verhandeln neuer Projekte stärken und zukünftige Auftraggeber werden diese Stärke und selbstreflexive Kraft und Erfahrung spüren und schätzen und bereit sein, zu höheren Sätzen zu beauftragen, um damit an besagter Präsenz ihres Dienstleisters und Projektpartners teilzuhaben.
Oops. Fast ein bisschen pastoral geworden, diese Einlassung, in jedem Fall aber ziemlich lang – was mir etwas leid tut.
Marcus Lepie
Nachtrag: zwei sehens- und hörenswerte Vorträge zum Thema: Clemens Schedler im Rahmen der Typo 2006 und ganz aktuell Michael Bierut 2010 im Rahmen eines CreativeMornings: http://vimeo.com/9084072
Felix
Wenn ich mir so ansehe, was so alles designt wird und in welcher Qualität, dann finde ich dass die MEisten auch nicht mehr Geld verdienen sollten.
Es gibt zuviel zu schlechte Designer, wo soll denn da die Wertschätzung herkommen?
Ein „Aldi-designer“ bekommt eben auch „Aldi-bezahlung“…
thomas junold
felix. du kannst auch in den supermarkt gehen und aus staub zusammen gekehrte backwaren für 30 cent das zehnerpack kaufen. und warum? weil es leute gibt, die nicht mehr geld ausgeben wollen.
genau wie im grafikdesign, die pommesbude braucht kein erscheinungsbild, keine super clevere marketingstrategie. gute pommes machen, nett und lustig sein beim verkauf und der laden läuft. größere firmen und giganten werden das von sich aus anders sehen, es sei denn die entscheider sind mit dem klammerbautel gepudert, was blöderweise oft genug vorkommt. wer ist dann schuld? der kommunikationsdesigner, der seine guten ideen nicht verkaufen konnte und nicht mans/fraus genug war, den auftrag zu kippen oder der mit dem falschen puder behandelte entscheider?
eine immer wiederkehrende frage, die wir nie never ever final beantworten können.
aber mal ganz anders gesagt, es braucht immer auch das schlechte um das gute zu erkennen. die informationen zweier vergleichbarer dinge besteht aus dem unterschied. die gausssche glockenkurve ist überall. das ist okay. jeder sollte für sich entscheiden, wo er/sie stehen mag und welche art von qualität ihn/sie nachts ruhig schlafen lässt.
wenn alles superduperhyper wäre, was wäre dann noch besonders? was ist faktisch schlechtes grafikdesign? es gibt technische kriterien, aber was ist, wenn der geschmack der entscheider war? dann ist jede diskussion auf eine subjektive ebene zurückgeworfen und damit eigentlich zwecklos, wenn vielleicht auch interessant.
zu sagen, dass das meiste schlecht ist, ist daher schlicht und erfreifend FALSCH! :)
Adam
Das Problem ist einfach, dass heute jeder Designer ist (Kunden sehen sich ja auch als Kreative). Die meisten sich durch einen kreativen Beruf selbst verwirklichen wollen.
Vielen davon machen schon während des Studiums lieber ein tollen Auftrag als Geld zu verdienen und müssen dann nebenbei Kellnern.
Die Folgen davon sind einmal arme Designer und zweitens oftmals Jobs die am Kunde vorbei gearbeitet worden sind. Da der Designer einmal für sich selbst gearbeitet hat und dann für den kreativ Wettbewerb.
Abschließend muss man sagen, dass diese Statistik schockierend ist. Im Informationszeitalter angekommen, in dem es für den Kunden immer wichtiger wird mit Profil und Qualität zu kommunizieren, um in der Masse der Informationen herauszustechen und erhört zu werden, verliert der Job des Kommunikationsdesigner immer stärker an Gewicht.
Henning Krause
zu Hannes #20
Hier ein paar Ergebnisse zu den gestellten Fragen, Teil 1
Zur Frage der durchschnittlichen Arbeitszeiten:
Selbstständige: 40,83 Wochenstunden
Angestellte: 43,78 Wochenstunden
Mischformen: 42,5 Wochenstunden
Kaum ein signifikanter Unterschied zwischen Selbstständigen und Angestellten.
Henning Krause
Ergebnisse zu den von Hannes gestellten Fragen, Teil 2
Zur Frage nach der Jahreseinkommensverteilung differenziert nach Selbstständigen und Angestellten
Selbstständige:
0 – 5.000 10,28 %
5.000 – 15.000 25%
15.000 – 25.000 31,39 %
25.000 – 35.000 14,72 %
35.000 – 45.000 5,5 %
45.000 – 55.000 4,4 %
55.000 – 65.000 2,78 %
65.000 – 75.000 2,5 %
75.000 – 85.000 1,39 %
85.000 – 95.000 0,55 %
> 95.000 1,39 %
Angestellte
0 – 5.000 6,39 %
5.000 – 15.000 14,44 %
15.000 – 25.000 40,83%
25.000 – 35.000 20,55 %
35.000 – 45.000 11,67 %
45.000 – 55.000 3,05 %
55.000 – 65.000 1,39 %
65.000 – 75.000 0,83 %
75.000 – 85.000 0,28 %
85.000 – 95.000 0,28 %
> 95.000 0,28 %
Mischformen:
0 – 5.000 6,08 %
5.000 – 15.000 21,96 %
15.000 – 25.000 41,22 %
25.000 – 35.000 16,22 %
35.000 – 45.000 8,11 %
45.000 – 55.000 4,05 %
55.000 – 65.000 0,34 %
65.000 – 75.000 0,67 %
75.000 – 85.000 0
85.000 – 95.000 0,34 %
> 95.000 1,01 %
Angestellte sind stärker im Mittelfeld vertreten, die Glockenkurve verläuft bei Selbstständigen flacher. Hier muss man sich hier vor Augen halten, dass das Einkommen der Selbstständigen auch wesentlich stärker schwanken kann. Wirklich aussagekräftig werden solche Zahlen durch den Vergleich über längere Zeit, wenn man das Ausmass der Schwankungen in Relation zu konjunkturellen Marktbewegungen setzen kann. So sind diese Zahlen bei den Selbstständigen ein Schnappschuss.
Henning Krause
Ergebnisse zu den von Hannes gestellten Fragen, Teil 3
Zur Frage der Zufriedenheit mit der Entlohnung, differenziert nach Selbstständigen und Angestellten
Selbstständige
gerechte Entlohnung ja: 33,61 %
gerechte Entlohnung nein: 66,39 %
Angestellte
gerechte Entlohnung ja: 25,7 %
gerechte Entlohnung nein: 74,3 %
Mischformen
gerechte Entlohnung ja: 28,04 %
gerechte Entlohnung nein: 71,96 %
Ein Drittel der Selbstständigen empfindet sich als angemessen honoriert, jedoch nur ein Viertel der Angestellten bezeichnet sich als gerecht entlohnt.
BAR M Grafikdesign
Wir schliessen uns microboy an. Mit der Umfrage hat der BDG gegen die hier im Fontblog zitierten Veröffentlichungen und Realitätsverzerrungen Relevantes entgegen gesetzt.
Die Umfrage – obwohl wie zurecht angemerkt leider nicht repräsentativ – bestätigt die Ergebnisse aus dem Bekanntenkreis.
Wie schnell man in unserer Branche zum oberen Einkommensdrittel gehören kann ist erschreckend. Wir freuen uns, dass wir dabei sind. Unsere Freude ist allerdings stark überschattet durch die hier zutage tretende Realität.
erik spiekermann
Ich weiß nicht, wie ein selbstständiger gestalter mit 40 stunden die woche auskommt. Ich arbeite seit jahr und tag mindestens 5o stunden an den wochentagen und bestimmt jedes wochenende noch einmal 10. Und gelegentlich wird’s auch mal mehr. Davon gehen bei mir mindestens die hälfte der stunden nicht mit arbeit für auftraggeber drauf, sondern für neugeschäft, verbindungen pflegen, antworten von studenten beantworten (bestimmt 10 anfragen pro woche), diplome betreuen (meine honorarprofessur bringt kein geld, nur arbeit), vorträge vorbereiten, allgemeine verwaltung (obwohl mir da das meiste andere kollegen abnehmen), reisen, veranstaltungen besuchen. Das lernen, also lesen, informieren, netzwerken, rechne ich sowieso der freizeit zu.
Wer in diesem geschäft etwas ausrichten will, kann nicht um 17 uhr nach hause gehen und sich seinen hobbies widmen. Und es braucht mindestens 10 jahre, bis man überhaupt weiß, wie der hase läuft.
Wenn ich also meine lebensarbeitszeit zusammenrechne, dann habe ich jetzt mit 62 bestimmt schon so viel gearbeitet wie zwei beamte. Ich müsste meinen monatsverdienst also eigentlich halbieren. Und rente kriege ich keinen pfennig. Aber ich würde mich nie beschweren, denn ich habe es mir selber ausgesucht und hätte viele alternativen gehabt. Das privileg kann man mit geld nicht aufwiegen. Ohne selbstausbeutung geht das nicht.
oliver vaupel
@Marcus Lepie
kann deinem langen kommentar von vorne bis hinten nur zustimmen! (ja ich habe ihn zuende gelesen:-) er macht mut und nennt den richtigen weg angesichts der ernüchternden zahlen.
p. weber
Ich wusste, dass sie wenig verdienen. Aber weniger als 15.000 € Nettoeinkommen pro Jahr ist unmenschlich.
mein freund ist designer
äh ok ich glaub ich trenn mich mal eben von meinem freund und zieh die kinder lieber selber groß. hab ich mehr geld über!
Geld
Designer verdienen so gut?!
mattes
@p. weber
ich habe 11.600 netto im jahr. steh noch am anfang meiner karriere, was dies jedoch meiner meinung nach keineswegs rechtfertigt.
das muss man sich mal überlegen, ein hartzIV-empänger steht mir in sachen lebensstandart in nichts nach… traurig!
Stephan
Nach ca. 15 Jahren Berufspraxis als selbstständiger (diplomierter) Grafikdesigner kann ich sagen, dass diese BDG-Umfrage auch für mich die Realität wiederspiegelt, allerdings liegt meine Wochenarbeitszeit ebenfalls deutlich höher als 43 Stunden. Nach einigen Jahren, in denen sich sowohl meine Auftragslage als auch die Qualität und das «Kundenniveau» deutlich gesteigert hatten, stelle ich seit ca. 2-3 Jahren einen zunehmend härteren Kampf um Aufträge sowie ein extremes Preisdumping von Kundenseite fest. Das hat sicher mit den knapper werdenden Budgets im Kulturbereich (in dem ich fast ausschliesslich tätig bin) zu tun, aber auch mit der laufend steigenden Zahl von Gestaltern, ausgebildet oder nicht. Zudem zählt oft doch nur der Preis und die Ansprüche werden notfalls eher heruntergefahren.
Vor allem, und dass halte ich persönlich für eine der bittersten Erkenntnisse, die ich in meiner Berufspraxis gewonnen habe, wird nach wie vor der harte und verantwortungsvolle Beruf eines Gestalters auf der Honorarseite sehr oft wie eine «Liebhaberei» behandelt, wenn es aber um die Verantwortung für die technisch schwierigen Prozesse z.B. der Druckvorbereitung und -betreuung geht, wird man knallhart an die Kandare genommen wie ein Bauunternehmer (der aber anders rechnet und dieses Risiko dadurch schon einplanen kann).
So gesehen halte ich das Image des «Künstler-Designers» für eine fatale und einseitige Verzerrung des Berufsalltags, die dazu dient, die Vielzahl der Leistungen, gestalterische sowie handwerkliche und organisatorische, zur besseren Ausbeutung zu banalisieren.
Ich mache meine Arbeit meistens sehr gerne, habe oft wunderbare Projekte und Auftraggeber und halte mich in dieser Hinsicht für privilegiert. Auch ist für mich die Befriedigung durch eine Tätigkeit, die mich intellektuell und gestalterisch sowie von der Kommunikationsseite fordert, ein wesentlicher Grund, warum ich bis heute daran festhalte und auch stolz bin auf meine Arbeit. Aber es ist bitter, zu erkennen, dass eine Existenzsicherung auf Dauer trotz alles Herzblutes und alles Einsatzes wohl nicht möglich ist. Je älter man wird, desto klarer und beängstigender schiebt sich diese Perspektive ins Bild.
Ich fordere, dass diese Fragen auch in der Designausbildung sehr klar und offen angegangen werden. In meinem Studium wurde über das Finanzielle ein Mantel des Schweigens gelegt: Künstler und Geld, das passt ja nicht zusammen, und wer sich voll reinhängt, der wird es schon schaffen … schön wär’s.
tim
Ich könnte einwenden wollen, der beschriebene Zustand sei auf langjährige Arbeit von „kreativen“ Charakteren, denen es „von Anfang an nie um Geld“ ging, zurückzuführen. Ich kenne zuviele (auch gute) Gestalter, die unstrukturiert und dann oft auch noch ängstlich und unentschloßen auftreten.
Mein Eindruck ist, daß auch (wenn nicht vor allem) das Selbstverständniss und der geschaffene Wert den Stundensatz bestimmen und viele Grafiker (so wurde das hier oft bezeichnet) noch nicht einmal Ahnung haben, welche Werte sie tatsächlich schaffen könnten, vollkomen planlos und unreflektiert durch Leben und Arbeit stolpern und das dann „kreativ“ nennen. Statt mit Kommunikation wird doch viel zu viel Geld mit „hübsch“ (oder nochnichtmal-hübsch) verdient. Die wenigsten Grafiker sind Kommunikationsexperten, sondern krebsen fröhlich auf Oberflächlichkeiten herum. Dabei macht in Deutschland bei (ich muß jetzt schätzen) 2 von 3 hier relevanten Studiengängen das Wort „Kommunikation“ die Hälfte der Bezeichnung aus.
Ich behaupte jetzt mal fresch, daß es sicher zu viele Grafiker gibt, aber viel zu wenige Leute, die Kommunikation gestalten. Und die meisten sind einfach „irgendwie kreativ (oder so)“ und weder das eine noch das andere (autsch).
Dann dann erklär mal ’nem Kunden, warum er dir Geld geben soll.
Andererseits: Wie soll man auch Ideen haben oder klarkommen, wenn man die ganze Zeit Angst haben muß, die Miete nicht bezahlen zu können? Und dann hat man auch keine Ideen mehr, alles ist „blöd“ und man macht Überstunden (die selten etwas bringen)… ein Teufelskreis? Oder auch eine Frage der Ausbildung? Viel zu oft habe ich „sieht gut aus“ oder „sieht nicht gut aus“ im Studium als Argument gehört. Stimmt zwar auch oft, hilft aber selten (außer man will vieleicht Preise gewinnen).
Final Note: Der Text ist von oben nach unten geschrieben und ist nicht ganz stringent. sorry.
Stephan
Lieber Tim,
ich finde, Du sprichst das Problem nicht wirklich an, wenn Du Dich ausschliesslich über das Thema Qualität auslässt. Natürlich gibt es Unterschiede und ich gebe Dir völlig recht, wenn Du schreibst, dass viele Grafiker planlos und unreflektiert arbeiten und sich über den Tisch ziehen lassen, weil sie in der Frustspirale keine Motivation mehr aufbauen können. Allerdings gibt es das doch in allen Lebens- und Arbeitsbereichen: bei Zahnärzten und Steuerberatern, in der Baubranche, im Gastgewerbe, wo auch immer. Das kann also nicht der Punkt sein, denn selbst ein schlechter Zahnarzt oder ein planloser Rechtsanwalt kommt im Schnitt auf ein höheres Jahreseinkommen.
Nein, der Punkt ist der niedrige gesellschaftliche Stellenwert, den Kommunikationsdesign in Deutschland seit Ende des 2. Weltkrieges inne hat. Dass dies auch mit unkompetenter und auf gut-/schlecht-Kategorien sich erschöpfender Lehre hat, finde ich auch. Ich denke aber vor allem, dass es auch damit zu tun hat, dass Design und Kunst zu schnell in einen Topf geworfen werden und bei Kunst zählt dann nach bürgerlicher Lesart eben Talent, Gabe was immer, aber nicht handwerkliche Solidität, Erfahrung und last not least kaufmännisches Wissen. Was für ein Quark! Stell Dir einen Tischler vor, der zwar Visionen von tollen Tischen hat, aber nicht weiß, wie man eine haltbare Verbindung zwischen zwei Teilen herstellen kann …
Solange das Selbstverständnis von uns Designern auf einem so unausgegorenen Level dahinkrebst, kann auch kein Geld verdient werden, klar. Ich bin aber nicht dafür, dass den einzelnen Leuten als Blödheit in die Schuhe zu schieben, sondern fordere, dass die Lehre den kaufmännischen Teil gleichbedeutend mit z.B. der Vermittlung von Kreativ-Skills vermittelt. Und last not least geht es auch darum, sich artikulieren zu können und seine Stellung im gesamtgesellschaftlichen Gefüge definieren zu können. Wohlgemerkt: es geht hier nicht darum, Leuten zu empfehlen, sich als Erfüllunggehilfen von grossen Konzernen vor den Karren spannen zu lassen: hier fliesst sicher schnell mehr Kohle, und der Frust steigt dennoch, da man nur noch macht, was andere sagen. Sondern darum, dass Design immer auch politisch ist und Veränderungen mitgestalten kann, ja muss.
Jetzt bin ich vielleicht ein wenig vom Thema ab, aber da dieser Blog schon lange ruht, kann man ruhig mal was ansprechen, was eben auch dazu gehört.
Frohe Ostern!
Stephan
Mr. Loewenstein
rob robbt
Traurig ist, dass ihr noch immer an Awards glaubt. Wollt ihr euch weiter an diesen teuren Spielereien messen lassen? Da muss ich aber lachen.
Österreich – bekannter Award eines durchschnittlichen Urlaubsbundeslandes: Die Sieger arbeiten oft zusammen, sie kennen sich, unterrichten an den selben Schulen, drücken die eigenen Mitarbeiter, Verwandten und Bekannten mit Bestnoten durch die Institutionen, benachteiligen Außenseiter, ändern die Prüfungsregeln noch während der Tat und verteilen sich die Preise, unauffällig, so glauben sie, schön langsam untereinander. Im einen Jahr bekommt der einen …, im nächsten der. So positioniert man sich – langsam und sicher!
Das da auch noch auswärtige Agenturen zum Zuge kommen ist einfach nur – notwendig, um nicht aufzufallen.
Deshalb sagt einer der berühmteren deutschen Werbetexter (Uwe Neumann, Autor mehrerer Bücher, siehe dazu: wikipedia, deutsche Werbetexter, Literatur), man solle nie an Wettbewerben teilnehmen. Dass aber gerade diese ein solches Ansehen genießen, das ist Ironie!
david
Und wenn man in nicht allzu ferner Zukunft mit Gestaltern aus bevölkerungsreichen Billiglohnländern konkurriert, wird’s richtig spannend. Dann dreht sich die Lohnspirale gleich noch mal schneller.
andy
sorry ich kann das nicht nachvollziehen. ich arbeite seit 2 jahren als freelancer und fange erst jetzt mit dem studium kommunikationsdesign an. nicht weil ich mir durch den abschluss mehr geld erhoffe sondern einfach mehr skills dazubekomme und mir dadurch jobs und klar auch annerkennung verschaffe. denn ohne diese geht es ja auch nicht. klar ist das nicht jeder designer nach dem studium einen gut bezahlten job bekommt denn mit dem bachelor wird man ja nicht automatisch kreativ. sich durch die klausuren arbeiten und grad noch bestehen ist nicht grad das wahre. wenn einer nicht gerade ein kellerkind ist und sich selber gut verkaufen kann, dann findet er auch einen gut bezahlten job und sei es in einem mittelständischen unternehmen im marketing (man muss ja nicht immer gleich die neuesten designstudien für bmw skizzieren) ein bisschen flexibilität ist hier manchmal sehr rar
Sabine Epperlein
Vielen Dank für die ernüchternden Zahlen,
trotz laufender Aufträge und zufriedenen Kunden war 2012 auch nicht all zu viel herauszuholen. Manchmal ist man echt motivationslos und denkt daran den Beruf zu wechseln. Ich möchte alle Kollegen bitten nicht zu Dumpingpreisen zu arbeiten, sondern die Branche mit reellen Angeboten zu stärken. Wie auch immer, reich bin ich nicht geworden, leiste mir jedoch trotzdem ein Baby.., vielleicht auch noch ein neues Fahrrad.
Allen Kollegen viel Freude bei der Arbeit im Neuen Jahr!
Beste Grüße
Sabine