Schreibschrift lebt!
Im Fontblog ist sie Stammgast: Die Schreibschrift. Totgesagt in der Schule. Digital wiederbelebt. Diskutiert, erklärt. Erst im Sommer griff FontShops Type Talk im Berliner Apple Store das Motto auf. Andreas Frohloff, gelernter Schildermaler, Kalligraf – heute typografischer Direktor der FontFont-Schriftbibliothek, zeigte, wie die Schreibschrift mittels zunehmend ausgefeilter digitaler Kalligrafie auf Computer und Pad Einzug hält.
Schriftenhäuser veröffentlichen Schreibschriften – auch Scriptfonts genannt – mit sehr unterschiedlichen Konzepten zur technischen Umsetzung unter Bewahrung des Script-Charakters. Hier eine Zusammenstellung:
FF Pepe, Feel Script, Kinescope (von oben nach unten): Das Genre Schreibschrift enthält Vertreter, wie sie kaum unterschiedlicher ausfallen könnten
FF Pepe entwarf der spanische Designer Pepe Gimeno 2002. Was kaum jemand weiß – Andy Warhol lieferte die Vorlage für Pepe: Das Langspielplatten-Cover einer Lesung von Tennessee Williams aus dem Jahr 1952 zierte die unregelmäßige Schreibschrift der Pop-Art-Ikone. Allerdings ist sich die Fachwelt nicht einig, ob Andy die Kringelbuchstaben selbst zu Papier brachte oder seine Mutter Julia Warhola schreiben ließ, die in der frühen Phase seines Künstlerdaseins öfters für ihn zur Feder griff (mehr zu Warhols Frühphase bei Wikipedia).
Kinescope ist die Neuinterpretation einer US-Pinselschrift aus den 40er Jahren, die Mark Simonson (Bookmania, Proxima Nova) im Comic ‘Fleischer Brothers’ Superman’ gefunden hat. Die OpenType-Technik sorgt automatisch dafür, das sich immer die zueinander passenden Buchstaben anschließen; hierfür hat der Entwerfer 6 stilistische Varianten angelegt (Formatsätze). Mehr Informationen und Anwendungsbeispiele im liebevoll gestalteten Kinescope-User-Guide-PDF (5 Seiten, 2 MB).
Feel Script greift amerikanische Schreibschriften zwischen 1935 und 1955 auf. Mit Stift, Feder, Stahlstich und Reprokamera entstanden neue Script Fonts mit dem Beginn des Fotosatzes und durch die Entwicklung des Fernsehens. Im aufrechten und gut gelaunten Feel Script Font, der hervorragend für Auszeichnungen, Verpackungen oder Poster eingesetzt werden kann, stecken 1200 Zeichen raffinierteste OpenType-Technologie. Mehr über Ale Paus Recherchen bei der Entwicklung der Feel Script im Feels-Good-Post.
Font-Pakete
• FF Pepe Multiformat | 1 Font | ab 39 Euro
• Kinescope OT und Web | 2 Fonts | ab 25 Euro
• Feel Script OT und Web | 1 Font | je 72,50 Euro
Hipster Script, P22 Zaner (rechts), MeMimas & MeMimas Dots, Baka (von oben nach unten): Gekratzt, beschwingt oder sogar gepunktet – Schreibschriften sind Blickfänger mit Persönlichkeit
Hipster Scripts Entstehung beschreibt Alejandro Paul so: „Hipster Script schließt meine zahlreichen Versuche, die Kluft zwischen manueller und digitaler Schrift ein Stück weiter. Ich griff diesmal zum Pinsel, brachte den Schriftzug auf Papier und legte mein Augenmerk darauf, die Zeichen ebenso fließend in den Computer zu bekommen.“ 1851 Hipster-Glyphen später, belohnte der Type Directors Club Pauls Bemühungen mit der Wahl unter die besten Schriften 2012.
P22 Zaner ist eine Federschrift, die auf der Handschrift des einflussreichen amerikanischen Schreiblehrer, Charles P. Zaner basiert, der 1888 das Zanerian Art Center gründete. Mit den beiden OpenType-Fonts (entwickelt von Paul D. Hunt) lassen sich ausgeklügelte kalligrafische Schriftzüge konstruieren, wahlweise mit mehr oder weniger Zierschwüngen, floralen Elementen und weiterem Zierrat (enthalten in einem zweiten Font). Ideal für Urkunden, Etiketten, Packaging und festliche Drucksachen. Mehr über die Geschichte von Zaner und Anwendungsbeispiele im Zaner-PDF.
Baka bedeutet auf japanisch Dummkopf. Was als Schreibexperiment auf Papier begann, gefiel Neil Summerour so gut, dass er Baka digital in eine perfekte Form brachte. Mehr als 1000 Zeichen wurden von ihm auf Baumwollpapier entworfen und in die beiden Zeichensätze Baka und Baka Too überführt. Er zeichnete die Lettern übrigen nicht mit einem Pinsel, sondern mit einen Füllfederhalter, dessen Spitze er abgeschrägte.
MeMimas Dots von Joan Barjau, José Manuel Urós ist der Star der MeMimas-Familie. Sorgfältig platzierte Punkte machen die Skript zu einem absoluten Hingucker und ermöglichen ein weites Spektrum von Effekten — allein oder in Kombination mit weiteren Schnitten aus der umfangreichen MeMimas-Familie. Wie bei Type-Ø-Tones Standard, verfügen alle Mitglieder der MeMimas-Familie einen üppigen Zeichenvorrat: einen Schriftschnitt mit Alternatebuchstaben und einen mit Ligaturen und Endbuchstaben.
Font-Pakete
• Hipster Script OT Pro und Web | Font | je 58 Euro
• P22 Zaner Pro Set OT und Web | 12 Fonts | ab 333,50 Euro, Font ab 24,95 Euro
• MeMimas Familie OT und Web | 12 Fonts | 392 Euro, Font ab 42 Euro
• Baka OT | Font | 16 Euro
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Foto: Shutterstock (modifiziert), Schriftmuster: FontShop Plugin, Preise zzgl. MwSt., Preisänderungen vorbehalten.
4 Kommentare
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Bongratz
Sehr um die Schreibschrift bemüht: Peter Wiegel. http://www.cat-fonts.de/
Curd
Die auch: http://deutschesprachwelt.de/ – Zu erhalten gegen einen Spendenbeitrag, den ich vierteljährlich gerne entrichte, sodass die Kosten gedeckt sind und ich ein bisschen Aufklärung erfahre, was so alles im Hintergrund des Alltags läuft.
Morpheus
Die „Deutsche Sprachwelt“ dazu:
Die Seite 7 der neuen Ausgabe iſt übrigens komplett in gebrochener Schrift geſetzt und beſpricht natürlich die Geſchichte unſerer Schrift: jetzt Teil 1.
Für Interessierte: http://deutschesprachwelt.de/
φέρειν
Traurig daran ist nur, dass die sich mehr um Schrift- und Schreibkultur bemühen als die Hersteller dieser Ware selbst. Ob die keine Lobbys wie Kammern etc. haben?