Schweizer Künstler hebeln Internet-Zensur aus

Die beiden Schweizer Künstler Mathias Jud und Christoph Wachter haben eine verblüf­fend einfache Methode entwi­ckelt, um die zur Zeit übli­chen Internet-Zensurmethoden zu unter­wan­dern. Hierzu verwan­delt ihr Picidae-(Specht)-Server ganze Webseiten in Bilder.

Sie haben das Verfahren jüngst getestet: in China (Selbstversuch mit Picidea in China). »Es ist bekannt, dass in China eine starke Zensur besteht. Contents werden gefil­tert und Seiten gesperrt.«, sagt Christoph Wachter gegen­über kultur­zeit (3sat). Zahlreiche Internet-Seiten seien in China nicht erreichbar. Etwa das Online-Lexikon Wikipedia und die Nachrichten-Seite der BBC. »Mit Picidae erstellen wir ein Bild einer Website« erläu­tert Mathias Jud. »Wir benutzen dieses Bild als Verschlüsselung, das heißt, die Zensur ist nicht mehr fähig, inner­halb dieses Bildes den Text zu erkennen. Wir Menschen sehen diesen Text aber im Bild auf dem Screen, das heißt, es sieht genau gleich aus.«

Wer bei Picidae eine Internet-Seite aufruft, erhält von einem Server umge­hend das auto­ma­tisch gene­rierte Bild dieser Webpage, etwa der gesperrten Seite »Tianwang«. Dank raffi­nierter Technik bemerkt der Benutzer nichts davon, dass er auf einem Bild surft. Alles erscheint normal.

So funk­tio­niert Picidae:

Picidae aufrufen und Webadresse eingeben. Picidae erstellt ein Bild der Webseite und sendet dieses zurück. Damit das Surfen auf dem Abbild möglich wird, setzt der Pici-Server auf dem Abbild überall dort Links, wo diese auf dem Bild zu sehen sind: Das Abbild »fühlt sich« wie eine HTML-Seite an. Seiteninhalten, Seitentiteln, Bildern und Links gibt Picidae unver­fäng­liche Decknamen. Damit auch die eigent­li­chen URLs von Zensurprogrammen nicht erkannt werden, wird der Userinput vor dem Übertragen eines Formulars mittels Javascript codiert.

Übrigens kann jeder einen Pici-Server auf seiner Webseite instal­lieren: Der Quelltext ist auf der Developer-Section frei down­loadbar. Mit den dort eben­falls ange­bo­tenen Banner & Tags kann man von der eigenen Webseite aus auf die picidae Homepage, einen pici-Server oder einen pici-Proxy verlinken.

(Abbildungen: Picidae)


21 Kommentare

  1. HCL

    sehr cool! thanx für den tipp!

  2. jamie oliver

    So simpel und doch so clever! Da hätte man doch selber drauf kommen müssen. Ärgerlich!

  3. Phil

    Nicht schlecht. Aber vermut­lich wird die komplette Seite einfach eben­falls zensiert, wenn sie populär wird.

  4. Tim

    @Phil … genau das habe ich auch direkt gedacht. Das Prinzip ist ja ganz schlau, aber lange wird man damit wahr­schein­lich keine Freiheit genießen können.

  5. Jürgen

    Das macht ja nix, wenn die Original-Picidae-Seite zensiert wird: Jeder Internet-Server kann die pici-Server nutzen. Die Schweizer gehen davon aus, dass in naher Zeit ganz viele die Technologie anbieten werden.

  6. Till Westermayer

    Wäre auch was nettes für die BlueWall-Werbesäulen: da ist nämlich eine ganze Menge (z.B. mein durchaus harm­loses Block) nicht auf der Whitelist und damit nicht aufrufbar.

  7. Florian

    Lässt sich auch gut als Screenshot-Dienst missbrauchen … :)
    Allerdings sind auf dem Picidæ-Server nur wenige Fonts instal­liert – nicht mal Georgia ist dabei.

  8. Valentin Beyer

    Links in Imagemaps kann Picidae aber nicht iden­ti­fi­zieren. Das ist seltsam, da es ja eigent­lich kein großes Problem darstellen sollte. Vielleicht wurde es einfach nur vergessen.

    Scheint mir aber ein sehr schi­cker Service zu sein.

  9. kai

    das ist ja schon fast was für einen Nobelpreis!!

  10. Tobias

    Schafft eine vernün­fitge Bilderkennung nicht trotzdem solche „Bild-Seiten“? Es lassen sich Kennzeichen aus flie­ßendem Verkehr filtern, etc … und gerade ein Staat der über­wa­chen will, wird entspre­chende Bilderkennung schon in der Hinterhand haben ;o) …

  11. jamie oliver

    Die umge­kehrte Suchmaschinen-Optimierung. Heheh.

  12. Alexander Hahn

    Unglaublich gute Idee, das es sowas erst jetzt gibt!
    Die Idee gibts ja theo­re­tisch schon länger, dank anderen „Screenshot“ Seiten, nur eben ohne die Navigationsmöglichkeit, ich bin begeistert!

  13. Eixi

    so einfach und doch so genial!

  14. bu

    schlimm wäre es wenn die chine­si­sche regie­rung das prinzip erkennt und so nutzt, dass sie eine scheinbar für meinungs­frei­heit kämp­fende seite erstellt, die diese picidae tech­no­logie unter­stützt, die seite in der chine­si­schen öffent­lich­keit bekannt machen lässt und wieder aber seiten zensiert. verständ­lich beschrieben?
    die idee ist aber verdammt gut umge­setzt, habs bei kultur­zeit gesehen.

  15. stiip

    > schlimm wäre es wenn die chine­si­sche regie­rung das prinzip erkennt und so nutzt <
    genau deshalb ist ja der Server OS, damit er auf möglichst vielen Sites einge­baut wird … damit könnten die chine­si­schen (und künftig auch deut­schen) Überwachungsbehörden über die Kommunikationsdatenüberwachung zwar sehen, *dass* eine Picidae-haltige Seite benutzt wird, aber nicht, welche Sites von dort aus besucht werden.

  16. Kunst

    Geniale Idee. Hätte man selber drauf kommen können. Fehlt nur noch der auto­ma­ti­sche Übersetzer, dass die Chinesen auch die Inhalte verstehen können.

  17. panti

    Kann viel­leicht jemand den Quellcode hier oder auf einer anderen Seite rein­ko­pieren? Da China nun den ganzen Pici-Server gespert hat, habe ich hier aus Peking auch keinen Zugang mehr zum Quellcode. Danke!

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